Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 22 - Jahrgang 1937
AuserwählungAuserwählung
25Es ist mir ein besonderes Anliegen, uns mit einem Gegenstand zu beschäftigen, der ein wichtiger Teil der Lehre der Schrift ist, der aber wenig, ja, fast gar nicht beachtet wird.
Wir lesen Eph 1,3-11: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern in Christo, wie Er uns auserwählt hat in Ihm vor Grundlegung der Welt, daß wir heilig und tadellos seien vor Ihm in Liebe; und uns zuvorbestimmt hat zur Sohnschaft durch Jesum Christum für Sich Selbst nach dem Wohlgefallen Seines Willens, zum Preise der Herrlichkeit Seiner Gnade, worin Er uns begnadigt hat in dem Geliebten, in welchem wir die Erlösung haben durch Sein Blut, die Vergebung der Vergehungen, nach dem Reichtum Seiner Gnade, welche Er gegen uns hat überströmen lassen in aller Weisheit und Einsicht, indem Er uns kundgetan hat das Geheimnis Seines Willens, nach Seinem Wohlgefallen, das Er Sich vorgesetzt hat in Sich Selbst für die Verwaltung der Fülle der Zeiten; alles unter ein Haupt zusammenzubringen in dem Christus, das, was in den Himmeln, und das, was auf der Erde ist, in Ihm, in welchem wir auch ein Erbteil erlangt haben, die wir zuvorbestimmt sind nach dem Vorsatz Dessen, der alles wirkt nach dem Rate Seines Willens.“ -
Röm 8,29.30 u. 33: „Denn welche Er zuvorerkannt hat, die hat Er auch zuvorbestimmt, dem Bilde Seines Sohnes gleichförmig zu sein, damit Er der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern. Welche Er aber zuvorbestimmt hat, diese hat Er auch berufen; und welche Er berufen hat, diese hat Er auch gerechtfertigt; welche Er aber gerechtfertigt hat, diese hat Er auch verherrlicht ... Wer wird wider Gottes Auserwählte Anklage erheben? Gott ist es, der rechtfertigt; wer ist, der verdamme?“
Mit diesen Worten wird unser ganzes Sein - unsere Errettung mit inbegriffen - und alles, was wir sind, als unwandelbar in Gott Selbst verankert gezeigt.
Sofort, wenn unser Auge, unser Herz für diese gesegnete Tatsache geöffnet ist, kann voll und ganz bezeugt werden: „Ich habe den festen Grund gefunden!“
Und wie ungeheuer wichtig ist dieses in bezug auf unsere Lebensfreude und Lebensoffenbarung. Solange wir noch nicht verstanden haben, daß von der Tiefe der hinter uns liegenden Ewigkeit bis in die weite Ferne der sich vor uns ausbreitenden Ewigkeit alles fest lag und liegt in Gott Selbst und in unserem Herrn Jesus Christus, finden sich immer wieder Fragen, die uns Angst machen. Anstatt zu verwirklichen, was wir singen: „Wir ruhn in Dir!“, gibt es jedesmal wieder Fragen, die mit unserer Verantwortung, Treue, Eifer, Hingabe usw. zu tun haben. Mehr oder weniger bewußt machen wir noch manches abhängig von uns selbst.
Wie tief traurig ist es, daß ein großer Teil der Kinder Gottes die herrlichen Unterweisungen des Wortes Gottes in bezug auf die Auserwählung nicht aufnimmt und erfaßt.
Woher kommt das? Gewiß muß die Ursache wohl in der betrüblichen Tatsache zu suchen sein, daß in manchen Kreisen dasjenige, was Gott den Seinen in bezug auf Seinen Ratschluß geoffenbart hat, mit der Evangeliumspredigt vermischt wird. Dies hat dann zufolge, daß das, was Gott nur für Seine Kinder bestimmt hat, von seinem Platze genommen und dadurch ein Hindernis für die wird, die nichts damit zu tun haben. Und wo dieses geschieht, verwerfen geliebte Kinder Gottes gerade das, was sie mehr als alles bedürfen.
