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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 9 -Jahrgang 1923/24
2Kor 5,10 - Der Richterstuhl Christi (2)2Kor 5,10 - Der Richterstuhl Christi (2)
Bei einem Rückblick jetzt überschauen wir nur sehr wenig von unserem Leben. Wohl steigen Handlungen, Begebenheiten vergangener Tage vor unserem Auge auf, und wir ahnen im Hintergrunde mancher Ereignisse auch dunkel die Einwirkungen unsichtbarer Gewalten, aber das Offenbarwerden, das volle Licht und Erkennen aller Vorgänge, Sünden usw. unseres Lebens würden wir in diesem Leibe nicht ertragen können. Als Paulus bei seiner Bekehrung sein Leben im Lichte Gottes sah, wurde er so erschüttert, daß er drei Tage nicht aß und trank. Und doch wie wenig ist das, was wir heute sehen, im Vergleich zu dem, was wir vor dem Richterstuhl Christi schauen werden!
Wir kommen nun zu der Frage: Wenn unsere Sünden nicht mehr gerichtet werden, warum werden wir dann überhaupt vor den Richterstuhl Christi gestellt?
Alles, was Gott mit Seinen Kindern tut, ist Segen und muß Segen für sie sein. Am Richterstuhl Christi läßt Gott uns unser ganzes Leben sehen, so wie es von Ihm gekannt ist. In diesem Leibe würden wir es nicht ertragen, aber in dem Leibe der Verklärung sind wir so gänzlich von unserer einstigen sündigen Kreatur gelöst und mit dem Herrn verbunden, daß wir selbst in der Beurteilung unseres eigenen Lebens in völliger Übereinstimmung mit Ihm sein werden. Jede Handlung, jeden Weg, jeden Umstand werden wir so wie Er beurteilen. Dort werden wir erst erkennen, wie verdorben und untauglich wir waren und wie Er es vermocht hat, über all unsere Verfehlungen hinweg die Vorsätze seiner Gnade über uns zur Durchführung zu bringen.
Wunderbar wird die Stunde sein, wo wir in dem verklärten Leibe den Lauf unseres Lebens schauen, wie wir ihn nie zuvor gesehen haben! Welch ein Mangel wäre es für uns, wenn uns dieser Blick in alle Dinge, Werke und Wege unseres Lebens nicht gegeben und wir Sein Walten über uns nicht erfahren würden! Meinst du, du könntest dort wünschen, daß gewisse Geschehnisse deines Lebens zugedeckt bleiben möchten? Würde dann nicht auch die Gnade zugedeckt bleiben, mit der Er dich darin trug? Käme nicht alles ans Licht, wir würden nicht die Hälfte wissen von dem Walten Seiner Gnade, von der Macht und Treue Seiner Liebe, die uns hindurchgebracht hat. Manche denken gar nicht daran, daß an diesem Tage der Offenbarwerdung in ganz besonderer Weise auch Gottes Liebe und Treue über uns hervorkommen und Grund legen wird für den ewigen Lobgesang Seiner Gnade (Eph 1,6.12.14). „Wem viel vergeben, liebt viel.“ Dort erst werden wir wissen, wieviel uns vergeben ist, und dort wird das Wort des Herrn: „Ich bin in ihnen verHerrlicht“ erst zur vollen Darstellung kommen.
Und nicht allein dieses, auch alle Seine Wege mit uns werden wir verstehen: werden verstehen, warum Er uns durch Krankheit, Tod und Trübsal führte und daß die schmerzlichen Wege, die wir in unserer Kurzsichtigkeit für Leid und Unglück hielten, doch nur Liebe und Segensführungen waren, werden Sein Bewahren sehen in Gefahren und in den „Anläufen“ Satans. Wir haben ja kaum eine Vorstellung von den Schlingen, die die Finsternisgewalten uns stellen - von den „Pfeilen des Bösen“, die auf uns gerichtet sind, uns zu verderben - von den „schlüpfrigen Wegen im Finstern“ (Jer 23,12), auf die unsere Füße gedrängt werden, wie der Psalmist sagt: „Wenig fehlte, so wären meine Füße abgewichen, um nichts wären ausgeglitten meine Schritte“ (Ps 73,2). Aber auch Seine Treue und Seine Macht werden wir sehen, mit der Er „unsere Seele am Leben erhalten und nicht zugelassen hat, daß unsere Füße wankten“ (Ps 66,9). So wie die Psalmen nach allen Anfechtungen und Leiden mit „Halleluja!“ schließen, so wird auch der Tag der Offenbarwerdung mit einem Herrlichen „Halleluja!“ enden.
