Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 8 -Jahrgang 1921/22
Jes 7,14 - „Ein Zeichen“ (1)Jes 7,14 - „Ein Zeichen“ (1)
Der Herr Selbst wird euch ein Zeichen geben: Siehe, die Jungfrau ... wird einen Sohn gebären, und wird Seinen Namen Immanuel nennen. Jes 7,14.
Ich habe nicht vor, dieses Ereignis vom wissenschaftlichem Standpunkte aus zu erörtern, so fesselnd solches auch sein möchte. Die Zeiten sind zu ernst, um zu tändeln mit einer Sache, die eine der wesentlichen Grundlagen des Christentums ist. Als christlicher Arzt und demütiger Nachfolger des Lukas möchte ich bestimmte Punkte der Reihe nach besprechen, um die Gewißheit der Dinge zu beweisen, in denen wir unterrichtet worden sind. Ich werde nicht versuchen, solche Gründe anzuführen, die aus dem vorgefaßten Gedanken hervorgehen, die Jungfrauengeburt sei wünschenswert, ja durchaus notwendig, wenn wir einen Heiland der Welt haben sollen. Ich werde nur Schriftzeugnisse anführen, welche die Tatsache der Jungfrauengeburt bezeugen.
Der Berichterstatter diesem Ereignisses.
Zuerst möchte ich die Aufmerksamkeit darauf richten, daß Lukas, der Arzt, gerade besonders zum Berichterstatter dieses Ereignisses geeignet war. Wir haben den Bericht nicht aus der Feder eines gewöhnlichen Mannes und nicht - und dieses ist beachtenswert - aus der Feder eines Juden, von dem jemand annehmen könnte, daß er ein Vorurteil in der Sache habe. Wir erhielten ihn durch einen Heiden, den geliebten Arzt, und jeder muß einsehen, wie geeignet diese Wahl war. Wir sind daher nicht überrascht von der wunderbaren Schönheit, Zurückhaltung und dabei der Genauigkeit der Erzählung, die uns jeden kleinen Zug schildert, der uns zu wissen nottut, und nichts vorbringt, was nicht uns betrifft, und dadurch sich günstig von allen falschen Evangelien unterscheidet.
Einzelheiten nur in zwei Evangelien.
Einzelheiten über die Jungfrauengeburt sind uns nur in Matthäus und Lukas gegeben, nicht in Markus oder Johannes, und der Grund dafür ist nicht schwer zu finden. Im Neuen Testament haben wir nicht so sehr vier Evangelien als ein Evangelium, von vier Seiten aus betrachtet. Wende dich nach der einen Seite, zum Evangelium des Matthäus, und du findest einen König mit seiner Geburt und seinem Stammbaum; wende dich nach einer anderen, zu dem des Lukas, und du findest einen Menschen mit seinen Eltern und seiner Familie; wende dich zu Markus, und du findest einen Knecht; und wer fragt nach der Geburt und dem Stammbaum eines Knechtes?! Und nach der vierten Seite - zum Evangelium des Johannes - und du findest den Sohn Gottes, dessen Leben gemeinsam und gleich dem Gottes ist durch alle Ewigkeit. Hier gibt's daher keine Einzelheit über Geburt und Stammbaum. Es ist daher Matthäus und Lukas, den Geschichtsschreibern des Königs und des Menschen, überlassen, uns in dem einen Evangelium die königliche Herkunft und in dem anderen die Abstammung von Adam zu zeigen.
Der Bericht des Matthäus spricht mehr von den äußeren Dingen, es ist die Geschichte Josephs, und sein Stammbaum entspricht dem Wesen dieses Evangeliums. Der des Lukas bringt mehr die innere Seite, es ist die Geschichte Marias selbst, und der Stammbaum, der dazu gehört, ist der von Maria und nicht der von Joseph gemäß dem Wesen von Lukas' Evangelium.
Die Stammbäume.
Von den Stammbäumen steht einer im Matthäus, der andere im Lukas. Der in Matthäus beginnt mit Abraham und enthält die königliche Linie der Juden und führt den Stammbaum herunter bis zu Joseph. Was Lukas betrifft, so muß man wissen, daß bei den Juden kein Stammbaum mit einem Weibe enden durfte. Wenn die Linie mit einer Tochter endete, so wurde stets ihres Mannes Name an Stelle ihres eigenen eingesetzt und ihr Mann wurde ihres Vaters Sohn genannt. Es gab zwei Veranlassungen dazu in dem Stammbaum des Lukas. Die erste finden wir, wenn wir Lk 3,27 mit Mt 1,12 vergleichen. In Matthäus ist Salathiel der Sohn Jechonias und im Lukas ist er der Neris. Aber wie ist das zu verstehen, daß Salathiel der Sohn Neris und der Sohn Jechonias war? Es ist bemerkenswert, daß das Wort „zeugte“ in Matthäus nur in diesem Evangelium gebraucht wird, nicht aber in dem des Lukas. Ohne Zweifel zeugte wirklich Jechonia den Salathiel, und Salathiel war der wirkliche Sohn Jechonias. Aber in Lukas wird er der Sohn Neris genannt, und in beiden Fällen ist sein Sohn Zorobabel, was zeigt, daß es derselbe Salathiel ist. Ich bin der Ansicht, daß dies ein deutlicher Fall ist, wo ein Schwiegersohn Sohn genannt wird. Salathiel war nicht der Sohn, sondern der Schwiegersohn von Neris, aber im Lukas wird er, da die Nachfolge nicht auf ein Weib übergehen kann, der Sohn Neris genannt.
