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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 10 -Jahrgang 1925
Ri 6,27 ; Joh 3,2 - „Bei Nacht“Ri 6,27 ; Joh 3,2 - „Bei Nacht“
Oft ist in der Schrift die Rede von der Nacht, und viele Stellen werden jetzt vor den geistigen Augen der lieben Leser stehen, ohne daß sie ihre Bibel erst aufzuschlagen brauchen. Gewiß werden manche unter anderem an jene Nacht denken, jene schaurige Nacht, von der unser geliebter Jesus vorher gesprochen hatte (vgl. Mt 26,31.34), in der der erste Mensch seine ganze Bosheit entfalten konnte, indem er in der Person des vom Satan in Besitz genommenen Judas Ischarioth mit dem Kuß, dem höchsten äußeren Zeichen menschlicher Zuneigung, Seinen Feinden Den verriet, der nur wahre Liebe und Gnade offenbart hatte, den Herrn Jesus, den Sohn Gottes, den zweiten Menschen, in dem Gott Seiner sündigen Schöpfung in Gnade begegnete. Welch eine Nacht! Wie erschütternd in dieser Beziehung nur das eine Wort in Joh 13,30: „er (Judas) ging alsbald hinaus; es war aber Nacht“! - Wir, die wir das hohe Vorrecht erkannt haben, des Herrn Jesus nach Seinem eigenen Willen zu gedenken, indem wir nach 1Kor 11 das Brot brechen und den Kelch trinken am ersten Tage der Woche, wir werden auf diese Weise auch Sonntag für Sonntag erinnert an jene Nacht des Verrats und zugleich der unsagbaren Hingabe des Herrn in der Sünder Hände, nachdem Er zuvor in der gleichen Nacht den Kelch des Leidens aus der Hand des Vaters genommen hatte. Gepriesen sei Er in alle Ewigkeit! - Und noch anderer Gelegenheiten gedenken wir, bei denen der Nacht in besonderer Weise Erwähnung getan wird, so Lk 2,8 oder jener Nacht, in der der Würgengel durch Ägypten ging, die Erstgeburt zu schlagen, oder der vielen Psalmworte, in denen die Nacht genannt ist usw., usw.
Aber in obigen zwei Stellen Ri 6,27 und Joh 3,2 haben wir den Ausdruck „bei Nacht“ in Zusammenhängen, die bei aller äußeren Verschiedenheit doch in einem Punkte große Ähnlichkeit miteinander haben: es handelt sich in beiden Stellen um Menschen, die großen Mut hatten - ja, wirklich! -, aber einen Mut, der nur im Finstern sich betätigen konnte. War es Mut? Gewiß! Denn um mit der zweiten Stelle anzufangen: als Schriftgelehrter, Mitglied des Synedriums, ohne Begleitung zu dem von Gott gekommenen Rabbi zu gehen, um sich mit Ihm zu unterreden, erforderte einen Mut, eine Entschlossenheit, ja geradezu eine Selbstverleugnung, deren so leicht keiner fähig war, und tatsächlich ist nach der Schrift Nikodemus der einzige Mann seiner Zunft geblieben, der persönlich zu dem Herrn Jesus mit seinen Fragen gegangen ist. War es so schwer, zu Dem zu gehen, der die Mühseligen und Beladenen stets so liebevoll einlud? Sicher nicht, wenn man mühselig und beladen war! Aber das war Nikodemus doch eigentlich auch? Ja, eigentlich! wie heute so viele, aber das zuzugeben, das sich selber und dem Herr einzugestehen - das war's! Das ist doch so arg schwer! dies sich selbst Erniedrigen und Beugen und Nichtswissen- und Sichsagenlassenwollen! Ach, wie ist das so schwer! Und das, ja das brachte Nikodemus fertig und - daß er erhöht wurde für sein Sicherniedrigen, zeigt uns Joh 19,39! Alle Bibelleser dürfen sich für allezeit an ihm freuen!
