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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 15 - Jahrgang 1930
1Thes 5,14 - „Vier schlichte Ermahnungen“1Thes 5,14 - „Vier schlichte Ermahnungen“
Gehen auch uns diese einfachen apostolischen Ermahnungen an? Sicher, sofern wir uns mit „Brüder“ anreden lassen dürfen, worunter Kinder Gottes im allgemeinen zu verstehen sind! (vgl. auch V. 12: „Brüder!“)
Also uns Gläubigen, die wir dies lesen, gilt dies paulinische Wort, das der Heilige Geist ihm in die Feder gegeben hat zum Segen für das ganze Volk Gottes: „Wir ermahnen euch aber, Brüder: Weiset die Unordentlichen zurecht, tröstet die Kleinmütigen, nehmet euch der Schwachen an, seid langmütig gegen alle!“
Drei Klassen werden zunächst genannt, d. h. solche, die sich in der christlichen Gemeinde in Thessalonich vorfanden und sicher - heute hin und her auch. Diesen drei Klassen gleichsam gegenüber stehen „alle“. Diese „alle“ sind einmal jene drei verschiedenen Arten, auf die sich die ersten Ermahnungen beziehen, aber mehr: auch andere, auch sogar Ungläubige, sind in diese „alle“ mit einzubeziehen! „Allen“ gegenüber ist Langmut am Platze nach des Apostels Wort. Welch ein bedeutsames Wort, umsomehr als die Langmut nicht immer so leicht ist, ja oft geradezu beispiellos schwer. Wie nötig haben wir alle - oder du nicht? - gerade diese Ermahnung, die alle angeht! Wieviel leichter wäre es manchmal, mit dem Schwerte dreinzuschlagen, mit dem berechtigt scheinenden Schwerte heiliger (?) Ungeduld, die angeblich schon viel zu lange (?) gezögert hat, endlich einmal gründlich vorzugehen gegen diesen und jenen! Ja, und insofern es sich um die erste Klasse handelt, da ist ein ernstes Vorgehen doch auch ganz und gar vonnöten, nicht wahr?! Aber sicher! es fragt sich nur, ob du, Bruder, lange genug langmütig warest, und dann ob du, wenn du die „Unordentlichen“ zurechtweisest, es auch tust im Geiste Jesu Christi, oder ob du es tust in Selbstgefälligkeit (weil du nicht so unordentlich seiest)! oder in Hast und Eile (als ob du fürchtetest, zu spät zu kommen, weil sie am Ende von selber wieder ordentlich würden) oder in Grohbeit und Schroffheit (weil du - ganz irrtümlicherweise - darin Stärke siehest) oder in ungeistlichem Eifern (weil das so ähnlich sähe dem „Eifer um Sein Haus“ [Joh 2,17]?? oder nicht??) usw. Gewiß ist es nötig, die Unordentlichen zurechtzuweisen! Wäre es das nicht, warum ließe der Heilige Geist es uns sonst so ans Herz legen? Gewiß sind diese Unordentlichen, unter denen wir wohl solche von Kap. 2,11 (und 2Thes 3,6; aber hier sind's anscheinend schon solche, die sich einst nicht zurechtbringen ließen; wie ernst)! zu verstehen haben, gründlich zurechtzuweisen, da sie sonst dem Herrn Schande machen und schließlich andere mit fortreißen können - aber, aber - nicht zu eilig! Ein wenig Geduld - und vielleicht kommen sie durch Gnade auch so wieder zurecht! Freilich stellen sie die Geduld der Gemeinde oft auf eine nicht leichte Probe, aber die Langmut gebietet, zurückhaltend zu sein - beten wir lieber noch für solche (V. 17 „unablässig!“); jedoch nach einiger Zeit, wenn das Böse mehr zu reifen beginnt, dann hört - wie bei Gott selber in Seiner Langmut gegen die Unbekehrten (2Pet 3,9) - dieses Zuwarten in Geduld auf und macht ernster, warnender Ermahnung Platz, die dann umso gewichtiger wirken muß, als sie nicht übereilt ausgesprochen ist! „Langmütig gegen alle!“ - wie spricht das zu unseren Herzen und zeigt uns die Handlungsweise Gottes! Wäre Er nicht langmütig gegen uns gewesen, wo wären wir heute?! „Besser ein Langmütiger als ein Held!“ (Spr 16,32) Wer wahrhaft gottgewollt-langmütig ist gegen alle, der kommt gewiß nicht zu spät mit seiner Zurechtweisung auch derer, denen eine gründliche Ermahnung zu seiner Zeit notlut. Aber er kommt auch vor allem nicht damit zu früh! (Eine gewisse Belehrung über die Ausreifung des Bösen, ehe es gestraft wird, geben die „vielen Tage“, die Paulus zuwartete, ehe er in Apg 16,16-18 eingriff).
