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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 9 -Jahrgang 1923/24
Menschen oder Gottes Wort? ( 1Kor 3,21 Joh 8,32 )Menschen oder Gottes Wort? ( 1Kor 3,21 Joh 8,32 )
„So rühme sich denn niemand der Menschen.“ (1Kor 3,21). „Die Wahrheit wird euch frei machen.“ (Joh 8,32).
Menschen oder Gottes Wort; Personen oder Prinzipien (Grundsätze); nach welchen von diesen beiden wollen wir uns richten? Im allgemeinen findet man es leichter, sich einer starken Persönlichkeit anzuschließen, der man folgen kann, als über die Grundsätze der Schrift und die Wahrheit Gottes ein geübtes Herz zu haben.
Menschen laufen Menschen nach, das kann man Tag für Tag in der politischen wie auch in der religiösen Welt sehen; aber ob das auch in der Gemeinde Gottes gesehen werden soll, ist eine andere Frage. Leider wird aber solches auch hier gefunden, als Wirkung des verkehrten menschlichen Willens.
Als die Jünger Johannes des Täufers zu ihm kamen und berichteten, daß alle zu Jesu kämen - wie wohltuend ist es da zu hören, wie er zu ihnen von der Freude des Freundes des Bräutigams spricht (Joh 3,28ff). Sein Ziel war nicht, Jünger um sich zu sammeln, ihm war es eine Freude, zu sehen, daß seine Jüngerschar zerschmolz und sich Jesu anhängte. Und wiederum von der anderen Seite, wie zart und feinfühlend war der Herr Johannes gegenüber, denn „als Er erkannte, daß die Pharisäer gehört hatten, daß Jesus mehr Jünger mache und taufe ... verließ Er Judäa und zog wieder nach Galiläa“ (Joh 4,1-3). Johannes wollte keinen Anhang für sich selbst gewinnen; dies wäre ihm ein Leichtes gewesen; er stellte vielmehr seine Person in den Hintergrund und starb einsam unter dem Henkerbeil im finstern Verließ von Machärus, und doch war er mehr als ein Prophet.
Wie erfreulich ist es, wenn junge Brüder und Schwestern in Christo heranwachsen und man sieht, daß ihr Glaube nicht auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Wort und Kraft beruht. Solche lassen sich auch von hervorragenden Menschen nicht leicht hin und her bewegen, denn sie stehen auf dem unbeweglichen Grunde des Wortes des Herrn. Sie erkennen die Wahrheit, und die Wahrheit macht sie frei, und solche sind wahrhaftig Seine Jünger.
Das Bestreben des Apostels Paulus war immer, die neubekehrten Seelen von ihm selber unabhängig zu machen.
Heutzutage scheint es fast, als ob das Bestreben vieler Arbeiter im Weinberge des Herrn sei, die Jünger an sich zu fesseln. Aber nicht in allen Fällen sind Diener am Worte schuldig, es kann auch vorkommen, daß Seelen sich diesen so anschmiegen und sich in solche Abhängigkeit von ihnen stellen, daß sie in eine falsche Stellung geraten ohne eigenen Willen und eigenes Zutun. Wie nötig ist es deshalb, daß Brüder und Schwestern in die befreiende Wahrheit eingeführt werden, um die biblischen Gründsätze zu erkennen. Nur auf diese Weise kann man der Gefahr vorbeugen, sich an Menschen zu hängen.
Immer wieder tritt die Frage an uns heran, ob wir uns nach Menschen oder nach dem Worte des Herrn richten wollen. Jesaja, vom Heiligen Geiste inspiriert, ruft aus: „Lasset ab von dem Menschen, in dessen Nase ein Odem ist, denn wofür ist er zu achten?“ (Jes 2,22). Wie nötig und heilsam ist uns diese Ermahnung auch heute!
Paulus tat sein möglichstes, die erretteten Seelen so zu erziehen, daß sie nicht von ihm abhängig sein sollten. In unseren Tagen spricht man zuweilen von Arbeitern, die einen schönen Kreis von Geschwistern um sich gesammelt haben. Von Paulus konnte solches nicht gesagt werden. Er stellte seine Person niemals in die Mitte oder an die Spitze, und ihn stellt uns die Schrift als das Musterbild eines Arbeiters dar. Das natürliche Menschenherz strebt danach, Anhang für sich zu haben. Diese Neigung hat es geerbt von dem Vater der Lüge. Entdecken wir, daß unser eigenes trotziges Herz danach trachtet, und sei es auch nur ganz leise, dann laßt uns den Herrn um Gnade anflehen, daß durch Seinen in uns wohnenden Geist solches Begehren getötet werde.
