Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 11 -Jahrgang 1926
Kol 2,19 ; Off 3,17 - „Das Wachstum Gottes oder das Gedeihen Laodicäas?“Kol 2,19 ; Off 3,17 - „Das Wachstum Gottes oder das Gedeihen Laodicäas?“
„Der ganze Leib - das Wachstum Gottes wächst.“ Kol 2,19. „Ich bin reich und reich geworden und bedarf nichts.“ Off 3,17.
Der natürliche Mensch ist nicht imstande, Wachstum auf geistlichem Gebiet zu würdigen noch wahrzunehmen, um so mehr schätzt er und imponiert ihm aber ein anderes Wachstum, das des Reichtums, der hohen Zahlen usw. David - der sonst so geistlich gesinnt war - ließ Israel zählen, damit er mit seiner militärischen Übermacht prahlen könne, obwohl er aus dem Nationalliede wußte, daß einer Tausend jagen und zwei Zehntausend in die Flucht treiben konnten (5. Mose 32,30). Gottes Wachstum ist nicht der Menschen Wachstum, denn „von Ihm werden die Handlungen gewogen“ (1Sam 2,3). „Der Kleinste wird zu einem Tausend werden, und der Geringste zu einer gewaltigen Nation.“ (Jes 60,22). Es wäre für David und sein Volk besser gewesen, wenn er nach dem geistlichen Wachstum seines Volkes gefragt hätte, aber das ließ er außer acht; er wollte sich des Zunehmens seines Volkes nach der Weise in Laodicäa rühmen. Wie beschäftigen wir uns mit dem Wachstum des Leibes Christi? Nur wenige Gläubige bekümmern sich überhaupt um den Leib Christi; einige wissen gar nicht, was er ist, und wenn man noch die Wahrheit darüber theoretisch hat und sie auch vielleicht schätzt, so wird man, ach, nur zu oft von Nebendingen in Anspruch genommen, so daß man über jenes hinweggeht.
Ignoriert man aber den Leib Christi und schafft nur fleißig, um das eigene Kirchensystem oder die Denomination, zu welcher man gehört, zu vergrößern oder zu verherrlichen, so ist das entschieden nicht das Wachstum Gottes. Man holt emsig „Holz, Heu und Stroh“ herbei, um etwas
Großes und Imposantes zu bauen, denn es handelt sich um große Zahlen für die eigene Benennung; doch solches Baumaterial hält dem Feuer jenes Tages nicht stand; es wird einfach in Rauch aufgehen, und der Arbeiter wird Schaden leiden und bekennen müssen, daß er sich nicht um das wahre Wachstum Gottes bekümmert hat. Man wollte vor der Welt glänzen oder suchte den Führern der Denomination zu gefallen und ließ darüber Gottes Lob aus dem Auge. Wie groß wird das Bedauern und auch die Schande sein vor dem Richterstuhl Christi!
Doch trotz der Verblendung so vieler vorgeblicher Arbeiter im Werke des Herrn wächst der Leib - die Gemeinde - unaufhörlich fort, denn Christus Selbst ist das Haupt und der Heiland Seines Leibes, „aus welchem der ganze Leib, wohl zusammengefügt und verbunden durch jedes Gelenk der Darreichung, nach der Wirksamkeit in dem Maße jedes einzelnen Teiles, für sich das Wachstum des Leibes bewirkt zu seiner Selbstauferbauung in Liebe“ (Eph 4,16). Welch ein Verlust ist es, einen Nebenleib oder eine Nebenkörperschaft vor Augen zu haben, welche auf menschliche Art und Weise organisiert und nach menschlichen Paragraphen und Statuten formuliert ist! Die Diener oder Beamten einer solchen Körperschaft können akademisch ausgebildet werden, Mitglieder können dafür gewonnen, Beiträge reichlich gesammelt und schöne sogenannte Gotteshäuser gebaut werden. Man schaut dann mit Stolz darauf, schreibt begeisterte Berichte darüber und prophezeit eine hervorragende Zukunft dafür. Es kommt sogar vor, daß man sich nicht scheut, hinterlistige Kniffe, oder sagen wir lieber „nicht ganz lautere Dinge“, zu tun, um seine Körperschaft zu vergrößern. Doch in Wahrheit ist das alles nur ein Gedeihen nach der Gesinnung Laodicäas, denn Gottes Wachstum des Leibes Christi ist es nicht.
