Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 22 - Jahrgang 1937
Der Gnadenhaushalt GottesDer Gnadenhaushalt Gottes
1Vom hohen Stand der Ekklesia wollen wir reden. „Durch Herrlichkeit und Vollkommenheit berufen“, hat sie die „größten“ Verheißungen im Besitz (2Pet 1,3.4). Gerade in dem „jetzigen“ Zeitalter wird der „unausforschliche“ Reichtum Christi verkündigt. (Eph 3,8)
Zu „vielgestaltig“ (Eph 3,10) sind die „himmlischen Segnungen“ der Gemeinde (Eph 1,3), als daß sie durch eine einzige Beschreibung ausgedrückt werden könnten. Daher gebraucht der Geist Gottes die verschiedensten Bilder und Vergleiche, um so wie durch ein Prisma den Sonnenglanz ihres Ewigkeitslichtes in seine Einzelstrahlen zu zerlegen.
Zu allen drei Überpersonen des göttlichen Wesens steht die Gemeinde in Beziehung, zum Vater, zum Sohn und zum Heiligen Geist.
In ihrer Beziehung zu Gott ist sie ein „Haushalt“. Gott ist der „Vater“ (Röm 8,15; Gal 4,6; Joh 20,17), und die Erlösten sind Seine „Hausgenossen“ (Eph 2,19; Gal 6,10). In ihren Pflichten sind sie Seine „Sklaven“ (1Pet 2,16), in ihren Vorrechten Seine „Söhne“. (Röm 8,14)
I. Die Sklavenstellung der Erlösten.
Durch das Blut Jesu Christi „für Gott erkauft“ (Off 5,9), nicht mit Silber oder Gold (1Pet 1,18), sondern „um den Preis“ Seines Lebens (1Kor 6,20; 7,23), das „Lösegeld“ von Golgatha (Mt 20,28; 1Tim 2,6), sind die Erlösten nicht mehr ihrer selbst (1Kor 6,19), sondern Sklaven Gottes (Röm 6,22) und Christi (Röm 1,1; Eph 6,6). Sie sind ewig Sein Besitz (Tit 2,14), Seine Werkzeuge, die Er gebraucht2, Seine Sklaven, die Er zum Zeichen ihrer Unverkäuflichkeit3 mit Seinem Geiste „versiegelt“ hat (Eph 1,13; 4,30; 2Kor 1,22). Ihr „Loskauf“ ist zugleich „Kauf“, ihre Befreiung zugleich Bindung und ihre Sklavenstellung ein
Eigentumsverhältnis (1Pet 2,9),
Gehorsamsverhältnis (Röm 6,17.18) und
Schutzverhältnis zugleich (Gal 6,17; Joh 10,28.29).4
II. Die Sohnesstellung der Erlösten.
Aber noch höher geht Gottes Ratschluß des Heils. Die aus der Sklaverei der Sünde Befreiten sollen nicht nur Seine Diener sein, die, vom Verderben erlöst, nun Täter Seines Wohlgefallens sind; sondern Er will sie zur Anteilnahme an Ihm Selber gelangen lassen, zum Teilhaftigwerden Seiner göttlichen Natur (2Pet 1,4). Sie sollen Kinder (Röm 8,21), Söhne (Röm 8,14), ja Erstgeborene Söhne (Heb 12,23) sein.
