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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 11 -Jahrgang 1926
1Kor 8-10 - „Betrachtung des Textes“
1Kor 8-10 „Betrachtung des Textes“ (1)1Kor 8-10 „Betrachtung des Textes“ (1)
Die Gemeinde in Korinth war durch den Dienst des Apostels Paulus entstanden; fast zwei Jahre hatte er dort gewirkt. Nach seiner Abreise stellten sich Schwierigkeiten ein, die das Werk in Gefahr brachten. Man wandte sich dieserhalb an den Apostel, der ihnen dann einen Brief schrieb, welcher uns nicht erhalten geblieben ist (vergl. 1Kor 5,9). Auf diesen Brief, den, wie gesagt, wir nicht besitzen, wandten sich die Korinther nochmals mit Fragen an den Apostel. Der 1. Korintherbrief des Neuen Testamentes ist die Antwort auf die verschiedenen Fragen und Mitteilungen. Wir sehen dieses deutlich aus den Worten: „Denn es ist mir von euch kund geworden ... durch die Hausgenossen der Chloe, daß Streitigkeiten unter euch sind“ (1,11). Und wenn er in diesem Briefe auf die ihm vorgelegte Frage betreffs der Ehe eingeht, so schreibt er ausdrücklich: „Was aber das betrifft, wovon ihr mir geschrieben habt“ (1Kor 7,1), und ebenso leitet er auch seine Antwort im 8. Kap. über die Götzenopfer ein, indem er wieder schreibt: „Was aber die Götzenopfer betrifft“, und dieselben Worte finden wir wieder in Kapitel 12,1 und 16,1.
Wir finden deshalb in diesem Briefe eine Fülle von Belehrungen über allerlei Fragen und strittige Punkte. Der Apostel schreibt über die Streitigkeiten, Parteibildungen, über die Diener am Worte, über die Zucht, über Prozesse, Ehefragen, Götzenopfer und christliche Freiheit, über verschiedene gottesdienstliche Fragen, Auferstehung des Leibes, über Sammlungen, und andere Einzelheiten könnten noch genannt werden.
Wir beschäftigen uns heute insonderheit mit dem 10. Kapitel, das den Schluß seiner Antwort über die Götzenopfer und die christliche Freiheit, daran teilnehmen zu können, enthält. -
Ernste Meinungsverschiedenheiten wegen Kaufes und Genusses von Götzenopferfleisch und der Teilnahme an Götzenopfermahlzeiten waren in der Gemeinde entstanden.
Die einen, im Bewußtsein der Nichtigkeit der Götzen, behaupteten ihre christliche Freiheit, Götzenopfer-Fleisch auf dem Markte kaufen, zubereiten und, wo es ihnen vorgesetzt wurde, auch essen zu dürfen, und gingen in ihrer Freiheit sogar so weit, auch im Götzentempel an dort stattfindenden Götzenopfer-Mahlzeiten teilnehmen zu können. Sie beriefen sich darauf, daß Götzen keine wirklichen Wesen seien, sondern nur in der Einbildung existierten, und deshalb Fleisch, welches diesen geopfert, gleich jedem anderen Fleische sei; zugleich stützten sie sich auf das, wie es scheint, von dem Apostel gebrauchte Wort: „Alles ist mir erlaubt“ ( 1Kor 6,12).
Die anderen meinten dagegen, in den Götzen doch noch wirkliche Wesen und dämonische Gewalten sehen zu müssen; deshalb müsse jedwede Teilnahme an Dingen, die mit Götzen verbunden waren, auch Verunreinigungen und Befleckungen bewirken und die Gläubigen unter die Einflüsse der Dämonen bringen.
Wie ernst der Apostel diese Frage nahm, sehen wir aus der langen und eingehenden Antwort, die er darauf gibt. Wir möchten uns darüber wundern, daß er drei, z. T. lange Kapitel (die Kap. 8-10) über diese Frage schreibt. Wir verstehen es aber, wenn wir uns in die schwierige Lage dieser Gläubigen versetzen, die vom Götzendienst völlig umgeben waren. Wurde jemand gläubig, so hörten damit nicht zugleich die Familienbande und Verwandtschafts-Beziehungen auf. Diese heidnische Umgebung und Verwandtschaft trugen aber ernste Versuchungen für den Gläubigen in sich. Die größten Schwierigkeiten boten aber die Einladungen zu den heidnischen Opfer-Mahlzeiten.
Im Mittelpunkt des Götzendienstes standen die Opfer und die damit verbundenen Mahlzeiten. Diese wurden im Götzentempel, in den Götzenhainen oder in den Häusern der Opfernden zugerichtet. Meistens wurde auch das Fleisch der Opfertiere auf dem Markte verkauft.
