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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 20 - Jahrgang 1935
Röm 12,21 - Ein beherzigenswerter Rat (8)Röm 12,21 - Ein beherzigenswerter Rat (8)
(Fortsetzung). „Laß dich nicht von dem Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit dem Guten!“ (Röm 12,21)
In der vorigen Lieferung beschäftigten wir uns hauptsächlich mit der Geschichte der Wahl jener sieben „Almosenpfleger“ von Apg 6, Anfang und sahen, wie treu die Apostel nach obigem Grundsatz verfuhren, als sie das „Murren der Hellenisten“ mit einer wahrhaft weisen Gegenmaßnahme beantworteten. - Heute nun sollen einige Begebenheiten aus dem Leben des größten der Apostel an unserem geistlichen Auge vorüberziehen und uns ermuntern, ihm getreulich nachzufolgen, der wirklich ein Recht hat zu sagen: „Seid meine Nachahmer!“ (Phil 3,17), da er - Paulus - selber in vollkommenem Maße dem Herrn Jesus nachzuwandeln begehrte und darin uns vorangeht. (Vgl. auch Frage 15 in dieser Lief.)!
Wenn man das Leben dieses begnadeten Mannes von Anfang an seit seiner Bekehrung kennen würde, d. h. ausführlicher, als es die Apg. zu bringen die Aufgabe hat, so würde man sicher eine Fülle von Gelegenheiten der Anwendung jenes von ihm selbst durch Inspiration des Geistes geprägten Satzes sehen, aber wir müssen uns bescheiden und solche Begebenheiten aus dem finden, was uns überliefert ist. Und da nenne ich als erste die Begegnung des Paulus mit dem Landpfleger Felix in Apg 24. Nicht, daß ich über diese Geschichte ausführlich zu schreiben für nötig hielte, aber mit einigen Worten muß ich doch zeigen, inwiefern denn hier der Grundsatz zur Geltung kommt.
Zunächst - was die erste Hälfte des Verses angeht: „Laß dich nicht von dem Bösen überwinden!“ - wie kostbar zu sehen, daß Paulus, der völlig unschuldig ins Gefängnis kam, den damaligen bösen Machthabern gegenüber nicht etwa widerspenstig sich zeigte (Mt 5,39), sondern „willfährig“ (V. 25 nach Luth). auf sich nahm, was von ihnen ihm auferlegt wurde. Gott stand hinter allem, und wie ein Joseph, wie ein Daniel usw., so nahm auch Paulus alles aus Gottes Hand und blieb somit willig und ergeben, schalt nicht wider, rief nicht Gericht auf seine Widersacher herab, sondern verwirklichte auch die zweite Hälfte des Verses:
Er überwand tatsächlich das Böse mit dem Guten einer demütigen Gesinnung, wie sie sein Meister stets offenbarte. Denn daß Paulus sich überhaupt dazu hergab, mit diesen armen Menschen über das Höchste, was es gab, so zu reden, wie er tat, war ja schon Demut und Gnade. Daß er aber in seiner Rede dem Felix das Gewissen schärfte, seine Sünden zu sehen (V. 25), das war mehr, das war ein Versuch, das Böse bei Felix mit dem Guten der Botschaft Gottes zu überwinden. Der Erfolg war nicht, wie er wünschte, aber er hat wenigstens den Felix und sein Weib, eine Jüdin, nicht ohne Licht über sie beide selbst gelassen und hat so dem Bösen das Gute gegenübergesetzt, uns zum Vorbild!