Unsere Verantwortung, Treue, Hingabe usw. kommen nach Gottes Gedanken erst dann zur Geltung, wenn wir verstanden haben, wie unser ganzes Heil, unsere vollkommene Seligkeit und alle die herrlichen Segnungen, die Gott uns hat zuteil werden lassen, auf der Fertigkeit und Sicherheit unserer Stellung in Christo ruhen, in dem wir vor Grundlegung der Welt von Gott auserwählt worden sind.
Sein herrlicher Heilsplan war bis ins kleinste fertig (wenn es uns erlaubt ist, uns so auszudrücken), ehe Er etwas von dem, was Er ins Dasein rief, hervorbrachte.
Will das nun sagen, daß wir auch auf alle Fragen eine Antwort haben? Will es sagen, daß wir alles erklären können? In dieser Frage selbst liegt ja schon das demütige Erkennen, daß dies uns nicht gegeben ist. Wir haben keinen Auftrag, alle schwierigen, dunklen Fragen zu lösen. Wie gut ist das! Der Glaube empfängt und beugt sich nieder in Anbetung. Obwohl ich die Tiefe der Liebe nicht ergründen kann, darf ich doch in ihrem Schoße ruhen.
Ruhen wir darin, dann lösen sich schon manche Schwierigketten - nicht in dem Sinne einer Rechenaufgabe, aber so, daß wir mit Ps 139,6 ausrufen: „Kenntnis, zu wunderbar für mich, zu hoch: ich vermag sie nicht zu erfassen!“
Die Schrift unterrichtet uns, daß, seitdem die Sünde in die Welt gekommen ist, der Mensch Gott gegenüber tot ist - tot in Vergehungen und Sünden. Derselbe Brief, der uns vergönnt, in die Tiefen des ewigen Ratschlusses Gottes hineinzuschauen, zeigt uns auch die Hoffnungslosigkeit unserer Stellung als aus Adam geborene Menschen. Eph 2,1 heißt es: „Auch euch, die ihr tot waret in euren Vergehungen und Sünden.“ Das waren die Epheser, ehe sie von neuem geboren waren. Arme, blinde, von Gott entfremdete Heiden. Und von den Juden heißt es im fünften Verse gleichfalls: „Als auch wir in den Vergehungen tot waren.“ So stehen Juden und Heiden genau auf derselben Stufe. Gleichwie im Römerbrief zuerst die Heiden (die Völker), dann die Juden (das Volk) in ihrer natürlichen Stellung dargestellt werden und es keine Ausnahme gibt, sondern alle (die ganze Menschenwelt) dem Gericht Gottes verfallen sind, so auch hier im Epheserbrief. Von uns, von dem Menschen ist also durchaus nichts zu erwarten. Und hätte der barmherzige Gott nicht eine unzählige Schar zum ewigen Leben auserwählt, es wäre nie auch nur ein einziger Mensch zum Leben gekommen.
Nun aber will der kluge Menschenverstand hier mit seiner Logik Schlußfolgerungen ziehen. Er sagt: „Wenn Gott also welche zuvor erwählt hat, hat Er die anderen zuvor zum Verderben bestimmt.“ Weil das aber gar nicht stimmt mit Seiner Liebe der ganzen Welt gegenüber, wie die Schrift uns dies zeigt, so folgert man: Eine Auserwählung gibt es nicht. Damit schlägt man aber der herrlich geoffenbarten Wahrheit ins Gesicht, denn Gottes Wort sagt unwidersprechlich, daß Er die Seinigen vor Grundlegung der Welt auserwählt hat.
Mein teurer Freund, sei doch nicht so töricht, zu meinen, daß du Gottes Tun mit deinem kleinen Verstand ermessen kannst. Seine Logik ist eine ganz andere als die unsrige, hoch über unseren Verstand erhaben.
Niemand der Verlorenen wird sich je darauf berufen können, daß er darum verlorengehen mußte, weil er tot war in Vergehungen und Sünden; daß er aber nicht zu den Auserwählten gehört hatte.
Ebensowenig wird aber einer der Erlösten sich rühmen können, daß sein Glaube, sein Ergreifen der Heilsbotschaft, seine Ausdauer oder etwas dergleichen ihm das Heil gebracht und ihn erlöst hätte. Gottes Ratschluß, Gottes Erbarmen, Seine unergründliche Liebe wird in Ewigkeit der Grund unseres Ruhmes sein.