1. „Kinder.“ Dies und nichts Geringeres ist es, was die Heilige Schrift meint, wenn sie immer wieder von dem Geborensein der Erlösten aus Gott spricht; denn die Erhebung der Begnadigten in die Sohnesstellung ist nicht nur eine formelle Zu-Söhnen-Erklärung, eine rechtliche Erhöhung und Ernennung, gewissermaßen eine juristische Adoption, sondern eine tatsächliche Zeugung (Jak 1,18), ein wirkliches Umgeborenwerden, ein organisches Geborensein aus Gott (Joh 3,3.5; 1Pet 1,23; 2,2; 1Joh 2,29; 3,9). „Sehet, welch eine Liebe hat uns der Vater bewiesen, daß wir Kinder Gottes heißen sollen! Und wir sind es auch!“ (1Joh 3,1)5
2. „Söhne.“ Als solche aber sind sie zugleich „mündig“. Gerade dies ist der Hauptunterschied zur alttestamentlichen Zeit. Denn wohl war die „Sohnschaft“ schon ein israelitisches Gut. (Röm 9,4; 5Mo 14,1; 2Mo 4,22)6 Aber sie war damals noch im Zustande der Unmündigkeit und unterschied sich in nichts von der Stellung eines Sklaven (Gal 4,1). Darum stand Israel auch noch unter einem „Knabenerzieher“, dem „Zuchtmeister“7, dem Gesetz. (Gal 3,24) „Nun aber der Glaube gekommen ist, sind wir nicht mehr unter dem Zuchtmeister.“ (Gal 3,25) Das Gläubigwerden bedeutet für einen Israeliten seine „Mündigwerdung“, sein Selbständigwerden vom „Erzieher“, das heißt, seine Freiheit vom Gesetz (Gal 4,1-5); und da nun in der Gemeinde zwischen Juden und Heiden „kein Unterschied“ mehr besteht (Eph 2,11-22; 3,6; Apg 11,17), sind auch die Gläubigen aus den Nationen derselben Freiheit teilhaftig8.
Aber nicht nur „Kinder“ und „Söhne“ sind sie, sondern auch
3. „Erstgeborene Söhne!“ Die Erlösten dieses Zeitalters sind die „Erstlinge Seiner Kreaturen“ (Jak 1,18), die „Gemeinde der Erstgeborenen, die im Himmel angeschrieben sind“. (Heb 12,23)9 Als Erstgeborene aber haben sie: priesterliche Stellung (4Mo 8,16-18; 1Pet 2,5), königliche Würde (1Chr 5,1.2; Off 1,6) und ein doppeltes Anteil am Erbbesitz. (5Mo 21,15-17; Eph 1,3)
So vollendet sich in dem Erstgeburtsrecht ihre Sohnesstellung: Als „Kinder“ haben sie Sein Leben, als „Söhne“ Stellung und Würde, als „Erstgeborene“ Seine Herrlichkeit.
Bei dem allen aber bleibt der unendliche Abstand zwischen dem „Sohn“ und den „Söhnen“, dem „Erstgeborenen“ (Röm 8,29; Kol 1,15.18) und den „Erstgeborenen“, auf ewig bestehen10. Er ist der eine, innergöttliche Sohn des Höchsten (Mk 14,61.62), und sie sind die vielen, innerweltlichen Söhne des himmlischen Vaters. Er Selbst ist der „Eingeborene“ (Joh 1,14.18; 3,16), der „Erbe aller Dinge“ (Heb 1,2), der „Gott über alles, gepriesen in Ewigkeit“ (Röm 9,5); und sie sind die Begnadigten, aus Sünde und Elend Geretteten. Doch schämt Er Sich nicht, sie Seine „Brüder“ zu nennen; denn beide, sowohl Er, der da heiligt, als auch sie, welche geheiligt werden, sind von dem gleichen Vater. (Heb 2,11.12)
Wir aber wollen als „Söhne“ unseren himmlischen Vater verherrlichen. Söhne des Höchsten sollen ihrem Vater ähnlich sein. Und weil Er der Urquell der Liebe ist, sollen auch sie in der Liebe wandeln. „Liebet eure Feinde, segnet, die euch fluchen, tut wohl denen, die euch hassen, und betet für die, die euch beleidigen und verfolgen, damit ihr Söhne eures Vaters seid, der in den Himmeln ist ... Denn wenn ihr liebet, die euch lieben, welchen Lohn habt ihr? Tun nicht auch die Zöllner dasselbe? Und wenn ihr eure Brüder allein grüßet, was tut ihr Besonderes? Tun nicht auch die von den Nationen dasselbe? Also sollt ihr vollkommen sein, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist.“ (Mt 5,44-48)
Söhne des Höchsten sollen in der Freiheit wandeln. Denn „weil ihr Söhne seid, hat Gott den Geist Seines Sohnes in unsere Herzen gesandt, der da ruft: Abba, Vater! Also bist du nicht mehr Sklave, sondern Sohn“. (Gal 4,6.7)
Söhne des Höchsten sollen in der Ehrfurcht wandeln. Denn „wenn ihr Den als Vater anruft, der ohne Ansehen der Person richtet nach eines jeden Werk, so wandelt die Zeit eurer Fremdlingschaft in Furcht“. (1Pet 1,17)
Söhne des Höchsten sollen in freudigem Vertrauen wandeln. Denn „ihr habt nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen, wiederum zur Furcht, sondern einen Geist der Sohnschaft habt ihr empfangen, in welchem wir rufen: Abba, lieber Vater“. (Röm 8,15)
Söhne des Höchsten sollen unter der Geistesleitung stehen. Denn „so viele durch den Geist Gottes geleitet werden, diese sind Söhne Gottes“. (Röm 8,14)
Söhne des Höchsten sollen in der Hoffnung der Herrlichkeit leben. Denn „wenn Kinder, so auch Erben - Erben Gottes und Miterben Christi ..., erwartend die Sohnschaft, die Erlösung unseres Leibes“ (Röm 8,16.23). Wir sind auf Hoffnung errettet. Welche Er gerechtfertigt hat, diese hat Er auch verherrlicht.