Viel deutlicher kommt das Verhalten nach diesem Leitwort bei Paulus hervor in der Geschichte von Apg 26. Köstlich schon zu Anfang des Kapitels: „Ich schätze mich glücklich, König Aprippa, - daß ich ... mich vor dir verantworten darf.“ (V. 2) Es war ihm erlaubt, für sich selbst zu reden, aber er freut sich über die Gelegenheit, einem jüdischen König das Evangelium bringen zu dürfen. „Glücklich“ schätzte er sich! Keine wütende Anklage, kein Wort der Verzweiflung und des Hasses über die Ungerechtigkeit der römischen Gerichtspflege und über die unleugbaren Fehler jener Justiz, die man an ihm verbrochen hatte. Ja, und wo wurden nicht Fehler gemacht? Wer unter den Menschen ohne Fehler ist, der möge Steine werfen! (Vgl. Joh 8,7)! Nein, hier finden wir einen Mann, der das Recht hatte, sich „Römer“ zu nennen, und der es bei anderer Gelegenheit auch tut (Apg 16, in jenem Kap., wo der Grundsatz Röm 12,21 auch herrlich-siegreich ist)! und der hier mit vollem Willen, mit vollem Dabeisein ungerecht leidet und glücklich ist, wenn man ihn beachtet, damit er dann die Quelle seiner Glückseligkeit aufdecken kann! Ein an Gott hingegebenes Leben, das in einer unüberbietbaren Weise unterwürfig unter „die Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat“, glücklich ist, Gelegenheit zu haben, von Christo Zeugnis ablegen zu dürfen „in Wort und Werk und allem Wesen“. „Ich schätze mich glücklich!“ Bruder, Schwester, - was leidest du? Wie leidest du? Ungerecht? Von welcher Seite? Bitte, schätzest du dich glücklich, reden zu dürfen zu einer Welt, die ohne Christus ist, von dem, was dich glücklich gemacht hat? Vielleicht darfst du das nicht, nicht reden von Ihm? Vielleicht hast du es nur nicht gewagt?! Vielleicht auch solltest du erst zeugen durch deinen Wandel - wie Paulus -, und dann bekämest du auch das Recht (die Vollmacht)!, mit dem Munde zu zeugen - wer weiß?! Und dann redet er, und wie versteht er, der wohl spürt, daß die ihm zur Verfügung stehende Zeit kostbar, ja, Gnadenzeit ist, die Zeit auszunutzen, die Herzen zu packen, die Gewissen zu treffen! Wie versteht er - nicht überwunden von dem Bösen! -, das Böse, das gegen ihn gar keine Macht zu haben scheint, mit dem Guten (ja, mit Christo, dem einzig Guten)! zu überwinden bis hin zu dem gewaltigen Endsieg über Agrippa (V.27 und Festus innerlich! Das zeigten die Worte von V. 31): „Ich weiß, daß du glaubst!“ (den Propheten nämlich, wenn auch noch nicht dem Auferstandenen)! - ein Ausruf, der den Agrippa zu dem Eingeständnis zwingt: „Beinahe überredest du mich, ein Christ zu werden!“ O man hat diese Stelle anders übersetzen und auffassen wollen - ich weiß wohl, aber das sind nur Ausflüchte, um dem einfachen Sinn aus dem Wege zu gehen, der darin liegt, daß das lebendige Wort des Herrn (Heb 4,12ff.)!, geredet durch den Apostel, im Begriff stand, Leben zu wecken! Wer weiß, was geschehen wäre, wenn jetzt der Apostel den Agrippa nur 10 Minuten für sich hätte haben können?! Übrigens, wer weiß, was in dessen Herzen geschehen ist?! - Triumphierend antwortet Paulus, und mit diesen Worten siegt er vollends, nach Röm 12,21 überwindet er vollends jegliches Böse mit dem Guten: „Ich wollte zu Gott, daß über kurz oder lang (mit wenigem oder vielem) nicht allein du (ist das nicht verheißungs- und hoffnungsvoll?), sondern auch alle, die mich (welch gewaltiges geistliches Selbstbewußtsein)! heute - ja heute am Tage der Gnade! - hören, solche würden, wie auch ich bin (herrlich)!, abgesehen von diesen Fesseln!“ Nein, die letzteren wünscht er ihnen nicht, und sie hätten sie auch nicht tragen können wie er. Seinen Ruhm, für Christum zu leiden, läßt er sich doch auch nicht und nie streitig machen! Aber sein Glück, seine tiefe unversiegbare Freude, sein Ruhen in Christo und sein völliges Genughaben an Ihm, sein Geborgensein in Ihm, seine Erwartung auf Ihn - kurz, seine ganze unendliche Seligkeit -, die wünscht er ihnen, mit diesen barmherzigen Worten voll Liebe für immer jeder Möglichkeit, gegen seine Feinde Groll im Herzen tragen zu können, die Spitze abbrechend. Das war ein Gefangener der weltlichen, der römischen Obrigkeit, der viel mehr war, wie er an anderen Stellen sagt: „Ich, der Gefangene Christi Jesu“ (Eph 3,1; vgl. Philem. V. 1 u. a)., und so sollten wir sein, ob äußerlich frei oder gefangen: Menschen, die allezeit das Böse überwinden mit dem Guten in einer Weise wie Paulus und bei Gelegenheiten aller Art, wo wir vor der Welt stehen und ihr mit Wandel und Wort zu dienen haben.
