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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 13 - Jahrgang 1928
Christus als Heiland und als HoherpriesterChristus als Heiland und als Hoherpriester
Es ist ein Unterschied zwischen Christus als Heiland und Christus als Hoherpriester. Laßt uns diesem wichtigen Unterschied einige Augenblicke unsere Aufmerksamkeit zuwenden.
In Heb 10,14.18 lesen wir: „Durch ein Opfer hat Er auf immerdar vollkommen gemacht, die geheiligt werden“, und „da ist nicht mehr ein Opfer für die Sünde.“ Diese Worte zeigen uns Christus als den Heiland. Wenn wir Ihn als Heiland anschauen, so sehen wir Ihn in Seinem Werke, welches Er hier auf Erden für uns vollbracht hat. Als Heiland und Erretter nahm Er die Sünden für immer hinweg. Hier auf der Erde, wo die Sünden begangen wurden, entfernte Er sie auch. So finden wir es auch in dem Buche der Offenbarung: Die himmlische Schar jubelt über das, was Er hier auf Erden getan hat.
Seinen Dienst als Hoherpriester dagegen vollführt Er jetzt für uns im Himmel. Nahe ich mich Ihm als dem Heiland, so nehme ich Seine Gnade, die Er hier auf Erden für mich erwirkte, in Anspruch. Als Heiland begegnet Er unserer ganzen Sündennot mit allen ihren Folgen. Niemals hätten wir uns daraus selbst erretten können. Als Er für unsere Sünden starb und aus dem Tode auferstand, hatte Er Sein Werk als unser Erretter auf dieser Erde vollbracht, so daß Er am Schluß Seines Lebens sagen konnte: „Das Werk habe Ich vollbracht, welches Du Mir gegeben hast, daß Ich es tun sollte.“ (Joh 17,4).
Sein Dienst als Hoherpriester ist aber noch nicht vollbracht; diesen übt Er heute noch für uns aus, und zwar nicht auf der Erde, sondern im Himmel. Als Heiland entfernt Er alles, was wider mich ist, und bringt mich zurück zu Gott. Wenn ich aber zu Ihm als dem Hohenpriester komme, so finde ich Barmherzigkeit, Gnade und rechtzeitige Hilfe in den mancherlei Anfechtungen und Versuchungen, die uns auf dem Wege durch diese Wüste begegnen, so daß wir mit Freimütigkeit ins Heiligtum eintreten können, um Ihm die Opfer des Lobes und der Anbetung darzubringen.
Viele Kinder Gottes erfassen wohl in ihrem Herzen das, was uns durch Seinen Tod und Seine Auferstehung geworden ist, aber sie erfassen weniger das, was Er jetzt als Hoherpriester in der Herrlichkeit für uns ist. Wenn wir unser Auge auf Ihn richten, wie Er heute ist, so sehen wir Ihn droben mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt. Er ist jetzt im Heiligtum droben. Es ist ein großer Unterschied für unser Herz, ob wir Ihn nur zurückblickend in dem, was Er für uns getan hat, sehen (und dies ist groß und wunderbar) oder ob wir Ihn auch in Seinem Dienst für uns als Hoherpriester erkennen und die Segnungen erfassen, die in Ihm uns offenstehen, der jetzt in Gottes Gegenwart für uns tätig ist.
In Ihm als dem Heiland haben wir alles, was wir als Sünder gebrauchen; in Ihm als dem Hohenpriester dagegen finden wir alles, was wir für den Weg durch diese Wüste an Hilfe gebrauchen, um mit Freimütigkeit ins Heiligtum treten und Gott die Anbetung darbringen zu können. Es ist gut, wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf diese Verschiedenheit richten, damit unsere Herzen sie recht erwägen.
Haben wir den Herrn noch nicht in Seiner Bedeutung und in Seinem Dienst als Hoherpriester erkannt, dann verweilen unsere Gedanken nur bei dem Kreuz, bei dem, was für uns auf Erden geschehen ist, und wir sind noch nicht weitergeführt worden zu dem, was für uns im Himmel geschieht. Unser Herz erfreut sich dann mehr an Ihm als dem Heiland auf der Erde als an der Herrlichkeit Seiner Person als Hoherpriester im Heiligtum.
Hier auf Erden sind wir von einer Fülle von Schwierigkeiten, Anfechtungen, Trübsalen usw. umgeben, und sie können unser Herz in hohem Maße in Anspruch nehmen. Was sollen wir nun tun? Du sagst vielleicht: „Ich schaue dann zu Gott empor, daß Er mich daraus errette.“ Gewiß dürfen wir das tun, aber wenn das alles ist, dann wissen wir noch nichts von dem Segen, den wir in dem Hohenpriestertum Christi haben! Es entspricht unserem Herzen, in solchen Lagen Gott um die Befreiung von den Trübsalen zu bitten, und oft gewährt Er uns unsere Bitte, wenn sie mit Seinem
Erziehungsplan über uns übereinstimmt. Haben wir den Herrn aber als unseren Hohenpriester erkannt, so werden wir, wenn wir die Erhörung unserer Bitte um Befreiung aus unseren Trübsalen nicht empfangen, Ihn alsdann in Seinem Mitgefühl mit uns kennenlernen, so daß wir auch in den Trübsalen mit glücklichem Herzen ausharren können.