Solche Opfer fanden sowohl bei frohen als auch bei Trauer-Ereignissen statt. Zu den dann damit verbundenen Opfermahlzeiten wurden die Verwandten und Freunde eingeladen. Wenn nun unter diesen Gläubige waren, so können wir uns denken, welche ernsten Fragen in den Herzen derselben entstanden: Konnten sie daran teilnehmen oder nicht?
Auf diese Fragen zu antworten war keine einfache Sache. Die einen behaupteten ihre Freiheit, die anderen meinten, daß man sich verunreinige. Auf der einen Seite lag die Gefahr der Freigeisterei, auf der anderen die des Aberglaubens. Schwerwiegende Entscheidungen hingen von der Antwort des Apostels ab, insonderheit für die, die sich auf ihre christliche Erkenntnis beriefen, daß Götzen keine wirklichen Wesen und somit die Opfer bedeutungslos seien und sie deshalb die Freiheit hätten, in diesen rein äußerlichen Dingen von dem Worte: „Alles ist erlaubt“ Gebrauch machen zu können. Konnten sie an den Götzenopfer-Mahlzeiten nicht mehr teilnehmen, so war das für sie ein völliger Bruch mit der Vergangenheit, der Verwandtschaft und den Freunden.
Wenn wir jetzt die Antwort des Apostels betrachten, so sehen wir, daß er voll und ganz die christliche Freiheit behauptet; aber er tadelt das rücksichtslose Durchsetzen der Freiheit.
Was den Korinthern fehlte, war das Verständnis der Gemeinschaft („Teilhaberschaft“). Sie mußten lernen, daß keiner in seinem Verhalten für sich allein stand. Sie hatten Gott erkannt als „Vater“ und Jesum als „Herrn“ (Kap. 8,6), und damit hing die Gemeinschaft, die Bruderschaft zusammen, das Verbundensein mit den Brüdern. Wenn jemand meinte, das Recht und die Freiheit zu haben, hier- und dorthin zu gehen und von den Götzenopfern essen zu können, so mußte er sich bewußt sein, daß sein Tun nicht ihn allein betraf, sondern daß auch die Gemeinschaft dadurch berührt und in Mitleidenschaft gezogen wurde. Das, was der einzelne tat, berührte auch die Brüder (Vers 9-13).
Wenn sich jemand nur durch die Erkenntnis leiten ließ (Vers 1 u. 2), so mochte er Dinge tun, die an sich nicht unrecht waren, und trotzdem nicht gottgemäß handeln. Deshalb zeigt der Apostel ihnen im 8. Kapitel, daß der Gebrauch der christlichen Freiheit und des Rechtes durch die Liebe zu Gott und zu den Brüdern reguliert werden muß. Sie kannten Gott und den Herrn, und deshalb hatten sie Seiner Natur und Ihm gemäß zu handeln. Stehen wir in der Liebe und in dem rechten Geiste, so achten wir auf unsere Brüder und regulieren unser Recht und unsere Freiheit (die wir durch die Erkenntnis haben) durch die Liebe. Der Gläubige, der in dem rechten Geist und in der rechten Freiheit steht, ist kein an sein Recht Geknechteter. Er beweist dieses dadurch, daß er um seines schwachen Bruders willen keinen Gebrauch von seinem Recht und seiner Freiheit macht. Denn die wahre Freiheit ist die, die auf Freiheit verzichten kann. Der wirkliche Maßstab für das, was wir sind, wird nicht in unserer Erkenntnis, sondern in unserer Liebe gesehen. Wahre Erkenntnis ist Erkenntnis Gottes, und diese wird durch den Heiligen Geist die göttliche Natur (Licht und Liebe) in uns zur Auswirkung bringen.
Im 9. Kapitel sucht der Apostel sie zu ermutigen, in dieser wirklichen Freiheit zu stehen, indem er ihnen einen Einblick in sein eigenes Verhalten gibt, wie er aus Liebe, um der Gemeinde und des Evangeliums willen, keinen Gebrauch macht von seiner Freiheit, seinen Rechten und seiner Macht. Sein Verhalten sollte ihnen Beispiel und Vorbild für den rechten Gebrauch der christlichen Freiheit sein.
Sodann zeigt er ihnen aber auch im ersten Teile des 10. Kapitels an schrecklichen Beispielen in der Geschichte des Volkes Israels die Gefahren des Götzendienstes. Solche Gefahren drohten denen, die in falscher Sicherheit ihre Segnungen aufs Spiel setzten und auf ihrem Wege durch die Wüste den Genüssen einer götzendienerischen Welt nicht entsagten. Der Herr, das himmlische Manna, genügte und befriedigte diese nicht mehr, und es gelüstete sie nach bösen Dingen; und die Folge war, daß Gottes Gericht über sie kam.