Aber noch eine andere, und zwar sehr ernste Tatsache ist mit dem Richterstuhl Christi verbunden. Wir lesen, daß jeder empfangen wird, „was er in dem Leibe getan hat, es sei Gutes oder Böses“ (2Kor 5,10). Damit wird uns gesagt, daß mit dem Offenbarwerden der Empfang von Lohn am Richterstuhl Christi verbunden sein wird. In der Schrift wird oft von diesem „Lohn“ geredet. Der Herr Selbst sagt: „Siehe, Ich komme bald, und Mein Lohn mit Mir“ (Off 22,12). Diesen Lohn können wir dort erlangen, aber auch einbüßen. Wenn beim Offenbarwerden vor dem Richterstuhl Christi den Gläubigen auch kein Gericht erwartet, ja seine Errettung und Verklärung schon vollendet ist und nie mehr in Frage gestellt werden kann, so wird die Zuteilung des Lohnes doch eine für die Ewigkeit bedeutungsvolle Sache sein. Mit welchem Ernst die Apostel sich nach dem Empfang des Lohnes ausstreckten, sehen wir an Johannes, wenn er schreibt: „Sehet auf euch Selbst, auf daß wir nicht verlieren, was wir erarbeitet haben, sondern vollen Lohn empfangen!“ (2Joh 8). Das „Verlieren“ des Lohnes war ihm eine tiefernste Sache. Er wollte „vollen“, unverkürzten Lohn empfangen. Und heute? Ach, wie wenige Kinder Gottes denken an den Lohn, den der Herr, wenn Er kommt, den Treuen geben will! Viele sind zufrieden, „nur selig“ zu werden, auf Lohn wollen sie verzichten. Dies kann aus Gleichgültigkeit geschehen, oft aber geschieht es aus Unwissenheit. Sie wollen damit ihre Unwürdigkeit ausdrücken, Lohn zu empfangen, und sind sich nicht bewußt, daß sie damit einer gewissen Geringschätzung des Lohnes Ausdruck geben und sich im Widerspruch mit der Schrift befinden. Solche Anschauungen entstehen, wenn man das „Werk der Gnade“ und den „Lohn der Treue“ verwechselt und nicht unterscheidet.
Um den Unterschied zwischen der Errettung aus Gnaden und dem Lohn für Treue klar zu erfassen, müssen wir zwei verschiedene Stellungen der Kinder Gottes beachten und unterscheiden. Die Schrift spricht von uns als von „Söhnen Gottes“ und auch als von „Knechten Gottes“. Unsere Stellung als „Söhne Gottes“ hängt mit der neuen Geburt und der Gnade zusammen, unsere Stellung als „Knechte Gottes“ aber mit der Berufung Gottes und unserer Verantwortlichkeit.
Laßt uns zum leichteren Verstehen ein Bild gebrauchen: Ein Landwirt hat seine erwachsenen Söhne in seiner Landwirtschaft angestellt. Jedem teilte er nach Alter und Fähigkeiten den Dienst zu. Wie jeder Sohn nun seine Arbeit tut, danach empfängt er Lohn. Seine Söhne sind somit zugleich auch seine Arbeiter und Knechte. Dem Vater gegenüber sind sie Sohne, ihm als Herrn gegenüber sind sie Knechte. In der Familie ist zwischen dem Ältesten und dem Jüngsten kein Unterschied, alle gleich sind Söhne durch die Geburt. Auf dem Ackerfelde aber sind, je nach der Bestimmung und Berufung, Unterschiede, sowohl in der Stellung als auch in der Arbeit und dem Lohn. Wie jeder nun sein Werk tut, ob treu oder untreu, danach wird er Lohn empfangen oder ihn einbüßen.
