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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 19 - Jahrgang 1934
Die NullDie Null
Man liest nicht selten geist- und sinnreiche Erklärungen über die in der Schrift vorkommenden Zahlen. Es mag angebracht sein, auch einmal etwas über die Null zu sagen, die allerdings unter dieser Bezeichnung in der Schrift nicht vorkommt.
Eine Null ist an sich nichts, und doch kann sie große Bedeutung durch die Stellung haben, die sie einnimmt oder die man ihr gibt. Steht die Null allein, so ist sie bedeutungslos. Wert empfängt sie auf einmal, wenn sie hinter einer anderen Zahl steht, und zwar gleich zehnfachen, und wenn mehrere solcher Nichtse miteinander auftreten, 100-, 1000fachen usw. Je weiter hinten sie ihren Platz hat, desto größeren Wert verleiht sie den vor ihr stehenden Ziffern, desto gewaltiger wird die Wirkung ihrer Stellung. Eine schlimme Wirkung übt sie jedoch aus, wenn sie, wie in den Dezimalbrüchen, ihren Standort vor den Wertzahlen hat; dann drückt sie jede hinter ihr stehende Ziffer um das 10-, 100-, 1000fache usw. herab.
Die Übertragung auf das geistliche Gebiet liegt nahe. Die Null bin ich. In mir selbst bin ich als im Fleisch vor Gott stehend nichts nütze. (Joh 6,63) Die einzige vor Gott gültige Wertzahl ist Christus. Wenn ich in Ihm meine Stellung habe, so gewinne ich vor Gott höchsten Wert. Dieses Bewußtsein sollte mich anspornen, die Stellung „in Christo“ festzuhalten, immer besser kennenzulernen, mich ihrer zu erfreuen, sie in meinem Wandel zu verwirklichen und so praktisch immer mehr hineinzuwachsen.
Das in jedem natürlichen Menschen Herrschende „Ich“ hat die angeborene Neigung, sich vorzudrängen, seiner eingebildeten Wichtigkeit Geltung zu verschaffen, wie der Herr Jesus das so anschaulich an den Pharisäern zeigt, die bei den Gastmählern die ersten Plätze beanspruchten und bei anderen Gelegenheiten ihre Ehre suchten. Es widerstrebt dem Fleisch, unbeachtet und ungenannt zu bleiben, in die Ecke gestellt zu werden, nichts zu sein. Jedoch läßt das Wort Gottes und unsere eigene Erfahrung uns immer wieder wissen, daß das Fleisch auch noch in den Gläubigen wohnt. Infolgedessen steht der Gläubige immer in Gefahr, in das alte Adamswesen zurückzufallen und dem Gesetz der Sünde oder dem Grundsatz des Bösen, der in seinen Gliedern wirksam ist, Raum zu geben (Röm 7,19.23.25). Es erfordert viel Wachsamkeit und Gebet, um gegen die Reizungen des Fleisches gewappnet zu sein und zu bleiben und siegreich standzuhalten. (1Pet 4,1ff).
Solange wir noch etwas sein und gelten wollen, indem wir unsere eigene Ehre suchen, steht es um unser Glaubensleben nicht gut. „Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre voneinander nehmt und die Ehre, die von Gott allein ist, nicht suchet?“ (Joh 5,44) Wahrer Glaube ist mit wahrer Demut (Niedriggesinntheit) gepaart, wie wir es so schön am Hauptmann von Kapernaum beobachten. Glaube erwartet nichts von sich selbst, sondern alles von Gott und Christo. Er nimmt alles als Gnadengeschenk Gottes an. Das Fleisch will nichts von Gnade wissen, will sich nichts schenken lassen, es will selbst wirken, Ruhm vor Gott haben. Seit Kains Tagen unternimmt der fleischlich gesinnte Mensch es, Gott durch seine Leistungen zu befriedigen. Welche Anstrengungen machen die Menschen zu ihrer Besserung und Veredelung, nur um nicht den Weg gehen zu müssen, den Gott in Seinem Sohne gegeben hat (Heb 10,20), weil dieser Weg Buße (Selbstverurteilung) und Glauben verlangt.