Der jetzt folgende Teil des 10. Kapitels, Vers 14-22, wird in manchen Kreisen der Kinder Gottes fast ständig bei der Feier des Mahles des Herrn gelesen. Viele Gläubige haben dadurch den Zusammenhang dieser Verse ganz aus dem Gesicht verloren und vergessen, daß es sich in dieser Stelle nicht um Belehrungen über des Herrn Abendmahl, sondern um Belehrungen über den Götzendienst handelt. Später, als der Apostel zur Beantwortung der gottesdienstlichen Fragen übergeht, die mit dem Zusammenkommen der Gemeinde verbunden sind, belehrt er sie auch über das Abendmahl. In dieser Stelle aber handelt es sich überhaupt nicht um das Zusammenkommen und das Verhalten der einzelnen in der Gemeinde, sondern um das Verhalten der einzelnen in der Welt. Sie sollten durch ihr Verhalten die Gemeinschaft („Teilhaberschaft“) nicht kompromittieren (bloßstellen); eine Gemeinschaft, welche sich auf die Gemeinschaft mit Christo in Seinem Tode gründete. Sie hatten Gemeinschaft mit dem Blute und dem Leibe des Christus. Die notwendige Folge war, daß alle, die mit Christo in Seinem Tode Gemeinschaft hatten, auch miteinander Gemeinschaft hatten. Der Apostel drückt diesen Gedanken in den Worten aus: „Denn ein Brot, ein Leib sind wir, die vielen, denn wir alle sind des einen Brotes teilhaftig“.
Einige haben aus dieser Stelle einen Lehrsatz geprägt, daß im Abendmahl die sichtbare Darstellung der Einheit des Leibes Christi stattzufinden habe, eine Sache, von der die Schrift nichts redet.12 Sie sagt: „Ein Brot, ein Leib sind wir, die vielen“, aber von einer sichtbaren Darstellung oder einem Zum-öffentlichen-Ausdruck-bringen unsererseits sagt sie uns nichts. Solche Worte sind menschliche Hinzufügungen.
Es ist eine unumstößliche Tatsache, daß alle, die des einen Brotes (welches Christus ist, das vom Himmel herabgekommene Brot in Seinem für uns dahingegebenen Leib) teilhaftig geworden sind, ein Leib sind. Weil nur ein Brot (ein für uns gegebener Leib) ist, deshalb sind wir alle, die vielen, die des einen Brotes teilhaftig sind, ein Leib geworden - so wie ein Brot, so auch ein Leib. (Mit dem Brote, des wir teilhaftig geworden sind, ist natürlich nicht das Abendmahlsbrot gemeint, denn dann würde ja durch die Teilnahme am Abendmahlsbrot der eine Leib gebildet).
Wir müssen das Wort „Leib“ im 16. und 17. Vers in seiner verschiedenen Bedeutung unterscheiden:
Im 16. Vers wird „Leib“ gebraucht für den Leib, den Christus für uns dahingab; im 17. Vers wird „Leib“ im bildlichen Sinne gebraucht für die Gemeinde.
Alle, die teil an dem Brot vom Himmel, an Christus in Seinem Tode hatten, waren zu einem Leib verbunden.
In dem Segnen des Kelches bezeugten sie ihre Gemeinschaft und ihr Anteilhaben an dem Blute des Christus, denn nur als solche konnten sie ihn segnen. Und in dem Brechen des Brotes bezeugten sie ihr Anteilhaben an dem Leib des Christus, denn nur als solche, die daran Anteil hatten, hatten sie auch das Recht, davon einen Teil für sich abzubrechen. Jeder, der durch das Segnen des Kelches und Brechen des Brotes bezeugte, mit Christus in Seinem „Die Darstellung der Einheit“ eingehend behandelt worden. Verlag: C. Zeuner & Co., Bad Homburg. (Beide Schriften sind bei den Herausgebern der „Handreichungen“ zu haben).
Tode Gemeinschaft zu haben, mußte durch dieses Band mit Christus auch anerkennen, mit den vielen, die des einen Brotes, des Leibes des Christus, teilhaftig waren, zu einem Leibe verbunden zu sein. v. d. K.
(Forts. folgt, s. G. w).
12 Diese Auffassung ist in einer Schrift von F. Br. „Sind alle Kinder Gottes des Tisches des Herrn teilhaftig?“ und in einer anderen Schrift von C. S.↩︎