In der Gemeinde Gottes in Korinth hatten die Gläubigen an keiner Gnadengabe Mangel, sie waren reich gemacht in allem Wort und aller Erkenntnis, aber diese fleischliche Neigung kam stark in ihrer Mitte zum Ausdruck. Paulus schrieb fast vier Kapitel, um dieser traurigen Erscheinung entgegenzuwirken und sie zu bekämpfen. Die Gläubigen dort hingen gewissen hervorragenden Lehrern an. Es waren sicher beredte Männer und starke, anziehende Persönlichkeiten, doch auch solche können irren und ihren Anhang auf Nebenwege führen. Sind die Heiligen Gottes aber in der
Schrift gegründet, so werden sie gern annehmen, was begabte Brüder ihnen bringen, aber sie werden kein Bedürfnis fühlen, sich ihren Personen anzuhängen; und andererseits wieder, solche führenden Brüder, wenn sie die Gesinnung Christi haben, wünschen niemals eine Nachfolge von Menschen, höchstens dürften sie mit Paulus sagen: „Seid meine Nachahmer, gleichwie auch ich Christi“ (1Kor 11,1). Aber auch selbst in dieser Ermahnung des Apostels liegt die Forderung eines geübten Herzens, denn nur soweit darf man ein Nachahmer eines begabten Bruders sein, wie er Christi Nachahmer ist. Paulus schreibt zwar auch: „Seid zusammen meine Nachahmer“ (Phil 3,17). Hier aber will er die Gläubigen vor der Uneinigkeit bewahren, sich nicht in Parteien zu zersplittern, wie es gewisse Brüder in Korinth taten, indem man sich aufbläht für den einen wider den anderen, worin sich ihre Unmündigkeit und fleischliche Gesinnung offenbarten.
Das Sichrichten nach Menschen ist ein gefährliches Spiel! Wieviel Mühe bedarf es oft, Neubekehrte von Menschen zu lösen; und wie verhängnisvoll ist es, wenn Gläubige das ganze Leben hindurch in der Menschenabhängigkeit stehen. Wie viele würden nach ihrer Bekehrung gern dem Taufbefehl des Herrn folgen; aber da ist ein begabter Bruder oder eine einflußreiche Schwester; sie ist nicht getauft und spricht geringschätzig von dieser Anordnung des Herrn, und die Folge ist, man richtet sich nach der Person und nicht nach dem Worte; und wieder andere würden sich von der religiösen Welt absondern, aber Bruder Soundso bleibt in der Volkskirche, und so wagt man nicht, den Schritt zu tun. Wieder ist es die Person und nicht die Wahrheit, die maßgebend ist. Viele hätten Freudigkeit, sich in dem Namen des Herrn nach dem biblischen Muster zu versammeln, aber durch einen bekannten Bruder ist solcher Wunsch verpönt; es unterbleibt, und so ist die Persönlichkeit stärker als der geoffenbarte Wille des Herrn.
Wollen wir uns nicht fragen, wie wir geleitet werden, ob von Menschen oder von dem Worte des Herrn? Wie wichtig ist es, daß wir lernen, uns nach der Schrift zu richten, und zwar mit aller Demut im Herzen. Denn wenn wir durch des Herrn Gnade gelernt haben, uns dem Worte zu beugen, so geschieht dieses doch sicher nur in Schwachheit und auf mangelhafte Art und Weise. Und nichts Besonderes haben wir damit getan, sondern nur, was wir zu tun schuldig sind, und wir sind doch unnütze Knechte.
Noch ein anderes Bild: In irgend einer Stadt ist ein hochbegabter Prediger, der einen großen Anhang um sich gesammelt hat. Und in derselben Stadt ist ein kleiner Kreis einfacher, unbegabter Geschwister mit Schwierigkeiten in ihrer Mitte und ohne einflußreiche Brüder, die aber Gottes Wort als alleinige Richtschnur in ihrer Mitte anerkannt sehen möchten. Was soll man nun in einem solchen Falle tun? Das Fleisch flüftert: Setze dich zu den Füßen des großen Predigers! Hat man jedoch gelernt, sich nicht der Menschen zu rühmen, sondern die befreiende Wahrheit über alles zu setzen, so verliert die lockende Persönlichkeit ihren Reiz, und man richtet sich nach der Schrift. Denn bald kommt „der Herr, der das Verborgene der Finsternis ans Licht bringen und die Ratschläge der Herzen offenbaren wird. Und dann wird einem jeden sein Lob werden von Gott“. (1Kor 4,5).
