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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 19 - Jahrgang 1934
1Thes 4,17 - Die Begegnung1Thes 4,17 - Die Begegnung
„Dem Herrn entgegen in die Luft.“ (1Thes 4,17)
Vergebliche Mühe wäre es, den Versuch zu machen, diese wundervolle Begegnung zu beschreiben oder uns vorzustellen - wir meinen die Begegnung des Herrn mit Seiner teuer erkauften Gemeinde in der Luft. Die Herrlichkeit und die Freude des kurzen Augenblickes dieses Zusammentreffens werden weit das Ungemach der Wüstenreise überragen, wie Paulus schreibt: „Denn ich halte dafür, daß die Leiden der Jetztzeit nicht wert sind, verglichen zu werden mit der zukünftigen Herrlichkeit, die an uns geoffenbart werden soll.“ (Röm 8,18; 2Kor 4,16-18)
Diese zukünftige Begebenheit wird auch „die glückselige Hoffnung“ genannt, welche Gottes Kinder mit Sehnsucht erwarten (Tit 2,13). In dem prophetischen Programm der Heiligen Schriften ist die Begegnung das nächste Ereignis, welches in Erfüllung gehen wird.
Wenn wir diese Begegnung in der Luft uns auch nicht vorzustellen vermögen, so dürfen wir doch die Vorbilder davon in dem Worte mit Wonne und Freude betrachten. Zwei solcher Bilder von ausnehmender Schönheit gibt uns die Schrift in der Begegnung Isaaks mit Rebekka (1Mo 24,61-67); und in der Davids mit Abigail. (1Sam 25,40-42)
Isaak wohnte nämlich zu der Zeit im Lande des Südens, und sein Vater Abraham hatte ihm alles gegeben, was er hatte. Unser Herr wohnt auch nunmehr in einem geistlichen Südlande; die eisigen Nordwinde wehen nicht mehr; das grausame Kreuz liegt hinter Ihm, und alle Gewalt im Himmel und auf Erden ist Ihm gegeben worden. Seine Gemeinde aber, von welcher Rebekka ein wunderbares Vorbild ist, befindet sich noch auf der Reise, getragen von dem Kamele, welches wohl den Glauben darstellt, und geführt wird sie vom Heiligen Geiste. Die Rebekka hatte schon von Isaak durch den gesandten Knecht silbernes und goldenes Geschmeide und Kleider bekommen (1Mo 24,53). Höchstwahrscheinlich trug sie diese Kleider auf der Reise. Die in das Kleid der Gerechtigkeit Gottes gehüllte Gemeinde pilgert durch die Welt ihrem geliebten Herrn entgegen, und obwohl sie weder den Tag noch die Stunde des Zusammentreffens weiß, versteht sie doch nach den Zeichen der Zeit, daß die Wüstenreise mit raschen Schritten ihrem Ende zueilt, „denn noch über ein gar Kleines, und der Kommende wird kommen und nicht verziehen“. (Heb 10,37)
Der Knecht Abrahams hatte sicher eine wunderbare Art, den langen Weg zu verkürzen und die Aufmerksamkeit der
Rebekka von den Beschwerden des Pfades abzulenken, indem er sehr vieles über Isaak zu erzählen hatte, und das erwärmte ihr Herz in Stunden der Zaghaftigkeit. Sicher erzählte er ihr auch die bedeutsame Geschichte von Abraham, wie er seinen einzigen Sohn, seinen geliebten Isaak, eines Tages in der Frühe nahm, um ihn auf Gottes Geheiß als ein Brandopfer auf dem Berge Moriah zu opfern. Gerade das Gegenbild dieser Geschichte wird immer wieder der Gemeinde vom Heiligen Geiste vor Augen geführt, damit sie fassen und verstehen möge, was für sie geschehen ist, und ihre oft schwache Liebe für ihren Herrn gestärkt, vertieft und befestigt werde und sie der Mühsal des Weges weniger achte. Wie erhebend schreibt der Apostel darüber: „Welchen ihr, obgleich ihr Ihn nicht gesehen habt, liebet; an welchen glaubend ... ihr mit unaussprechlicher und verHerrlichter Freude frohlocket.“ (1Pet 1,8) Die Tragweite und die volle Bedeutung des Opfers Christi an dem Kreuz ist ein Ewigkeitsstudium; über dieses Thema kann der Heilige Geist dem lauschenden Herzen, jeder einfältigen und aufrichtigen Seele, aus dem Worte Erstaunliches aufschließen. Das ist ja Gottes Weisheit in einem Geheimnis, „uns aber hat Gott es geoffenbart durch Seinen Geist“ (1. Kor. 2,10)