So sind auch wir „Söhne“ und „Knechte“ zugleich und dürfen das, was die Schrift von „Söhnen“ und dem „Werk der Gnade“ redet, nicht verwechseln mit dem, was von „Knechten“ und dem Lohn gesagt wird. Jedes hat und gehört an seinen Platz. Durch Arbeit und Dienst können wir uns keine Gnade erwirken noch die Sohnschaft erwerben. Gott führt den ewigen Vorsatz Seiner Gnade, uns zur Herrlichkeit zu führen, auf Grund des kostbaren Blutes Christi aus, aber nicht auf Grund unserer Treue oder Arbeit.
Ganz anders aber ist die Lohnfrage. Als „Knechte“ und „Verwalter“ Gottes hängt der Empfang des Lohnes von uns ab, von dem ab, was jeder „in dem Leibe getan hat“. Wie wir gehandelt haben, ob gehorsam Seinem Wort oder ungehorsam, ob treu oder nachlässig usw., je nachdem werden wir den Lohn empfangen.
Unser Seligwerden aber hängt von Seiner Gnade ab, von dem, was Er für uns getan hat. Der Lohn aber hängt von unserer Treue ab, von dem was wir (gehorsam Seinem Wort) für Ihn getan haben.
Wie wenig sind wir uns der Bedeutung bewußt, die unser irdisches Leben für die Ewigkeit hat. Wenn wir mehr darüber nachdenken würden, daß wir dort empfangen werden, was wir hier im Leibe getan, wir würden uns wie Paulus „beeifern“, Ihm wohlgefällig zu sein. Wie wertvoll dieser Lohn sein wird, können wir daran ermessen, daß der Herr denen, die um Seinetwillen Schmach tragen, sagt, daß sie schon hier sich „freuen“ und „hüpfen“ sollen, weil ihr „Lohn groß sein wird“ (Lk 6,23.35). O daß uns die Wirklichkeit dieser Dinge mehr vor Augen stehen möchte!
Welcher Art der Lohn sein wird, wissen wir nicht. Aus der Schrift sehen wir aber, daß er sehr verschieden sein wird. Die Mutter der Söhne des Zebedäus wünschte in ihrer Mutterliebe und ihrem Mutterstolz für ihre beiden Söhne den Platz zur Rechten und Linken des Herrn in Seinem Reiche.
Solche Sitze der Ehre werden einst in dem ewigen Reiche unseres Herrn und Heilandes Wirklichkeiten sein (Mt 20,23). Den wachenden Knechten verheißt Er als Lohn, daß Er sie sich zu Tische setzen lassen und sie bedienen wird (Lk 12,37). Den Überwindern in Pergamus will Er „das verborgene Manna“, „einen weißen Stein“, „einen neuen Namen“ geben (Off 2,17). „Throne“ und „Kronen“ hat der Herr für uns bereit. Und können wir uns heute eine Vorstellung davon machen, was es dort sein wird, das „Lob“ unseres Herrn zu empfangen? (1Kor 4,5). Was wird es sein, wenn Er uns mit: „Ei, du frommer und getreuer Knecht!“ begrüßen wird.
Wie hoch schätzte Paulus den Lohn seines Herrn ein! Wie sollten wir ihn schätzen! Er ließ auf seinen Wandel, auf all sein Tun und Lassen ständig das Licht des Richterstuhles Christi fallen. Er wollte den „Preis erlangen“! (1Kor 9,25; 2Kor 5,11). Soll es nicht auch mit uns so sein? Wollen wir das Licht des Richterstuhles nicht auch auf unser Leben fallen lassen?
