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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 11 -Jahrgang 1926
1Joh 2,29 ; 3,6 - „Notizen aus zwei Vorträgen“ 2. Vortrag1Joh 2,29 ; 3,6 - „Notizen aus zwei Vorträgen“ 2. Vortrag
Zu dem, was wir aus 1Mo 35 betrachtet haben, möchte ich einige Verse aus dem Johannes-Brief, Kap. 2,29 - 3,6 lesen. Diesen herrlichen Schriftabschnitt haben wir gewiß schon alle oft für uns selbst und miteinander gelesen, aber jedesmal ist er unserem Herzen von neuem kostbar.
Als der Apostel diese Worte niederschrieb: „Wenn ihr wisset, daß Er gerecht ist, so erkennet, daß jeder, der die Gerechtigkeit tut, aus Ihm geboren ist“, tritt ihm eine wunderbare, herrliche Tatsache vor Augen, und er ruft aus: „Sehet, welch eine Liebe hat uns der Vater gegeben, daß wir Kinder Gottes heißen sollen“. Diese kostbare, für den menschlichen Verstand unbegreifbar große Wahrheit, Kinder Gottes zu sein, steht vor seiner Seele. Kinder Gottes!
Aus Gott geboren! Wie ein Kind geboren, so ist der Gläubige aus Gott geboren, ein wirkliches und wahrhaftiges Kind Gottes. Wenn wir uns damit beschäftigen und bedenken, was das enthält, was damit verbunden ist, dann fangen wir an zu ahnen, wie unsagbar groß und wunderbar diese Tatsache ist. Der Apostel ruft aus: „Sehet!“ Und wir rufen uns einander zu: „Sehet!“ Laßt unser Auge und unser Herz darauf gerichtet und uns damit beschäftigt sein; laßt uns darüber sinnen und nachdenken! „Sehet!“ „Sehet, welch eine Liebe! Welch eine wunderbare Liebe - eine Liebe, die nicht zu beschreiben ist!“ Arme, gottlose, feindselige Sünder, die nicht nach Gott fragten, die Ihn nicht suchten, deren Herz nicht nach Ihm ausging, die kein Verlangen nach Ihm hatten, die vielmehr sagten: Gehe von uns, wir haben keine Lust an der Erkenntnis Deiner Wege; solche sind jetzt Kinder Gottes! Ist es möglich? Und nicht adoptierte Kinder Gottes, sondern wirkliche, geborene Kinder Gottes! Das ist wunderbar groß und der Liebe des Herzens Gottes gemäß. Wir können es dem Apostel nachfühlen, wenn er ausruft: „Sehet, welch eine Liebe uns der Vater gegeben hat, daß wir Kinder Gottes heißen sollen!“
Die Welt erkennt jetzt die Kinder Gottes nicht; ihr Platz ist auch nicht in dieser Welt, sie sind Fremdlinge hienieden. Wohl sind sie in der Welt, aber nicht von der Welt. Was die Welt bietet, das befriedigt ihr Herz nicht, und sie suchen auch nicht die Dinge der Welt. Deswegen erkennt uns die Welt nicht, weil sie Gott nicht erkannt und auch den Herrn Jesus nicht erkannt hat, als Er auf Erden war. Er war nicht von der Welt, und die Seinigen sind nicht von der Welt, und so, wie Er nicht von der Welt erkannt wurde, so werden auch die Seinigen jetzt nicht von der Welt erkannt. Welch ein Vorrecht liegt hierin und welch ein Wunder, uns als Kinder Gottes zu wissen! Müssen wir nicht, wenn wir um uns blicken, staunen und uns fragen: „War ich besser? War ich ein anderer Mensch? Tausende gehen um mich her Wege des Verderbens. Bin ich ein anderes Wesen? Was unterscheidet mich?“ Muß nicht jeder von uns in Anbetung niederfallen und bekennen: „O Gott, Du hast es so gewollt, nicht von mir aus ist dies geschehen, Du hast mich herausgezogen und abgesondert und zu Deinem Kinde gemacht und mich in der Stunde des
Wohlgefallens aus Dir geboren.“ Von dieser Stunde an begann der neue Anfang, der Glaube, die Bekehrung, das neue Leben. Alles ist neu und wunderbar geworden. Nichts geschah aus uns, Du hast es getan. Gelobt und gepriesen sei Dein herrlicher Name! Deswegen sind wir Fremdlinge, und die Welt kennt uns nicht. Aber Gott kennt uns als Seine geliebten Kinder. Wir sind Seine Kinder nicht erst, wenn wir droben sind, nein, Johannes sagt, jetzt sind wir Kinder Gottes.