Hätten wir nur den wahrhaftigen Leib Christi vor Augen, so würden wir unsere Zeit nicht mit einem Bau von Holz, Heu oder Stoppeln vergeuden! Eine vom Geiste Gottes wiedergeborene Seele hat mehr Wert als zehntausend Mitläufer, in denen die Wurzel der Sache nicht zu finden ist. Nur das Haupt, der Herr Selber, hat das Recht, Glieder in den Leib aufzunehmen, und unsere Verantwortung ist es gerade, solche auch aufzunehmen und als Mitglieder Seines
Leibes - Seiner Gemeinde - anzuerkennen (Röm 15,7), aber nicht sie einer Denomination oder einem Verein als Mitglieder einzuverleiben, was die Schrift nicht kennt. „Der Herr tat täglich zu der Gemeinde hinzu“ (Apg 2,47), und Er tut es heute noch. Eine Ortsgemeinde, die nach dem Muster des Wortes sich richtet, wird solche als Mitglieder Seines Leibes anerkennen, sie lieben und pflegen, ihnen helfen und dienen, um sie vor den Dogmen und Traditionen und Systemen der Menschen zu bewahren. Wie traurig ist das Hasten und Werben anzusehen, nur um die Mitgliederlisten schnell zu füllen (das, was der Herr in solchen Seelen tut, wird kaum beachtet), nur daß sie bald in ihrer menschlichen Organisation aufgenommen sind, wo dann das geistliche Leben - wenn überhaupt solches vorhanden war - kümmerlich dahinsiecht oder wenigstens nicht mehr wächst. Der Geist Laodicäas herrscht in diesen Tagen, aber der Herr sagt: „So werde Ich dich ausspeien aus Meinem Munde“ (Off 3,16). Ihm gegenüber ist man weder kalt noch warm - gleichgültig -, aber heiß ist man, groß zu werden, um der Welt zu imponieren.
In der Ewigkeit wird nur der eine Leib Christi - die eine Gemeinde des Herrn sein; die menschlichen Systeme und Körperschaften werden alle dem Urteil verfallen, denn nur das, was der Herr Selber durch den Heiligen Geist vollbringt, hat ewigen Bestand und dauernden Wert.
Was ist denn eigentlich das Wachstum Gottes? Das Wort wird in Verbindung mit dem Leibe Christi angewandt; und drei Sachen werden in dem Ausdruck „Wachstum Gottes“ gefunden, nämlich: „Die Vollendung der Heiligen“, „das Werk des Dienstes“ und „die Auferbauung des Leibes Christi“ (Eph 4,12). Zunächst müssen wahrhaftige Glieder aus der Welt genommen werden, und solche, die der auferstandene Herr als Evangelisten gegeben hat, haben in erster Linie diese Aufgabe, und zwar durch die Verkündigung der Heilsbotschaft in der Kraft des Geistes, aber auch jedes Kind Gottes darf sich daran beteiligen als ein lebendiger Zeuge Christi. Das ist aber nicht alles, das ist nur der Anfang; denn auch Hirten und Lehrer hat das Haupt gegeben. Die Lämmer müssen geschützt und geweidet werden, die neugeborenen Kindlein brauchen geistliche Pflege; Paulus durfte schreiben: „Wir sind in eurer
Mitte zart gewesen, wie eine Amme ihre eigenen Kinder pflegt“ (1Thes 2,7). Der Apostel wirkte nicht nur als Evangelist, sondern auch als Hirte und Lehrer, doch trachtete er nicht nach einem Gedeihen auf die Weise Laodicäas.
Einige bündige, vom Heiligen Geiste gegebene Beschreibungen dieses Wachstums Gottes finden wir in der Apostelgeschichte: „Und das Wort Gottes wuchs, und die Zahl der Jünger in Jerusalem vermehrte sich sehr“ (6,7). „Die Gemeinde ... wurde erbaut und wandelte in der Furcht des Herrn und wurde vermehrt durch den Trost des Heiligen Geistes“ (9,31). „Das Wort Gottes aber wuchs und mehrte sich“ (12,24). „Also wuchs das Wort des Herrn mit Macht und nahm überhand“ (19,20). Das alles sind aber andere Dinge und ein anderes Wachstum als das Wachstum von Kirchensystemen!
