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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 9 -Jahrgang 1923/24
2Kor 5,10 - „Der Richterstuhl Christi“ (1)2Kor 5,10 - „Der Richterstuhl Christi“ (1)
Manche Kinder Gottes, die es ernst in ihrem Wandel nehmen, sind in Zweifel und Sorge darüber, was ihnen der Richterstuhl Christi bringen wird, und andere, die mit Ernst an den Richterstuhl Christi denken sollten, gehen gleichgültig daran vorüber.
Diese kleine Betrachtung möchte beiden Klassen dienen, aber doch besonders denen zu helfen suchen, die sich „beeifern, Ihm wohlgefällig zu sein“ (2Kor 5,9), aber, über ihrer Mangelhaftigkeit und ihr Zukurzkommen unglücklich, mit Furcht und Sorge an den Richterstuhl Christi denken. Im Glauben erfaßten sie einst das Wort des Herrn: „Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch: Wer Mein Wort hört und glaubt Dem, der Mich gesandt hat, hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern er ist aus dem Tode in das Leben übergegangen“ (Joh 5,24), und ihre Seele ruhte voll Freuden in der Zuverlässigkeit Seines Wortes. Dann aber lasen sie: „Denn wir müssen alle vor dem Richterstuhl des Christus offenbar werden, auf daß ei n jeder empfange, was er in dem Leibe getan, nach dem er gehandelt hat, es sei Gutes oder Böses“ (2Kor 5,10), und Furcht und Zweifel beschlich ihr Herz, ob nicht doch noch einmal die Frage ihrer Sünden aufgerollt und sie von dem Richter zur Linken gestellt werden könnten.
Solche Gedanken kommen aus der falschen Annahme, daß an einem bestimmten Tage der Richterstuhl Christi aufgerichtet und alle Menschen, gläubig und ungläubig, durch das Sieb einer peinlichen Untersuchung hindurchgehen müssen, um dann zu erfahren, ob man selig werde oder verloren gehe.
Wohl werden alle Menschen einmal vor dem Richterstuhle Christi offenbar werden, und es mag deshalb so erscheinen, als widerspräche dies dem Worte des Herrn, daß der Gläubige nicht ins Gericht komme. Aber auch betreffs dieses scheinbaren Widerspruches dürfen wir mit voller Gewißheit sagen: „Die Schrift kann nicht gebrochen werden“ (Joh 10,35).
Vielleicht sagt jemand, wenn alle Menschen vor den Richterstuhl Christi zu stehen kommen, so ist es doch klar, daß alle, Gläubige und Ungläubige, gleichzeitig vor dem Richterstuhle Christi stehen werden?! Durchaus nicht! Niemals werden Gläubige mit Ungläubigen zugleich vor dem Richterstuhle Christi offenbar werden.
Die oft vertretene Meinung, daß der Richterstuhl Christi ein allgemeines Gericht bedeute, vor dem alle Menschen zugleich versammelt werden, hat keinen Grund in der Schrift.
Der „Richterstuhl“ Christi ist ein sehr weitgehender Begriff, der mehr umfaßt als eine einmalige Handlung. In diesem Ausdruck „Richterstuhl des Christus“ ist jede Richterhandlung des Herrn einbegriffen, die der Herr über Personen oder Werke vollziehen wird. Der Richterstuhl Christi ist sowohl der „Thron der Herrlichkeit“ (Mt 25,31), vor dem alle Nationen versammelt werden, als auch der „große weiße Thron“ (Off 20,11), vor dem die unerretteten Toten stehen werden. In dem Hinweis auf den Richterstuhl Christi, vor dem alle offenbar werden müssen, bringt der Apostel den göttlichen Grundsatz zum Ausdruck, den wir schon im Alten Testament (Pred 12,14) finden, daß „Gott jedes Werk, es sei gut oder böse, in das Gericht über alles Verborgene bringen wird“.
