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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 18 - Jahrgang 1933
2Pet 1,1-11 (1)2Pet 1,1-11 (1)
Der Apostel Petrus schreibt an die Christen als an solche, die mit ihm und denen, die bei ihm sind, einen gleich kostbaren Glauben empfangen haben. Aus gleichem Verderben sind sie errettet worden durch dasselbe kostbare Blut Jesu Christi. Als gleich Unwürdige sind alle der gleichen Gnade teilhaftig geworden. Begnadigt in Christo sind alle gleich angenehm gemacht, und alle genießen die gleiche Stellung „in Christo“ vor Gott, der schwächste Gläubige wie die Apostel. Für alle ist das Werk der Erlösung vollbracht. Und als sie durch Gottes Gnade zum Glauben kamen, geschah es durch dieselbe Glaubenstat, die Gott durch Seinen Geist in ihnen gewirkt hat. Alles ist ein Geschenk, alles haben sie empfangen. „Durch die Gerechtigkeit Jesu Christi, unseres Gottes und Heilandes.“ Gott hat in dem Tod und in der Auferstehung Jesu Christi eine gerechte Grundlage geschaffen, auf welcher Er die Schuld vergeben, die Schuldigen rechtfertigen und die Sünder in die Stellung des Gerechten versetzen kann (Röm 3,25.26), der freiwillig den Platz der Ungerechten eingenommen hat (1. Petrus 3,18) und für sie zur Sünde gemacht wurde, auf daß sie Gottes Gerechtigkeit würden in Ihm. (2Kor 5,21)
Wenn aber auch alle gleich errettet und mit Gottes Gerechtigkeit bekleidet worden sind und diesen Gnadenstand mittels desselben Glaubens ergriffen haben, so besteht doch ein Unterschied im Genuß der Gnade, weil die uns geschenkte Stellung in Christo im praktischen Leben verwirklicht werden muß. Die Gnade Gottes muß in jedem einzelnen Falle und bei jeder einzelnen Segnung erfahren oder erlebt werden, damit sie zum bewußten Besitz und dadurch zur Grundlage für weitere Segnungen wird. „Was du geschenkt bekommen hast von Gott, erwirb es, um es zu besitzen.“ Gott reicht uns Gnade dar, aber wir machen nicht immer Gebrauch davon. Wenn wir statt in Abhängigkeit von Gott in Eigenkraft und Eigenwillen wandeln, so kann Gottes Gnade nicht wirksam sein. Dann gibt es keinen Fortschritt, kein Wachstum.
Ebenso verhält es sich mit dem „Frieden“. „Frieden mit Gott“ hat Christus am Kreuz gemacht, als Er uns mit Gott versöhnte. Dieser Friede kann nie in Frage gestellt werden, ihn besitzen alle, die an die Kraft Seines Blutes glauben, so gewiß, wie der Herr Jesus rief: „Es ist vollbracht!“ Dagegen „der Friede Gottes“, der allen Verstand übersteigt und unsere Herzen und unseren Sinn in Christo Jesu bewahrt, ist davon abhängig, wie wir unsere Sorgen auf Ihn werfen und unsere Anliegen vor Gott kund werden lassen (Phil 4,6.7), oder nach Kol 3,15 davon, wie wir uns dem Wirken des Geistes Gottes hingeben, damit Er die Charakterzüge der Auserwählten Gottes (V. 12-14-17) in uns hervorbringen kann. Es ist der Friede Gottes, der über allen Geschehnissen im Himmel und auf Erden in vollkommener Ruhe waltet, und der Friede des Christus, den Er während Seines Erdenwandels gegenüber allen Widersprüchen von Sündern (Heb 12,3) genoß. Diesen Frieden, der auch uns über alle widrigen Umstände des Lebens, Schwierigkeiten und Sorgen erhebt, will der Herr uns geben (Joh 14,27) als Seinen Frieden. Diesen Frieden wünscht Petrus den Gläubigen mit der Gnade Gottes. Alle besitzen Gnade und Frieden, aber in verschiedenem Maße und nicht in gleichbleibender Stärke. Deshalb wünscht er ihnen Vermehrung dieser herrlichen und notwendigen Gaben. Er zeigt ihnen auch, wie die Vermehrung stattfindet: „Durch die Erkenntnis Gottes und Jesu, unseres Herrn.“