Wie wird der Herr urteilen an jenem Tage, wenn Er Sein Auge auf dein Verhalten in der Welt richtet, von der Er dich durch Seinen Tod trennte? (Gal 6; 1Kor 6). Wie wird Er urteilen über dein Verhalten im Hause Gottes, Seiner Gemeinde, mit der Er dich durch Seinen Geist verband? (1Tim 3,15). Wie über dein Abtreten von den Dingen, die mit Seinem Worte im Widerspruch sind? (2Tim 2,19 - 3,5). Was wird Er sagen, wenn Er auf deine Liebe blickt zu den Heiligen, die Seinem Herzen so teuer sind? Eph 1,15; Kol 1,4). Wie wird Er urteilen über deine Hingabe in der Ausbreitung des schriftlichen und mündlichen Zeugnisses zur Erbauung der Seinigen und zur Rettung der Verlorenen? (Phil 1,5; 1Kor 15,58). Wie über die Erziehung deiner Kinder, die Er dir anvertraute, sie in der Furcht und Ermahnung des Herrn zu erziehen? (Eph 6,4). Einmal wird der Tag kommen, da dieses alles Wirklichkeit sein wird! Was werden wir dann sagen zu dem Zank und Streit, zu dem Hader und Neid, zu unserer Selbstliebe und dem Selbstvertrauen, zu dem Hochmut und Stolz, der Ehr- und der Habsucht, wenn wir Ihm ins Auge schauen, der nicht schalt, wenn Er gescholten, der Sich Selbst erniedrigte und arm wurde um unsertwillen, und der uns bat, in Seinen Fußstapfen zu wandeln? Was werden wir sagen über unsere Teilnahme an dem Mangel der Armen, an den Nöten und Bedürfnissen Seiner Arbeiter, für die zu sorgen Er uns geboten? (1Kor 9,14; Phil 4,10-18). Was werden wir sagen, wenn wir Ihn, den Treuen, sehen, über den Gebrauch unserer Gaben und Fähigkeiten, unserer Zeit und Mittel, die Er uns zur Verwaltung anvertraute? Wenn wir so das Licht des Richterstuhles Christi auf unser Leben fallen lassen, dann fühlen wir uns unter dem Blick des Herrn wie einst Petrus, als er gefallen war, und auch aus unserem Auge mögen Tränen der Reue geweint werden. Und wohl uns, wenn es hier geschieht und wir unser Leben so gestalten, daß wir den Lohn dort nicht verlieren!
Der Richterstuhl Christi läßt uns wachsam sein über unser Leben, der Lohn ermutigt uns, auszuharren auf dem Pfade des Glaubens, aber die alles bewegende Kraft in uns, dem Herrn zu leben, ist die Liebe Christi. „Die Liebe Christi“, sagt Paulus, „drängt uns“ ... dem zu leben, „der für uns gestorben und auferweckt worden ist“ (2Kor 5,14.15). Ist die Liebe Christi nicht der Antrieb für unser Leben, sind der Lohn oder auch andere Dinge die bewegende Kraft unseres Lebens, so sind die Beweggründe nicht rein, und die Werke, die aus ihr hervorgehen, werden vor dem Richterstuhl Christi nicht bestehen. Sie mögen wie in Ephesus (Off 2,2-4) nach außen hin tadellos scheinen, aber Sein Auge sieht den Mangel der „ersten Liebe“.
Johannes wachte sorgfältig über sich und die Arbeit, damit er nicht durch seine oder anderer Untreue etwas vom Lohn verliere. Er wünschte, „vollen Lohn“ zu empfangen.
Sicher sind manche da, die „vollen Lohn“ empfangen werden, aber ach, auch andere, die „Schaden leiden“ werden. (1Kor 3,15).
Hier möchte gefragt werden: „Ist es nach 1Kor 3,15 möglich, daß ein Kind Gottes am Richterstuhl Christi alles verlieren und keinen Lohn empfangen kann?“
Wir finden keinen Grund in der Schrift für eine solche Annahme. Auch in der angeführten Stelle wird weder von allen Werken geredet noch gesagt, daß alle Werke und jede Arbeit verbrennen wird.