Freilich, bei Tage brachte er es nicht fertig! Seine Zunftgenossen und vor allem auch das Volk durften es nicht sehen, daß er jene so bloßstellte, ihre Unwissenheit einzugestehen (Denn wenn er diese Unwissenheit auch bemäntelte mit dem „Rabbi, wir wissen ...“, so ist dies Wissen doch nur recht fadenscheinig gewesen, die ungelehrte Volksmenge wußte noch mehr als jene wissensstolzen Männer und Hüter der überlieferten Religion)!. Nein, nicht bei Tage - aber doch wenigstens bei Nacht! Laßt uns nicht klein denken von diesem damals doch noch unwiedergeborenen Manne, wir, die wir wiedergeboren sind und doch oft recht zaghaft (gibt's nicht noch ein stärkeres Wort?)! sind in unserem Bekenntnis des Namens Jesu, in dem allein Heil und Leben ist für eine in Wissens- und Tugendstolz, Religion, Technik und Kunst, Spiritismus und Zauberei, Unzucht und Lügen usw. sterbende Welt! Laßt uns lieber jenes fragenden Mannes Mut und Selbstverleugnung bewundern und uns fragen, was wir in der Nacht dieser Welt fertig bekommen für Den, der an unserer Stelle die Nacht des Ihm verhüllten Antlitzes Gottes ertragen hat! Vielleicht wäre es gut für uns, wenn wir öfter mal stille Nachtstunden Ihm opferten, um vor Ihm uns zu beugen in Beschämung über unsere Unfähigkeit, unseren mangelnden Mut im Bekennen Seines über alles erhobenen Namens, und um Kraft zu schöpfen in jener Ihm geweihten Stille für den Glaubenskampf des Lebens mit Ihm und für Ihn! In diesem Sinne laßt uns uns gegenseitig ermuntern, mehr Nikodemus-Mut zu beweisen und mehr Segen aus Nikodemus-Nächten zu gewinnen und zu verwerten in unserem praktischen Leben!
Aber da ist noch ein anderer, ein tapferer Mann, dessen Mut den vieler Kinder Gottes, die auf dem Boden der Gnade stehen, zu Seiner Gemeinde gehören und Größeres kennen als jener, übertrifft: Gideon zu Beginn seiner gottgeschenkten Laufbahn und seines Dienstes zur Rettung der Kinder Israel von der Hand Midians. Sollte er sich als fähig erweisen, und zwar vor Jehova und vor seinen Stammes- und Volksgenossen, so mußte erst Treue gegenüber dem einen wahren Gott bei ihm gefunden werden, und wie anders konnte das geschehen als dadurch, daß er offen und klar brach mit dem damals so verbreiteten Götzendienst seines Hauses wie seines Volkes?! Es geht nicht an, daß die, derer
Sich Gott bedient, um Seine Pläne auszuführen, Götzen in ihrem Hause beherbergen, gleich als ob Gott Gemeinschaft mit Belial machen könnte (2Kor 6,14-18). Das Ausführen der Gedanken Gottes fängt im eigenen Herzen und Hause an. Aber - aber! Das ist nicht so leicht, Gideon! Du magst in deinem Herzen keinem Götzen huldigen - genügt das denn nicht? Muß denn auch äußerlich der „arme“ Götze, „der einem doch nichts zuleide getan hat“, über den Haufen geworfen werden? Ist diese Forderung nicht zu weitgehend, zu schroff? Wenn ich in meinem Herzen von dem Götzendienst der Gegenwart gelöst bin, so von den fälschlich sogenannten Kirchen und allem, was dazu gehört, und von allen religiösen Formen oder von sonstigen Formen modernen Götzendienstes, Zaubereidingen, Lust der Welt, Liebhabereien ohne Gott usw. - genügt das denn nicht? Muß ich vielmehr davon auch öffentlich Kunde geben? öffentlich aus mir liebgewesenen Organisationen, „die mir doch nichts getan haben“, austreten, meinen Namen streichen lassen, den „Baal“, dem einst mein Herz neben Gott diente, verbrennen? Geht das nicht zu weit? Gewiß fragen manche Gläubigen von heute so, gewiß möchten manche gern „Gott über alle Dinge“ lieben, aber in ihrem Herzen - wo es sicher auch zuerst geschehen muß! -, doch nicht öffentlich mit klarer Bezeugung der absoluten Wertlosigkeit alles nicht mit der Schrift völlig in Einklang stehenden sogenannten Gottesdienstes usw. Aber siehe, mein Bruder, meine Schwester, das genügt nicht! Der Herr kann von dir mehr erwarten, nachdem Er Selber außerhalb des Lagers (Heb 13,12.13) als der Verworfene gelitten hat von den religiösen Vertretern eines Volkes, dessen religiöse Gebräuche im Gegensatz zu denen der Christenheit ursprünglich sogar von Jehova angeordnet waren. Und Er erwartet wirklich mehr von uns. Lernen wir doch von Gideon! Wollte er Holz haben zum Brandopfer für Jehova, seinen Gott, so mußte er nach dem Willen Jehovas die Götzen von Holz