Auch viele Gläubige wandeln auf dem Wege der Gesetzesgerechtigkeit, wie wir es an den Galatern sehen (Auch Apg 21,20). Viele sind in dem Irrtum befangen, daß sie zwar durch das Werk Christi am Kreuz errettet werden, aber die Heiligung selber schaffen müssen. Sie lassen das Wort nicht stehen (Eph 2,8-10). In allen diesen Bemühungen ist das Bestreben des Fleisches, sich vorzudrängen, deutlich erkennbar. Dadurch wird Gottes Gnade ungültig gemacht, „denn wenn Gerechtigkeit durch Gesetz (sei es das sinaitische oder das in Vorsätzen sich selbst auferlegte) kommt, dann ist Christus umsonst gestorben“ (Gal 2,21). Die Gesinnung des Fleisches (Röm 8,6) und der Wandel nach dem Fleische (Gal 5,19.26) verdecken den Herrn Jesus und vernichten das Zeugnis für Ihn vor der Welt.
Versteht aber der Glaubende seine Stellung in Christo, genießt er sie und verharrt er durch einen abhängigen und treuen Wandel darin, so wird er sich freuen, wenn es bei ihm Wirklichkeit wird, nichts zu sein, um durch Gottes Gnade etwas zu werden (1Kor 1,28) - schwach zu sein, damit die Kraft Christi über ihm wohne (2Kor 12,9.10) - niedrig zu sein (Röm 12,16; Phil 4,12) - der Geringste zu werden (1Kor 15,9; Lk 9,48b) - abzunehmen, damit Christus wachse (Joh 3,30). Nur auf diese Weise wird die Gesinnung Christi (Phil 2,5-8) aufgenommen. Auch im Geistlichen kann nur der hinaufrücken, der sich an den untersten Platz setzt, und erhöht werden, der sich selbst erniedrigt.
In 1Kor 1,17ff. wird uns eine ganze Reihe von Nullen gezeigt, die sich im Menschen verkörpern und vor Christum und Sein Wort stellen können, die aber Gott auf ihre Nichtigkeit zurückführt. Da ist V. 17 Redeweisheit, V. 19 Philosophie und Gelehrsamkeit, V. 26 Macht und Adel, V. 27 Wissenschaft, V. 28 Ansehen und gesellschaftliche Stellung, lauter Dinge, die aus jener schlimmen Wurzel, dem Fleische, hervorwachsen, welches sich vor Gott rühmen möchte (Phil 3,3-9). Was aber Christus uns von Gott geworden ist, das steht hoch erhaben gegenüber aller Menschenweisheit und Wissenschaft: Gottes Weisheit; gegenüber aller Eigengerechtigkeit: Gottes Gerechtigkeit; gegenüber aller Selbstveredelung: Gottes Heiligkeit; gegenüber aller Selbsterlösung: Gottes Erlösung.
Im Epheserbrief lesen wir, wie die leeren und nichtigen Nullen nur
durch Gottes Gaben ausgefüllt werden können. Ohne Gottes Offenbarung
haben wir keine Erkenntnis (1,17), ohne Seine Erleuchtung sind wir unwissend (1,18 u. 4,17.18); ohne
Seinen Reichtum sind wir arm (1,18), ohne Seine Kraft schwach, ohne
Seine Barmherzigkeit tot (2,4), ohne Seine Herrlichkeit in Unehre (
Die Null im Dienst.
Eine Null zu sein hat Bedeutung nicht nur für die Stellung, sondern auch für den Dienst des Gläubigen. Wenn ein Erretteter aus Liebe und Dankbarkeit dem Herrn dienen möchte, so hängt seine Brauchbarkeit davon ab, ob er eine Null werden und sich als solche behandeln lassen will. Der Herr mutet ihm nicht zu, daß er aus eigener Kraft Ihm diene. Er reicht Gaben und Kräfte dar und erwartet nur, daß man sie treu anwende. Der Herr allein kennt auch die Größe und Grenze der von Ihm ausgeteilten Dienste und Gaben (Röm 12,3-6; 1Kor 12,4ff.; Eph 4,11.12). Deshalb kann jeder Dienst nur in Abhängigkeit von Ihm nutzbringend getan werden.