Aber, könnte jemand sagen, sind die Ungläubigen eingeschlossen in das Wörtchen „alle“ in 2Kor 5,10?
Ohne Zweifel. Wir brauchen nur den folgenden, den 11. Vers zu lesen: „Da wir nun den Schrecken des Herrn kennen, so überreden wir die Menschen“. Warum sollte der Apostel die Menschen überreden, wenn sie nichts mit dem Richterstuhl Christi zu tun haben?
Er sieht (und ich folge z. T. den Ausführungen eines anderen) den Ernst, das Furchtbare des Augenblickes, wenn ein Mensch vor dem Richterstuhl Christi offenbar wird. Mit tiefem Ernst denkt er an den Unbekehrten, wenn dieser in seinen Sünden vor dem Richter zu erscheinen hat. Er zittert, aber er zittert nicht für sich. Er ist erschrocken, aber der Schrecken des Herrn berührt nicht ihn selbst. Dadurch daß der Herr das Gericht für ihn erduldet und entfernt hat, ist das Gericht mit seinen Schrecken für ihn hinweggenommen. Aber für den Ungläubigen ist das Offenbarwerden vor dem Richterstuhl Christi eine Stunde der Furcht und des Schreckens. Von der Liebe Christi gedrängt, überredet der Apostel deshalb die Menschen, dem Gericht zu entfliehen. So zeigt uns dieser 11. Vers, daß er sowohl an Gläubige als auch Ungläubige denkt. Keineswegs aber wird uns damit gesagt, daß dieses Offenbarwerden der Gläubigen und der Ungläubigen gleichzeitig geschieht.
Laßt uns nun ein wenig näher auf einige Stellen der Schrift eingehen, die auf den Richterstuhl Christi Bezug haben:
In 2Tim 4,1 lesen wir: „Ich bezeuge ernstlich vor Gott und Christo Jesu, der da richten wird Lebendige und Tote, und bei Seiner Erscheinung und Seinem Reiche“. Hier wird uns gesagt, daß der Herr Jesus richten wird 1. Lebendige und 2. Tote. Über das Gericht der Lebendigen wird uns in Mt 25 berichtet, und über das Gericht der Toten finden wir näheres in Off 20. Laßt uns diese beiden Stellen aufmerksam lesen! Zunächst Mt 25,31-46.
Das Gericht der Lebendigen.
Der Richterstuhl ist der „Thron der Herrlichkeit“. Alle kennen das Wort des Herrn von den „Schafen und Böcken“. Leider ist diese Stelle dazu gemißbraucht worden, eine gleichzeitige Auferstehung aller Toten zu beweisen, die Schrift aber lehrt solches nicht (Off 20,5). Man sagt, in der Auferstehung sind die Guten die „Schafe“ und die Bösen die „Böcke“. Aber die ganze Stelle hat gar nichts mit der Totenauferstehung zu tun. Es findet sich darin weder ein Wort noch ein Gedanke an Totenauferstehung. Es handelt sich überhaupt nicht um auferstandene Menschen, sondern um Nationen, um die lebenden Völker auf Erden, die zu der Zeit leben, wenn der Herr Jesus als König in Seiner Herrlichkeit zur Erde herabkommen wird.
Noch ein anderer Punkt in dieser Schriftstelle ist wichtig zu beachten. Vers 40 lesen wir: „Wahrlich, Ich sage euch, insofern ihr es einem der geringsten dieser Meiner Brüder getan habt, habt ihr es Mir getan“. Es ist oft mit Recht gesagt worden: „Wenn die,Schafe' die Guten sind und die,Böcke' die Bösen, wer sind dann die, welche der Herr ,diese Meine Brüder' nennt?“ Der Herr unterscheidet hier nicht zwei, sondern drei Klassen. Wohl werden die vor Ihm versammelten Völker in zwei Klassen, in Schafe und Böcke geteilt. Aber dann richtet Er den Blick der „Schafe“ auf eine dritte Klasse, die Er „diese Meine Brüder“ nennt. Wir sehen, eine solche Auslegung (wie oben) stimmt nicht.
