Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 9 -Jahrgang 1923/24
Das Zusammenkommen der Gläubigen (Apg 8,33 vergl. mit 1Kor 11,17-27)Das Zusammenkommen der Gläubigen (Apg 8,33 vergl. mit 1Kor 11,17-27)
Im Betrachten der beiden obigen Schriftstellen finden wir wertvolle Unterweisungen. Die Stelle, welche der Kämmerer las, redete von der Verwerfung des Messias. Der, der hier in Niedrigkeit, in Knechtsgestalt umherging, dem mehr als zwölf Legionen Engel zur Verfügung standen, dem wurde von seiten der Menschen kein gerechtes Gericht zuteil. In Seiner Erniedrigung wurde Sein Gericht weggenommen. Gericht und Gerechtigkeit gehören zusammen. Er aber fand keine Gerechtigkeit im Gericht. Die Zeit wird kommen, wo das Gericht zur Gerechtigkeit zurückkehren wird (Ps 94,15). Aber dem hier in Niedrigkeit wandelnden Christus wurde das Gericht weggenommen. Die Ungerechtigkeit saß auf dem Thron und schied die Gerechtigkeit vom Gericht.
Sein Leben wurde von der Erde weggenommen. Wo war Seine Nachkommenschaft, Sein Geschlecht? Die Flut der Bosheit und Ungerechtigkeit riß alle mit sich fort, selbst der kleine Kreis Seiner Jünger wurde zerstreut, und der am lautesten bekannte, Ihn nicht zu verlassen, war der, der Ihn dreimal verleugnete; wohl wissen wir, daß das Weizenkorn in die Erde fallen und sterben muß, um Frucht, Nachkommenschaft zu haben, aber es gehört mit zu den Leiden des Herrn, daß Seine Jünger, die Er so innig liebte, alle Ihn verließen, und das sollte unsere Herzen tief berühren.
Diese Liebe zu Seinen Jüngern kommt so recht zum Ausdruck, als Er das letzte Mal in ihrer Mitte saß und ihnen dann Sein Herz enthüllte in den Worten: „Mit Sehnsucht habe Ich Mich gesehnt, dieses Passah mit euch zu essen, ehe Ich leide“ (Lk 22,15). Aus diesen Worten sprach Seine Liebe, die ihr Genüge in der Mitte der geliebten Jünger finden wollte. Und doch, wenige Stunden später, wo waren diese Jünger, in deren Mitte zu sein Ihn so herzlich verlangte? Keiner war geblieben!
Als das Passah in Seinem Tode seine Erfüllung fand, da wurde der Grund gelegt für die Sammlung der Seinigen zu einer ganz neuen Genossenschaft, in der Sein herzliches Verlangen, in ihrer Mitte zu sein, gestillt werden sollte. Auf Erden hatten alle Ihn verlassen, niemand war geblieben, aber Sein Tod legte die Grundlage zu einer neuen Genossenschaft.
In der zweiten angeführten Stelle (1Kor 11,17-27) finden wir diese neue Genossenschaft, Seine Gemeinde. Das erste, was uns aber von dieser Gemeinde berichtet wird, ist die Uneinigkeit unter den Gläubigen in Korinth (Kap. 1-4). Man möchte fragen, ob es überhaupt möglich ist, daß so verschiedenartige Gläubige wie Juden und Heiden, Reiche und Arme, Sklaven und Freie, Fürsten und Arbeiter so in eins zusammengefügt sein können, daß Er Sein herzliches Verlangen, in ihrer Mitte zu sein, in wirklicher Freude Seines Herzens stillen kann. Es ist klar, daß dieses nur auf einem Grunde möglich ist, auf dem das Fleisch und alle fleischlichen Unterschiede gänzlich ausgeschlossen sind. Eine solche Grundlage gibt der Tod; er hebt jeden Unterschied auf. In Korinth hatten in den Zusammenkünften der Gemeinde die fleischlichen Unterschiede zwischen Reichen und Armen Raum gefunden. Gewiß ist es recht, Ehre dem zu geben, dem Ehre gebührt, aber in dem Lichte des Todes Christi (mit dem jeder Gläubige eins gemacht ist) ist niemand etwas anderes als ein Sünder, der durch Seinen Tod errettet worden ist.
Wie oft mußte der Herr auf Erden die Jünger über ihren fleischlichen Sinn zurechtweisen. Einmal wollten sie, daß Feuer vorn Himmel falle, und ein anderes Mal stritten sie, wer der Größte unter ihnen sei. Seine Langmut trug sie, so schmerzlich Ihm ihre fleischliche Gesinnung auch sein mußte. Sein Leben ist nicht mehr hier auf Erden, und Seine Jünger sind nicht mehr so wie damals um Ihn versammelt. Die Grundlage, auf der jetzt die Seinigen um Ihn versammelt sind, ist Sein Tod. Sie kommen zusammen aus verschiedenen Orten, aus verschiedenen Verhältnissen, aber sie versammeln sich auf dem einen Grunde der Erlösung durch Seinen Tod. Jeder hat die persönliche Erfahrung Seiner Liebe gemacht, die in ihrer Süße nur der kennt, der sie geschmeckt hat. Der Reiche schmeckte Seine Liebe, als er errettet wurde von seinem Stolz - der Selbstgerechte, als er erlöst wurde von seiner Aufgeblasenheit - der Arme, als er Den im Glauben erfaßte, der da reich war und um seinetwillen arm wurde; alle kommen zusammen und sind versammelt auf dem einen gleichen Boden der Erlösung durch den Tod Christi. Jeder hat seine eigene und besondere Erfahrung, die nicht in der gemeinsamen Freude untergeht, aber diese persönliche Freude und Erfahrung der Liebe Christi führt zur gemeinsamen Freude und zu der Gemeinschaft der Liebe Christi in dem Versammeltsein um Ihn. Sein Tod beseitigt alle Unterschiede des Fleisches, alles dessen, wessen sich das Fleisch noch rühmen möchte, und entfernt jedes Hindernis für eine Genossenschaft nach dem Wunsche Seiner Liebe.