So lernte Rebekka vergessen, was dahinten war. Die Farben der alten Vaterstadt, von der sie sich für immer getrennt hatte, verblaßten mehr und mehr. Wie herzinnig ruft der Geist der Gemeinde zu: „Höre, Tochter, und sieh, und neige dein Ohr, und vergiß deines Volkes und deines Vaters Hauses! Und der König wird deine Schönheit begehren, denn er ist dein Herr: so huldige ihm!“ (Ps 45,10-11) Und bald ist der Augenblick da, in welchem sie unter Jubel und Freude in den Palast des Königs einziehen wird. Ja, die Gemeinde, dürfen wir nicht sagen: jedes Glied derselben, wird durch die Innewohnung und Zucht des Geistes auf die Herrliche Begegnung vorbereitet, damit die Gemeinde ganz die Gesinnung ihres Hauptes trage. Denn „Christus hat die Gemeinde geliebt und Sich Selbst für sie hingegeben, auf daß Er sie heiligte, sie reinigend durch die Waschung mit Wasser durch das Wort, auf daß Er die Gemeinde Sich Selbst verHerrlicht darstellte, die nicht Flecken oder Runzeln oder etwas dergleichen habe, sondern daß sie heilig und tadellos sei“. (Eph 5,25-27)
Isaak hatte auch noch ein Liebeswerk zu tun, und zwar das Zelt seiner verstorbenen Mutter seiner eigenen Liebe würdig einzurichten für seine Rebekka. Großer Reichtum stand ihm zur Verfügung; so dürfen wir wohl annehmen, daß er alles mit überreicher, orientalischer Pracht ausstattete, damit die heimkommende Braut nach der Reise ruhen könnte und auch sehen sollte, wie er sie liebte und alles für ihre Behaglichkeit vorbereitet hatte. Unser Herr hat das den Seinigen so deutlich gesagt, nämlich, daß Er hingehe, ihnen eine Stätte in den vielen Wohnungen in Seines Vaters Hause zu bereiten. Danach kommt Er wieder, um sie zu Sich zu nehmen, auf daß sie seien, wo Er ist (Joh 14,2-3). Das ist unserem Herzen genug, Ihm dürfen wir alles getrost überlassen bis zu dem Tage, da wir mit Entzücken sagen: „Der König hat mich in Seine Gemächer geführt.“ (Hld 1,4)
Ja, der Herr wartet, und die Stätte ist sicher schon bereit; die Gemeinde hat nur noch eine gar kurze Strecke zurückzulegen, und dann endlich, vielleicht beim Anbruch des Abends - wie es mit Isaak war -, geht Er hinaus, ihr entgegen. Die Gemeinde hat es kaum nötig, zu fragen: „Wer ist der Mann, der uns da auf dem Felde entgegenwandelt?“, denn sie kennt Ihn schon, und nun kann sie vom Kamele herabsteigen, denn der Glaube geht ins Schauen über; im Glauben hatte sie gewandelt, aber nun sieht sie den, um derentwillen sie ihr Vaterhaus verlassen hatte. Jetzt nahm sie den Schleier und verhüllte sich, denn nunmehr ist sie nur für Isaak da, kein anderes Auge als das Seinige soll sie sehen, und erst im Inneren des Zeltes soll ihr Angesicht gesehen werden. Dann hebt er an zu sagen: „Siehe, du bist schön, meine Freundin, siehe, du bist schön, deine Augen sind Tauben.“ Und hingegeben erwidert sie: „Siehe, du bist schön, mein Geliebter, ja, holdselig; ja, unser Lager ist frisches Grün.“ (Hld 1,15.16)
Die Schrift berichtet, daß Isaak die Rebekka lieb hatte und sich nach dem Tode seiner Mutter tröstete. Ist das nicht gerade so mit unserem Herrn? Er liebt die Gemeinde, und in ihr sieht Er die Frucht der Mühsal Seiner Seele und sättigt Sich. Wie Herrlich wird es sein, wenn endlich die Stunde der Begegnung da sein wird! Schenke der Herr Gnade, daß unsere Herzen jeden Tag auf diese Stunde des Zusammentreffens warten! Dann würden das Ziel und der
