Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 20 - Jahrgang 1935
1Kön 18,8-16 - Elia und Obadja1Kön 18,8-16 - Elia und Obadja
Einen schweren Auftrag hatte Obadja von Elia erhalten. Er sollte zu Ahab gehen und ihm sagen.: „Siehe, Elia ist da!“ Das hieß mit anderen Worten für Obadja, er solle den Propheten Jehovas an Ahab verraten und dem Tode ausliefern. Wir können verstehen, wie erschrocken Obadja über diesen Auftrag sein mußte. Er, der in seinem Herzen Jehova sehr fürchtete, sollte hingehen und den treuen Knecht Jehovas an Ahab ausliefern.
Aber nicht allein das. Obadja fühlte auch sofort, daß die Ausführung dieses Auftrages für ihn selbst höchst gefährlich werden könne. Er hatte kein gutes Gewissen. Einerseits klagte es ihn an wegen seiner gottwidrigen Verbindung mit dem Hause Ahabs und andererseits wegen der heimlichen Versorgung der hundert Propheten Jehovas, welche ihn auch in beständiger Furcht vor Entdeckung hielt; denn mit der Macht und dem Beistand Jehovas konnte er in dieser Sache infolge seines belasteten Gewissens nicht rechnen.
Bei dem Gedanken, Elia dem König melden zu sollen, befällt ihn Angst um sein Leben. Konnte Ahab bei der Überbringung dieser Botschaft nicht mißtrauisch werden und1 denken, er habe den Aufenthaltsort Elias gewußt und mit diesem unter einer Decke gesteckt? Und wenn dann alles ans Licht käme, so wäre er ein verlorener Mann. Das Ergebnis seiner Überlegungen ist: „Er wird mich töten!“
Wie arm und unglücklich ist doch ein Kind Gottes, welches zwei Herren zu dienen sucht! Obadja ist hierfür ein rechtes Beispiel. Im tiefsten Grunde seines Herzens fürchtete er Jehova - nach außen aber zeigte er sich der Welt, als sei er völlig eins mit Ahab. Er hatte auf das Fleisch gesät, und vom Fleische mußte er nun ernten. Und ist dies nicht das Teil aller, die auf Fleisch säen? Wie schnell kommt oft der Tag, wo wir bitter ernten müssen, was wir gesät haben! Möchten wir aus den Warnungsbeispielen des Wortes Gottes lernen, nicht in einem Joche mit Ungläubigen zu sein! „Denn welche Genossenschaft hat Gerechtigkeit und Gesetzlosigkeit? oder welche Gemeinschaft Licht mit Finsternis? und welche Übereinstimmung Christus mit Belial? oder welches Teil ein Gläubiger mit einem Ungläubigen?“ (2Kor 6,14-18) Nichts schwächt ein Kind Gottes so wie ein geteiltes Herz, ein Verharren in der Welt.
Obadja gibt sich nun alle Mühe, Elia zu bewegen, ihn von diesem ihm so gefahrvoll erscheinenden Auftrag zu entbinden, aber dreimal hält Elia seinen Befehl aufrecht: „Gehe hin, sage deinem Herrn: Siehe, Elia ist da!“ (V. 8.11.14); und dreimal drückt ihm Obadja die Besorgnis in seiner Antwort aus: „Er wird mich töten!“ (V. 9.12.14); und dreimal bringt er einen Grund vor, um Elia von der Gefährlichkeit seines Auftrages zu überzeugen. (V. 10.12.13)
Diese Botschaft Ahab zu überbringen scheint Obadja nichts anderes zu sein, als in den Tod zu gehen. Er meint, Elia wisse nicht, in welche Lebensgefahr er durch seinen Auftrag komme, und bringt ihm deshalb seine Beweisgründe dafür vor, die er mit den Worten schließt: „Und nun sprichst du: Gehe hin, sage deinem Herrn: Siehe, Elia ist da! und er wird mich töten.“ (V. 14) In diesen Worten drückt er Elia die Ungereimtheit seines Auftrages mit den bestehenden Verhältnissen aus, die es ihn als selbstredend erscheinen lassen, daß Elia seinen Befehl zurücknehmen müsse. Er fragt deshalb: „Was habe ich gesündigt, daß du deinen Knecht in die Hand Ahabs geben willst, daß er mich töte?“
(V. 9) Elia antwortet auf diese Frage nicht; sie zeigt aber, wie wenig Obadja sich der Sünde seiner Verbindung mit Ahab bewußt war.
Laßt uns noch etwas näher auf die drei Beweisgründe Obadjas eingehen.
Zuerst machte er Elia mit der offenkundigen Feindschaft Ahabs gegen ihn bekannt. Um seiner habhaft zu werden und ihn zu töten, hatte Ahab den Propheten sogar in den angrenzenden Königreichen suchen lassen. Obadja kannte diesen tödlichen Haß, den Ahab gegen den treuen und unerschrockenen Zeugen Jehovas in seinem Herzen trug. Er konnte es nicht verstehen, daß Elia, nachdem er Kenntnis hiervon hatte, es dennoch wagen wollte, sich Ahab zu zeigen. Er kannte eben das Geheimnis der Kraft Elias nicht. Bei ihm drehte sich in erster Linie alles um sein eigenes Leben, dies kam immer wieder durch die Furcht, getötet zu werden, zum Ausdruck.