Und nun laßt uns die anderen beiden Ermahnungen, die uns hier gegeben werden, ein wenig näher ins Auge fassen: „Tröstet die Kleinmutigen, nehmet euch der Schwachen an!“ Das sind liebevolle Ermahnungen, die, wenn mit Liebe ausgeübt, ganz sicher in hohem Maße dazu beitragen, daß das Leben innerhalb der Gemeinde (der Ortsgemeinde) gesegnet, friedevoll und geradezu lieblich verläuft. Wenn aber die Betätigung dieser Mahnungen fehlt, dann leidet das geistliche Leben in dem betreffenden Kreise sicher Schaden. Wie oft mag das so sein! Der Herr mache uns diese Dinge wichtig! „Tröstet die Kleinmütigen!“ „Tröstet, tröstet Mein Volk! spricht euer Gott.“ Dies Wort aus Jes 40,1 fällt uns hier sicher ein. Ja, welch ein Gewicht legt der Herr darauf, daß die Seinen getröstet werden sollen! So auch in unserer Stelle! Das Wort im Grundtext, das der Apostel hier für „trösten“ anwendet, kommt nicht oft im Neuen Testament vor, aber es ist dasselbe wie in Joh 11,19 und 31 und in 1Thes 2,11 und hat die Nebenbedeutung des Zuredens, Aufmunterns, wenn einer am Boden liegt. Und welche sind das so leicht? Die Kleinmütigen, die Verzagten! (Das hier im Grundtext stehende Wort kommt nur hier vor)! Es sind solche, die entweder durch den Blick auf ihre zwar längst vergebenen Sünden der Vergangenheit oder aber auch durch die Drangsale, von denen in 1. Thess. oft die Rede ist (vgl. z. B. 3,3!)!, immer wieder leicht verzagt, niedergedrückt werden und nie so recht zur vollen Freude des Christenmenschen hindurchdringen. Es sind auch vielleicht solche, die zu Schwermut neigen und die dadurch für den Feind oft eine Zielscheibe seiner Angriffe abgeben. Was bedürfen solche? Etwa der Zurechtweisung oder Warnung oder des Unwillens, indem man es sie fühlen läßt, daß sie gar nicht so recht weiterkämen und womöglich anderen ein Hemmnis bedeuteten? Oder soll man über sie „zur Tagesordnung übergehen“ und sie „links liegen lassen“ oder - noch schlimmer - gar mit nicht mißzuverstehender Handbewegung sie als nicht „recht voll“ bezeichnen, weil sie der Gemeinde von Zeit zu Zeit, und nur zu oft, Schwierigkeiten bereiteten?? Nichts von alledem! Sie brauchen nur eines notwendig, vielleicht nötiger als das tägliche Brot (zumal es oft nicht einmal die äußerlich Bedürftigsten sind)!, sie bedürfen des freundlichen, liebevollen Zuredens, des Getröstetwerdens und zwar - und nun kommt wieder der letzte Punkt zu seinem Recht, der den dreien gegenübersteht - mit nimmermüder Geduld und Langmut! Heute magst du, mag ein besonders dazu geistlich befähigter Bruder, eine besonders zarte Schwester diesen Dienst der Liebe ausgeübt haben an einer solchen müden Seele, morgen oder übermorgen ist der gleiche Dienst wieder nötig! Das mag noch gehen, aber wenn's dann wieder und wieder nötig scheint - dann - ja dann, Bruder, Schwester, heißt's „seid langmütig gegen alle!“ Ob solche „Kleinseeligen“ nicht ganz besonders auf Langmut und Geduld rechnen dürfen bei uns „Starkseeligen“ (!)!? Ich glaube wohl, und ich glaube auch, daß hier manche Verfehlung unter uns liegt und daß es vielleicht deshalb manchmal nicht so recht vorangeht, weil man „Großes“ zu sehen wünscht und das „Geringe“ darüber vergißt. Aber der Herr sagt: „Wer im Geringsten treu ist ...!“ (Lk 16,10)