Die Schrift spricht von „Pflanz“- und „Begieß“-Arbeit und dem „Lohn“
dafür (1Kor 3,6-8); von „Bau“-Arbeit und dem „Lohn“ dafür (1Kor 3,10-15); von „Verwalter“-Treue und dem „Lob“ Gottes dafür (1Kor 4,1-5);
vom „Kampf und „Ausharren“ und der „Krone“ dafür (1Kor 9,25;
Es mag das Werk jemandes an dem „Bau“ der Gemeinde, wie in 1Kor 3,15, „verbrennen“ und er „Schaden leiden“, an anderen Arbeiten aber mag er Lohn empfangen. „Denn Gott ist nicht ungerecht, eures Werkes zu vergessen und der Liebe, die ihr gegen Seinen Namen bewiesen, da ihr den Heiligen gedient habt und dienet“ (Heb 6,10). Und der Herr sagt: „Wer irgend euch mit einem Becher Wassers tränken wird in Meinem Namen, weil ihr Christi seid, wahrlich, Ich sage euch: er wird seinen Lohn nicht verlieren“ (Mk 9,41). Jemandes Verlust mag groß und sein Lohn klein sein, es ist aber kaum anzunehmen, daß es ein Kind Gottes geben kann, welches nicht das geringste in seinem Leben für Ihn und um Seines Namens willen getan hätte, um Lohn empfangen zu können. Für diese Annahme finden wir Grund in den 24 Ältesten, den Repräsentanten der ganzen himmlischen Schar, die alle mit „Kronen“ gesehen werden, und alle, die ganze verHerrlichte Gemeinde, ist gekleidet in „feine Leinwand“, welche „die Gerechtigkeiten der Heiligen“ sind. (Off 19,8).
Kann das Verlieren des Lohnes als Strafe für das Kind Gottes angesehen werden?
Wie mir bereits betrachtet haben, folgt auf das Offenbarwerden der Ungläubigen das Gericht, und das „Empfangen“ für sie ist Strafe (2Thes 1,9 u. a. m).; aber nirgends in der Schrift finden wir den Gedanken einer Strafe des Gläubigen, nachdem er bei dem Herrn ist. Laßt uns beachten: Der Gläubige 1. als schuldiger Sünder empfing sein Gericht am Kreuz; 2. als Kind Gottes wird er vom Vater gestraft und gezüchtigt in diesem Leben; und 3. als Arbeiter wird jedes seiner Werke im Feuer der Heiligkeit Gottes geprüft werden (1Kor 3,10-15) - und um letzteres handelt es sich vor dem Richterstuhl Christi, um das, „was jeder getan hat in diesem Leibe“. Die Schrift spricht nun vom „Schadenleiden“ und vom „Verlieren“ des Lohnes; daraus sehen wir, daß das „Empfangen“ des Gläubigen vor dem Richterstuhl wohl mit „Schadenleiden“ und „Verlust“ verbunden sein kann, aber nicht mit „Strafe“. Wie könnte auch bei Kindern Gottes in der Herrlichkeit und in der Gleichförmigkeit des Leibes Seiner Herrlichkeit noch an Strafe gedacht werden!
Wir lesen auch, daß der Herr Sich schämen will derer, die sich Seiner hier geschämt haben (Lk 9,26). Das kann natürlich nicht in dem Sinne sein, daß Er Sich schämen will, sie als die Seinigen anzuerkennen, sondern so wie sich ein Vater der ungeziemenden Führung seiner Kinder schämt, eben weil sie seine Kinder sind. So ermahnt auch Johannes die Gläubigen, treu bei dem Herrn zu bleiben, damit die, welche an ihnen gearbeitet haben, bei der Ankunft des Herrn nicht möchten beschämt werden ihrer Führung halber. (1Joh 2,28).
Der Verlust des Lohnes wird größeres „Schadenleiden“ sein, als manche jetzt denken. Es ist etwas gewaltig Ernstes, den Lohn zu verlieren, den wir hätten empfangen können; „Kronen“, die andere tragen, die wir empfangen konnten, verloren zu haben wegen unserer Untreue in diesem Lande! Wer kann heute diesen Verlust ermessen!
Und doch wird keine Mißstimmung oder Verschiedenheit in der Beurteilung unseres Lebens zwischen dem Herrn und uns bestehen. So völlig werden wir von irdischen Gefühlen und irdischer Denkart gelöst sein, daß wir in völliger Harmonie mit Seinem Urteil werden Werke in Rauch aufgehen sehen, die dem Feuer Seiner Heiligkeit nicht standhalten. Ja, ich denke, wir werden glücklich sein, daß sie ihr Ende im Feuer finden, so daß am Richterstuhl nur bleibt, was Er loben und belohnen kann.