Und hierauf noch wenige Bemerkungen bezüglich einer anderen Begebenheit im Leben des geliebten Apostels, ehe ich dann, so Gott will, in der nächsten Lieferung zu zeigen suche, wie Paulus den Grundsatz von Röm 12,21 auch im Verkehr mit den Gläubigen vertritt. - Jene Begebenheit ist die der Meerfahrt des Gefangenen nach Italien mit dem schweren Schiffbruch, in Apg 27. Von Anfang an sehen wir den Apostel den anderen überlegen, wie V. 9 und 10 zeigen. Ganz besonders aber merken wir aus V. 21-26, daß Paulus ununterbrochen in Lebensgemeinschaft mit seinem Gott gewesen ist, so daß er jetzt ermuntern und aufrichten kann die, die sonst haltlos zusammengebrochen wären. Welch wichtiger Dienst, allezeit, auch heute! Was haben die wahren Christen doch der Welt voraus, und wie können sie im geeigneten Augenblick doch so entschieden auf den Gang der Ereignisse Einfluß ausüben, wenn sie vorher Beter waren und sind, bzw. Menschen, die ununterbrochen mit Gott in Gemeinschaft stehen! Wie wunderbar die Ermahnung: „Seid gutes Mutes, ihr Männer! denn ich vertraue Gott!“ - Wie oft, auch z. B. im Felde, haben sich andere an den Gläubigen aufrichten können! Wie ist es jetzt mit uns? Meine Brüder und Schwestern, zu schelten und klagen nutzt nichts, schadet aber; tun es andere, so tue du es nicht mit, aber vertraue Gott, bete, und du bist zum wenigsten imstande, die Klagenden aufzurichten! Und das brauchen sie. Da überwindest du das Böse mit dem Guten. - Weiter tat er es bei seinem dritten Auftreten, V. 31, und an alle dachte er; das zeigt sich in V. 31 und ganz besonders bei seinem vierten Wort (V. 33ff). Wie wunderbar wirkte sein Wort und sein Beispiel! Was wäre doch geschehen, hätte er sich vom Bösen, etwa vom Murren und Verzweifeln, überwinden lassen! Aber nein, das ist eines Paulus - und deiner und meiner! - nicht würdig, ihm und uns geziemt nur das ungeteilte Tun nach unserem Verse Röm 12,21, und dann werden wir stets herrliche Dinge erleben!
Ich kann jetzt die einfachen Betrachtungen dieser Lieferung schließen, aber wie einfach sie auch sind - sie möchten eine deutliche Sprache reden zu unserem Herzen und uns fähiger machen, die Welt unsere geistliche Kraft spüren zu lassen, in der es möglich ist, dem Bösen gegenüber völlig siegreich und in diesem Siege für andere ein Segen zu sein. Üben wir uns in der Verwirklichung solchen Schriftwortes, bald wird es uns Lebensbedürfnis sein, darin zu wandeln! Bei allem aber, was man üben soll, muß man Vorbilder haben, und in Paulus haben wir hier und in anderen betrachteten und nicht betrachteten Stellen ein durchaus einwandfreies Vorbild, so daß er am Ende seines Lebens dem Timotheus sagen darf: „Du hast genau erkannt meine Lehre, mein Betragen, meinen Vorsatz, meinen Glauben, meine Langmut, meine Liebe, mein Ausharren, meine Leiden usw.“ (2Tim 3,10.11) Alles das, was Paulus „mein“ nennt, war aber auch wieder und wieder ein Wandeln nach Röm 12,21! Laßt uns tun nach seinem Wort: „Seid meine Nachahmer, gleichwie auch ich Christi!“ (1Kor 11,1)!
Dem Herrn Preis und Dank für Sein allgenugsames Wort!
F. K.
(Fortsetzung folgt, s. G. w).