In den äußeren Umständen des Lebens mag es nicht zu sehen sein, daß wir Kinder des großen Gottes sind. Es gibt unter den Kindern Gottes viele Arme, viele, die durch Trübsal und Leiden gehen, und doch haben wir einen wunderbar reichen und mächtigen Vater. Er ist der Besitzer des Goldes und des Silbers und des Viehes auf tausend Bergen (Hagg. 2,8; Ps 50,10). Woher kommt es dann, daß so viele Kinder Gottes arm in dieser Welt sind? Ein Bruder wurde einmal gefragt, warum Gott, der doch so reich ist, es zulasse, daß so viele Seiner Kinder so arm seien, während es den Kindern der Welt und den Gottlosen oft an irdischem Gut nicht mangle. Er antwortete: „Gott ist sicher reich genug, alle Seine Kinder in Kutschen mit sechs Pferden fahren zu lassen, aber Er weiß auch, daß viele Seiner Kinder von Ihm fortkutschieren würden, und Er läßt sie deshalb zu Fuß gehen“. Es ist zu ihrem Besten, wenn Er nach Seinem weisen Ratschluß sie eine kurze Zeit leiden läßt. Wir dürfen ganz getrost sein, unser treuer und reicher Vater, der Seinen geliebten Sohn nicht geschont hat, der wird uns sicher alles schenken, was wir für dieses kurze Erdenleben bedürfen. Sei nur ruhig, gehe im Glauben deinen Weg! Unser Vater sorgt. „Jetzt sind wir Kinder Gottes, und es ist noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden.“
Manche lesen, als ob da stünde: „Wir wissen noch nicht, was wir sein werden“. Aber es heißt: „Es ist noch nicht offenbar geworden“, d. h, es ist noch nicht sichtbar geworden, aber es wird sichtbar sein, wenn es offenbar werden wird; und dann wird es sich zeigen, daß wir Ihm gleich sein werden. Dies wird geschehen, wenn Er in Seiner Herrlichkeit kommt und Er hier auf dieser Erde, die Ihn verworfen hat, gesehen werden wird. Alsdann werden wir, die Gläubigen, mit Ihm offenbar werden in Herrlichkeit (Kol 3,4).
Als der Sohn Gottes vom Himmel herniederkam, wohnte Er hier auch nicht in einem schönen Hause oder Palast. Bei Seiner Geburt fand Er kein schönes, Ihm zubereitetes Bettchen. Er ging durch dieses Leben und sagte: „Die Füchse haben Höhlen, und die Vögel des Himmels Nester, aber der Sohn des Menschen hat nicht, wo Er das Haupt hinlege“ (Mt 8,20). Er, der so reich war, ward arm um unseretwillen, so arm wie keiner von uns, damit wir reich würden durch Seine Armut (2Kor 8,9).