Erich Sauer.
1 Aus dem am 1. März erscheinenden Buch von E. Sauer: „Der Triumph des Gekreuzigten.“ Ein Gang durch die neutestam. Offenbarungsgeschichte. 208 Seiten. In Leinen gebunden 3,80 RM., Subskriptionspreis 3,40 RM.↩︎
2 „Ein Sklave ist ein beseeltes Werkzeug, ein Werkzeug ein unbeseelter Sklave“
(Aristoteles).↩︎
3 Schon nach dem babylonischen Gesetzbuch Hammurabis, des Zeitgenossen Abrabams = Amraphel (1Mo 14,1). bezeugte der Herr, der seinem Sklaven einen Stempel einbrennen ließ, daß er ihn nie wieder aus der Hand geben wollte (§ 146).↩︎
4 Das griechische Wort doulos heißt nicht „Knecht“, sondern „Sklave“. Ein „Knecht“ gehört sich selbst und bekommt daher eigenen Lohn, ein „Sklave“ gehört seinem Besitzer und hat kein Anrecht auf Lohn (Lk 17,9.10). Ein „Knecht“ verkauft seinem Herrn nur die Arbeitskraft, und auch diese meist nur zeitweise, ein „Sklave“ gehört ihm dauernd als Person. Paulus sieht gerade seinen „Ruhm“ darin, nicht nur ein „Knecht“, sondern ein „Sklave“ Christi zu sein (1Kor 9,15-18). - Die Übersetzungen sollten in der Wiedergabe dieses Worten genauer sein.↩︎
5 Der kurze Satz: „Und wir sind es auch“ ist textlich fest gesichert. (Vgl. die Übersetzungen von Albrecht, Wiese, Menge, Miniatur)↩︎
6 Eine Vaterschaft Gottes lehrt schon das Alte Testament. (5Mo 32,6; Jes 63,16; 64,8; Mal 1,6; vgl. Jes 1,2; 30,1.9) Aber die alttestamentliche Sohnschaft gründete sich auf die Schöpfungstatsache (Jes 64,8; 5Mo 32,6) und die nationale Erlösung Israels aus Ägypten (Jes 63,16), die neutestamentliche auf das persönliche Geborensein des einzelnen aus Gott. (Gal 4,6)↩︎
7 Griechisch paidagogos.↩︎
8 Mit der Vergangenheit verglichen, sind wir also „mündig“; hinsichtlich der Zukunft „warten“ wir noch auf die Sohnschaft. (Röm 8,23)↩︎
9 Daß mit diesen „Erstgeborenen“ Menschen gemeint sind, beweist der Ausdruck „in den Himmeln angeschrieben“ (Vgl. Lk 10,20; Phil 4,3).↩︎
10 Darum sagt der Herr auch nie ein Ihn und die Seinen zusammenfassendes „Unser Vater“, sondern nur: „Mein Vater und euer Vater.“ (Joh 20,17) - Die Glieder der Gemeinde sind „Erstgeborene“ nur in bezug auf die andere erlöste Kreatur; in Beziehung auf die Ewigkeit und die Gesamtheit ist Christus der „Erstgeborene“.↩︎