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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 5 -Jahrgang 1917
Joh 14 ; 1Joh 2 - „Zwei Sachwalter“Joh 14 ; 1Joh 2 - „Zwei Sachwalter“
Zwei Dinge hebt Johannes in seinem ersten Briefe hervor. Er will, daß
unsere Freude völlig sei und daß wir nicht sündigen (
Wenn der Apostel uns sagt, daß wir nicht sündigen sollen, so denke niemand, daß er der sogenannten „Sündlosigkeits- oder Vollkommenheitslehre“ das Wort reden will. Gerade das Gegenteil! Die Ermahnung, nicht zu sündigen, beweist, daß weder Vollkommenheit in uns ist noch vorausgesetzt wird. Wenn wir nicht sündigen, kommt es nicht daher, weil wir in uns besser oder vollkommener geworden sind, sondern weil wir im Geiste wandeln und deshalb die Lust des Fleisches nicht vollbringen (Gal 5,17). Die Tatsache, daß wir die Sündennatur in uns tragen, ist noch kein Grund, ihr Raum geben zu müssen. Wir wissen vielmehr, daß sie ständig in uns nach der Herrschaft trachtet, und dies hält uns wachsam und läßt uns auf der Hut sein. Geben wir aber der Meinung Raum, Vollkommenheit erreicht zu haben, so betrügen wir uns selbst, und gar mancher ist erst durch einen Fall aus seinem Truge geweckt worden.
Wie köstlich, daß Gott uns schreiben läßt: „Wenn jemand gesündigt hat - wir haben einen Sachwalter bei dem Vater, Jesum Christum, den Gerechten“. Diesen Kindesplatz vor dem Vater haben wir uns nicht selbst erworben, noch können wir ihn uns selbst erhalten. Wir und unsere Werke sind für beides ausgeschlossen. Christus hat ihn uns erworben, und Christus erhält ihn uns. Alles besitzen wir in und durch und mit Ihm. Sein ist der Ruhm allein.
Es ist oft darauf hingewiesen worden, daß das Wort „Sachwalter“, Fürsprecher, dasselbe Wort ist, welches wir auch im Johannes-Evangelium mit Tröster, Sachwalter, Vertreter übersetzt finden. Die Bedeutung ist: Jemand der in liebender Sorge für unsere Sache eintritt. Wir haben zwei Fürsprecher oder Sachwalter. Einen hienieden auf der Erde und einen im Himmel bei dem Vater. Den Heiligen Geist als Sachwalter für alles das, was uns hienieden betrifft, und Jesum Christum als Sachwalter für alles das, was uns als Kinder mit dem Vater betrifft.
Solange der Herr hienieden bei Seinen Jüngern war, war Er hier auf Erden ihr Sachwalter. Nach jeder Seite hin trat Er für ihre Sache ein, sowohl bei Gott als bei Menschen. Und als Er im Begriff stand, von ihnen fortzugehen, da sagt Er ihnen, daß Er den Vater bitten werde, ihnen einen „anderen“ Sachwalter zu geben (Joh 14,16), der bei und in ihnen bleibe.
Er verließ die Erde - sie war Sein nicht wert -, aber Er sorgte für die geliebten Seinigen, daß sie hier nicht allein sein sollten; eine andere Person, ein anderer Sachwalter sollte zu ihnen kommen und bei ihnen bleiben, der Geist der Wahrheit, der sie in die ganze Wahrheit leiten würde. Nicht als Waisen sollten sie zurückgelassen werden. Auch Er selbst will zu ihnen kommen (Joh 20,19, Mt 18,20). Das erste Kapitel der Apostelgeschichte berichtet uns nun, wie die göttliche Person des Sohnes von der Erde hinauf gen Himmel fährt, und das zweite Kapitel berichtet uns, wie die göttliche Person des Heiligen Geistes vom Himmel hernieder zur Erde kommt. Eine Person geht hinauf, die andere kommt herab, um bei uns auf Erden zu bleiben, bis wir ins Vaterhaus gehen. Manche Kinder Gottes haben von diesem persönlichen Herniederkommen und dem Auf-Erden-sein des Heiligen Geistes eine sehr schwache Vorstellung. In ihren Gedanken ist der Heilige Geist eine von oben wirkende Kraft. Nicht, daß sie die Göttlichkeit oder die Persönlichkeit des Heiligen Geistes beiseite setzen wollen, aber sie verwirklichen nicht in ihren Seelen, daß so tatsächlich, wie einst der Herr hier auf Erden persönlich war und wirkte, so tatsächlich auch der Heilige Geist jetzt hier auf Erden bei und in den Gläubigen ist und wirkt.