In jener Klasse, die Er „diese Meine Brüder“ nennt, erkennen wir die Boten, die nach der Entrückung der Gemeinde in der „großen Trübsalszeit“ treu zu Ihm gestanden haben. Diese Treuen werden in jener Zeit ausgehen und das Evangelium des Reiches predigen (Mt 24,14). Sie werden es in einer ähnlichen Weise verkündigen, wie es die Jünger in der Zeit taten, als der Herr hier auf Erden war.
Je nachdem wie die „Nationen“ (Völker) sie annahmen oder verwarfen (Mt 24,14), werden sie, wenn der König kommt, von Ihm den Segen oder den Fluch empfangen; denn die Annahme oder Verwerfung „dieser Seiner Brüder“ war gleichbedeutend mit Seiner Annahme oder Verwerfung.
Dieses ist der Richtersitz, den der Herr Jesus einnehmen wird, wenn Er die Lebendigen richten wird.
Nun laßt uns hinblicken auf das Gericht der Toten in Off 20,11. Der Richterstuhl dort ist „ein großer weißer Thron“. Wir lesen Vers 11: „Und ich sah einen großen weißen Thron und Den, der darauf saß, vor dessen Angesicht die Erde entfloh und der Himmel, und keine Stätte wurde für sie gefunden“. Dieses Gericht findet nicht in der Erdenzeit statt, sondern dann, wenn die Ewigkeit ihren Anfang genommen hat. Es ist wichtig zu beachten, daß die Erde und der Himmel, wie wir sie jetzt sehen, dann bereits entflohen sind. Sie haben ihren Zweck erfüllt und sind hinweggetan worden, aber der unbekehrte sündige Mensch ist nicht mit hinweggetan. Der Sünder, der in seinen Sünden stirbt, wird nach der Auferstehung in seinem Leibe vor dem „großen weißen Thron“ stehen. Er wird als Mensch gerichtet und „wird empfangen, nach dem er in dem Leite getan, es sei Gutes oder Böses“ (2Kor 5,10). Und wer ist der Richter auf diesem Throne? Es ist der Herr Jesus! Der Apostel sagt (Apg 10,42): „Daß Er der von Gott verordnete Richter der Lebendigen und der Toten ist“. Derselbe, der im Leben ihr Heiland sein wollte, derselbe ist dann ihr Richter.
Beachte auch die Worte: „Die Bücher wurden aufgetan“ (Off 20,12). Man möchte diese Bücher die „Bücher der Verantwortlichkeit“ nennen, denn sie enthalten alles, worüber der Mensch von Gott zur Rechenschaft gezogen werden wird. Ein sorgfältiger Mann führt Bücher über alles, damit er alles sicher weiß und nichts vergißt. Und warum wird uns gesagt, daß Gott gleichsam Bücher führt? Sicher um uns damit zu zeigen, daß nichts von Ihm vergessen wird. Der Mensch denkt, er kann Sünde auf Sünde häufen, und redet sich vor, daß Gott keine Notiz davon nimmt. Aber er irrt sehr! Gott zeigt uns in diesen „Büchern“, daß das Spiegelbild unseres Lebens dort unverwischbar niedergelegt ist und jeder sein Leben dort wiedersehen wird. Auf den Seiten jener Bücher ist gleichsam jedermanns Name eingetragen, und darunter ist alles aufgezeichnet: Der Besitz Seines Wortes, das Hören des Evangeliums, die Bemühungen der Liebe, die angewandt sind, der Seele den Weg zu Jesus zu zeigen; dann die Sünden, Sünden und Sünden und die letzte Sünde: die Vernachlässigung der Errettung und die Verwerfung Christi. Wer möchte, daß sein Name in diesen Büchern stände?! Wer möchte gerichtet werden „nach dem, was in den Büchern geschrieben steht“? Wer gerichtet werden nach seinen Werken?
