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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 23 - Jahrgang 1938
1Sam 9 – Ewigneues Altes Testament, Gedanken zum 1. Buch Samuel, Saul, der schöne junge Mann1Sam 9 – Ewigneues Altes Testament, Gedanken zum 1. Buch Samuel, Saul, der schöne junge Mann
Hervorragende natürliche Eigenschaften sind keine Gewähr für ein segensreiches Leben. Die Anziehungskraft besonders begabter Menschen lockt auch böse Freunde herbei, und der Hochmut findet gute Nahrung. Saul war einer der schönsten jungen Leute im Land, und doch endete sein Leben in Unruhe und Schande. Er begann in ansprechender Bescheidenheit (Kap. 9,21; 10,22) und Selbstbeherrschung (Kap. 10,27), aber der Glanz und die Macht seiner Stellung ließen ihn zum Tyrannen werden und zerstörten die hohen Hoffnungen, zu denen sein guter Anfang berechtigt hatte.
Saul war nie ein Mann des Glaubens. Warum aber wählte Gott ihn dann zum ersten König über Israel? David war ein Mann nach dem Herzen Gottes, Saul ein Mann nach dem Geschmack des Volkes. Sie wollten mit ihrem König Staat machen; dessen äußere Eigenschaften waren ihnen besonders wichtig. Gott gab ihnen nun einen solchen König. Sie sollten lernen, wie wenig wertvoll natürliche Gaben sind, wenn das Herz nicht Gott unterworfen ist.
Durch eine wunderbare Fügung treffen sich Saul und Samuel. Gott liebt solche geheimen Führungen, und für den, der Gott liebt, müssen alle Dinge zum Guten zusammenwirken. Samuel kam eben zur Stadt heraus, als Saul eintrat. Der Herr hatte dem Propheten einen Tag zuvor eröffnet, daß ein Mann aus Benjamin kommen werde, der solle der Fürst werden, der Erretter des Volkes Israel. Nachher bezeichnet ihn Samuel als den, nach dem alles Begehren Israels stehe (V. 20). Diese drei Ausdrücke finden sämtlich auch auf den Messias Anwendung. In Jes 55,4 ist Er der Fürst und Gebieter. Sach 9,9 wird Er als „Retter“ begrüßt (vgl. auch Mt 1,21), und Haggai 2,7 steht: „Das Ersehnte aller Nationen wird kommen“. Wir dürfen wohl annehmen, daß Saul ein Vorbild des Herrn Jesus geworden wäre, wenn er in Gottesfurcht vor dem Herrn gewandelt hätte.
Der Ehrenplatz bei der Opfermahlzeit, der beste Bissen und die Worte Samuels ließen Saul erkennen, zu welch hoher Würde ihn Gott berufen hatte. Nachher lesen wir: Samuel „redete mit Saul auf dem Dache“ (V. 25). Sicher haben sie über die Aufgaben und Pflichten eines Herrschers in Israel gesprochen. Saul sollte der Fürst über „Gottes Erbteil“ sein. (Kap. 10,1). Das Erbteil war Gottes, nicht Sauls Eigentum. Er stand unter Gottes Autorität und war dem Höchsten für sein Tun und Lassen verantwortlich. Niemals sollte er ein Tyrann werden. Voll tiefer Gedanken kehrte Saul in seine Vaterstadt zurück. Mit niemand besprach er sich über das große Geschehen. (Kap. 10,16).
Zum Nachdenken: Auch das heiligste Öl, mit dem ein Haupt gesalbt wird, verändert das Herz nicht. Die höchste Stellung kann mißbraucht werden.