Daß Petrus auf die Erkenntnis so großen Wert legt (V. 2 und 3), ist charakteristisch für seine beiden Briefe, in denen er darauf dringt, daß wir uns im praktischen Leben als wahre Christen erweisen. Wenn unser Herr in Joh 17,3 sagt, daß den allein wahren Gott und den Er gesandt hat, Jesum Christum, zu erkennen ewiges Leben ist, so ist die Erkenntnis auch für alle Dinge, die mit dem ewigen Leben verbunden sind, grundlegend und bedingend. Denn Erkenntnis ist nicht bloß Wissen oder Verstehen, sondern Eindringen in das Wesen und in die Gemeinschaft Gottes und Jesu Christi (Joh 17,10.21.23.26; Phil 3,10). Die Erkenntnis schließt ein, 1. daß wir Gott als den erkennen, durch dessen Willen wir auserwählt, zuvorbestimmt, berufen, gerechtfertigt, geheiligt, verherrlicht sind; 2. daß wir überzeugt sind, daß Gott in allen Lagen und Fällen, in Zeit und Ewigkeit für uns ist, und wir uns Seiner rühmen dürfen (Röm 8,31; 5,11); 3. daß wir in Christo Jesu einen Retter, Hirten, Herrn, Hohenpriester, Sachwalter haben, der uns mit einer Liebe liebt, die alle Erkenntnis übersteigt.
Eine solche Erkenntnis verleiht uns Kraft zu einem gottseligen Wandel. Sie ist der Mittel- und Stützpunkt des Glaubens. Sie nährt, entfaltet, erweitert den Glauben und bewahrt den Glaubenden vor Verführungen. An uns ist es, diese Kraft in Anspruch zu nehmen, Gebrauch davon zu machen, sie in unserem Leben Wirklichkeit werden zu lassen.
Wir sind zur Herrlichkeit berufen. Für den Weg zu diesem Ziel brauchen wir Kraft. Wenn wir uns bewußt sind, daß diese Kraft uns geschenkt ist, so gereicht es uns zur Befestigung. Es ist wichtig zu verstehen, daß der Träger der Kraft der Heilige Geist ist, der uns gegeben ist und in uns wohnt. Dadurch ist uns alles geschenkt, was zum Leben und zur Gottseligkeit nötig ist. „Wenn wir durch den Geist leben, so lasset uns auch durch den Geist wandeln.“ (Gal 5,25) Das uns Geschenkte fließt aus der Erkenntnis des uns Berufenden, d. h. unseres Herrn Jesus Christus. Er hat „uns berufen durch Herrlichkeit und Tugend“.
1. Durch Herrlichkeit. Es ist Seine Berufung (aktiv), weil Er uns berufen hat (Eph 1,18). Sie entspricht dem Reichtum Seiner Herrlichkeit, den Er in Sich Selbst hat, und sie entspricht dem Ziel der Herrlichkeit, zu dem Er uns führt (Eph 1,12,14; 1Thes 2,12; 1Pet 5,10). Auch wenn wir sie als unsere Berufung (passiv) betrachten, insofern wir
- 206 berufen worden sind, ist sie der Herrlichkeit Seiner Gnade entsprechend, die souverän, frei und voll sich an uns als Unwürdigen erweist (Eph 1,6). - Er hat uns berufen
2. Durch Tugend. Die Tüchtigkeit, geistliche Entschiedenheit, Energie, Tapferkeit, Mut, die wir nach V. 5 darreichen sollen, ist zuerst und in vollem Maße in Christo vorhanden. Seine Tatkraft finden wir u. a. in folgenden Stellen beschrieben: Jes 50,5: „Ich bin nicht zurückgewichen.“ V. 7: „Ich machte Mein Angesicht wie einen Kieselstein.“ Lk 9,51: „Er stellte Sein Angesicht fest, nach Jerusalem zu gehen.“ Heb 12,2: „Welcher, der Schande nicht achtend, für die vor Ihm liegende Freude das Kreuz erduldete.“ In Betätigung Seiner Energie ist Er der Anführer unserer Errettung geworden.