Das Wunder der Speisung der 4000 und 5000 ist ein belehrendes Beispiel. Die Jünger nahmen Brot und Fisch aus der Hand des Herrn, um es den Hundertschaften, die Er ihnen zugewiesen hatte, auszuteilen. Es war der Herr, der das Volk speiste, die Jünger waren nur Seine Handlanger, die immer wieder ihre Hände von Ihm füllen lassen mußten. So hat der Herr als der Gott des Maßes (2Kor 10,13) jedem nicht nur das Maß der Gaben, sondern auch den Wirkungskreis zugeteilt. Er verlangt nur, daß der Diener seinen Platz treu ausfülle. Wer jedoch seinen Platz selbst auswählt und ohne Seine Berufung und Gaben auf eigene Faust und in eigener Kraft arbeitet, der gleicht der Null, die sich vordrängt und dabei ihren Wert einbüßt (2Kor 10,14-18; Röm 15,20). Wo bleibt da die VerHerrlichung Gottes? Der Mensch mag Ruhm und Nutzen davon haben. Allein, der Herr sucht Frucht für Sich, die Er nur da findet, wo Er durch Seinen Geist wirken kann. (Gal 5,22)
Bei jedem Dienst (sei es am Wort oder bei einem Liebesdienst) darf der Gesichtspunkt, daß der Dienst dem Herrn getan wird, nicht aus dem Auge verloren werden. Wohl war die Austeilung der Speise ein Dienst dem Volk, aber die Jünger verrichteten ihn für den Herrn, der sie in diese Arbeit gestellt hatte. So dient jeder Evangelist, Lehrer, Hirte der Gemeinde oder einzelnen Gliedern, aber wie die Berufung und Kraft vom Herrn kommt, so geschieht die Ausführung für Ihn, und die Frucht gehört Ihm als dem Herrn der Ernte. (Joh 15,8; Kol 3,24b; Röm 14,18; 16,17.18; Phil 3,2)
Möchten doch alle Arbeiter am Wort des Herrn reinen Kanälen gleichen, die den kostbaren Strom des göttlichen Wortes unverfälscht den Durstigen zuleiten! Ein Diener, der etwas für sich sucht, gleicht einer Röhre, die rostiges Wasser liefert. Da mag viel Eifer vorhanden sein. Aber es ist wichtig, nicht ein Sklave des christlichen Betriebes, sondern ein Sklave des Herrn zu sein. -
Weil der Diener ein lebendiges Werkzeug ist, braucht er selber auch Nahrung und Erquickung. Das kommt in des Herrn Wort (Joh 7,37) zum Ausdruck: „Wer an Mich glaubt, aus des Leibe (aus dessen Innerem) werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“ Der Gedanke ist, daß jeder Glaubende zuerst selber getränkt wird, ehe er anderen Lebenswasser darreichen kann. Der Dienst ist nur dann lebenweckend und anregend, wenn er nicht einem mit angelerntem und verstandesmäßigem Wissen gefüllten Kopf entspringt, sondern aus einem in Geist und Herz niedergelegten Schatz hervorquillt. Dann wird das Reden zu einem Zeugnis. „Wir reden, was wir (aus Erfahrung) wissen, und zeugen, was wir gesehen (erlebt) haben.“ (Joh 3,11)
Des Dieners Aufgabe ist also ernster, als nur Kanal zu sein. Schon bei der Evangelisation wird das klar. Zur Errettung von Menschen kann der Herr nur Errettete gebrauchen. Zum Lehren taugen nur solche, die vorher vom Herrn Selbst gelehrt sind (vgl. Röm 2,21) und gelernt haben (Mt 11,29a), zum Trösten solche, die von Gott getröstet worden sind (2Kor 1,4.5), zum Aufseherdienst solche, die geübt sind, auf sich selbst acht zu haben (1Tim 4,15; Apg 20,28), zum Dienst der Liebe solche, in deren Herzen Gott Seinen
Geist der Liebe ausgießen konnte, die Seine Liebe an ihren Herzen erfahren haben und erfahren.
Das Wort Gottes ist lebendig und wirksam. Wie ein Same durch seine Keimkraft neue Pflanzen hervortreibt, so schafft Gottes Wort neue Menschen, die in ihrem Leben das Wort verwirklichen, gleichsam leiblich darstellen (Phil 2,16). Ein Diener Gottes wird deshalb eine Persönlichkeit sein, deren Eigenleben in Selbstsucht und Diesseitsgebundenheit durch Gottes Geist niedergehalten wird und in der Christus Sich gestalten kann (Gal 4,19). Als Null in uns selbst sind wir tauglich, Sklaven Gottes und Jesu Christi zu sein.
B.