Saul wird zum König gesalbt und gewählt (1Sam 10)
Saul war aus dem Stamme Benjamin (Kap. 9,1). Benjamin war nicht der königliche Stamm, sondern Juda war es, auf dem die Verheißungen der Herrschaft ruhten (1Mo 49,10). Es scheint, als sei es von Anfang an nicht Gottes Absicht gewesen, das
Haus Sauls auf dem Thron zu erhalten. Er gab dem Volk Israel diesen König, weil ihr Herzenszustand einen Mann wie Saul begehrte und sie nun erkennen sollten, wie töricht ihr Wunsch war (Hos 13,11). Trotzdem wird Saul von Samuel gesalbt und erhält den Kuß der Treue und Unterwerfung (Vgl. Ps 2,12). Damit der überraschte Saul gewiß werde, daß seine Erwählung nicht ein Einfall Samuels sei, sondern nach einem Befehl Gottes geschehen war, werden ihm drei bestätigende Zeichen zuteil: Drei Männer Gottes, die nach Bethel zu Gott hinaufgingen, grüßten ihn mit Auszeichnung; der Geist Gottes ergriff ihn, so daß er weissagte, und sein Herz wurde verwandelt. Diese letztere Aussage befremdet uns, denn der Verlauf seines Lebens zeigt uns, daß sein Herz nicht verwandelt war. Es ist hier wohl an eine Zeit besonderer Einwirkung seitens Gottes zu denken. Neue Gedanken, heilige Entschlüsse, Heldenmut erfüllten ihn. Das Volk wunderte sich über diese Wandlung und gab seiner Verwunderung mit den Worten Ausdruck: „Ist auch Saul unter den Propheten?“
Samuel, der treue Knecht Gottes, beruft jetzt das ganze Volk nach Mizpa und hält ihm nochmals das Unrecht vor, einen König gewünscht zu haben. Stumm läßt das Volk die Worte Samuels über sich ergehen. Ihr Wille stand fest: Sie wollten einen König! Sie wären wohl ein wenig unsicher geworden, wenn sie in die Zukunft schauen und all das Elend hätten sehen können, das Israels Könige über das Volk brachten. Die ganze Herrlichkeit des Königtums endete in der Gefangenschaft. Der Glaube ist lenksam, hört auf Warnungen erleuchteter Männer und läßt sich führen. Der Eigensinn aber beharrt auf seinem kurzsichtigen, vorgefaßten Plan, und erst während der Ausführung merkt er, wie Gottes Wort doch eintrifft, trotz der Gegenmaßnahmen des Menschen.
Es ist tröstlich zu sehen, wie angesichts der Blindheit und des Eigensinns Seines Volkes Gott Sich nicht von ihm zurückzieht. Sie befragen den Herrn wegen des erwählten jungen Mannes, und Gott antwortet und sagt ihnen sogar den Platz, wo Saul sich in schöner Bescheidenheit versteckt hielt (V. 22). Saul konnte gleich zu Beginn seines Königtums merken, daß vor Gott nichts verborgen ist und daß die Verbindung mit diesem allweisen Gott die beste Ausrüstung für eine erfolgreiche, glückliche Regierung ist. Als das
Volk die königliche Erscheinung Sauls sieht, jubelt es laut und ruft: „Es lebe der König!“ Samuel aber stellt die Rechte des Königs fest und schreibt sie in ein Buch. Noch war Samuel der Richter und Vater des Volkes. Saul kehrte dann nach seinem Hause zurück, begleitet von einer Schar, deren Herz Gott gerührt hatte. (Vgl. V. 26 mit 27).
Zum Nachdenken:
Offenbarung, Wundergaben,
Trost und Süßigkeiten haben,
Ehre, Welt und Geld verachten,
Vieles wissen und betrachten,
Fasten, lesen, singen, beten
Und mit Engelzungen reden -
Alles dieses acht ich nicht,
Wo man nicht den Willen bricht.
(Tersteegen)
Sauls Sieg über die Ammoniter und Samuels Abschied von dem Volke (1Sam 11-12)
Saul hatte bald Gelegenheit, sich als Heerführer des Volkes zu erweisen. Jabes-Gilead liegt östlich vom Jordan in dem Gebiet des Stammes Gad. Die Ammoniter, die Nachkommen Lots waren, ebenso wie die Moabiter, wohnten im Süden und Osten des Toten Meeres. Sie waren die ständigen Bedrücker der Kinder Israel (Vgl. Ri 3,13; 11,4). Wir wissen aus 2Sam 10,1-5, wie schmählich sie später die Boten Davids behandelten. Diesmal stellten sie eine brutale Forderung an die Männer von Gilead. Die Krieger pflegten damals während des Kampfes ihr linkes Auge mit dem Schild zu schützen; sie wären daher ohne das rechte Auge, das Nahas ihnen ausstechen wollte, völlig kampfunfähig gewesen. Der Zweck der Herausforderung war also, die Männer für den Kriegsdienst untauglich zu machen.
Als Saul von dieser Schmach hörte, geriet der Geist Gottes über ihn. Er verstand es, rasch ein starkes Heer um sich zu versammeln, und trug dann einen entscheidenden Sieg über die Ammoniter davon. Immer wieder sehen wir, daß Saul ein tapferer Kämpfer war. Als David die Klage über Sauls Tod anstimmte, sagte er: „Sauls Schwert kehrte nicht leer wieder“, und: „Saul und Jonathan waren schneller als Adler, stärker als Löwen“. (2Sam 1,22.23).