Diese Seine Kraft erweist Christus nun auch in unserer Berufung. Nachdem Er uns zuvor erkannt hat, hat Er uns auch berufen (Röm 8,29.30), und Er wird das Ziel Seiner Bestimmung mit uns erreichen. Denn „was Er Sich vorgenommen, und was Er haben will, das muß doch endlich kommen zu Seinem Zweck und Ziel“. Er ist der Anfänger und Vollender des Glaubens. Öfters ist in der Heiligen Schrift von dem Glaubens-Vertrauen und von dem Ausharren des Herrn Jesus die Rede, z. B. 2Thes 3,5. Als abhängiger Mensch war Jesus auf Vertrauen und Glauben angewiesen, und Er hat sie auch betätigt (Ps 16,1; Heb 2,13). Nachdem Christus so das Erlösungswerk vollbracht hat, bringt Er auch alle Söhne durch alle Schwachheiten und Gefahren des Weges sicher hindurch zur Herrlichkeit. (Heb 2,10)
Christus ist die Quelle unserer Glaubensenergie. Er hat den Glauben in uns gepflanzt. Er Selbst ist der Gegenstand unseres Glaubens. Er nährt ihn, Er stützt und stärkt ihn - bis wir einst bei Ihm sind und unser Glaube zum Schauen geworden ist. Er ist der Anfänger und Vollender unseres Glaubens (Phil 1,6; Heb 12,1.2). So sehen wir die „Herrlichkeit und Tugend“ in dem Herrn Jesus, in Seinem Charakter und in Seiner Tätigkeit in vollem Lichte erstrahlen, „durch welche Er uns die größten und kostbaren Verheißungen geschenkt hat“. Verheißungen, in deren Fülle wir am Ziele eingehen werden, die wir aber schon auf dem Wege zur Herrlichkeit (wenn wir unseren Wandel in Treue und Hingabe, mit ungeteiltem Herzen führen) schmecken und genießen können, als da sind: Die Zugehörigkeit zur Familie Gottes als Kinder, die Gemeinschaft mit dem Vater und mit Seinem Sohne, der Friede Gottes und des Christus, die Offenbarung Seiner Geheimnisse u. a. m.
Durch den Besitz der großen und herrlichen Verheißungen werden wir praktisch Teilhaber der göttlichen Natur. Wie die „göttliche Kraft“, so ist uns auch die „göttliche Natur“ im Heiligen Geist gegeben. Der Heilige Geist hat uns gezeugt, wiedergeboren und uns dadurch das göttliche Leben mitgeteilt und uns zu Teilhabern der göttlichen Natur gemacht. Wir sollen nun nicht „stille“, sondern praktische Teilhaber, Mitarbeiter, Genossen werden. Das geschieht dadurch, daß wir uns der Wirksamkeit des Heiligen Geistes hingeben, besonders das Wort Gottes in Seiner Gemeinschaft auf uns wirken lassen, daß wir Ihn durch Widerstreben und Ungehorsam nicht betrüben. Er will uns im Kampf gegen unsere alte Natur zum Sieg verhelfen, so daß die göttliche Natur zur Verwirklichung und Darstellung in unserem praktischen Leben kommt, durch einen Wandel im Geist, im Licht, in der Liebe. Denn Gott ist ein Geist, ist Licht und Liebe.
Niemand aber soll meinen, daß man sich der Verheißungen erfreuen könne, wenn man noch in die Welt und ihre Lust verwickelt ist. Daß es solche Gläubige gibt, zeigt 2. Petrus 2,20. Der Psalmist fragt: „Sollte mit Dir vereint sein der Thron des Verderbens?“ (Ps 94,20) Man kann nur dann Teilhaber und Genießer der großen Verheißungen sein, wenn man dem Verderben der Weltlust entflohen ist. Entfliehen heißt nicht nur, sich von der Welt abwenden oder ihr den Rücken kehren, denn dann kann man stehenbleiben, wobei man Gefahr läuft, in sie zurückzufallen, und Satan wird alle Lockungen und Drohungen aufbieten, um uns in seinem Gebiet festzuhalten. Entfliehen heißt Herausgehen, und zwar mit raschen Schritten, um nie mehr zurückzukehren. Ja, Entflohensein ist nicht einmal genug, es ist nur die negative Seite der Umkehr - man muß sich Gott, Christo, dem Guten zuwenden! „Kehrt um bis zu Mir!“ ruft Jehova. Außerdem ist es beachtenswert, daß Petrus den Christen, an die er schreibt, bezeugt: „Ihr seid entflohen.“
B.
(Fortsetzung folgt, s. G. w).