Was die Vorrechte, die ein Mensch in dieser Welt empfangen hat, in jener Welt am Tage des Gerichts bedeuten, das lernen wir aus den Worten des Herrn in Lk 12,47.48: „Jener Knecht aber, der den Willen seines Herrn wußte und sich nicht bereitet, noch nach seinem Willen getan hat, wird mit vielen Schlägen geschlagen werden; wer aber nicht wußte, aber getan hat, was der Schläge wert ist, wird mit wenigen geschlagen werden. Jedem aber, dem viel gegeben ist - viel wird von ihm verlangt werden, und wem man viel anvertraut hat, von dem wird man desto mehr fordern“. Da ist ein Heide im dunklen Afrika, Gottes Stimme hat auch zu ihm geredet (Hiob 33,14.29.30), aber ihm ist niemals die kostbare Botschaft der Gnade Gottes verkündigt worden, - er wird mit wenigen Schlägen geschlagen werden; und da ist ein Mann in unserem Lande, er hörte die frohe Botschaft und wurde mit vielen Vorrechten gesegnet, aber er wandte dem Herrn den Rücken - er wird mit vielen Schlägen geschlagen werden. Wir erinnern uns, wie der Herr jene Städte schalt, in welchen Seine meisten Wunderwerke geschehen waren: „Wehe dir, Chorazin! wehe dir, Bethsaida! denn wenn zu Tyrus und Sidon die Wundermerke geschehen wären, die unter euch geschehen sind, längst hätten sie in Sack und Asche Buße getan“ (Mt 11,21). Dies sollte genügen, jeden Sünder zum Nachdenken zu bringen.
In diesem Gericht vor dem großen weißen Thron wird außer „den Büchern“ noch „ein anderes Buch“, das „des Lebens“ erwähnt. Uns wird nicht gesagt, daß die Toten aus diesem Buche gerichtet werden. Das Buch des Lebens enthält sozusagen das Namenverzeichnis der Gläubigen. Der Name jedes Erretteten steht hier angeschrieben. Wenn wir uns fragen, zu welchem Zwecke das Buch des Lebens hier geöffnet ist, wo doch „jeder nach seinen Werken“ gerichtet wird, „nach dem, was in den Büchern geschrieben ist“ (ein Gericht, welches auch dem Besten unter den Sündern keine Hoffnung läßt), so finden wir eine Antwort in der Mitteilung, daß, wenn ein Name in diesem Buche „nicht gefunden wurde“, das Gericht ausgeführt wurde. Es war das letzte, was geschah - gewissermaßen eine feierliche Feststellung und Bestätigung dafür, daß der Name nicht im Buche des Lebens gefunden wurde. (Lk 10,20).
Dieses Gericht der Toten vor dem großen weißen Thron in Off 20,11-15 muß klar unterschieden werden von dem zuvor betrachteten Gericht der lebenden Nationen in Mt 25,31-46. Die Verschiedenheiten beider sind leichter zu überblicken, wenn wir sie nebeneinander stellen.
Das Gericht der Lebendigen - Das Gericht der Toten (Mt 25,31-46). (Off 20,11-15)
Wo findet es statt?
Auf Erden. Nicht auf Erden.
Vor dem Thron der Vor d. großen weißen Throne,
Herrlichkeit (V. 31.32). nachdem Himmel und Erde vergangen sind (V. 11).
Wann findet es statt?
Wenn der Herr Jesus zur Erde Nach dem 1000-jährigen Reiche herniederkommt (V. 31). (V. 7-11).
Beim Eintritt in das 1000- Beim Eintritt in die Ewigkeit jährige Reich (V. 34). (V. 10.11).
Wer wird gerichtet?
Die lebenden Völker (V. 32). Die Toten (V. 12.13).
Wonach wird gerichtet?
Nach der Annahme oder der „Nach dem, was in den
Verwerfung der Brüder und Büchern geschrieben war,
Boten des Herrn (V. 40.45). nach ihren Werken“ (V. 12).
