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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 10 -Jahrgang 1925
Eph 1,15 - „Liebe zu allen Heiligen“Eph 1,15 - „Liebe zu allen Heiligen“
Tief im Herzen eines jeden wahren Christen ruht die Liebe zu allen anderen Christen, ganz gleich, auf welchem Erdteil sie auch wohnen, welche Hautfarbe und welchen Namen sie auch tragen mögen. Allerlei Dinge und Umstände mögen zwar das Sichtbarwerden dieser Liebe verhindern, aber das ändert nichts an der Tatsache, daß in dem Herzen jedes wahren Christen Liebe zu den Brüdern wohnt. Paulus schreibt den Thessalonichern (4,9): „Ihr seid von Gott gelehrt, einander zu lieben“, und Johannes sagt (1Joh 5,1): „Jeder, der den liebt, welcher geboren hat, liebt auch den, der aus Ihm geboren ist.“ Wenn wir also aus Gott geboren sind, lieben wir jeden, der auch aus Gott geboren ist.
Aber trotz dieser Tatsache ist es dennoch nötig, daß die Gläubigen ermahnt werden, „die Brüder“ zu lieben. Denn diese Liebe soll sich durch nichts unterdrücken lassen, weder durch Gefängnis noch durch Ketten oder Bande, wie es manchmal geschehen ist. Deshalb sind auch Ermahnungen und Aufmunterungen für die Liebe notwendig, und wir finden solche in Fülle in der Schrift: „Kinder, laßt uns nicht lieben mit Worten, noch mit der Zunge, sondern in Tat und Wahrheit.“ (1Joh 3,18). „Geliebte, laßt uns einander lieben, denn die Liebe ist aus Gott; und jeder, der liebt, ist aus Gott geboren und erkennt Gott.“ (1Joh 4,7).
Liebe zueinander soll das unterscheidende Kennzeichen der Jünger des Herrn sein (Joh 13,35). Sind wir mit diesem Kleide, dem schönsten und köstlichsten, geschmückt, so werden wir von allen Menschen als Nachfolger Dessen erkannt werden, in dem die Liebe ihre vollkommene Entfaltung hier auf Erden gefunden hat. „Hieran haben wir die Liebe erkannt, daß Er für uns Sein Leben dargelegt hat; auch wir sind schuldig, für die Brüder das Leben darzulegen.“ (1Joh 3,16). Seine Liebe zu uns soll der Maßstab sein für unsere Liebe zueinander.
Und wer sind „die Brüder“, denen wir bereit sein sollen zu helfen und zu dienen in Liebe, selbst bis zur Hingabe unseres Lebens? Sind es nur die, mit denen wir in allen Dingen gleichgesinnt und mit denen wir in schattenloser Gemeinschaft verbunden sind? Dann wären „der Brüder“ wahrlich wenige und klein der Kreis, in dem unsere Liebe sich zu erweisen hätte. Aber Gott sei Dank, so ist es nicht! Wohl kennen wir diese Brüder am besten, aber das Herz, das mit dem Herzen Christi in Übereinstimmung schlägt, wird sich sträuben und der Neigung widerstehen, seine Gedanken, Liebe und Zuneigungen von der ganzen Familie Gottes abzutrennen und nur einem kleinen Kreise zuzuwenden. Christi Herz liebt alle, und wir werden ermahnt, mit Inbrunst, aus reinem Herzen und ungeheuchelt die Brüder zu lieben: „Da ihr eure Seelen gereinigt habt durch den Gehorsam gegen die Wahrheit zur ungeheuchelten Bruderliebe, so liebet einander mit Inbrunst aus reinem Herzen.“ (1Pet 1,22). Dieses Wort umfaßt jeden „Bruder“, welcher Art und Sprache und Volk und Nation er auch sei.
Wir wissen, daß wir in einer Zeit leben, wo die Gemeinde als das Haus Gottes gleich der „Hütte“ Davids (Apg 15,16) „verfallen“ und „in Trümmern“ liegt und die Zerrissenheit des Volkes Gottes nach allen Seiten hin geschaut wird. Wir wissen, daß wir im Blick auf diese Dinge ermahnt werden, uns von bösen Menschen, die von der Wahrheit abgeirrt, und von „Gefäßen zur Unehre“ hinwegzureinigen. Wir wissen, daß wir streben sollen nach Gerechtigkeit, Glauben, Liebe, Frieden mit denen, die den Herrn anrufen aus reinem Herzen (2Tim 2,14-26). Aber während wir dieses alles mit der größten Sorgfalt beobachten, darf doch die Liebe nicht erkalten und nicht aufhören, alle „Brüder“ zu umschließen und sich allen zuzuwenden, die unseren Herrn Jesus Christus in Aufrichtigkeit und Wahrheit lieben.