Wir sind jetzt schon überaus reich gemacht, aber auch die äußere sichtbare Herrlichkeit kommt ganz gewiß. „Wir wissen, daß, wenn Er geoffenbart wird, wir Ihm gleich sein werden, denn wir werden Ihn sehen, wie Er ist.“ Welch eine Zukunft! Das ist unsere herrliche Erwartung! Wir warten auf den wiederkommenden Herrn, der uns zu Sich nehmen wird. Dann werden wir mit Ihm herabkommen auf diese Erde, und die Welt wird Den, den sie verworfen hat, sehen in Seiner ganzen Pracht und Herrlichkeit. Und die Kinder Gottes, die wie Er keine Stätte hienieden hatten, werden dann Seine Herrlichkeit mit Ihm teilen. Das ist unsere selige Hoffnung, und sie übt ihren ernsten und absondernden Einfluß auf uns aus. So heißt es auch in Vers 3: „Und jeder, der diese Hoffnung zu Ihm hat, reinigt sich selbst, gleich wie Er rein ist“.
Wir haben soeben durch unseren Bruder etwas über die Reinigung Jakobs gehört. Er sollte Gott begegnen. Diese Begegnung mit Gott stand vor seinem Herzen, und ohne daß Gott einen Befehl dazu gab, hatte doch die bevorstehende Begegnung mit Gott einen solchen Einfluß und solche Wirkung auf Jakob, daß er sich sofort sagte: „So geht es nicht; so wie es jetzt ist, kannst du Gott nicht begegnen“. Die ihm bevorstehende Begegnung mit Gott trieb ihn dazu, sich und auch seine Familie zu reinigen, und alles, was mit Gott nicht zu vereinigen war, hinweg zu tun.
Auch hier im Johannesbrief wird kein Befehl gegeben, daß wir uns reinigen müssen. Es ist eine ganz natürliche Sache. Es kann gar nicht anders sein. Sobald diese Hoffnung in ihrer Herrlichkeit und Wirklichkeit klar vor unserem Herzen steht, übt sie ihre reinigende Wirkung auch auf uns aus. Wie wichtig ist es, daß diese Hoffnung lebendig vor unserer Seele steht! Und ist es nicht möglich, daß der Herr Jesus noch diesen Abend kommt?
Möchten wir Ihn doch jeden Tag erwarten! Wenn wir dies mit unserem Herzen tun, so wird diese Hoffnung eine große Wirkung auf unser Leben haben. Laßt uns am Abend mit diesem Gedanken und Wunsch zur Ruhe gehen, daß Er in der nächtlichen Stunde kommen möge; und wenn wir am Morgen erwachen, so laßt uns wieder an unsere Arbeiten und Aufgaben gehen mit dem Bewußtsein Seines nahen Kommens. Dies ist uns kein Hindernis in unserer Arbeit, im Gegenteil, wir werden viel gewissenhafter und treuer darin sein, wenn diese Tatsache vor unserem Herzen steht.
Vor ungefähr 40 Jahren war bei uns in R. ein Dienstmädchen. Wenn sie abends zu Bett ging, legte sie ihre Kleider sorgfältig, schön und ordentlich auf den Stuhl. Einmal fragte sie jemand: „Warum machst du das so?“ Sie antwortete: „Wenn der Herr in dieser Nacht kommt, so möchte ich gern, daß alles in bester Ordnung sei“. Diese Worte haben mir später oft gedient. Das ist eine praktische Folge der lebendigen Erwartung der Ankunft des Herrn. Und so wird es auch sein im Geschäft, in der Familie, in der Haushaltung usw.
Je näher wir dem hellen Lichte kommen, je mehr sehen wir, was nicht in Ordnung ist. Wenn ich mich in einem finsteren Winkel befinde, so mag Staub und Schmutz mein Kleid bedecken, ohne mich zu beunruhigen. Je mehr ich aber dem Lichte nahe, um so mehr werde ich acht geben, daß es rein ist. Das ist praktisch. Die Schrift ist praktisch; sie ist niemals nur Lehre, sie ist immer Praxis; wenn sie das nicht für uns ist, dann hat sie ihre Bedeutung für uns verloren. Der Herr gebe auch zu dieser kurzen Betrachtung Seines Wortes Seinen Segen nach Seinem Reichtum in Christo!
M. J. S.