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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 20 - Jahrgang 1935
Phil 2,25; 4,18 - EpaphroditusPhil 2,25; 4,18 - Epaphroditus
Wir möchten den Leser einige Augenblicke mit Epaphroditus beschäftigen und bitten ihn, den Abschnitt Phil 2 aufmerksam zu lesen. Es liegt viel Köstliches darin verborgen, und wir wünschen, daß es noch viele Männer gleich Epaphroditus in der Gemeinde Gottes geben möge.
Man möchte vielleicht fragen, ob Epaphroditus ein bedeutender Evangelist oder sonst ein hochbegabter Diener des Herrn gewesen sei, weil ihm so viele ehrende Titel wie „Bruder“, Mitarbeiter“, „Mitstreiter“ von dem Apostel gegeben werden. Die Schrift sagt uns nichts davon, daß er ein ausgezeichneter Prediger oder hochbegabter Lehrer in der Gemeinde Gottes gewesen sei. Alles, was von ihm in der obengenannten Schriftstelle gesagt wird, ist, daß er in einer Zeit, da ein Mann fehlte, bereitwillig war, einen vorhandenen Mangel abzuhelfen, um gleichsam das fehlende Glied in der Kette zu ersetzen.
Die Sache war diese: Die Philipper trugen den Wunsch in ihrem Herzen, dem verehrten und bejahrten Apostel im Gefängnis in Rom eine Unterstützung zu senden. Er war in Not, und sie wünschten, seiner Not abzuhelfen. Sie liebten ihn, und Gott hatte es ihnen ins Herz gegeben, an seinen Leiden und Bedürfnissen teilzunehmen. Wenn er auch fern von ihnen war, so sehnten sie sich doch danach, ihm mit ihrer Habe zu dienen. Wie schön war dies! Und wie köstlich mußte diese Liebe dem Herzen des Herrn sein! Und wie ihre Liebe und ihr Dienst den teuren Gefangenen erfreute, das können wir fühlen, wenn wir die herzlichen Worte lesen, mit denen er den Philippern den Empfang ihrer Gabe bestätigt. Wir finden diese seine Worte in Phil 4,10-18 und bitten, diese mit Aufmerksamkeit zu lesen. Hier sehen wir die Lücke, welche Epaphroditus in diesem gesegneten Dienst ausfüllte.
Da lag der geliebte Apostel im Gefängnis in Rom, und in Philippi lag das Opfer der Heiligen zu seiner Erquickung bereit. Wer aber sollte es dem geliebten Apostel Paulus überbringen? Damals gab es noch keine Eisenbahnen, keine Bankwechsel noch Postanweisungen. Zu jener Zeit war es kein geringes Unternehmen, von Philippi nach Rom zu reisen. Nun war Epaphroditus, dieser teure, bescheidene und hingebende Diener Christi, bereit, sich für diesen Dienst zur Verfügung zu stellen, dem Mangel abzuhelfen und das fehlende Glied in der Kette zu bilden. Er bot sich an, das zu tun, was gerade nötig war, und nichts weiter als ein Verbindungskanal zu sein zwischen der Gemeinde in Philippi und dem Apostel in Rom.
So groß und wirklich die Not des Apostels, und so kostbar und passend die Gabe der Philipper auch sein mochte, so würde es ohne Epaphroditus doch an einem Mann gefehlt haben, um beide zusammenzubringen.
Epaphroditus war nun der Mann, der bereit war, diesen Dienst zu tun. Er verlangte nicht danach, ein in die Augen fallendes Werk zu tun, das seinen Namen überall bekannt machte und ihm Ruhm einbrachte. Er war ein bescheidener, demütiger Diener des HErrn, einer von jenen Arbeitern, zu denen sich das Herz hingezogen fühlt. Wie lieblich, wie anziehend ist ein anspruchsloser, bescheidener, demütiger Mann, der damit zufrieden ist, ein Nothelfer zu sein und den Dienst (worin er auch bestehen mag) zu tun, der gerade zur Zeit notwendig ist und zu dem des Meisters Hand ihn fähig gemacht hat!
Es gibt aber auch solche Personen, die überall Kopf und Schwanz sein müssen. Diese scheinen zu denken, daß nichts recht gemacht werden kann, wenn sie nicht ihre Hand dabei im Spiele haben. Eine vorhandene Lücke auszufüllen, damit sind sie nicht zufrieden. Wie abstoßend und unangenehm sind solche Personen! Sie haben viel Selbstvertrauen, genügen sich selbst und drängen sich überall in den Vordergrund. In Gottes Gegenwart findet man sie kaum. Einen Zusammenbruch ihres eigenen Willens, Niedriggesinntheit und Demut merkt man ihnen nicht an.