Sicherlich waren es dunkle Tage, als Ahab regierte und Isebel Königin war und die Baalspriester im Schutze des Thrones sich breit und wichtig machten und das einige Reich unter David und Salomon zerfallen und zerteilt war, aber der Mann Gottes, Elias, baute in diesen dunklen Tagen auf dem Berge Karmel seinen Altar von zwölf Steinen. Vor seinem Auge stand das zwölfstämmige Volk als ein Volk in unlösbarer Einheit.
Es ist kaum nötig, zu sagen, daß Gemeinschaft ein viel engerer Begriff ist als Liebe. Im Himmel wird es nicht so sein, aber auf Erden ist es so. Wie manche unserer Brüder haben, ach, in so schriftwidrigen Dingen ihre Hand und stehen in solchen Verbindungen, daß Gemeinschaft in der Tat für den unmöglich ist, der dem Herrn treu und Seinem Worte gehorsam sein will. Christliche Gemeinschaft muß die göttliche Wahrheit zur Grundlage haben, und Gemeinschaft, die auf einem anderen Grunde ruht, ist nicht der Ausdruck der göttlichen Liebe: „Hieran erkennen wir, daß wir die Kinder Gottes lieben, wenn wir Gott lieben und Seine Gebote halten.“ (1Joh 5,2). Ein gewichtiges Wort, das wir gut tun im Gedächtnis zu behalten.
Mit Sorgfalt aber müssen wir über uns wachen, daß wir nicht nach der anderen Seite hin irren und unter dem Vorwande der Treue lieblos und nach dem Fleische handeln. Wie manche Brüder, von denen wir überzeugt waren, daß sie in verkehrten Stellungen standen, sind für immer abgestoßen worden durch ungezügelten fleischlichen Eifer, der dann mit Treue zum Herrn und mit Sorge für Seine Ehre entschuldigt wurde. Zugegeben, daß solche Brüder auf einem Wege waren, den wir nicht mit ihnen gehen durften, aber darf die Liebe deswegen mangeln? Laßt uns nicht Liebe mit Gemeinschaft verwechseln, indem wir meinen, weil wir mit Brüdern in ihren Wegen nicht Gemeinschaft haben können, daß wir deshalb ihnen auch nicht Liebe zu erweisen nötig haben. „Geliebte, laßt uns einander lieben, denn die Liebe ist aus Gott.“ (1Joh 4,7). Diese Liebe, die aus Gott ist, wird immer die Zeichen des Verbundenseins mit Gott und der Wahrheit tragen und sich nie so zeigen, als sähe sie über Sünden und Ungehorsam hinweg, aber sie wird uns auch stets an das ewige Band erinnern, das uns mit jedem Heiligen verbindet. Ein Band, welches kein Fehlen, weder von unserer noch von ihrer Seite, jemals zerreißen kann. Laßt uns von der Höhe des Felsens mit dem Auge des Allmächtigen das Volk Gottes anschauen. Laßt uns von ihnen immer als Brüdern, als herzlich „geliebten und ersehnten“ Brüdern sprechen, wenn wir ihnen auch mit Herzeleid sagen müssen, daß wir auf solchen Wegen, die von dem Worte der Wahrheit abweichen, nicht mit ihnen zusammen gehen können. Dennoch aber sind sie unsere Brüder, ein Teil der Gemeinde, die Christus geliebt hat und liebt, Kinder derselben Familie, mit denen wir bald auf ewig vor dem Angesichte des Herrn vereint stehen werden. Mit aller Entschiedenheit laßt uns fest den geraden Weg nach der Wahrheit behaupten und auch nicht einmal einen Schein geben, als achteten wir ein auch nur geringes Abweichen von dem Worte als unerheblich, sondern laßt uns vielmehr mit allem Ernst darauf hinweisen, daß durch anfänglich kleine Abweichungen alle die Spaltungen und die Zerrissenheit unter dem Volke Gottes hervorgebracht worden sind. Wenn wir so mit Herzensentschluß dem Herrn anhangen und Sein Wort festhalten, mag es sein, daß wir einsam und unverstanden den schmalen Weg zu gehen haben, aber auf diesem Wege laßt unsere Herzen weit und mit Liebe zu allen Heiligen erfüllt sein.
S. T. - v. d. K.