Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 12 -Jahrgang 1927
Die Wege unseres GottesDie Wege unseres Gottes
Wo ist ein Herz, das dem Herrn anhängt, welches nicht besonders beim Jahreswechsel den Wegen Gottes nachschaut und sie im Lichte des Wortes Gottes zu verstehen versucht?
Wer ein biblisches Wörterbuch (Konkordanz) zur Hand nimmt, um die zahlreichen Stellen der Schrift über die Wege Gottes nachzulesen und darüber nachzusinnen, der wird mit Bewunderung schauen, wie vollkommen Gott Sich in Seinen Wegen offenbart. Als David die Herrlichkeit Gottes in Seinen Wegen sah, rief er aus: „Gott - Sein Weg ist vollkommen!“ (Ps 18,30), und Paulus spricht voll Bewunderung: „O Tiefe des Reichtums, sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes! Wie unausforschlich sind Seine Gerichte und unausspürbar Seine Wege!“ (Röm 11,33).
Nicht nur schauen wir Seine Vollkommenheit in Seinen Wegen, wir sehen auch eine zu bestaunende Harmonie in den Absichten und Auswirkungen Seiner Wege, die Er uns, nachdem wir Sein Eigentum geworden sind, gehen läßt, damit wir lernen, den schmalen Pfad des Glaubens in der Absonderung von der Welt zu wandeln und bewußter als solche zu leben, die mit Christo gestorben sind. - Und noch mehr: wir lernen auch durch die Schriften die Art der Wege Gottes kennen, daß sie in tiefe Wasser gehen (Ps 77,19; 130,1) und daß sie doch eitel Güte und Weisheit sind. (Ps 25,10). Wohl gehören wir, die Kinder Gottes der endgeschichtlichen Zeit, nicht dem Alten Bunde an; aber deswegen, weil wir begnadigt sind, Glieder Seines Leibes, Seiner Gemeinde zu sein, dürfen wir uns doch nicht falschen Vorstellungen hingeben, wenn Gottes Weisheit auch mit uns Wege durch tiefe Wasser geht.
Wenn die Schrift in Spr 8,22 vom Anfang Seines Weges spricht, so berichtet sie uns als erstes, daß Seine Weisheit da war - in Erscheinung trat, sich kund gab1. Die göttliche Weisheit fand ihr Entzücken bei den Menschenkindern (V. 31), und so vollkommen offenbarte sie sich in ihrem Walten über Menschenkinder, daß (so dunkel auch ihre Wege uns sein mögen) der Psalmist bekennen muß: Den Erzvater Jakob führte der Herr so tief hinab, daß der werdende Israel klagte, sein Leben sei ein Weinen gewesen. Gottes Weg war mit ihm deshalb so tief, weil der Weg von „Jakob“ zu „Israel“so weit war. -
Dem Hiob schlugen die Wogen der Trübsale so über sein Haupt zusammen, daß er einmal wünschte, er wäre nie geboren. Und doch ist er ein Bild der Geduld; eine Tatsache, daß der Herr mit jedem Seiner Kinder noch viel vorhat. Hiob ist eine Verwerfung aller Versuche, dem Menschen das Recht zu gestatten, die Wege zu richten, die der Herr nach Seiner ewigen Weisheit und Gnade zu gehen Sich vorgenommen hat.
Mose, der treue Knecht Gottes, beschreibt sein Leben als Mühe und Arbeit; welche eigenartigen Wege ging der Herr mit ihm. Und was war das Ergebnis der Erziehung Gottes? Ein großer Charakter mit lebendigem Rechtsgefühl, Ehrlichkeit und Sittenreinheit, aber auch tiefer Ehrfurcht, Gehorsam gegen seinen Gott, zu dem er ein wunderbares Vertrauen hatte, sowohl hinsichtlich seines Volkes wie seiner eigenen Person.
Elias, einer der autoritätvollen Vertreter der Sache Gottes, liegt unter dem Wacholderbusch und klagt lebens- und missionsmüde: „Es ist genug!“ Auch er, der gewaltige und vornehme Prophet, hat gelernt, daß Gott nur seine Stärke ist, daß die Erquickungen des Herrn köstlich sind, wenn man in Schwermut geraten, nicht hinter die Absichten Gottes gelangen kann. -
David, der Pilger auf ungebahntem Wege, seufzt wie keiner zuvor; wie schwere Bußstunden brachte ihm sein irrendes Fleisch, wie planmäßig hob ihn Gott von Stufe zu Stufe, wie abhängig war er von seines Gottes Gnade. Er klagt, daß hier eine Tiefe und dort eine Tiefe sei, in die zu fallen ihm drohe.
Aber diese waren alle werdende, in der Zubereitung und Gottes Schule stehende Menschen. - Aber auch unser vollkommener, hochgelobter Herr und Heiland Selbst stieg in dieses Meer der Leiden herab, und an seiner tiefsten Stelle rief Er aus: „Mein Gott, Mein Gott, warum hast Du Mich verlassen?!“ Seine Galle und Essig hatten wir verursacht. Seine Leiden hatten wir veranlaßt. - Und doch wollte Ihn Gott also zerschlagen, - damit wir Frieden hätten, ja noch mehr, Gott wollte durch Ihn unsere zerbrochenen Herzen heilen, alles Bittere in unserem Leben süß, alles Leid lieb, alles Schwere leicht machen. Kein menschlicher Mund kann die Tiefe des Weges Gottes, als alle Wogen und Wellen über Sein heiliges Haupt gingen, schildern; wir können nur anschauen und anbeten, daß auch der Sohn des Hauses uns in unvergleichlichem Vorbilde in den vorgezeichneten Wegen Gottes voranging.