Haben wir ein anderes Wachstum vor Augen und nicht das biblische Muster, so werden wir große Enttäuschungen an jenem Tage erfahren. Mitglieder auf eine oberflächliche Art und Weise zu gewinnen ist sicher nicht das Wachstum Gottes, das kann nur ein menschliches Zunehmen sein. Also zuerst muß Leben aus Gott in der Seele sein; aber, ach, wie ist man so geneigt, Gott vorauszulaufen. Als wir noch Kinder waren und die schönen Blumenknospen im Garten sahen, versuchten wir mit unseren eiligen Fingerchen, den Knospen zu helfen, sich aufzutun, und doch haben wir sie damit nur aufgehalten oder gar verdorben; die Sonne versteht diese Arbeit am besten, und ihr muß sie überlassen bleiben. Wie leicht nötigt man Seelen, vielleicht nach begeisterten Versammlungen, wo die Gefühle erregt wurden, durch Handaufheben oder dergleichen etwas zu tun und zu bezeugen, bevor die Reife da ist. In vielen, vielen Fallen erweist sich dann solches nur als menschliches Machwerk, und wir müssen immer wieder lernen, daß solches nicht genügt und ein tiefes Werk des Heiligen Geistes im Herzen unbedingt notwendig ist.
Ist eine Seele aber vom Tode zum Leben hinübergegangen, ist der Mensch tatsächlich wiedergeboren, so ist die „unverfälschte Milch“ des Wortes als Nahrung unentbehrlich, damit man wachse. Hier aber kommt der Dienst der Hirten und Lehrer zur Geltung. Möchte der Herr noch viele mit echten Hirtenherzen unter uns erwecken! Der
Samariter, der dem Wirte den erretteten Menschen anvertraute, hat gute Einsicht für dessen Aufgabe, er sagte ihm nichts weiter als: „Trage Sorge für ihn!“ (Lk 10,35), aber darin lag alles. Unser Herr befahl den Eltern, deren Tochter Er auferweckt hatte, daß sie ihr zu essen geben sollten. (Lk 8,55; vgl. auch Joh 11,44: „Löset ihn auf und laßt ihn gehen!“)
Gottes Wachstum hat mit Leben zu tun, nicht mit Organisation. Die Welt organisiert, die politischen Parteien tun das, aber der Leib Christi kann gar nicht organisiert werden. Will man unbedingt den eitlen Versuch machen, das zu tun, so wird das natürliche und göttliche Wachstum gehindert, und Erstarren setzt ein. Man ist ein Mitglied dieses oder jenes „ismusses“, dieser oder jener „...aner“ oder „...isten“ geworden, und wozu braucht man dann noch das Wachstum Gottes? Man ist fix und fertig, und nur ein Gedeihen nach der Weise Laodicäa wird geschätzt, um - aus dem Munde des Herrn ausgespien zu werden.
Das Wachstum Gottes hat mit der Ewigkeit zu tun, denn der Leib Christi hat ewiges Bestehen. Selbst eine Ortsgemeinde ist nur eine Art „Herberge“ (Lk 10,34) und besteht nicht ewig, denn in einer Ortsgemeinde - die nach dem Muster des Wortes sich richtet - werden die Geretteten gepflegt. Dort warten sie auf das Wiederkommen ihres Herrn, dort dienen sie dem lebendigen und wahren Gott und lernen sich nach göttlicher Ordnung zu verhalten im Hause Gottes, „welches ist die Gemeinde des lebendigen Gottes“ (1Tim 3,15). Denn wenn wir hier nicht lernen, uns in Gottes Gemeinde richtig zu verhalten, wie können wir dann dort in der Herrlichkeit als Sterne in vollem Glanze gefunden werden?! (Dan 12,3). „Denn es unterscheidet sich Stern von Stern an Herrlichkeit.“ (1Kor 15,41).
Möchten wir uns mehr mit dem wahrhaftigen Wachstum Gottes beschäftigen und nicht mit einem künstlichen menschlichen Wachsen und Zunehmen! Wohl wird die Welt nur diesem Anerkennung zollen, denn die Welt hat nur Sinn für großartige Kirchen, große Zahlen, Reichtum, Gelehrsamkeit, Beredsamkeit usw., aber Gottes Reich kann sie weder sehen noch wahrnehmen, dafür fehlt ihr vollständig Licht,
Klarheit und Verständnis. Doch wir wundern uns nicht darüber, denn sie hat auch unseren Herrn weder erkannt noch verstanden. Darum ist es besser, mit Ihm in Seiner Verachtung zu verharren um dann mit Ihm in Seiner Herrlichkeit offenbar zu werden bei Seiner Erscheinung in Seinem Reiche.
F. Btch.