Nicht wahr, ich muß nicht noch mehr über diesen Punkt sagen, der sich leicht (wie auch der erste) noch sehr erweitern ließe?! Aber wir wollen uns prüfen, ob der Herr uns hierin etwas zu sagen hatte! -
Und dann: „Nehmet euch der Schwachen an!“ Das ist auch eine Ermahnung, die manche Unbequemlichkeit mit sich bringen kann. Denn sowohl die Kleinmütigen als auch die Schwachen in der Gemeinde sind ja meist bekannte Leute (oder gar „berüchtigt“)! Meistens braucht der Heilige Geist uns garnicht zu ermuntern, solche erst zu suchen, sondern sie sind da und schreien durch ihr Dasein schon um Hilfe! „Nehmet euch an ...“ Dies Wort „sich annehmen“, das hier im Grundtext angewandt ist, heißt in anderen Stellen „anhangen“: Mt 6,24; Lk 16,13 und Titus 1,9 („anhangend dem Worte“); also man kann es auch übertragen hier so anwenden: „nehmet euch der Schwachen so nachhaltig wie möglich, gleichsam ihnen anhangend, sie garnicht loslassend, an!“ Welch eine Verantwortung! Wer sind denn aber die „Schwachen“? Es können - was das Wort im Griechischen auch bedeutet - nur einfach Kranke bezw. durch Krankheit Schwache, Elende, Hilfsbedürftige sein, und auch da gäbe es einen richtigen, guten Sinn! Aber vor allem werden wohl solche gemeint sein, die im Sinne von Röm 14-15 und 1Kor 8 „schwach sind im Glauben“, d. h. nicht Kleingläubige mit zu wenig Glauben oder gar Zweifeln (die kämen eher bei der vorigen Klasse in Betracht)!, sondern solche, die, mit überaus ängstlichzartem Gewissen in ihrem Glaubensleben Schaden leiden, wenn sie etwas an sich nicht Sündiges tun, was ihnen aber Unrecht oder Böses zu sein scheint, selbst wenn andere („Starke im Glauben“, Röm 15,1) dabei nicht die mindesten Bedenken haben, es vielmehr mit Danksagung gegen Gott genießen oder gebrauchen können. Die Belehrungen über diesen Punkt in den eben erwähnten Kapiteln der Schrift sind sehr ernst, und es wird uns unzweideutig gezeigt, daß gar nichts darauf ankommt, was wir „Starken“ alles tun können, daß vielmehr alles darauf ankommt, ob mein Bruder, „für den Christus gestorben ist“ (Röm 14,15), durch meine Stärke betrübt wird oder Anstoß oder ein Ärgernis nimmt, d. h. ob ich ihm durch mein „starkes“ Verhalten etwas in den Weg lege, worüber er fällt, und somit etwas tut, was - nicht für mich, aber für ihn Sünde ist. Dadurch verletze ich die Liebe! Und das ist unendlich viel schlimmer, als wenn ich, noch so fest im Glauben stehend, alles mögliche aus Glauben tun kann (Röm 14,23). Wenn der Schwache zweifelt, aber das Betreffende tut, angereizt durch den „Starken“, so ist sein Tun Sünde, aber die Hauptverantwortung trägt der „Starke“. Die „Starken“ sollen „die Schwachheiten der Schwachen tragen und nicht sich selbst gefallen“, sondern sie sollen „dem Nächsten zur Erbauung gefallen“! (15,1.2)
