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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
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Handreichungen Band 20 - Jahrgang 1935
Mt 27,46-50 - Die schwersten Stunden unseres HerrnMt 27,46-50 - Die schwersten Stunden unseres Herrn
„Um die neunte Stunde aber schrie Jesus auf mit lauter Stimme und sagte: Eli, Eli, lama sabachthani? Das ist: Mein Gott, Mein Gott, warum hast Du Mich verlassen? ... Jesus aber schrie wiederum mit lauter Stimme und gab den Geist auf.“ (Mt 27,46.50)
Als die römischen Soldaten das ungerechte Urteil der damaligen Obrigkeit vollzogen, die Hände und Füße unseres Herrn an das Kreuz nagelten, da begannen wohl die schwersten Stunden für Ihn, obwohl Er bereits in Gethsemane und bei dem Verhör und der Verhöhnung und Geißelung unsagbar gelitten hatte. - „Sie haben Meine Hände und Meine Füße durchgraben“, so klagt bereits in Ps 22,16 prophetisch der Geist Christi. Doch bei all dem Schweren sehen wir Ihn in einer Hoheit und Würde, die uns zur Bewunderung und Anbetung bringt. Ohne Schelten, ohne Drohen ließ Er die Vollendung Seiner Verwerfung geschehen. Das dargebotene Betäubungsmittel nahm Er nicht. Er litt als der Held, obgleich Er alles viel tiefer empfand als wir, denn Er war heilig.
Im Sonnenbrand von 9 bis 12 Uhr sehen wir im Geiste Ihn dort blutend hängen, gehaßt und geschmäht von den Menschen, die Er doch so innig liebte. Er, der Reine, der Vollkommene, hatte auch in diesem schweren Leiden noch Worte der Liebe für Seine Feinde, Worte der Gnade und des Trostes für den reuigen Übeltäter, Worte der Fürsorge für Seine Mutter und Seinen Jünger Johannes. Wir schauen Ihn in Seinem großen Leiden, in Seiner größten Schmach; aber wir schauen Ihn auch in Seiner höchsten inneren Schöne.
In der Finsternis von 12 bis 3 Uhr hören wir unseren Herrn in Drangsal aufschreien: „Mein Gott, Mein Gott, warum hast Du Mich verlassen?“ Waren etwa die körperlichen und seelischen Leiden des Herrn jetzt zu schwer geworden, daß Er aufschreien mußte? Sie waren sehr schwer, doch das, was Ihn aufschreien machte, das war das Verlassensein von Seinem Gott, das sagen uns Seine eigenen Worte. Ach, wir Begnadigten wissen, warum Er verlassen war. „Die Strafe zu unserem Frieden lag auf Ihm ... Jehova hat Ihn treffen lassen unser aller Ungerechtigkeit.“ (Jes 53,5.6) Seine Seele hat das Schuldopfer gestellt, das Gottes Heiligkeit zur Tilgung unserer Schuld fordern mußte. Die Wogen und Wellen des Gerichtes Gottes wegen all unserer bösen Taten gingen dort über Ihn, unseren HErrn, unseren Stellvertreter. Deshalb schrie Er auf, deshalb war Er verlassen. Wir können nicht ermessen, was Er in diesen Stunden litt. Er, der in innigster Gemeinschaft mit Seinem Gott gewandelt hatte, Er stand jetzt Ihm gegenüber unter Gericht, war verlassen von Ihm, Seinem Gott! Was liegt doch schon in den Worten „Mein“ Gott, „Mein“ Gott! Welch innerer Schrei Seiner Seele! Ach, dieser Schrei gilt mir und gilt dir, lieber Leser; denn Er nahm meinen, nahm deinen Platz dort ein. Deshalb rief Er wohl auch: Mein „Gott“, nicht: Mein Vater, weil Er stellvertretend den Platz des Sünders, des gefallenen Geschöpfes gegenüber Gott, dem Schöpfer, im Gericht einnahm. Da der Sünde Sold der Tod, d. h. Trennung von Gott, ist, so mußte Er als Stellvertreter den Tod schmecken auch im Verlassensein von Seinem Gott. Was dieses alles für Ihn, den Heiligen, war, das ersehen wir schon aus diesen Seinen Worten: „Ich muß Mich taufen lassen mit einer Taufe; und wie ist Mir so bange, bis sie vollendet werde!“ (Lk 12,50 [Luth.]) Und was Er bereits in der Vorempfindung dieses Schwersten in Gethsemane litt, das ersehen wir aus dem Bericht des Heiligen Geistes nach Mk 14,33: „Er fing an, sehr bestürzt und beängstigt zu werden“, und wie Er dreimal hinging und betete, „wie“ wohl noch nie ein Mensch gebetet hat.
Nicht nur für unsere Tatsünden war unser Herr im Gericht, auch für unseren ganzen sündigen Zustand, der uns mit der Geburt überkommen ist. „Den, der Sünde nicht kannte, hat Er für uns zur Sünde gemacht, auf daß wir Gottes Gerechtigkeit würden in Ihm.“ (2Kor 5,21) Dieses Wort zu erfassen in seiner Fülle ist uns nicht gegeben. Wir können nur sinnend anbeten über der Größe des Werkes und sehen, daß unser ganzer Mensch mit seinen sündigen Werken und seinem Zustand sein Ende gefunden hat im Gericht an unserem Stellvertreter.
Wir können wohl verstehen in etwa, was es war, daß der Herr von der damaligen Obrigkeit zum Übeltäter gemacht wurde; denn Er wurde ganz wie ein solcher behandelt, verurteilt und hingerichtet. Wir können aber nicht verstehen, was es für Ihn war, daß Er von Gott zur Sünde gemacht wurde. Wir können nur ein wenig ahnen von der Schwere des Werkes. Wie unausforschlich ist doch das Werk Gottes, das dort am Kreuze geschah! Es dürfte wohl das größte sein, was je geschehen ist und je geschehen wird.
Matthäus und auch Markus berichten durch den Heiligen Geist, daß unser Herr mit einem lauten Schrei verschied. Es bewegt unser Inneres, wenn wir an diesen Schrei unseres Herrn denken. Stellt dieser Schrei doch uns den Schrecken des Gerichtes vor unsere Seele, in welches Sich der Herr freiwillig für uns hineinbegeben hatte. Er hat uns geliebt und Sich Selbst für uns hingegeben. Ewig sei Ihm Dank und Anbetung! Ewig sei unserem Gott und Vater Dank und Anbetung, daß Er „Seinen eigenen, Seinen geliebten Sohn nicht geschont, sondern Ihn für uns alle hingegeben hat“! (Röm 8,32)
O. D.
Erstellt: 20.05.2024 19:54, bearbeitet: 28.10.2024 14:37