Die zweite Veranlassung dazu ist der Fall des Joseph selbst. Wir lesen Lk 3,23 von Jesus, daß Er, „wie man meinte“, ein Sohn des Joseph war. Damit wird gemeint, daß Joseph genau so der Schwiegersohn des Eli war, wie Salathiel der des Neri, obwohl Joseph Sohn des Eli genannt wird.
Der Stammbaum der Maria.
Diese zwei eben angeführten Fälle sind gleich, und beide kommen in dem Stammbaum der Maria vor. Man kann vernünftigerweise nicht daran zweifeln, daß es der Stammbaum Marias ist. Nun war Christus allein Erbe durch Maria, und daher mußte ihre Stammtafel in die Bibel aufgenommen werden, wenn Er nicht der Sohn Josephs war; oder Er würde überhaupt nicht der Erbe des Thrones Davids gewesen sein. Es gibt viele, die sagen, daß Christus den Thron allein durch Joseph erbte. Das ist nicht der Fall. Selbst wenn Maria nie verheiratet gewesen wäre, so wäre Christus Erbe von Davids Thron nur durch Seine Mutter Maria gewesen, wie ich später zeigen werde.
Meine zweite Anmerkung bezieht sich auf Mt 1,16: „Jakob aber zeugte Joseph, den Mann der Maria“. Es heißt aber nie, daß Eli den Joseph zeugte. Das Wort „zeugte“ kommt in Marias Stammbaum gar nicht vor, wohl aber in dem Josephs. Jakob zeugte den Joseph, aber es geht nun nicht weiter, daß Joseph Christus gezeugt hätte, sondern es folgt dieser merkwürdige Satz, der meines Erachtens unmöglich hätte geschrieben werden können, wenn es keine Jungfrauengeburt gäbe: „Den Mann der Maria, von welcher Jesus geboren wurde, der Christus genannt wird“. Diese umschreibende Art und Weise, die Geburt Christi darzustellen, ist ohne Sinn und Verstand, wenn Christus nicht von einer Jungfrau geboren ist.
Die Jungfrauengeburt ist vorausgesagt.
Wenn wir die Jungfrauengeburt mit 1. Mose 3,15 vergleichen, so finden wir, daß sie eine Erfüllung dieser wunderbaren Schriftstelle ist. Es erregt Staunen, wenn man findet, daß schon in dem ersten Buche des Wortes Gottes die Jungfrauengeburt vorausgesagt ist: „Und ich werde Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe, und zwischen deinem Samen und ihrem Samen“. Ihr Same! Einen solchen Gedanken wie eines Weibes Samen findet man anderswo nicht. Wohl hundertmal lesen wir von dem Samen (Einzahl) oder den Samen (Mehrzahl), dem Samen Abrahams usw.; und stets ist es der Same eines Mannes. Aber von dem Samen eines Weibes ist nur dieses eine Mal die Rede und kann nur verstanden werden als ein Hinweis auf die Jungfrauengeburt, und sehr zu beachten ist es, daß wir ihn hier finden. Ich denke, daß, wenn unser Herr nicht von einer Jungfrau geboren wäre, Adam angeredet worden und von seinem Samen geredet worden wäre (Mt 1,18).
Mein nächster Beweis steht in Matthäus 1,23: „Siehe, die Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären“. Aber in Lukas 1,13 sagt der Engel dem Zacharias: „Dein Weib Elisabeth wird dir einen Sohn gebären“. Das Wort „dir“ ist im Matthäus ausgelassen, weil Maria nicht den Sohn Josephs gebar, wohl aber Elisabeth den des Zacharias. Dieses eine Wörtchen „dir“, das das eine Mal hinzugefügt und das andere Mal ausgelesen ist, ist unserer Aufmerksamkeit wert.
Wenn der Gedanke einer Jungfrauengeburt nicht von den Juden herstammt, so stammt er noch weniger von den Heiden. Wenn sie kein Teil der allgemeinen messianischen Hoffnung gewesen ist, dann ist es um so merkwürdiger, daß Matthäus die Stelle Jes 7,14 anführt als völlig erfüllt in der Geburt unseres Herrn.
(Fortsetzung folgt).