Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 5 -Jahrgang 1917
Jer 38 ; Jer 39,15-18 - „Zerrissene Lappen und abgetragene Lumpen“Jer 38 ; Jer 39,15-18 - „Zerrissene Lappen und abgetragene Lumpen“
Wie gut ist Gott, auch des kleinsten Werkes der Liebe zu gedenken und von so geringen Dingen Notiz zu nehmen! Was durch den Glauben an Ihn einem Seiner Heiligen in Liebe getan ist, das ist Ihm getan. Wie gering auch der Dienst oder die Gabe sein mag - Er sieht es - besonders wenn es sich um die Bedürfnisse solcher handelt, die um ihres treuen Zeugnisses willen sich in Lagen der Not oder der Leiden befinden. Damit wir dieses wissen sollen, hat der Heilige Geist uns diese Tat Ebedmelechs, des äthiopischen Sklaven, niederschreiben lassen.
Jeremia wurde um seines treuen Zeugnisses willen gehaßt und verworfen. Treu bezeugte er dem König Zedekia, daß Gott um der Sünde willen Sein Gericht über das Volk bringen werde, und daß sie nicht entfliehen würden; die Chaldäer, die sich von Jerusalem abgewandt hatten, würden zurückkehren, die Stadt einnehmen und mit Feuer verbrennen.
Solche Botschaft gefiel den Großen nicht, und die Fürsten wurden sehr zornig. Sie erwirkten beim König, daß er getötet werden solle. Und so „nahmen sie Jeremia und warfen ihn in die Grube Malkijas, des Königssohnes, welche im Gefängnishofe war, und ließen ihn mit
Stricken hinab. In der Grube war kein Wasser, sondern Schlamm, und Jeremia sank in den Schlamm“ (V. 6).
Wie furchtbar! Die Kette, mit der Satan Zedekia band, war Menschenfurcht. Aus Menschenfurcht übergab er den treuen Zeugen Gottes den Händen dieser Männer, die ihn in die Schlammgrube warfen, dort elendiglich umzukommen. Niemand wagte es, dagegen Einspruch zu erheben - und wer konnte es auch wagen, wenn selbst der König nicht den Mut hatte, dagegen aufzutreten.
Armer Jeremia! Was mochte durch seine Seele gehen, als er in den Schlamm hinein sank. Ob ihm nicht auch das Herz sank? Fragte er sich nicht: „Will Gott, daß ich hier umkommen soll?“ Nein, er sollte nicht umkommen. Zwar aus seinem Volke verwandte sich niemand für seine Rettung, aber Gott kann andere finden. Weg' hat Er allerwegen, an Mitteln fehl's Ihm nicht. Und so lesen wir: „Und Ebedmelech, der Äthiopier, ein Eunuch, der im Hause des Königs war, hörte, daß sie Jeremia in die Grube getan hatten; der König aber saß im Tore Benjamin. Und Ebedmelech ging aus dem Hause des Königs hinaus und redete zum König und sprach: Mein Herr König, diese Männer haben übel gehandelt in allem, was sie dem Propheten Jeremia getan, den sie in die Grube geworfen haben; er muß ja da, wo er ist, vor Hunger sterben, denn es ist kein Brot mehr in der Stadt.“
Er war ein mutiger Mann. Das war keine Kleinigkeit, zu dem König im Tor zu gehen und ihm das Unrecht an Jeremia vorzutragen, wußte er doch, daß der Schuldigste in der ganzen Sache der König selbst war. Hätte jemand Ebedmelech auf dem Wege getroffen und sein Vorhaben gekannt, er würde ihm gesagt haben: „Sei kein Tor und setze dein Leben aufs Spiel, du wirst deinen Wagemut an der Seite Jeremias in der Schlammgrube büßen.“ Der Unglaube eben rechnet nicht mit Gott. Der Glaube aber weiß, daß „gleich Wasserbächen eines Königs Herz in der Hand Jehovas ist“ (Spr 21,1).
Und was wurde aus diesem kühnen Gange? Wurde er abgewiesen oder gar verurteilt? Höre: „Und der König gebot Ebedmelech, dem Äthiopier, und sprach: Nimm von hier 30 Männer unter deine Hand und hole den Propheten Jeremia aus der Grube herauf, bevor er stirbt.“ Das kann Gott. Solche Worte sind zu unserer Ermutigung geschrieben. Was mochte bei diesen Worten in Ebedmelechs Seele vorgehen! Wie mochte er eilen, die 30 Männer zu rufen, die Jeremia aus dem Schlamm ziehen sollten, „bevor er stirbt“. Wie lange Jeremia in der schrecklichen Grube war, wir wissen es nicht. Aber Gott, der mit den Männern in den Feuerofen ging, der an Daniels Seite in der Löwengrube stand, wird auch Jeremias Herz in der Schlammgrube erquickt haben.