Kinder Gottes, die heute um das Kommen oder um die Ausgießung des Heiligen Geistes bitten, bringen die Wahrheit Seiner Gegenwart auf Erden nicht zum Ausdruck. Solche Bitten waren vor Pfingsten am Platze (Lk 11,13 und Joh 7,39). Aber heute, nachdem der Heilige Geist herabgekommen und bei und in den Gläubigen wohnt, ist solche Bitte so, als wenn einer von den Zwölfen den Vater um den Messias, Seinen Sohn, gebeten hätte. Würden die anderen Jünger ihm nicht gesagt haben: „Was bittest du?“ „Glaubst du nicht, daß der Vater Ihn uns gegeben hat und Er in unserer Mitte ist?“ Sicher, manche meinen nicht das, was sie mit solchen Bitten sagen, aber wir sollten nicht gedankenlos beten; wenn wir damit Seine Leitung oder Kraft meinen, so laßt uns auch das ausdrücken, und zwar mit einem bereitwilligen Herzen, uns auch leiten zu lassen oder die eigene Kraft zerbrechen zu lassen. Er ist der Geist der Wahrheit und Sein Werk an uns ist, uns in die ganze Wahrheit zu leiten, möchten wir deshalb auch in unseren Ausdrücken wachsam sein. In der Zeit der Abwesenheit Christi ist Er unser Lehrer, aber auch unser Tröster, der uns in all unserer Schwachheit und Nichtigkeit ermutigt.
Aber die Dinge, die hienieden sind, umfassen nicht alles. Da ist noch ein Ort außerhalb dieser Welt. Unser Wandel ist nicht nur auf Erden, unser Wandel ist auch im Himmel. Wir bedürfen nicht nur eines Sachwalters auf Erden, uns in die ganze Wahrheit zu leiten, wir bedürfen auch eines Sachwalters dort oben, um in der „völligen Freude“ der ungebrochenen Gemeinschaft mit dem Vater zu sein. Und Er, der uns diesen Platz an dem Herzen des Vaters, als Kinder Seine Gemeinschaft und Liebe zu genießen, mit Seinem Blute erworben hat, ist unser Sachwalter beim Vater geworden, um, wenn jemand gesündigt hat, uns den Platz an Seinem Vaterherzen zu erhalten. Als „der Gerechte“ in dem Werte des vollendeten Sühnopfers und der Herrlichkeit Seiner Person tritt Er für uns und unseren Fall ein und bewirkt in uns Überführung, Buße, Bekenntnis und Wiederherstellung der durch die Sünde unterbrochenen Gemeinschaft mit dem Vater. In Petrus haben wir ein Bild dieses Seines Dienstes. Der Anfang seines Falles war Selbstvertrauen. Wie liebreich und doch wie eindringlich spricht Er: „Simon, Simon! siehe, der Satan hat euer begehrt, euch zu sichten wie den Weizen. Ich aber habe für dich gebetet, auf daß dein Glaube nicht aufhöre; und du, bist du einst zurückgekehrt, so stärke deine Brüder.“ So nahm Er Sich des fallenden Petrus an. So nimmt Er Sich des Fallenden heute an. Und wie bei Petrus, so geschieht es auch heute: „Er gedachte an das Wort des Herrn ... und ging hinaus und weinte bitterlich.“ (Lk 22,31.32.61.62). Das war der Anfang seiner Wiederherstellung. Wie hat göttliche Gnade doch für uns gesorgt! Möchte die Größe solcher Liebe uns zurückschrecken lassen vor jeder Sünde, die Ihn betrübt, der uns den Platz an Seinem Vaterherzen geöffnet hat!