Sein zweiter Grund war, daß Gott Seinen Propheten nie in die Hand Ahabs fallen lassen würde; daß dann aber er (Obadja) dafür haftbar gemacht werden würden, weil er ihn nicht bei der Begegnung festgenommen oder - als einen Schädling des Volkes - sofort getötet habe. Diese Gefahr begründet er Elia damit, daß, wenn er jetzt hingehe, um den Auftrag dem König auszurichten, der Geist Jehovas Elia irgendwohin tragen und verbergen würde; und wenn Ahab dann käme und ihn nicht fände, er an seiner Statt werde sterben müssen.
Wie tief lassen uns diese Worte in das Herz des Obadja schauen! In bezug auf Elia hatte er volles Vertrauen zu Gott, daß dieser Seinen Knecht vor dem Zorn des Königs bewahren würde. Warum hatte er solches Vertrauen nicht auch für sich selbst zu Gott? Konnte Gott nicht auch ihn vor Ahab schützen? Ach, er wandelte nicht als ein Knecht Jehovas - seine gottwidrige Stellung und sein schuldiges Gewissen hatten ihm jedes Vertrauen auf Gott in bezug auf sich selbst geraubt. Elia vertraute auf Gottes Rettung; Obadja sah nur den Tod durch Ahabs Hand vor sich, und deshalb suchte er so beharrlich, von dem gefährlichen Auftrag Elias loszukommen.
Und noch einmal, zum dritten Male, wendet er sich an Elia, und diesmal sucht er sein Herz zu gewinnen. Er er-innert ihn, daß auch er von seiner Jugend an Jehova angehöre und manches Gute getan habe. Sicher fühlte er den Widerspruch dieser Worte mit seiner jetzigen Stellung zu Ahab, die gegen ihn zeugte. Aber doch, er konnte auf Gutes - auf eine große Tat hinweisen, die er getan hatte, und er fragt, ob es Elia nicht berichtet worden sei, daß er, als Isebel die Propheten Jehovas tötete, hundert Mann versteckt und mit Brot und Wasser versorgt habe. Elia hatte nicht nötig zu fragen, ob von dem, was er getan, berichtet worden sei. Sein ganzes Leben war ein Zeugnis und ein Dienst für seinen Gott, Obadjas Tat aber, die wir nicht verkleinern wollen, war gewiß ein Dienst, den er um Jehovas willen den armen verfolgten Propheten getan hatte, aber er geschah nicht in ungefärbtem und völligem Glauben, denn in dem Lichte der Heiligkeit Gottes und der Wahrheit konnte er nicht bestehen. Er selbst war aber von seiner Tat so eingenommen, daß er meinte, sie sei ein Grund, sein Leben zu schonen und nicht in Gefahr zu bringen.
Wie traurig stimmen uns diese Gegenreden Obadjas, der doch gewohnt war, Ahabs Worten ohne Widerspruch zu gehorchen, der aber gegen den göttlichen Befehl des Propheten voller Einwendungen ist. Bei Obadja drehte sich alles um ihn selbst, um sein Leben, aber kein Wort der Reue oder des Schmerzes über den Abfall oder des Eifers für den verworfenen Gott Israels kommt über seine Lippen. Woher kam dies? Ach, Obadja bestätigt uns, daß nichts das innere Leben eines Kindes Gottes so schwächt wie ein geteiltes Herz und das Verharren in einem ungleichen Joche. Und doch versuchen Kinder Gottes immer wieder, Gott und der Welt zugleich zu dienen und Gottes Forderungen denen der Menschen unterzuordnen.
Elia geht weder auf die Gründe Obadjas ein noch entbindet er ihn von seinem Auftrag. Nur insofern beruhigt er den zagenden und zitternden Obadja, daß er ihm die feierliche Zusage gibt: „So wahr Jehova der Heerscharen lebt, vor dessen Angesicht ich stehe, heute werde ich mich ihm zeigen!“ Das waren feierliche Worte, die aber auch Obadjas Herz und Gewissen treffen mußten, denn vor wem stand er? Der Herr, vor dem er stand, war Ahab.
Im Glauben an den lebendigen Gott ist Elia bereit, zum zweiten Male vor das Angesicht Ahabs zu treten. Er fürchtete die Wut des Königs nicht, die Obadja mit Schrecken erfüllte. Welch ein Gegensatz zwischen zwei Menschen, die beide Jehova fürchteten.
Menschliches Urteil mochte das Leben Obadjas in seiner angesehenen Stellung am königlichen Hofe angenehmer und höher einschätzen als das Leben Elias in der Einsamkeit am Bache Krith oder im Hause einer armen Witwe. Der Glaube aber achtet die Schmach Christi für größeren Reichtum als die Schätze Ägyptens. Diesen unerforschten Reichtum Christi, für den einst Mose Ägypten aufgab und den Elia in der Abgeschiedenheit mit seinem Gott genoß, den verlor Obadja, und den verlieren alle „Obadjas“, die nicht wagen, den Weg der Treue und Absonderung von der Welt zu gehen.
A. v. d. K. (m. Benutz. engl. Lit).
1 Unter der gleichen Überschrift erschien bereits eine Betrachtung über die ersten Verse von 1Kön 18 in der 7. Lief. der „Handreichungen“ 1935 (Jahrb. 20, S. 145). Durch Krankheit verhindert, konnte ich seinerzeit die Artikelreihe über Elia nicht fortsetzen. A. v. d. K.↩︎