Noch einige Fragen mögen hier Platz finden.
Wird das Offenbarwerden vor den Blicken aller geschehen?
Wohl sagt der Herr, daß Er „die Ratschläge der Herzen offenbar“ machen wird (1Kor 4,5), aber Er sagt nicht, wem Er sie offenbar machen wird. Und wenn es so wäre, daß es vor allen geschähe, würde es nicht zur VerHerrlichung Seiner Gnade dienen? Als die Sünden Davids, Petrusund anderer Männer Gottes offenbar wurden in dieser Welt, trübte das ihr Glück? Wurde, soweit ihre Sünde bekannt wurde, nicht auch die Herrlichkeit Seiner Gnade bekannt? Warum erscheint uns der Gedanke des Offenbarwerdens auch der Ratschlüsse des Herzens so schrecklich? Ist es nicht, weil wir noch mit uns selbst beschäftigt sind? Bei der Offenbarwerdung dessen, was uns das Lob des Herrn einbringt, würde es uns nichts ausmachen, wenn es vor den Augen aller geschieht, aber bei der Offenbarwerdung dessen, was dem Feuer anheim fallen muß, möchten wir es nicht. Beweist dieses nicht, daß wir fürchten, bloßgestellt zu werden, und daß wir noch nicht frei von dem „Ich“ sind?
Dort aber werden wir vom „Ich“ frei sein! Andererseits sehen wir aus der Belohnung, die der Herr dem Überwinder in Pergamus gibt, daß niemand „den neuen Namen“ kennt, als nur der, der ihn empfängt. Wie niemand den Inhalt und den Wert der Belohnung kennt, als nur der, der sie empfängt, so dürfen wir wohl schließen, daß auch niemand den Inhalt der Offenbarwerdung kennt, als nur der, den sie betrifft, und daß sie ein Vorgang ist zwischen der Seele und dem Herrn allein.
Ist unter dem Richterstuhl Gottes in Röm 14,10 etwas anderes zu verstehen als unter dem Richterstuhl Christi in 2Kor 5,10?
Wir finden nie in der Schrift „Gott“ dargestellt als auf dem Richterstuhl sitzend. Alles Gericht hat Er dem Sohne übergeben. Es ist der Richterstuhl Gottes in dem Sinne, daß es der „göttliche Richterstuhl“ ist, auf dem
Christus als der Ausführer des göttlichen Gerichtes sitzt. Wir haben somit bei dem Richterstuhl Gottes nicht an einen vom Richterstuhl Christi verschiedenen Richterstuhl zu denken.
Wann werden die Gläubigen vor dem Richterstuhl Christi stehen?
Der Herr sagt, daß, wenn Er kommt, Sein Lohn mit Ihm kommt. So erwarten wir, daß es geschehen wird in der Zeit zwischen Seiner Ankunft, wenn wir Ihm entgegengerückt werden in die Luft, und dem Tage Seiner Erscheinung, wenn Er herabkommen wird inmitten Seiner heiligen Tausende (Jud 14), die Nationen zu richten und Sein Reich aufzurichten.
Wie nahe mag diese Stunde sein - näher vielleicht, als wir alle ahnen! Darum laßt uns mit ungeteiltem Herzen dem Herrn anhangen und im Lichte des Richterstuhles über unser Leben wachen, damit wir, wenn Er kommt, „vollen Lohn“ empfangen. Alle, die Er dort als „gute und getreue Knechte“ begrüßen wird, haben hier als „gute und getreue Knechte“ gewandelt. Was wir hier für Ihn waren, das werden wir dort sein, und wie wir dort wünschen werden, unser Leben zu finden, so müssen wir es hier leben.
Der Herr schenke uns Gnade, die Zeit auszukaufen und mit jedem anvertrauten Pfunde so zu wirken, daß Er uns als getreue Knechte empfangen kann. v. d. K.