Jetzt kommen wir zu dem Schriftworte, das die Überschrift dieses Artikels ist. Die Fürsten, die Jeremia in die Grube warfen, taten es sicherlich nicht in sanfter Weise. Mit Stricken ließen sie ihn in den Schlamm hinab, Hungers zu sterben. Ob die Stricke ihn verletzten oder in seine Arme einschnitten, was kümmerte es sie. Ihre Stricke waren die Stricke des Hasses. Aber jetzt waren es andere Stricke. „Ebedmelech nahm die Männer unter seine Hand und ging in das Haus des Königs, unter die Schatzkammer, und er nahm von dort zerrissene Lappen und abgetragene Lumpen, und er ließ sie an Stricken zu Jeremia in die Grube hinab. Und Ebedmelech, der Äthiopier, sprach zu Jeremia: Lege doch diese zerrissenen Lappen und abgetragenen Lumpen unter die Achsel deiner Arme, unter die Stricke. Und Jeremia tat also. Und sie zogen Jeremia an den Stricken empor und holten ihn aus der Grube herauf.“ Mit den Stricken der Liebe, nicht des Hasses, wurde er emporgezogen.
War das nicht Liebe? Man mag geringschätzend sagen, diese Lappen und Lumpen kosteten nichts. Gewiß, sie kosteten ihn nichts, an und für sich waren sie wertlos, aber sie sagen sehr viel. In diesen Lappen und Lumpen offenbarte sich einerseits die liebende Sorge Gottes über Seinen leidenden Knecht und andererseits das mitfühlende Herz Ebedmelechs. Er war das Gefäß, das Werkzeug, durch welches Gott Sich in Seiner Sorge für Seinen Knecht verherrlichen konnte. Und dies ist köstlich und groß!
Lieber Leser, hat diese liebende Sorge Gottes je einen Seiner Knechte durch dich erreichen können? Willst du sagen, du habest nichts? Was, nicht ein paar Lappen und Lumpen? Wirklich, du mußt sehr arm sein! Es ist nicht allein das Geben oder das Tun, was in Frage kommt, sondern auch die Art, wie man gibt oder etwas tut. Ebedmelech hätte Jeremia einfach aus der Grube heraufholen können, aber er zog ihn herauf, so wie Jehova ein armes verwundetes Lamm herausziehen würde, mit Seilen der Liebe.
Ebedmelech dachte gewiß nicht, als er in des Königs Haus ging, die zerissenen Lappen und abgetragenen Lumpen zu holen, daß Gott dieses in den Heiligen Schriften eintragen würde. Er ahnte nichts davon, daß mehr als 2000 Jahre hindurch die Gläubigen der ganzen Erde durch diese seine Tat belehrt und ermuntert werden sollten, zu tun, was irgend sie zur Erquickung der geliebten Knechte Gottes tun können.
Köstlich ist es zu sehen, wie Gott Ebedmelech nicht vergißt. Er sprach zu Jeremia: „Gehe hin und sprich zu Ebedmelech, dem Äthiopier, und sage: So spricht Jehova der Heerscharen, der Gott Israels: Siehe, Ich bringe Meine Worte über diese Stadt zum Bösen und nicht zum
Guten, und sie werden vor dir geschehen an selbigem Tage. Aber Ich werde dich erretten an jenem Tage, spricht Jehova, und du wirst nicht in die Hand der Männer gegeben werden, vor welchen du dich fürchtest. Denn ich werde dich gewißlich entrinnen lassen, und du wirst nicht durch das Schwert fallen; und du sollst deine Seele zur Beute haben, weil du auf Mich vertraut hast, spricht Jehova“ (39,15-18).
So fand Ebedmelech schon auf Erden seinen Lohn für den Dienst, den er dem Knechte Gottes getan hatte. Er sollte gerettet werden von dem, was er fürchtete. Und was war das Geheimnis seines Werkes der Liebe? Glaube! „Weil du auf Mich vertraut hast.“ Sein Glaube war ein Glaube, der durch die Liebe wirkt (Gal 5,6). Glaube und Liebe müssen beisammen gefunden werden (Eph 1,15; Kol 1,4; 1Thes 1,3). Liebe zu den Heiligen ist eines der Kennzeichen der Errettung, wie den Hebräern gesagt wird, nachdem sie vor dem Abfall gewarnt waren: „Wir aber sind in bezug auf euch, Geliebte, von besseren und mit der Errettung verbundenen Dingen überzeugt, ... denn Gott ist nicht ungerecht, eures Werkes zu vergessen und der Liebe, die ihr gegen Seinen Namen bewiesen, da ihr den Heiligen gedient habt und dienet“ (Heb 6,9.10).
Wenn jemand Glauben hätte, daß er Berge versetzte, es fehlte aber die Liebe dabei, so ist er „nichts“ (1Kor 13,2). Wie ernst ist dies! Ich mag groß scheinen in meinen und in anderer Augen, aber in Gottes Augen bin ich „nichts“. Aber selbst wenn die Liebe nur fähig sein sollte, ein paar zerrissene Lappen und abgetragene Lumpen bringen zu können, geschieht es aber im Glauben und in Liebe und Teilnahme an den Leiden eines Heiligen oder der Notdurft eines Knechtes Gottes - Er will es nicht vergessen. Das ist unser Gott.
Der Name Ebedmelech bedeutet „Knecht des Königs“, und dies war er wirklich. Er war ein Knecht Jehovas, des Königs der Könige. Möchten wir solche Knechte des Herrn sein, „nicht in Augendienerei als Menschengefällige, sondern als Knechte Jesu Christi, indem wir den Willen Gottes von Herzen tun“ (Eph 6,6), und selbst wenn dieser Dienst auch nur ein Dienst sei, gleich dem Ebedmelechs mit „zerrissenen Lappen und abgetragenen Lumpen“. Insofern ihr es einem der geringsten dieser meiner Brüder getan habt, habt ihr es Mir getan (Mt 25,40).
F. C. M.