(Darin war natürlich die (Es ist kein Boden der
Annahme oder die Verwerfung Gnade mehr). des Herrn eingeschlossen).
Wie ist das Urteil?
Das Urteil ist verschieden. Das Urteil ist nicht verschieden.
Die einen gehen in die Alle werden in den Feuersee ewige Pein, die anderen in geworfen (V. 14.15). das ewige Leben (V. 46). (Ein Urteil nach den Werken muß
Verdammnis sein [Ps 143,2]).
Wir wenden uns nun der Frage zu: „Was geschieht mit den Gläubigen der Gemeinde Gottes?“ Auch sie „müssen alle vor dem Richterstuhl des Christus offenbar werden, auf daß ein jeder empfange, was er in dem Leibe getan, nach dem er gehandelt hat, es sei Gutes oder Böses“ (2Kor 5,10).
Manche haben gemeint, vor dem Richterstuhl Christi falle die Entscheidung, ob ein Mensch selig werde oder verloren gehe. Solche denken, daß an einem Tage nach dem Tode alle sogenannten „guten Taten“ eines Menschen in die eine Waagschale gelegt werden und die „schlechten“ in die andere und darnach die Frage des Seligwerdens entschieden werde. Wenn das Gewissen dem Menschen dann bezeugt, daß er wenig Aussicht habe, in das ewige Leben einzugehen, so tröstet man sich mit der Gnade Christi, der Sein Verdienst hinzulegen und so die Waage zu seinen Gunsten neigen werde. Diese Vorstellung ist ein gefährlicher Irrtum. Wer seine Seligkeit darauf baut, baut auf Sand. Die Schrift kennt solche Gedanken nicht. Sie sagt uns klar, daß unser ewiges Los hier auf Erden entschieden wird durch die Buße und den
Glauben an den Herrn Jesus. Der Herr kennt schon jetzt die Seinen, und die Seinen kennen Ihn. Er sagt: „Ich kenne die Meinen und bin gekannt von den Meinen“ (Joh 10,14), und weiter: „Der Herr weiß die Gottseligen aus der Versuchung zu erretten, die Ungerechten aber aufzubewahren auf den Tag des Gerichtes, um bestraft zu werden“ (2Pet 2,9). Beide, die „Gottseligen“ wie auch die „Ungerechten“, sind jetzt schon von Ihm gekannt. Mit den „Gottseligen“ hat „der Tag des Gerichtes“ nichts zu tun, den „Ungerechten“ aber bringt er nicht die Entscheidung, ob er selig wird oder verloren geht, sondern die Bestrafung.
Der Gläubige weiß ohne jeden Zweifel schon jetzt, wo er in der Ewigkeit sein wird, und erfährt dieses nicht erst vor dem Richterstuhl Christi. Er weiß aufs gewisseste, daß er bei Christo in der Herrlichkeit sein wird: „Ich habe Lust, abzuscheiden, und bei Christo zu sein“ (Phil 1,23). Ferner sehen wir, daß „ausheimisch aus dem Leibe“ heißt „einheimisch bei dem Herrn sein“ (2Kor 5,8); und Stephanus befahl seinen Geist in die Hände des Herrn Jesus (Apg 7,59). Solche Worte der Schrift sagen uns aufs deutlichste, daß Paulus, der Schächer (Lk 23,43) und alle, die im Glauben an den Herrn Jesus starben, bei dem Herrn sind. Können denn Paulus, Petrus, Stephanus usw. es erst vor dem Richterstuhl Christi erfahren, ob sie errettet seien oder nicht? Oder können Mose und Elias, die mit dem Herrn auf dem Berge der Verklärung waren, es erst am Richterstuhl wissen, ob die Herrlichkeit oder die Verdammnis ihr Teil sein wird? Wohl sind die Seligen noch nicht in ihrem Vollendungszustande bei dem Herrn, noch nicht in dem Auferstehungs- und Herrlichkeitsleibe bei Ihm. Erst an dem Tage der Ankunft des Herrn wird Sein Machtruf sowohl die lebenden Gläubigen „umgestalten“ als auch die Entschlafenen auferwecken zur Gleichförmigkeit mit Seinem Leibe der Herrlichkeit: „Es wird gesät in Unehre, es wird auferweckt in Herrlichkeit“ (1Kor 15,43).