umhauen und dies Holz seiner gottgewollten Verwendung zuführen: der Verbrennung! Ist das Holz vielleicht dazu da, um Götzen daraus zu machen? (Vgl. z. B. Jes 44! u. a. auch 40,16 bis 20)! Nein, Gideon sah ein, daß dieser falschen Verwendung des Holzes ein Ende gemacht werden mußte, dieses sündig gebrauchte Holz konnte einem besseren Zwecke dienstbar gemacht werden: umgehauene, niedergerissene Götzen sind das beste, natürlichste Material, der beste Brennstoff für die Darbringung von gottgewollten Brandopfern! Merken wir uns das, geliebte Geschwister! Mit anderen Worten: Erst nachdem wir unsere uns liebgewordenen „Götzen“, wer und was sie auch seien, umgehauen und der Vernichtung preisgegeben haben, werden wir fähig, Gott wohlgefällig zu dienen und von Ihm nach Seinem Willen gebraucht zu werden. Und dies Niederreißen muß geschehen ohne Rücksicht auf andere. Ob andere treu sind oder es durch unser Zeugnis werden, ist nicht unsere Sache, wir haben treu zu sein mit dem, was Gott uns sagt und von uns erwartet! Werden einige religiöse Leute, deren Religion Götzendienst ist, unsere Feinde, wenn sie sehen, was wir tun, so ist das nur ein schriftgemäßes Ergebnis, wie wir es nach Gideons Nachtwerk sehen. Wenn wir nur handeln wie Gideon! Und ob wir mit unseren Götzen ein Ende machen bei Tage, d. h. vor aller Augen, oder ob wir in der Stille einer Nacht vor unserem Vater, „der im Verborgenen sieht“, damit aufräumen - offenbar muß es werden, daß wir wirklich geistlicherweise in nichts mehr Götzen bei uns dulden, daß wir uns nach 1Joh 5,21 vor ihnen hüten und daß wir nur noch Ihm dienen mit Wort und Werk und Wesen, „der uns geliebt und Sich Selbst für uns gegeben hat“ (Eph 5,1.2). Schilt Gideon nicht feige, er war es nicht, er war sich nur seiner Ohnmacht bewußt, vor aller Welt das Erste zu tun, was getan werden mußte. Was Gott gefordert hatte, mußte offenbar werden vor aller Welt, und wie wurde es - am Morgen - offenbar! Aber ob die grundlegende Tat bei Tage oder bei Nacht geschah - wenn sie nur geschah! Und als sie geschehen war, da wurde auch offenbar, wer es getan hatte. Gott sorgte durch den neuen Namen, den man Gideon beilegte (V. 31.32), dafür, daß keiner vergessen konnte, was er getan in jener Nacht, die - wenn auch seine damals noch berechtigte Angst vor Menschen - so doch noch mehr seine Abhängigkeit von dem wahren Gott zeigte. Das ist höchster Mut und Selbstverleugnung! O, laßt uns solchen Mut haben! Laßt uns nicht den Leuten als mutige Menschen gegenübertreten mit großen Worten, was wir alles für den Herrn opfern wollen - laßt es uns tun in der Stille der Nacht, und dann wird's bald offenbar, was Er uns wert ist. Und noch einmal: es genügt nicht, im Herzen von etwas los zu sein - es muß auch tatsächlich offenbar werden, daß wir los sind - uns vielleicht eines Nachts losgerungen haben, sei es von einem Baal, sei es von einem Isaak (1Mo 22), von allem, was an die Stelle treten könnte oder an der Stelle stand, die allein Ihm gebührt, unserem Gott und Herrn!
Bedenke, zweimal steht in V. 27: „er tat“. Tue du auch! Tu's heute nacht, und der morgende Tag wird ein Tag größerer Kraft, Freude und Siegesgewißheit sein (vgl. V. 34)!, und du wirst frei sein zum Dienst, freier denn du je warst, ehe das wertlose Holz des Götzendienstes seiner wahren Bestimmung zugeführt war.
Nikodemus kam zu Jesu bei Nacht.
Gideon tat, was Jehova ihm befahl, bei Nacht.
Wie kostbar, daß unser Gott nichts vergißt, was Menschen um Seinetwillen getan haben - Er ist ein Belohner! (Heb 11,6) -, und Er hat's Gideon und Nikodemus nicht vergessen, was sie taten - wohl bei Nacht -, aber wenn sie's nur taten! Er kannte ihre Schwachheit, und Er würdigte durch Sein ewiges Schriftzeugnis ihren Mut.
Sieht Er auch bei uns solchen Mut? Laßt uns um Seinetwillen solchen Mut beizeiten beweisen - noch diese Nacht! -, denn auch in diesem Zusammenhange dürfen wir Worte wie folgende anwenden: „es kommt die Nacht, da niemand wirken kann!“ (Joh 9,4) und „die Nacht ist weit vorgerückt“ (Röm 13,12).
Unsere Werke des Glaubens sind bald für immer zu Ende getan, denn der Herr kommt bald! Wie wird das sein?! Dann wird offenbar, was wir für Ihn hienieden taten und waren. Wie ernst und zugleich wie kostbar! (2Kor 5,7-10).
F. K.