Wir predigen der Welt keine Auserwählung. Kein Apostel, kein Prediger hat je diesen Auftrag bekommen. Wir predigen das volle, freie, herrliche Evangelium allen Menschen; Juden, Heiden, Namenchristen. Wir rufen es hinaus in alle Welt: „Bekehret euch und glaubt an das Evangelium! Wendet euch zu Mir und werdet gerettet alle ihr Enden der Erde! Kommet her zu Mir alle ihr Mühseligen und Beladenen, und Ich werde euch Ruhe geben.“
Und der Herr gebraucht uns, die Seinigen, zur Verkündigung dieser herrlichen, frohen Botschaft. Welche aber sind es, die sie hören? Es sind die, die sie hören in dem Sinne von Gehorchen - die Gehorsamen also, die der Einladung, dem Befehl folgen. Bist du oder ist jemand auf eigene Faust zum Glauben gekommen? Alle Prediger der frohen Botschaft haben die kostbare Zusicherung von Apg 13,48: „Und es glaubten, so viele ihrer zum ewigen Leben verordnet waren.“ Das ist die Antwort, die alle Prediger frohen Mutes vorwärtsgehen heißt. Sie gibt ihnen die herrliche Versicherung, daß Gott sie gerade zur Erreichung Seiner Absichten benutzt. Und die, welche zum Glauben gekommen sind, treten jetzt in Gottes Ratschluß ein. Sie sind jetzt nicht mehr draußen, sondern drinnen. Jetzt, da sie einen Platz drinnen in Gottes Gemeinde bekommen haben, werden sie als Kinder Gottes durch den Heiligen Geist in Gottes Heilsplan unterwiesen. Der Glaubende, der dem Evangelium, der frohen Botschaft, gehorchte und hineintreten durfte, findet hier: „Auserwählt vor Grundlegung der Welt!“
Jauchzt deine Seele bei dieser kostbaren Tatsache? Oder lehnt sie sich dagegen auf, weil du sie mit deinem Verstand nicht fassen kannst? Und nun möchtest du diese kostbare, herrliche Wahrheit Gottes ablehnen? Armes, törichtes Kind Gottes! Weshalb willst du nicht beide Seiten erfassen? Weil du sie nicht miteinander in Einklang bringen kannst? Es ist nicht deine Aufgabe, das Tun Gottes zu ergründen. Er ruft den Unbekehrten zur Bekehrung, und dieser soll im Glauben das Heil erfassen, das Gott anbieten läßt. Dem Gläubigen aber ruft Er zu, sich zu bekehren von seinen törichten Verstandesüberlegungen und zu glauben, was Gott ihm in Seiner unendlichen Güte über Seine Auserwählung vor Grundlegung der Welt mitgeteilt hat.
Kannst du Gottes Liebe, der Seinen Sohn dahingab, begreifen? Niemals! Du glaubst und jubelst und wirst in Ewigkeit jubeln. Aber glaube nun gleicherweise, ohne es zu verstehen, die andere göttlich herrliche und Seiner würdige Wahrheit, die dir versichert, daß Er schon in der Tiefe der Ewigkeit dich auserwählt hat, dem Bilde Seines Sohnes gleichförmig zu sein.
Gottes Erwählung ist das erste; dann kommt die Predigt des Evangeliums; dann der Glaube; dann der Wandel - und bald die ewige Herrlichkeit.
M. J. Schreuder.
25 Wer sich eingehend mit der „Auserwählung“ beschäftigen will, dem empfehlen wir das Büchlein Alb. v. d. Kammer, „Die Auserwählung Gottes“ (48 S., Preis 50 Pf). Fragen wie: „Ist Gottes Auserwählung nach Willkür? Wie stimmt sie zu der Verantwortlichkeit des Menschen? Hat Gott Menschen zum Verlorengehen zuvorbestimmt? Hat der Mensch einen freien Willen? Wie konnte Gott Esau hassen und Pharao verhärten? usw. usw.“ finden in dieser Schrift Beantwortung. Zu beziehen von Alb. v. d. Kammer, Klotzsche.↩︎