Zwei Dinge sind es, mit welchen wir es in dieser Welt zu tun haben: Schwierigkeit und Schwachheit. Wer den Herrn nur als einen Heiland und Erretter kennt, bittet, wie schon gesagt, in erster Linie Gott um Befreiung von den Trübsalen, und jede Erhörung, die er empfängt, erkennt er mit Recht als eine ihm von Gott erwiesene Barmherzigkeit an. Besseres und Höheres als die Befreiung von den Trübsalen aber wird uns zuteil, wenn wir das Mitgefühl des Hohenpriesters erleben und genießen. Wer den Herrn als den Hohenpriester erkennt und Seinen Dienst in Anspruch nimmt, wird von dieser Welt gelöst, und sein Leben ist in Wirklichkeit nicht mehr hier unten, sondern dort oben, wo der Herr ist. Ein solcher mag unter Schwierigkeiten und Sorgen, unter schwacher Gesundheit und Trübsalen leiden, aber er nimmt seine Zuflucht zu dem Hohenpriester am Thron der Gnade und empfängt von dort die Hilfe, der er bedarf. Wir mögen wie Petrus beim Anblick der Wogen und Wellen sinken und den Herrn anrufen - und was geschieht? Der Herr streckt Seine Hand aus und zieht uns wie Petrus zu Sich hinüber an Sein Herz. Er nimmt nicht die Wogen und Wellen weg, wir haben den Weg noch auf den Wellen zu gehen, aber wir sind, während unsere Füße durch die Trübsale gehen, an Seiner Seite, dort, wo Er ist - im Heiligtum -, und genießen alle Freude und alle Segnungen, die dort für uns vorhanden sind.
Wohl empfinden wir die Schwierigkeiten, denn sie sind immer geneigt, sich zwischen uns und Christus zu stellen; und welche Schwierigkeiten sich dem Gläubigen im Leben entgegenstellen und zu überwinden sind, davon können wir etwas sehen in der Beschreibung der Lebensläufe der Glaubensväter in Hebräer 11. Beim Betrachten dieser entsteht in unserem Herzen die Frage: „Welchem gleichen wir?“ Viele Kinder Gottes gleichen Noah: sie kennen ihre Annahme bei Gott. Nicht viele aber sind in ihrem Glaubensleben so weit wie Abraham gekommen: Fremdlinge und Pilgrime zu sein, die nach der himmlischen Stadt ausschauen. Dann finden wir Moses. Gleichen wir ihm? Er erfuhr, daß die Mächte dieser Welt zerbrochen waren. Ist das unser Glaubensstand, dann fallen auch bald für uns die Mauern Jerichos, und wir betreten das Land und erreichen so, um im Bilde zu reden, Ephesus, d. h. wir lernen, daß alle unsere geistlichen Segnungen in den himmlischen Örtern in Christo sind (Eph 1,3). Viele Kinder Gottes wandeln, wie gesagt, in den Fußtapfen Noahs, das heißt, sie erfreuen sich der Güte Gottes an dem Platze, über dem Gott Sein Gericht vollzog. Ein weiterer Schritt aber ist es, wenn wir Abrahams Stufe erreichen. Laßt uns das Ziel vor Augen haben und durch keine Widerstände uns zurückhalten lassen, demselben nachzujagen.
Wenn wir die Psalmen lesen, so finden wir oft, daß die Erfahrungen Davids in seinen Schwierigkeiten auch unsere eigenen sind. Z. B. wenn David in Psalm 46,1.2 sagt: „Gott ist uns Zuflucht und Stärke, eine Hilfe, reichlich gefunden in Drangsalen. Darum werden wir uns nicht fürchten, wenngleich gewandelt würde die Erde, und wenn die Berge wankten im Herzen des Meeres.“ Eine solche Erfahrung der Hilfe des Herrn ist sicher ein reicher Segen. Das Mitgefühl des Herrn aber ist mehr als Hilfe in Drangsalen. Wenn ich das Mitgefühl eines anderen besitze, so werde ich mich zu dem, der mir sein Mitgefühl erweist, hingezogen fühlen. So werden auch wir durch die Erfahrung des Mitgefühls des Herrn zu Ihm hingezogen, und indem wir zu Ihm kommen, kommen wir auch zugleich zu dem Platze, wo Er ist - ins Heiligtum. Wir mögen die Leiden und Trübsale dieser Erde zu durchkosten haben, aber Sein Mitgefühl bewirkt in uns einen solchen Trost und eine solche Kraft, daß wir in unserer Seele die Ruhe jenes Platzes genießen, wo Er als Hoherpriester den Thron der Gnade für uns errichtet hat. Meine Seele ist dann nicht mehr mit mir noch mit den Schwierigkeiten beschäftigt, sondern mit Ihm, und je mehr ich mich mit Ihm beschäftige, um so mehr werde ich gelöst von mir und dem Druck der Leiden dieser Zeit.
Es ist nicht ohne Wirkung auf unser Leben, wenn wir Ihn als den Hohenpriester und nicht bloß als den Heiland kennen. Nicht als ob ich die Erkenntnis unseres Herrn als Heiland und Erretter gering machen will; sie ist groß und kostbar und immer das Erste, was wir zu erkennen haben; aber Er ist in Seiner Person mehr als nur der Heiland, und wir sollten auch in der Erkenntnis Seiner Person als Hoherpriester wachsen. Möge diese kleine Betrachtung dazu dienen, uns den Unterschied zwischen Ihm als Heiland und Ihm als Hohenpriester im Himmel wichtig zu machen! Möchten wir uns nicht nur über unsere Errettung freuen, sondern auch freudig in den mancherlei Leiden dieser Zeit ausharren, damit wir getragen von Seinem Mitgefühl und durch die Darreichung Seiner Hilfe in allen Lagen unseres Lebens Gott lobpreisen.
S. (A. v. d. K).