verschiedene Autoren
Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Inhaltsverzeichnis
verschiedene Autoren
Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 8 -Jahrgang 1921/22
Ps 62,8 - „Schüttet euer Herz aus!“Ps 62,8 - „Schüttet euer Herz aus!“
Jeder von uns weiß, wie man einen Wassereimer ausschüttet: man gießt
das Wasser aus und damit genug? Nein, sondern nun dreht man den Eimer um
und läßt sozusagen auch die letzten Tropfen abfließen. Erst dann ist der
Eimer leer. Das ist nur ein alltägliches Bild, erscheint manchem
vielleicht noch nicht einmal glücklich gewählt, ist aber anschaulich!
„Schüttet euer Herz aus!“ Ermuntert uns dies Wort nicht, alle Sorgen und
Kümmernisse, gerade auch in heutiger Zeit, alles, was uns quält, alles,
was uns zu schwer ist, ja auch das, was uns leicht dünkt, einmal
gründlich auszupacken, uns vom Herzen zu reden, auszuschütten, und zwar
so, daß keine „Tropfen“ mehr zurückbleiben, die bei der Grundveranlagung
unseres Herzens: „Trotz und Verzagtheit“ nach Jer 17,9 (Luther) -
„Arglist und Verzagtheit“ (Elberf. Übers). doch nur zu leicht zu Quellen
neuer Sorgenströme werden können? Schüttet aus! Verbeißt nicht euer
Leid, freßt nicht euren Schmerz in euch hinein, schüttet aus, aber bis
zum letzten! Ja, aber wo? Nur ja nicht zuerst vor Menschen! Gott kann
uns natürlich solche, die Lasten tragen können nach Gal 5,2, in den Weg,
ins Haus senden oder uns zu ihnen, damit wir mit ihnen reden und sie mit
und für uns beten - und das ist ein köstlicher Dienst - aber unser
Psalmwort meint‘s gerade anders: „Schüttet vor Ihm aus euer Herz!“ Ist
dies Wort, vorzüglich im Zusammenhang gelesen, nicht fast wie ein leiser
Vorwurf, daß manche Gläubigen zu viel von Menschen erwarten, zu leicht
zu Menschen von ihren Herzensgeheimnissen, Sorgen und Leiden reden, zu
oft nach Menschentröstungen haschen und dadurch in etwa des unsagbar
großen Vorrechts verlustig gehen, sich von Ihm, „dem Gott alles Trostes“
und dem „Vater der Erbarmungen“ (2Kor 1,3) trösten, ermuntern, belehren,
warnen, strafen, beleben und erquicken zu lassen? Wann hast du, teurer
Leser, dein Herz zuletzt vor Ihm ausgeschüttet? Ich frage nicht, wann du
zuletzt gebetet hast - das hast du heute schon getan, wo du dies
liesest, nicht wahr? -, sondern wann du zuletzt dein Herz ausgeschüttet
hast vor Ihm. Möchten wir uns darin üben, unser Herz auszuschütten vor
Ihm! Möchten wir Ihn ehren durch ein großes Vertrauen, das da weiß; Er
kann alles verstehen und vertragen und tragen, und Er kann helfen, wo
Menschenhilfe, Menschentrost versagt! Möchten wir Ihm aber auch den
letzten Untergrund mit eröffnen, das, dessen wir uns schämen, was lieber
drin bleibt und weiter wuchert als Schädling - was es für den einzelnen
auch sei: etwa unseren Trotz und inneren Ärger, unseren Kleinmut,
Launenhaftigkeit, unser geheimes Murren, Seufzen und Besserwissen (sogar
manchmal als die Schrift)!, unsere Empfindlichkeit und
Sich-nicht-sagen-lassen-können, unseren Eigenwillen, unsere
Selbstsicherheit, unseren Selbstruhm, Selbstbewunderung und Eitelkeit,
unser Erhabensein über andere, unser geheimes Nichtvergebenmögen oder
-können dem, der uns wehe getan, unsere vielleicht nach außen wohl
verdeckten Lieblosigkeiten, unsere „bösen Gedanken“ (nach Mt 15,19) und
Begierden, unser „Ich“ (das im Englischen stets groß geschriebene und
von vielen Gläubigen aller Länder gern groß gedachte „Ich“), unsere
Charakterfehler und Unausgeglichenheiten desselben und unsere
Temperamentseigenheiten, deren wir uns vielleicht sogar rühmen („ich bin
nun einmal so! andere müssen mich so verbrauchen, wie ich bin!“), kurz
alles, was zum Untergrund des Herzens, ja, unseres geistigen
Seins.gehört, woraus alle die Folgen und bösen Dinge („Werke des
Fleisches“, Gal 5,19) hervorwachsen, die uns das Leben für uns selbst
und für andere manchmal schwer machen! Schüttet aus euer Herz, nicht
also nur das Schwere (warum nicht auch das Leichte?)!, sondern auch das,
was in uns oftmals die innerste, bisher sogar vor uns selbst
uneingestandene Ursache zu diesem und jenem Schweren war, kurz alles
heraus vor Ihm, seien es Sünden nach 1Joh 1,9, seien es Schwachheiten
nach Heb 4,15.16 (Sein Hohepriesterdienst)!, seien es Rätsel unseres
inneren Seins, die wir kaum oder nicht in Worte fassen können, seien es
unreine, ungöttliche Beweggründe im Handeln und Dienen, geheime Wünsche,
habsüchtige Begehrlichkeiten und Neigungen, was auch immer - aber auch
unser tiefes Sehnen, dem Herrn Wohlgefallen zu können in Wort und Wesen,
im Wandel und Dienst in Seinem Werk, unser tiefstes, von Seinem Geist
gewirktes Verlangen, Ihn auszuleben; ja: „Schüttet vor Ihm aus euer
Herz! - Gott ist unsere Zuflucht.“ Er wird fertig mit uns, Er versteht
uns zu nehmen, Er reinigt uns (Joh 15,2), Er heilt uns, Er nimmt, was
uns quält, und gibt, was uns fehlt! Christus starb für uns, und wir
starben mit Ihm und dürfen uns der Sünde für tot halten, Gott aber
lebend in Christo (Röm 6). Aber verstehen wir uns nicht falsch!
Der Herr schenke uns allen durch Seinen Geist, der uns antreibt (Röm 8)!, Gnade sowie Licht über uns selbst und die verborgenen Schäden unserer Herzen, damit wir willig und bereit werden, vor Ihm unsere Herzen auszuschütten, so daß Er uns füllen könne, ja, wir in Wahrheit mehr und mehr erfüllt würden mit dem Geiste der Gesinnung Jesu Christi! (Eph 5,18; Phil 2,5). „Schüttet vor Ihm aus euer Herz! Gott ist unsere Zuflucht ... Und Dein, o Herr, ist die Güte!“ (V. 8 und 12).
Preis sei Dir, Herr Jesu, Preis Dir und Ehr'!
F. K.
Erstellt: 29.03.2024 15:15, bearbeitet: 08.10.2024 21:18