Zweck des Lebens hienieden nicht sooft hin- und herschwanken. Ach, wie oft sind unsere Herzen so unbefestigt, und wir lassen uns so aufhalten auf dem Wege durch allerlei Kleinigkeiten, ja, wir lassen uns leicht um den Kampfpreis bringen. (Kol 2,18)
Die Begegnung der Abigail mit David wird nicht so eingehend beschrieben, doch äußerst interessant und lehrreich ist die Geschichte. Sie wurde befreit von einem harten und boshaften Mann, um eines anderen zu werden. Als der Ruf ihr durch die Knechte Davids gebracht wurde, stand sie auf und beugte sich nieder und erklärte sich bereit, als eine Dienerin die Füße der Knechte ihres Herrn David zu waschen, doch machte sie sich eilends auf und ritt auf einem Esel den Boten Davids nach, gefolgt von ihren fünf Mägden, und sie wurde sein Weib. (1Sam 25,40-42)
Die Begegnung der Gemeinde mit ihrem Herrn findet in der Luft statt; wenn der Herr mit gebietendem Zuruf, mit der Stimme eines Erzengels und mit der Posaune Gottes herabkommen wird, werden zuerst die in Christo entschlafenen Heiligen auferweckt und danach die Lebenden verwandelt werden, und alle zusammen ihrem Herrn in Wolken entgegengerückt in die Luft, um ewig bei Ihm zu sein. Auf diesen wunderbaren Augenblick wartet die Gemeinde Gottes, und ihre Aufgabe ist es, immer in Bereitschaft zu stehen. Sie spricht: „Horch! mein Geliebter! Siehe, da kommt Er, springend über die Berge, hüpfend über die Hügel.“ Der Geliebte erwidert: „Mache dich auf, Meine Freundin, Meine Schöne, und komm! Denn siehe, der Winter ist vorbei, der Regen ist vorüber, er ist dahin. Die Blumen erscheinen im Lande, die Zeit des Gesanges ist gekommen. - Mache dich auf, Meine Freundin, Meine Schöne, und komm! Meine Taube im Geklüft der Felsen, im Versteck der Felswände, laß Mich deine Gestalt sehen, laß Mich deine Stimme hören; denn deine Stimme ist süß und deine Gestalt anmutig.“ (Hld 2,8-14)
Wie traurig ist es nun, wenn die Gemeinde oder einzelne Glieder derselben diese lebendige Hoffnung nicht mehr festhalten und pflegen, wenn man sagt: „Ich habe mein Kleid ausgezogen, wie sollte ich es wieder anziehen?“ (Hld 5,3) Oder wenn man wie jener böse Knecht in seinem Herzen sagt: „Mein Herr verzieht zu kommen.“ (Mt 24,48)
Wie verhängnisvoll könnte das werden! Gewiß stehen wir immer in der Gefahr, daß diese Hoffnung bei uns verblaßt und man es sich in dieser Welt bequem macht, wie es die bekennende Christenheit tat. Da aber die letzte Stunde schon da ist, wollen wir die Lenden der Gesinnung umgürten, nüchtern sein und völlig hoffen auf die Gnade, die uns „gebracht wird bei der Offenbarung Jesu Christi“ (1Pet 1,13), damit uns der Tag nicht wie ein Dieb ergreife.
Es ist notwendig, daß Gotteskinder sich immer wieder gegenseitig aufmuntern und ermahnen zur Liebe und zu guten Werken, und das um so mehr, als wir den Tag herannahen sehen. Wenn diese Hoffnung im Herzen wie eine helllodernde Flamme brennt, so wird das eine wunderbare und reinigende Wirkung in unserem täglichen Leben haben. Petrus schreibt: „Welche solltet ihr dann sein in heiligem Wandel und Gottseligkeit! Indem ihr erwartet und beschleunigt die Ankunft des Tages Gottes ..., so befleißiget euch, ohne Flecken und tadellos von Ihm erfunden zu werden in Frieden.“ (2Pet 3,11-14)
Gewiß, bei der Begegnung werden Seine Augen, welche wie Feuerflammen sein können, in einem Nu alles sehen, ob Flecken da sind oder sonst etwas Tadelnswertes an uns ist. Paulus schreibt den leider fleischlich gesinnten Korinthern: „Indem ihr die Offenbarung unseres Herrn Jesus Christus erwartet, welcher euch auch befestigen wird bis ans Ende, daß ihr untadelig seid an dem Tage unseres Herrn Jesus Christus.“ (1Kor 1,7-8) Ja, diese Begegnung ist recht nahe. Laßt uns nun in Bereitschaft stehen!
F. Btch.