Das wende an auf unsere Stelle! So sollen wir - werden wir ermahnt! - der Schwachen uns annehmen, daß wir vorkommendenfalls ihnen zur Auferbauung dienen, aber ihnen nicht zu einem Fall verhelfen! Wohl können wir versuchen, ihnen langmütig und geduldig (4. Punkt)! zu helfen, die Dinge im Lichte der Schrift anders zu sehen, vielleicht nicht ganz wie wir - wer sind wir?! -, aber doch so, daß sie an einfachen Dingen nicht Anstoß (im Sinne der Schrift! ein Schelten über das Tun anderer, ein sich darüber Aufhalten, ohne selber darüber zu Fall zu kommen oder innerlich verletzt zu werden, ist kein Anstoßnehmen im Sinne der Schrift, sondern hat leicht unreine Beweggründe, sogar manchmal Neid)! - also wir können versuchen, ihnen zu helfen, nicht so schnell „Anstoß zu nehmen“, aber wenn uns diese Belehrung nicht gelingt, so haben wir ihre Schwachheiten mit langmütiger Liebe zu tragen, uns willig darunter zu beugen und auf diese Weise der uns gegebenen Ermahnung nachzukommen: „nehmet euch der Schwachen an!“ - selbst wenn es uns für unser stärkeres Glaubensvermögen überflüssig oder unbequem vorkommt. Nichts ist überflüssig, nichts sollte unbequem sein, wenn es der Liebe-Betätigung dient! Nichts! Und wenn es der Verzicht auf die unentbehrliche (?) Zigarre, die geliebte (!)! Zigarette, das Gläschen Bier oder Wein oder auf sonst etwas wäre, ein vielleicht schwerer Verzicht! - womit aber dem Gewissen des Schwachen in Liebe gedient wird. „Nehmt euch der Schwachen an!“ Der Schwachen im Glauben oder der Schwachen am
Leibe oder der Schwachen in seelischer Hinsicht! Nehmet euch in Langmut und Liebe derer an, die nach eurer Hilfe ausschauen oder denen euer Zuspruch oder eure persönliche Hingabe ein Labsal, eine Tröstung bedeutet, kurz - eine Erbauung! Was für eine ernste Ermahnung! Wie treu kam Paulus ihr nach, der so kostbar darüber schreiben darf! Und wir? Und du?
Nun bin ich zu Ende mit dem, was der treue Herr mir über diesen schlichten, aber kostbaren Gegenstand zum Weitergeben anvertraut hat. Möge Er uns dieses Sein Wort lebendig und groß machen durch „die Darreichungen“ (Phil 1,19) Seines Heiligen Geistes, „welcher in uns wohnt“. (2Tim 1,14)
So wollen wir zum Schluß das köstliche kleine Wort noch einmal vor unseren leiblichen und geistlichen Augen vorüberziehen lassen - und wollen uns tief darein versenken: „Wir ermahnen euch aber, Brüder: Weiset die Unordentlichen zurecht, tröstet die Kleinmütigen, nehmet euch der Schwachen an, seid langmütig gegen alle!“ (1Thes 5,14).
Der Herr gebe uns Gnade und Weisheit, demgemäß zu handeln, nach Seinem Wohlgefallen!
F. K.