Zu dieser Klasse gehörte Epaphroditus nicht. Er setzte, um anderen zu dienen, sein Leben aufs Spiel, und als er an der Schwelle des Todes stand, dachte er nicht an sein Leiden, sondern an das anderer. Die Schrift berichtet von ihm, daß er sehr bekümmert war, nicht weil er krank war, sondern weil die Philipper gehört hatten, daß er krank sei. (Phil 2,26) Das ist wahre Liebe. Epaphroditus wußte, wie sehr seine geliebten Brüder in Philippi betrübt sein würden, wenn sie von seiner ernsten Krankheit hörten, einer Krankheit, die er sich infolge seines bereitwilligen Dienstes zugezogen hatte.
Alles dieses ist überaus lieblich. Es tut unserem Herzen wohl, diesen schönen Bericht in der Schrift zu betrachten. Epaphroditus hatte offensichtlich in Christi Schule gelernt. Er hatte zu den Füßen seines Meisters gesessen und von Seiner Gesinnung in sich aufgenommen. Anderswo hätte er solche Hingabe und dienende Liebe nicht lernen können. Die Welt kennt nichts davon, und unsere Natur lehrt sie uns auch nicht. Solche Gesinnung können wir nur von dem Meister lernen. Möchten wir alle mehr davon kennen! So hoch auch unsere Erkenntnis und unser Wissen sein mag, aber ach, an der hingebenden, dienenden Liebe mangelt es oft noch. Eigenliebe und Selbstsucht stecken uns allen tief im Herzen; wie häßlich, ja unerträglich sind diese aber, wenn sie bei denen, mit denen der Name des Herrn verbunden ist, zutage treten.
Wir wollen nur noch zum Schluß der herzlichen Weise gedenken, in welcher der Apostel seinen geliebten Mitarbeiter der Gemeinde in Philippi empfiehlt. Es ist so, als ob er (um menschlich zu sprechen) nicht genug aus ihm machen könne. Wie rührend, wenn er schreibt: „Er verlangte sehnlich nach euch allen, und er war sehr bekümmert, weil ihr gehört hattet, daß er krank war. Denn er war auch krank, dem Tode nahe; aber Gott hat Sich über ihn erbarmt, nicht aber über ihn allein, sondern auch über mich, auf daß ich nicht Traurigkeit auf Traurigkeit hätte.“ (Phil 2,26.27) Welch ein Strom von Liebe quillt hier aus dem Herzen des Apostels! Das Herz des Apostels und der ganzen Gemeinde in Philippi ist mit diesem sich aufopfernden Diener Christi beschäftigt. Hätte Epaphroditus sich selbst und seine Interessen gesucht oder wäre er mit seinem eigenen Werk beschäftigt gewesen, so würde seines Namens und seines Werkes wohl kaum auf den Blättern der Heiligen Schrift gedacht worden sein. Aber nein, er dachte nicht an sich selbst, er dachte an andere, und deshalb dachten andere an ihn.
So wird es immer sein. Ein Mensch, der viel an sich selbst denkt, erspart es anderen, an ihn zu denken. Aber ein bescheidener, demütiger, anspruchsloser, von seinem Ich gelöster Diener, der an andere denkt und für andere lebt, der in den Fußtapfen Jesu Christi wandelt, ein solcher wird die Liebe, Ehre und Sorge des Volkes Gottes empfangen.
Paulus fährt dann fort: „Ich habe ihn nun desto eilender gesandt, auf daß ihr, wenn ihr ihn sehet, wieder froh werdet, und ich weniger betrübt sei. Nehmet ihn nun auf im Herrn mit aller Freude und haltet solche in Ehren; denn um des Werkes willen ist er dem Tode nahegekommen, indem er sein Leben wagte, auf daß er den Mangel in eurem Dienste gegen mich ausfüllte.“ (Phil 2,28-30)
So war es mit diesem geliebten und geehrten Diener Christi. Er hatte sein Leben nicht geachtet, sondern es seinem Herrn zu Füßen gelegt, um die fehlende Verbindung zwischen der Gemeinde Gottes in Philippi und dem leidenden, bedürftigen Apostel in Rom herzustellen. Und deshalb fordert der Apostel die Gläubigen in Philippi so eindringlich auf, Epaphroditus in Ansehen und Ehren zu halten. Der Heilige Geist hat durch die Feder des Apostels uns seinen Namen und seinen kostbaren Dienst für immer in dem heiligen Buche festgehalten. Und dieser göttliche Bericht ist von ungezählten Millionen gelesen worden, während die Namen und Taten der sich selbst suchenden, eigennützigen Diener in die Vergessenheit versunken sind.
C. H. M. (K).