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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 23 - Jahrgang 1938
Röm 7 – Versiegelung und BefreiungRöm 7 – Versiegelung und Befreiung
Die Antwort auf die Frage über Röm 7 in „Handreichungen“ 1938, Liefg. 1 führte zu dem Ergebnis, daß die „Versiegelung“ bei dem Empfang des Heiligen Geistes zu Anfang des Glaubenslebens stattfindet und unabhängig von Erkenntnis und Verständnis darüber seitens des Glaubenden ist. Die Befreiung hingegen ist abhängig von der Erkenntnis ihres Vorhandenseins in Christo und von dem Ergreifen derselben in kindlichem Glauben.
Zu Nutz und Frommen der Leser und etwaiger Zweifler diene folgendes: Die obenerwähnte Antwort war geschrieben. Eine Schwester las sie. Voll Überraschung rief sie aus: „So wie es dasteht, war es gerade bei mir! Im Jahre 1900 wurde ich bekehrt, d. h. ich konnte es fassen und für mich annehmen, daß der Herr Jesus für meine Sünden gestorben sei und mich erlöst habe. Aber doch war es weiterhin so, daß ich bei mir nicht fand, was mich hätte ruhig sein lassen, weil etwas Ähnliches wie das in Röm 7 meinen Frieden störte. Erst 1921, nachdem ich mit den Brüdern bekannt geworden war und mir einer auseinandersetzte, daß nicht nur meine Sünden auf dem Herrn Jesus gelegen hatten, sondern auch mein ganzer sündiger Zustand, da erfuhr ich und weiß es seither, daß ich ‚befreit‘ bin.“
Am Abend war noch eine andere Schwester da. Die Rede kam wieder auf diesen Gegenstand. Sie sagte dasselbe, was die erstgenannte gesagt hatte. Nur seien es bei ihr nicht 21, sondern nur 3 Jahre gewesen.
Der Verfasser der Antwort konnte sagen, daß er kurz nach seiner Bekehrung diese völlige Erlösung erfahren habe, weil er gleich die richtige Belehrung darüber empfing.
Er ging mit der erstgenannten Schwester durch fragende Anwendung von Schriftstellen und darauf gegebene Antworten der Sache auf den Grund.
1. War bei der Schwester Joh 3: „aus Wasser und Geist geboren“ so wahr wie bei dem Frager? Ihre Antwort: Ja.
2. War bei der Schwester Gal 4,6: „weil ihr Söhne seid, so hat Gott den Geist Seines Sohnes in unsere Herzen gesandt, der da ruft Abba, Vater!“ so wahr wie bei dem Frager? Sie antwortet: Ja.
3. War bei der Schwester Gal 5,22: „Die Frucht des Geistes aber ist: Liebe, Freude“ usw. und 2Kor 13,13: „die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!“ so wahr wie bei dem Frager? Sie antwortet bestimmt: Ja.
4. War bei der Schwester 1Kor 3,16: „ihr seid Gottes Tempel, und der Geist Gottes wohnt in euch“ und Röm 8,27: „der Geist verwendet sich für Heilige Gott gemäß“ so wahr wie bei dem Frager? Sie antwortet: Gewiß.
5. War bei der Schwester Röm 8,9.11: „Gottes Geist wohnt in uns, deswegen wird Er unsere sterblichen Leiber lebendig machen“ und Röm 5,5: „die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den uns gegebenen Heiligen Geist“ so wahr wie bei dem Frager? Antwort: Jawohl.
6. Verstand die Schwester, was in 1Kor 12 über die Offenbarung des Geistes durch die Gnadengaben zur Erbauung gelehrt wird und was in Eph 1,13.14 und 4,30 sowie in 2Kor 1,22 und 5,5 über den Heiligen Geist der Verheißung als Versiegelung auf den Tag der Erlösung und als Unterpfand unseres Erbes zur Erlösung des erworbenen Besitzes gesagt ist? Antwort diesmal: Nein. Und die Ursache? Weil in der Gemeinschaft, wohin sie ging, von so etwas nicht die Rede gewesen sei. Nachdem sie als Dienstmädchen in der Fremde bekehrt und wieder heimgekommen war, wußte sie eben - das aber bestimmt -, daß der Herr Jesus sie errettet habe, daß man sich alle Mühe geben müsse, um vorwärts zu kommen in der Nachfolge des Herrn, in der Heiligung usw.
Als sie anfing, die Zusammenkünfte der Brüder zu besuchen, ging ihr erst ein Licht auf über das, was sie nicht gewußt und eigentlich auch nicht gesucht hatte, weil ihr der Betrieb in der Gemeinschaft genügt hatte: nämlich, daß dies eigene Trachten, sich zu vervollkommnen, ergebnislos bleiben mußte, daß die Vollkommenheit ebenfalls durch den Herrn Jesus ist. Sie heißt das jetzt: Befreiung vom eigenen Tun.