Noch andere Fragen betreffs des Richterstuhles haben die Kinder Gottes (besonders die jüngeren) beschäftigt, und wir wollen einige an Hand der Schrift betrachten.
Wird der Gläubige gerichtet, wenn er vor dem Richterstuhle Christi erscheinen muß?
Lies aufmerksam 2Kor 5,10. Der Geist Gottes sagt nicht, wir müssen „alle gerichtet werden“, sondern „alle offenbar werden“. Hieße es „alle gerichtet werden“, so würde es ein Widerspruch mit den Worten des Herrn sein, daß der Gläubige „nicht ins Gericht kommt“ (Joh 5,24). Aber „alle müssen offenbar werden“, das heißt, daß das Leben eines jeden Menschen, „alles, was er in dem Leibe getan“ hat, ans Licht und in das göttliche Urteil kommen wird. Die Folge dieses Offenbarwerdens wird für den Ungläubigen das Gericht sein, für den Gläubigen dagegen wird es Lohn oder das Einbüßen des Lohnes sein, je nachdem wie er gehandelt hat.
Warum wird der Gläubige nicht gerichtet?
Weil das Gericht über seine Sünden schon vollzogen ist. Für den Ungläubigen muß das Offenbarwerden notwendig Gericht zur Folge haben, aber nicht für den Gläubigen. Dessen Gericht ist schon vollzogen. Als Jesus als unser Stellvertreter am Kreuze hing, als Ihn das göttliche Gericht traf, als Er um unserer Sünden willen von Gott verlassen wurde, in dieser Stunde fand das Gericht des Gläubigen statt. Müßte die Frage seiner Sünden noch einmal richterlich geordnet werden, so wäre das Opfer Christi nicht vollkommen, und der Ruf: „Es ist vollbracht!“ würde nicht bedeuten, daß es für uns vollbracht ist. Gott aber sagt uns Selbst: „Ihrer Sünden und ihrer Gesetzlosigkeiten werde Ich nie mehr gedenken“ (Heb 10,17). Wenn du sagen kannst: Er ist um meiner Übertretungen willen verwundet und um meiner Missetaten willen zerschlagen, wie kannst du dann denken, daß Gott noch einmal deine Sünden ins Gericht bringen wird! Durch den Glauben sind wir mit dem für uns Gerichteten einsgemacht, und so völlig sieht Gottes Auge uns mit Ihm verbunden, daß wir auch mit Ihm in der Auferstehung und in der Herrlichkeit einsgemacht sind. So gewiß wie Tod und Gericht hinter Ihm liegen, so sicher liegen Tod und Gericht hinter uns, und so gewiß Er in der Herrlichkeit ist, so gewiß werden wir dort sein. Wir sind mit Ihm „eingebunden in das Bündel der Lebendigen“ in der Herrlichkeit (1Sam 25,29).
Wie kann gesagt werden: „Ihrer Sünden will Ich nie mehr gedenken“?
(Heb 10,17), wenn vor dem Richterstuhl alles nochmal offenbar werden soll?
