Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 11 -Jahrgang 1926
1Pet 1,15-17 - „Seid heilig in allem Wandel“1Pet 1,15-17 - „Seid heilig in allem Wandel“
„Wie der, welcher euch berufen hat, heilig ist, seid auch ihr heilig in allem Wandel; denn es steht geschrieben: ‚Seid heilig, denn Ich bin heilig‘. Und wenn ihr den als Vater anrufet, der ohne Ansehen der Person richtet nach eines jeglichen Werk, so wandelt die Zeit eurer Fremdlingschaft in Furcht.“ (1Pet 1,15-17).
Mit aller Sorgfalt müssen wir darauf achten, nie die praktische Heiligkeit von der Lehre der Gnade zu trennen, beide gehen Hand in Hand und sind untrennbar miteinander verbunden, Gnade und Heiligkeit zu trennen, wäre wirklich „die Gnade unseres Gottes in Ausschweifung verkehren“ (Jud 4). Gewiß, die Gnade Gottes ist es allein, die dem Menschen die Errettung bringt, aber „sie unterweist uns auch, die Gottlosigkeit und die weltlichen Lüste verleugnend, besonnen und gerecht und gottselig zu leben in dem jetzigen Zeitlauf“ (Tit 2,12). Laßt uns dies nie aus dem Auge verlieren!
Wir rühmen uns in Wahrheit (und wir sollten es immer tun), daß wir aus Gnaden errettet sind, aus einer Gnade, die uns nicht auf Kosten der Gerechtigkeit, sondern in der Kraft der Gerechtigkeit zuteil geworden ist, so wie uns das Kreuz Christi deutlich lehrt. Wir tun gut, immer wieder in der klarsten Weise zu bezeugen, daß wir kein Vertrauen auf unser heiliges Leben noch auf unsere guten Werke haben als etwas, das dem für uns gezahlten Lösegeld für unsere Errettung noch müßte hinzugefügt werden. Der ganze Ruhm unserer Errettung gehört Ihm allein. Aber während wir so unser Heil ganz allein auf die freie Gnade Gottes gründen, dürfen wir nicht vergessen, daß ohne das Geheiligtsein niemand den Herrn schauen (Heb 12,14) und kein Ungerechter das Reich Gottes ererben wird (1Kor 6,9).
Gott ist heilig, und Er erwartet von Seinen Kindern, daß auch sie heilig sind. „Seid heilig, denn Ich bin heilig.“
Die Heiligkeit ist ein charakteristischer Zug Seines Hauses und eins der Kennzeichen Seiner Kinder. Wenn es nötig ist, nimmt Er sie in Seine weise und liebreiche Zucht, damit sie Seiner Heiligkeit teilhaftig werden (Heb 12,10). Gleich einem Schmelzer sitzt Er und beobachtet uns wie Gold im Tiegel und läutert uns von den Schlacken, damit Sein Bild klar in unserem Leben und Wandel strahlen möge.
Aber das Fleisch, unwandelbar schlecht und unbrauchbar für Gott, ist noch da; es ist nicht hinweggenommen, wie einige uns glauben machen möchten. Gewiß, wir sind tatsächlich in Christo eine neue Schöpfung, und der Heilige Geist wohnt in uns; aber selbst dieses verändert und verbessert nicht die Natur des Fleisches und nimmt sie noch viel weniger hinweg. Doch gelobt sei Gott, daß wir nicht dem Fleische „Schuldner sind, um nach dem Fleische zu leben“ (Röm 8,12). Willst du seine Werke kennen lernen? In Gal 5,19-21 sind sie uns beschrieben. In das eine oder andere dieser bösen Dinge möchte das Fleisch uns hineinziehen, wenn wir ihm Raum geben, und ach, zuweilen hat es Erfolg. Dann triumphiert Satan, und Christus ist betrübt und verunehrt.