Ist nun Befreiung dasselbe, was Versiegelung ist? Ich habe schon gesagt: Nein. Für die Schwester, von ihrer Seite aus betrachtet, war das, was ihr nach 21jährigem Bekehrtsein widerfuhr, eine Rettung aus einem mehr oder weniger gefühlten Zustand des Unglücklichseins, wie Röm 7,24 ihn ausdrückt. Die andere Schwester sagte, sie wäre während der drei Jahre fast verzweifelt.
Wenn ein solches Menschenkind stürbe, bevor dieser Augenblick der Befreiung in seinem Leben gekommen ist, ginge es verloren, oder hätte das Wort aus Jesu Munde in Joh 3 Gültigkeit: „... auf daß jeder, der an Ihn glaubt, nicht verlorengehe, sondern ewiges Leben habe“? Oder warum schließt Johannes das, was er im 5. Kapitel seines ersten Briefes, V. 6-13, vom Zeugnis Gottes über Seinen Sohn sagt, mit den Worten: „Dies habe ich euch geschrieben, auf daß ihr wisset, daß ihr ewiges Leben habt, die ihr glaubet an den Namen des Sohnes Gottes“? Waren sie nicht versiegelt? Sie waren es. Und doch ist es nötig, erinnert zu werden?
Wenn wir die Augen nicht verschließen wollen: Ist es nicht aus dem Leben gläubig-frommer Männer, Dienern am Wort, bekannt, daß sie in dieser Hinsicht durch Sichtungszeiten gingen, als ob sie nicht versiegelt und befreit gewesen wären? An dem Wissen um die Befreiung muß es da gefehlt haben. Und gibt es nicht ungezählte von Herzen an den Herrn Jesus glaubende Menschen in Landeskirchen, Gemeinschaften und christlichen Gemeinden, die mangels schriftgemäßer Belehrung nie zum bewußten Genuß der Versiegelung und zur Befreiung kommen? -
Von der Versiegelung wird gesagt,
1. daß sie geschehen sei im Hinblick auf die „Erlösung des erworbenen Besitzes“ auf jenen Tag, da der Herr Jesus Seinen Rechtstitel auf alles Bestehende, das Er ja durch Sein Sterben für Gott zurückerkauft hat, geltend machen wird,
2. daß sie - d. h. der Geist Selbst, mit dem die Versiegelung geschieht - das Unterpfand sei zum Teilhaben an diesem durch den Herrn Jesus erworbenen Besitz.
Folglich: Die Schwestern und der Verfasser waren von Gott aus durch den Geist, der in ihnen war, als Sein Eigentum bestätigt, nachdem sie geglaubt hatten; denn in der symbolischen Sprache der Schrift bedeutet ein aufgedrücktes Siegel den Abschluß eines Geschäfts, Eigentumsanspruch, Sicherheit.
Aber das Wissen und Glauben, daß man den Heiligen Geist hat, läßt eine Seele noch nicht zur beglückenden Gewißheit kommen, daß sie Gottes unantastbares und unentreißbares Eigentum ist, solange sie hört, daß ein Kind Gottes wieder verlorengehen könne, was ja leider gelehrt wird2. Dazu kommt dann das Bewußtsein der eigenen Unvollkommenheit und das Bemühen, eine Vollkommenheit zu erreichen, die hinreichend ist, um entrückt zu werden, wenn der Herr für die Seinigen kommt.
Wenn dann, wie bei den beiden Schwestern geschehen, die Seele verstehen lernt, daß sie, als in Christo seiend, in einer Stellung des Vollendet- und vollkommenen Geheiligtseins ist3, dann fängt sie an, das beseligende Glück zu genießen, welches in der Gewißheit liegt: Durch den Geist, den ich seit meiner Bekehrung habe, der mir nie genommen wird, bin ich Gottes versiegeltes Eigentum im Hinblick auf die Erlösung des erworbenen Besitzes, an dem ich Teil haben werde; und ich weiß mich frei vom Geknechtetsein unter gesetzliches Tun. -
Vorstehendes soll erläutern, wieso Versiegelung und Befreiung meistens als ein und dieselbe Sache angesehen werden, obgleich sie es nicht sind.
Adelphos.
2 Zu diesem Gegenstand siehe „Handreichungen“ 1928, S. 132: „Kann ein Kind Gottes verlorengehen?“↩︎
3 Kol 2,10: „ihr seid vollendet - zur Fülle gebracht - in Ihm“.↩︎