Laßt uns die Stelle (Heb 10) im Zusammenhang lesen! Im 3. Vers wird uns gesagt: „In jenen Opfern ist alljährlich ein Erinnern an die Sünden, denn unmöglich kann Blut von Stieren und Böcken Sünden hinwegnehmen“, darum mußte in jedem Jahre immer wieder neu die Frage der Sündenschuld von Gott erhoben werden. Dem entgegen wird nun das ein für allemal geschehene Opfer des Leibes Jesu Christi gezeigt, durch welches die Sünde „hinweggenommen - abgeschafft“ ist (Heb 9,26) und wir auf „immerdar vollkommen gemacht“ sind. Auf Grund der ewigen Kraft des Blutes Christi kann für den Gläubigen die richterliche Forderung der Sühnung der Sünden durch den Tod nie mehr vor Gott erhoben werden. Es gibt (wie im Alten Bunde) kein „Erinnern“ mehr an die Sünden, so daß Gott den Gläubigen sagen kann: „Ihrer Sünden werde Ich nie mehr gedenken“. Wir mögen daran gedenken, aber Gott wird es nie tun. Unsere Sünden mögen vor dem Richterstuhl Christi offenbar werden, aber nie wird die Frage der Zurechnung oder des Gerichtes für den Gläubigen erhoben werden.
Wie wir schon gesehen haben, geschieht das Offenbarwerden des Gläubigen am Richterstuhl Christi nicht (wie bei den Ungläubigen) zum Zweck des Gerichtes, sondern damit wir unsere ganze Lebensgeschichte im Lichte der Herrlichkeit (in der wir dann schon zu Hause sind) erkennen.
Wird dort alles offenbar werden, sowohl die Sünden vor wie die nach der Bekehrung, und wird nicht der
Rückblick Furcht und Schrecken bewirken?
Der Herr sagt (Lk 12,2.3): „Es ist aber nichts verdeckt, was nicht aufgedeckt, und verborgen, was nicht kund werden wird; deswegen, soviel ihr in der Finsternis gesprochen haben werdet, wird im Licht gehört werden, und was ihr ins Ohr gesprochen haben werdet in den Kammern, wird auf den Dächern ausgerufen werden“. Das sind ernste Worte. Alles, was den Augen und Ohren der Menschen verborgen blieb, wird offenbar werden. Da ist nichts verdeckt, was nicht aufgedeckt, und verborgen, was nicht kund werden wird. „Alles kommt ans Licht, alles, was eingeschlossen ist in die Dinge, „die getan sind in dem Leibe“. Wenn dich im Blick auf den Richterstuhl Christi Dinge ängstigen, ob sie geschehen sind vor oder nach der Bekehrung, so laß mich dich fragen: „Bist du mit allem, was du von Natur bist und was du getan hast, unter dem Kreuze Christi ins Licht gekommen, und hast du deine Sünden ohne Rückhalt vor Gott gerichtet und abgetan?“ Wenn das geschehen ist, so sind sie durch das kostbare Blut Christi hinweggetan, und du darfst im Glauben an Ihn auf Grund Seines vollbrachten Werkes in Seiner Gnade ruhen.
Das Offenbarwerden der Ungläubigen wird zwar mit Schrecken verbunden sein, das der Gläubigen aber mit Lob und Dank. Wenn ein im Glauben lebendes Kind Gottes heute auf sein früheres Leben zurückblickt, so sieht es eine Menge von Unrecht und Sünden, aber wird es dadurch beunruhigt und beängstigt? Durchaus nicht. Es weiß, alle Sünden sind durch das ein für allemal geschehene Opfer des Leibes Jesu Christi hinweggetan, nicht Furcht, sondern vielmehr die Größe Seiner Gnade erfüllt sein Herz. Wenn schon in diesem Leibe ein im Glauben wandelndes Kind Gottes ohne Furcht auf sein Leben zurückblicken kann, wieviel mehr wird es der Fall sein, wenn wir im Leibe der Herrlichkeit sind und von dort aus unser Leben auf Erben sehen! Und wenn heute ein Rückblick in dieser Welt schon unser Herz über Seine Gnade mit Lob und Dank erfüllt, wieviel mehr wird es dort geschehen! Wie könnten wir dort, gleichförmig dem Leibe Seiner Herrlichkeit, noch Furcht haben!
(Schluß folgt).