Wie schmerzlich, wenn das Kind Gottes in Sünde fällt! David, der König, fiel in Sünde. Wann? Zu der Zeit, „wann die Könige ausziehen zum Kampf“ und ganz Israel dem Feinde entgegenzog, er aber träge daheim auf seinem Hausdache wandelte (2Sam 11,1.2). Salomo fiel in Sünde, als er im Alter fremden Weibern erlaubte, sein Herz zu neigen und von seinem Gott abzuwenden (Neh 13,26; 1Kön 11,1-8). Ussija fiel in Sünde, als der Reichtum sein Herz mit Hochmut erfüllte, so daß er die Warnung von 80 wackeren Männern und die Gegenwart Gottes in seinem Heiligtum unbeachtet ließ (2Chr 26,16). Petrus fiel in Sünde: als er sich erkannt sah und nicht bekannte, schwur er, Jesus nicht zu kennen. So ist es vielen anderen ergangen.
Und ach, die bittere Angst und Qual, wenn dann ein Gläubiger, welcher so gefallen, aus seinem sündigen Traume erwacht! Er wird sich seiner Sünde bewußt und der Schande, die er dem zugefügt hat, dessen Namen er trägt; mit Schmerz sieht er, daß er Ungläubigen Anlaß gegeben hat, das Bekenntnis, welches er einst bekannte, zu verspotten und zu verhöhnen. Gott ist bereit, zu vergeben, aber es gibt Sünden, deren Narben niemals ganz fortgenommen werden auf dieser Erde, selbst wenn der Gefallene bittere Tränen wie Petrus weint.
Hüte dich, dich mit der Sünde einzulassen! Hüte deine Gedanken und Sinne! Erlaube ihnen nicht, sich mit der Sünde zu beschäftigen, damit sie dich nicht ins Verderben locken. Achan sah den Klumpen Gold, die Seckel Silber und die guten babylonischen Gewänder (Feierkleider), dann begehrte er sie, und dann nahm er sie und verbarg sie in seinem Zelt. Er sah, er begehrte, er nahm, er verbarg. Solches waren die Fußtapfen auf dem Wege des Falles. Aber seine Sünde kam an den Tag. Da gab es kein Entrinnen, „ganz Israel steinigte ihn mit Steinen in dem Tale Achor“ (Jos 7).
Und dann ein Simson. Obgleich er der Mann des Glaubens war, in einer unglücklichen Stunde legte er sein Haupt in den Schoß der Delila, und die Locken seines Nasiräertums wurden ihm genommen. In derselben Stunde verlor er seine Kraft, obgleich er es nicht wußte. So fiel er in die Hände der Philister. Diese stachen ihm die Augen aus und banden ihn mit ehernen Fesseln. Im Gefängnis mußte er für sie arbeiten, und schließlich holten sie ihn, und er mußte auf ihrem Freudenfeste vor ihnen spielen (tanzen) (Ri 16,18ff). Armer Simson! „Wie sind die Helden gefallen und umgekommen die Rüstzeuge des Streites“ (2Sam 1,27). Ach, daß wir uns doch hüten vor dem ersten Schritt auf dem schlüpfrigen Wege der Sünde und mit dem Anfang brechen möchten!
Vielleicht werden diese Zeilen von einem Gläubigen gelesen, der gesündigt hat - eine verborgene Sünde, die noch nicht vergeben ist. Ich brauche dich nicht zu fragen, ob du glücklich bist. Du kannst es nicht sein, es sei denn, daß dein Gewissen noch von der Sünde betäubt liegt. Wenn dem so ist, wie traurig ist dein Zustand! Aber wenn dein Gewissen erwacht - wenn deine Sünde gleich einem brennenden Feuer in deinen Gebeinen lodert, wenn sie dich Tag und Nacht verfolgt, dann laß mich dich fragen: „Was willst du tun?“ Da ist einer, dessen Namen ich dir nicht zu nennen brauche, den du gut kennst. Dieser Eine, laß es mich dir sagen, liebt dich, und Seine Liebe ist unverändert zu dir geblieben. Er kann dir helfen und sonst niemand. Früher oder später mußt du zu Ihm zurückkehren. Laß es frühe sein, damit das Verlangen Seines treuen Herzens nach dir bald erfüllt werde. Seine Tür steht dir offen, gehe hinein und sprich mit Ihm über deinen Fall.