Im Anfang kamen die ersten Gläubigen zu gemeinsamen Mahlzeiten zusammen, und das erste Murren, welches in ihrem Kreise entstand, betraf die Verteilung der Nahrung und Speise (Apg 6). So scheint es auch, daß die Korinther ihr Zusammenkommen zur Feier des Mahles des Herrn mit dem gemeinsamen Essen verbanden, wobei dann die fleischlichen Unterscheidungen hervortraten. Der Apostel belehrt sie deshalb über den wahren Charakter des Mahles des Herrn und zeigt ihnen den Unterschied zwischen ihrem Abendmahl und des Herrn Abendmahl. Er legt es ihnen tief ins Herz und Gewissen, daß, wenn sie zusammenkämen, sie als Gottes Gemeinde zusammenkämen. Jeder einzelne war ein Teil der Gemeinde Gottes und in die Gemeinschaft Seines Sohnes berufen. Jeder in dieser Gemeinde war dort auf dem Grunde des Todes Christi, des Todes, durch den jeder Unterschied nach dem Fleische beseitigt war. Das Kreuz Christi hatte das Todesurteil auf das Fleisch und auf jeden Anspruch des Fleisches geschrieben. In Gottes Gemeinde sollte deshalb auch nichts davon gefunden werden.
Die Paulus gewordene Offenbarung über das Mahl des Herrn bringt er in besondere Verbindung mit der Nacht, in welcher der Herr verraten ward. Herodes und Pontius Pilatus, Judas und die Pharisäer, alle hatten sich verbunden, den Herrn dem Tode zu überliefern. Sein Leben wurde von der Erde hinweggenommen, das aber war der Augenblick, wo Er den Grund legte für Seine Gemeinde, die zusammenkommen sollte auf dem Boden der Gemeinschaft Seines Todes. Welch eine köstliche Tatsache ist es, auf diesem Grunde zusammenkommen zu können, auf dem das Fleisch und die Welt völlig ausgeschlossen sind und wo jedes Auge nur Ihn sieht, jedes Ohr Ihn hört, jedes
Herz Sein gedenkt, dessen Leben von der Erde hinweggenommen ist, und wo alle Seinen Tod verkündigen, bis daß Er kommt.
In den Kapiteln 11-14 des ersten Korintherbriefes empfangen wir Belehrungen über das Zusammenkommen der Heiligen als Gemeinde Gottes. Ehe der Apostel über das Zusammenkommen zur Erbauung schreibt, belehrt er sie über das Zusammenkommen zum Mahle des Herrn. Er beginnt seine Belehrungen mit dem Abendmahl des Herrn, und dann erst folgen an zweiter Stelle die Unterweisungen über den Dienst, die Gaben und das Zusammenkommen zur Erbauung. Wenn der Heilige Geist so dem Mahle des Herrn den ersten Platz gibt und es den anderen Zusammenkünften der Heiligen voranstellt, dann hat diese Anordnung uns sicher manches zu sagen. Gehört das Abendmahl des Herrn nicht an erste Stelle schon dadurch, daß es das Zusammenkommen ist, in welchem wir den Tod des Herrn verkündigen - den Tod, der allen weiteren Zusammenkünften der Gemeinde Charakter gibt?
Zu welcher Zeit und zu welchem Zweck die Gemeinde auch zusammenkommen mag - in dem Zusammenkommen zum Brechen des Brotes an jedem „ersten Tage der Woche“ wird (in der Verkündigung Seines Todes) Sein Tod als die große göttliche Grundlage (Basis) vor aller Herz und Augen gestellt - auf dieser Grundlage muß jede Zusammenkunft der Gemeinde die ganze Woche hindurch stattfinden, - und so wird jede neue Woche „am ersten Tage“ immer wieder mit der Verkündigung Seines Todes in dem Brechen des Brotes begonnen. Jede Auferbauung der Heiligen, jede Freude der Gemeinschaft Seines Sohnes können wir nur empfangen, wenn wir in Wahrheit versammelt sind auf dem Grunde Seines Todes. Möchten wir lernen, dieses besser zu verstehen!
R. - v. d. K.
Die Fortsetzung des Aufsatzes „Jakobs Prophezeiung“ folgt, so der Herr will, in der nächsten Lieferung.