Wer die Brüder in Korinth eigentlich waren, die einen Anhang für sich gewonnen hatten, wissen wir nicht. Paulus hatte zuviel Takt, das öffentlich in einem Briefe zu sagen, der überall und nicht nur in Korinth gelesen wurde. Er hatte seinen eigenen Namen und den des Apollos angegeben, als ob er und Apollos sich Anhänger gewonnen hätten! Aber die Korinther selber werden sicher gewußt haben, welchem hervorragenden Bruder jeder geneigt war, sich anzuhängen. Paulus aber schrieb ganz offen, daß er das Gesagte auf sich und auf Apollos bezogen hatte um ihretwillen, auf daß sie an dem Apostel und an Apollos lernen möchten, nicht über das hinauszudenken, was geschrieben ist, und auf daß sie sich nicht aufblähen sollten, der eine wider den anderen (1Kor 4,6).
In den dann folgenden Versen wendet er sich besonders an solche, die durch ihre Begabung und durch ihren Einfluß einen Anhang für sich gewonnen hatten, und zeigt ihnen den Unterschied, der zwischen ihm und ihnen bestehe. Die Gläubigen in Korinth sollten fühlen, wie töricht und ungereimt es war, zu sagen: „Ich bin des Paulus“, denn er war ein solcher, der Hunger und Durst litt, der nackt war und keine bestimmte Wohnung hatte, der sich abmühen mußte, arbeitend mit seinen eigenen Händen, um kümmerlich sein
Brot zu verdienen. Sie hingegen waren gesättigt, schon reich geworden, und ohne den Apostel Herrschten sie schon. Welch ein Gegensatz zwischen ihm und diesen! Er bittet sie vielmehr, seine Nachahmer zu werden (1Kor 4,16). Wären diese hervorragenden Brüder ihm ähnlich, so würden sie keinen Anhang haben. Ihre Persönlichkeit würde in den Hintergrund treten und sich verbergen, und der Herr, in dessen Gemeinschaft Gott sie berufen hatte, würde den Ihm gebührenden Platz in ihrer Mitte haben. Die Gläubigen würden lernen, sich nach der Wahrheit, nach göttlichen Grundsätzen zu richten und nicht nach Menschen.
Die Person des Menschen, auch die unserer begabten Brüder, möge sie durch des Herrn Gnade mehr und mehr in den Hintergrund treten, so wie Elisa unsichtbar blieb, als Naeman mit Gepränge zu ihm kam! O, daß die Gläubigen überall sich möchten von Menschen lösen lassen, indem sie die Wahrheit festhalten, „denn alles ist ihrer, es sei Paulus oder Apollos ..., aber sie sind Christi, Christus aber Gottes“ (1Kor 3,21-23).
Wieviel Herzeleid ist schon dadurch entstanden, daß man Menschen nachgelaufen ist! Dadurch sind führende begabte Brüder aufeinander eifersüchtig geworden, und teure, geliebte Kinder Gottes sind dadurch auseinander gerissen worden. Haben die Gläubigen aber gelernt, sich nicht nach Menschen, sondern nach dem Worte zu richten, so wird man durch Seine Gnade vor dieser gefährlichen Klippe bewahrt bleiben. Paulus war sicher eine starke und anziehende Persönlichkeit, und leicht hätte er die Seelen an sich fesseln können, aber es ist, als ob er sie mit liebevoller Hand von sich abwehrte und auf den Herrn zurückwies. Er befahl sie Gott und dem Worte Seiner Gnade. Er ermahnte sie, ihre eigene Seligkeit mit Furcht und Zittern auszuwirken, statt sich auf ihn zu stützen. Er schrieb den Galatern, ihm keine Mühe mehr zu machen.
Laßt uns zu Christus heranwachsen und die Wahrheil in Liebe festhalten! Seien wir nicht hin und her geworfen von jedem Winde der Lehre durch die Betrügerei der Menschen! Wie Herrlich ist der Weg, wenn wir von dem Herrn und Seinem Worte abhängig sind und unsere Gemeinschaft miteinander in Seinem Lichte ist!
F. Btchr.