Er hat Seine Nachfolger gefunden. Die Apostel gingen einher in Mangel und Blöße, ständig standen sie in der Zubereitung, sie wurden nicht nur geachtet wie Schlachtschafe, sie suchten auch geradezu in Leiden ihrem Herrn näher zu kommen.
Und auch die Geschichte Seiner Gemeinde ist ein Weg, auf dem das Blut der Treuen, die „standhaft festhielten“ (Heb 3,14; 12,27), floß; ja selbst die Feinde Gottes haben es anerkennen müssen, daß der Herr in Seinem Volke zum Ziele kommt.
Und wie war nun unser Weg bisher? Haben unsere Herzen es verstanden, daß der Weg, den wir gehen, Gottes Weg mit uns ist? - Wie wird Sein Weg in der Zukunft mit uns sein? So fragen wir uns beim Beginn des neuen Jahres. Nicht anders als der der werdenden Menschen in der Vergangenheit. Gottes Wege gehen durch Sündennot, Seelennot, Todesnot, durch all das ganze tiefe Elend, das mit uns aus der Sünde heraus in die Welt gekommen ist und nun in Gottes Hand benutzt wird, uns auf die Wege unseres Gottes zu bringen. Und diese Wege Gottes, welche in tiefe Wasser gehen, führen tatsächlich in den Untergang!!! Aber nur dessen, was unsere Plage ist, - woraus all unser Elend entspringt. Aus den tiefen Wassern gehen wir immer wieder gereinigt, gestärkt, geklärt und geheiligt hervor. Es wird uns klar, daß der Herr Seine besonderen Wege hat für das Erwerbsleben, das Familienleben, in den Krankheiten unserer Lieben und des eigenen Leibes. Auch die Zeiten mit ihrem Druck, ihren Leiden sind nichts anderes als Wege unseres Gottes. Gerade durch Sündennot, durch Heiligungskämpfe, durch innere und äußere Schwierigkeiten sollen wir auf den Weg gebracht werden, der der richtige heißt. Bis dahin gibt's schwerwiegende Entscheidungen an „Kreuzpunkten“ unseres Lebensweges, innere Zusammenbrüche, Sondierungen zwischen Fleisch und Geist, ringende Gemeinschaft mit dem Herrn, Opfer, Anbetung usw. Wie wird's sein, wenn der Vorhang fällt -!? Meine Wege gingen durch tiefe Wasser, ich mußte klagen: der Herr hat mein vergessen, der Herr hat mich verlassen; aber sie waren eitel Gnade und Treue. Er ist in allen Seinen Wegen heilig und löblich in allen Seinen Werken. Er hat alles wohl gemacht. Gebt unserem Gott die Ehre!
Aber bis dahin gibt's auch Erquickungen vor und von Seinem Angesicht. Jakob wartete „nur noch“ auf das Heil; Mose bewunderte bis in seine letzte Stunde die Liebe Gottes „zu Seinen“ Heiligen; Hiob sah in den verschlungensten Pfaden den Erlöser, der als „letzter Mann“ auf der Erde stehen würde; Elias wurde „reif für die Himmelfahrt“; Paulus weiß es noch herrlicher auszudrücken: „Ich weiß, wem ich mein Vertrauen geschenkt habe“. Er läßt sich genügen an der Gnade, die in den Schwachen mächtig ist.
Und wir? Wir wollen unsere Augen fleißig salben in der Erkenntnis des Herrn, uns vorn Staub der Erde reinigen und auf den Herrn mit kindlichem Vertrauen blicken. Er, unser Vater in Christo Jesu, hält die Zügel der Weltregierung fest in der Hand und wird das Recht der Erziehung Seiner Kinder Sich nicht aus den Händen nehmen lassen. Er rettet, auch wenn Er richtet, segnet, auch wenn Er straft, ja, Er kann selbst das Übel in den Dienst Seiner Liebe stellen, Selbst die Torheiten und Sünden der Menschen zu ihrem Heile lenken. Darum ruhe, liebes Gotteskind, wie ein Kind in deines Vaters Rat und Willen; du bist nicht verlassen in den Nächten und Stürmen deines Weges! Er gibt dir Brot vom Himmel und Wasser in der Wüste aus dem Felsen, dein Mara und dein Elim sind dir von Ihm bestimmt. Seine Wege können nur von hinten im Nachschauen gesehen und verstanden werden. Darum lies aus deinem vergangenen Leben die Gnade und Treue deines Gottes und wandere fröhlich weiter! - (Ps 55,22).
Ed. v. d. K., H.
1 Von der Weisheit wird hier personifiziert - verkörpert gesprochen. „Jehova ist gerecht in allen Seinen Wegen und gütig in allen Seinen Taten“ (Ps 145,17). Wohl tönen von diesen Wegen auch Seufzer und Klagen heiliger Menschen Gottes zu uns herüber, aber wenn wir das Ende des Herrn mit ihnen anschauen, so werden wir ermutigt, auf den Wegen Gottes mit uns nicht mutlos noch müde zu werden. Beispiele der Schrift in Fülle sagen uns, wie andere aus- und durchgehalten haben zu ihrem Heile und zu ihrer Vollendung.↩︎