Nun scheint alles in bester Ordnung zu sein. Die leisen Zweifel, ob die Wahl eines Königs nicht doch besser unterblieben wäre, verschwinden angesichts der Erfolge Sauls. Das Volk umjubelt ihn aufs neue und schlachtet in Anwesenheit Samuels Friedensopfer vor Jehova. Doch Erfolge sind gefährlich für jemand, der nicht ein Gott unterworfenes Herz hat. Im Augenblick freilich nehmen wir bei Saul nur eine edle, vornehme Gesinnung wahr. Er verbietet seinen Leuten, an den Volksgenossen Rache zu nehmen, die ihm mit Verachtung bei seiner Königswahl begegnet waren. (Kap. 16,27; 11,12.13).
Samuel hört nicht auf, der getreue Mahner des Volkes zu sein. Er nimmt Abschied von ihnen und läßt sie noch einmal die Wege Gottes in den Zeiten der Richter überblicken. Immer wieder hatte Gott ihnen zur rechten Zeit Retter geschickt. Gott ist Gnade und Wahrheit. Auch jetzt wird Er sie nicht verlassen, obgleich der Wunsch, einen König zu haben, den Allmächtigen tief schmerzte. Samuel bekundet dem Volke: „Um Seines großen Namens willen wird Er Sein Volk nicht verlassen; denn es hat Ihm gefallen, euch Sich zum Volk zu machen.“ (Kap. 12,22). Gott ist treu. Wird Saul es auch sein?
Zum Nachdenken: Ein anderer Saul aus dem Stamme Benjamin erwies sich später als ein von Herzen verwandelter Mann. (Phil 3,5).
Der Unglückstag von Gilgal (1Sam 13)
Die erste Tat des nun selbständigen Königs war die Bildung eines stehenden Heeres. Saul und sein Sohn Jonathan waren die Oberbefehlshaber. Durch einen übereilten Angriff Jonathans kam das ganze Volk plötzlich in eine sehr mißliche Lage. Die Philister zogen mit 30000 Wagen, 6000 Reitern und einer großen Menge Fußvolk zum Kampf gegen Israel heran. Sie teilten sich in drei Züge, um das Land plündernd zu durchziehen. Als Saul seine Leute musterte, fand er nur sechshundert Mann vor, und sogar diese hatten keine richtigen Kriegswaffen, ja nicht einmal die Möglichkeit, ihre Beile, Sicheln und Sensen zu schärfen. Nur Saul und Jonathan besaßen ein Schwert. - Es hat sich öfters in der Geschichte Israels wiederholt, daß ihre Könige einen Krieg herausforderten, dem sie nicht gewachsen waren: Ahab und Josaphat handelten zu ihrem eigenen Untergang so töricht (1Kön 22,1-4); Amazja verlor bei seinem übermütigen Vorgehen all seine Schätze und Reichtümer (2Kön 14,8), und der fromme Josia verlor in seiner Selbstüberschätzung sogar sein Leben (2Chr 35,20-24). Nicht umsonst sagt Salomon in seinen Sprüchen (Kap. 20,18): „Pläne kommen durch Beratung zustande, und mit weiser Überlegung führe Krieg.“
Noch lebte Samuel, der erfahrene Mann Gottes, aber Saul wurde ungeduldig, denn Samuel traf nicht zur festgesetzten Stunde ein. (V. 8). Dieses Wartenmüssen war für den tatendurstigen Saul eine schwere Probe, und es zeigte sich, daß sein Temperament über die Gottesfurcht siegte. Er wußte, daß nur den Priestern das Schlachten der Brandopfer zustand, aber er glaubte, Gott nehme Seinen eigenen Befehl nicht so genau, wenn nur geopfert werde. Ihm schien die Hauptsache, daß das Volk nicht ohne religiöse Handlung blieb. (V. 12).
Aber ach, dieser Ungehorsam kostete ihn sein Königtum! Samuel bezeichnet ihn als „Toren“, als Gesetzesübertreter und sagt ihm, daß Gott bereits einen anderen zum Fürsten über Israel erwählt habe. Welch schwere Folgen hatte dieses Nicht-warten-Können auf Gottes Stunde für Saul!
Zum Nachdenken: Bin ich ein Mensch, der warten kann, auch wenn die Umstände den Verstand zum Handeln zwingen wollen?