Das ist es, was David tat, als unter dem Worte Nathans sein Auge geöffnet wurde für die Größe seiner Sünde und ihm sein Gewissen schlug. Er ging an den verborgenen Ort des Gebetes und schüttete sein reuevolles und zerbrochenes Herz in Flehen und mit Tränen vor Gott aus. Lies den 51. Psalm - du kennst ihn wohl -, dennoch schlage deine Bibel auf und lies ihn wieder, es wird dir gut tun. Es mag wie der Schnitt des ärztlichen Messers in das klopfende, brennende, eiternde Geschwür sein. Seine Worte sagen deutlich, wie tief sein Herz bewegt war und welch ein Kummer ihn niederbeugte. So muß es auch bei dir sein. Halte nichts zurück! So groß auch deine Sünde war, Seine Gnade ist größer. „Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist Er treu und gerecht, daß Er uns die Sünden vergibt und reinigt von aller Ungerechtigkeit“ (1Joh 1,9). Welche köstlichen Worte sind dies!
Zur rechten Zeit wird Er dir die Freude Seiner Rettung wieder schenken. - Zur rechten Zeit! - sage ich, denn Seine vollkommene Liebe ist mit Weisheit vereint, die sich niemals irrt. Die Vergebung folgt sofort dem Bekenntnis, und du kannst ihren Trost genießen, aber du kannst nicht so leicht den Schmerz vergessen, den du Dem bereitest hast, der dich liebt und dessen Namen du trägst. Bittere Kräuter mußten von den Israeliten mit dem am Feuer gebratenen Lamme gegessen werden. Aber fürchte dich nicht, überlasse dich Seiner Hand! Keiner ist so stark und doch so zart wie Er. Wer weiß, wann jene verlorene Freude wieder dein Teil ist, wie dein Mund dann Übertretern Seine Wege lehren wird und wie Sünder zu dem Herrn umkehren werden. So sagte David Ps 51,13, und du wirst ebenso sagen können.
Es ist gut, uns recht daran zu erinnern, daß, wenn wir Ihn als Vater anrufen, wir damit ausdrücken, Seiner Familie anzugehören und somit auch Seiner Zucht unterstellt zu sein. Er richtet ohne Ansehen der Person nach eines jeden Werk. Hiermit ist nicht das Endgericht gemeint, denn in jenes wird kein Gläubiger eintreten; von dem Gericht ist er durch das Sühnungswerk des Heilandes freigemacht worden. Von jenem Gericht heißt es: „Der Vater richtet niemanden, sondern das ganze Gericht hat Er dem Sohne gegeben“ (Joh 5,22). Aber der Vater richtet Seine Kinder; Er tut dies in Seiner unfehlbaren Weisheit jetzt, indem Er ermutigt, zurechtweist und vergilt. „Was irgend ein Mensch säet, das wird er ernten.“ (Gal 6,7).
Über ein solches Wort sollten wir nicht leicht hinweggehen, denn es zeigt uns den Grundsatz, nach dem Gott in Seinen Wegen mit uns waltet. Wenn ein Mensch auf das Fleisch säet, so erntet er von dem Fleische das Verderben, er erntet Sorgen, Leid, Angst und Kummer und andere Übel. So war es bei David. Seine Sünde war vergeben, aber das Schwert wich nicht von seinem Hause. So bei Salomo, Widersacher über Widersacher traten ihm entgegen. So bei Ussija, der Aussatz hing ihm an, solange er lebte. Wenn aber ein Mensch auf den Geist säet, erntet er von dem Geiste ewiges Leben, Segnung über Segnung macht seinen Becher überfließend; vielleicht nicht in irdischen Gütern, aber in Segnungen, wie sie der Heilige Geist uns gibt.
Der Herr wolle uns Gnade geben, die Zeit unserer Fremdlingschaft in Furcht zu wandeln, nicht in sklavischer Furcht, aber in heiliger kindlicher Furcht, die uns wachen und beten läßt, nicht in Sünde zu fallen und den Heiligen Geist zu betrüben, damit nicht die Zucht Gottes über uns komme.
B. (v. d. K).