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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 8 -Jahrgang 1921/22
1Pet 1,1 ; 2,11 - „Fremdlinge“1Pet 1,1 ; 2,11 - „Fremdlinge“
Der erste Petrusbrief ist an „Fremdlinge“ gerichtet, an „erwählte Fremdlinge“. Die Gläubigen, an die Petrus schrieb, lebten inmitten heidnischer Völker in Kleinasien; es waren vielleicht in erster Linie Judenchristen, ohne daß angenommen werden müßte, es seien nur solche gewesen; gegen letztere Annahme scheint doch Kap. 4,3 u. 2,10 zu sprechen. Wie dem auch sein mag, er ist uns in die Hände gegeben und enthält so köstliche Belehrungen, so liebliche Ermunterungen, so ernste Ermahnungen, daß wir allen Grund haben, diesen „Fremdenführer“ genau zu studieren und für unseren Weg durch unsere „Fremdlingschaft“ (1,17) zu gebrauchen.
Aber, geliebte Leser, lassen wir uns auch alle gern durch diesen wunderbaren Brief belehren? Mit anderen Worten: wissen wir uns auch hienieden als „Fremdlinge“, die darum, weil sie es sind, sich gern zurchtweisen lassen, da sie in einem fremden Lande sind?
Das ist doch eine ernste Frage!
In unserem Briefe sehen wir unseren geliebten Herrn Jesus als unser erhabenes Vorbild vor uns! Die Gläubigen aber, denen der Brief geschrieben war, zeichneten sich dadurch aus, daß sie den Herrn liebten, ohne Ihn je gesehen zu haben (1,8). Liebe ist praktisch: wer liebt, ahmt dem Geliebten nach und sucht Ihm durch Gehorsam und Hingabe zu gefallen! Sie wußten, wir sind in einer Welt, in der Er, der uns liebt und den wir wiederlieben dürfen, keine Heimstätte hatte, verworfen war, nicht gern gesehen wurde, kurz, ein „Fremdling“ war, und darum sind wir es auch! Deshalb redet der Heilige Geist sie so an, ähnlich wie Er in Heb 11,13 dies Wort auf solche Gläubigen des Alten Bundes anwendet, welche „die Verheißung von ferne sahen“. Das Wort, das in Heb 11 wie beide Male im ersten Petrusbrief (und soweit ich weiß, in N. T. sonst nicht)3 im Grundtext steht, bedeutet „als Fremder anwesend sein, aber nicht sich niedergelassen haben“, zeigt also die Heimatlosigkeit an. In 2,11 ist es ja auch noch näher erklärt durch „ohne Bürgerrecht sein“ (vgl. dazu 1. Mose 23,4; Ps 39,12 und Phil 3,20).
Wie steht es in dieser Hinsicht nun mit uns, geliebte Leser? Fühlen wir uns hienieden, wo der Herr hinausgestoßen war, daheim, oder empfinden wir etwas davon, hier „Fremdlinge“ zu sein? Wir erkennen Angehörige fremder Nationen an Sprache, Kleidung, Benehmen, Sitte, Gewohnheiten, Anschauungen, Meinungen über bestimmte Dinge usw., und wenn wir selber jemals in einem fremden Lande uns aufzuhalten hatten, so erfuhren wir wenigstens etwas von gewissen Beschränkungen oder gar Schwierigkeiten, denen Ausländer stets unterworfen sein müssen - aus naheliegenden Gründen. Ganz besonders heute würden z. B. Angehörige eines im Kriege unterlegenen Landes im Ausland fühlen müssen, daß sie in dem betreffenden Lande nicht „daheim“ sind, nicht hinzugerechnet werden, nicht „mitzureden“ haben, keine einheimischen Vergünstigungen genießen, vielleicht unter Aufsicht stehen, womöglich als Feinde behandelt werden oder ihrerseits in vieler Hinsicht, besonders in ihren Empfindungen, die Gegnerschaft des betreffenden Volkes spüren. Ich führe diese Beispiele aus dem Leben nur zum Vergleich dafür an, was es für uns Gläubige bedeuten kann und bedeuten sollte, zu wissen, wir sind geistlicherweise in der Welt „Fremdlinge“, haben hier nichts zu erwarten, zu erhoffen, zu fordern, müssen uns behandeln lassen, wie Er behandelt wurde, der zuerst unser Heiland, dann aber auch unser Vorbild ist, und sollten unsererseits auch so handeln, wie Er tat, „der gescholten nicht wieder schalt, leidend nicht drohte, Sich Dem anheimstellte, der da recht richtet“! (2,23, vgl. 4,19 u. a). Ausländer mögen in dem fremden Lande ihren „Konsul“ haben, der gegebenenfalls ihre Sachen und Rechte vertritt; wir haben gleichsam auch einen Rechtsvertreter, („den Sachwalter“, vgl. z. B. Joh 14,16-18)! den, der diese Bezeichnung im Vollsinne verdient, da Er jedes Für und Wider durchschaut, alle Gefahren des Auslandes, in das Er Selbst uns „für eine kleine Zeit“ hineingestellt hat, genau kennt, außerdem weiß, welchen besonderen Versuchungen der einzelne von uns ausgesetzt ist, während Ihm zugleich unser tiefstes Begehren wohlbekannt ist, das darauf geht, dem Lande, dem wir heimatlich angehören, und vor allem dem König desselben keine Schande zu bereiten, sondern uns vielmehr als würdige Vertreter unseres wahren Vaterlandes und als treue Untertanen unseres guten Herrn zu erweisen. Ferner genießen wir unter anderem noch einen großen Vorzug vor Ausländern im irdischen Sinne; diese mögen aus Unkenntnis der Sitten und der Sprache des Landes, in dem sie vorübergehend weilen, sich Verstöße zuschulden kommen lassen, ohne die Kraft und Fähigkeit zu haben, bei der Kürze ihres Aufenthalts das nötige Wissen sich zu erwerben - uns geht es besser: wir kamen alle aus dem gleichen Lande, ehe wir unsere Heimat und Bürgerrecht droben fanden, wir waren alle vordem in dem Lande der Finsternis, dienten dem Fürsten derselben, kennen seine Weise und seine Macht, und jetzt sind wir hinübergegangen in das Reich des Lichtes und der Liebe und haben aus den Händen unseres reichen neuen Herrn, der, ehe Er unser Herr ward, erst uns durch Sein eigen Blut erkaufte, die Kraft zu einem Seines Wesens, Seiner Heiligkeit würdigen Wandel in der Fremdlingschaft bekommen, nämlich Seinen Sinn, Seinen Geist, mittels dessen wir auch der hinderlichen fleischlichen Lüste uns enthalten können (2,11, vgl. Gal 5!, vgl. 1Pet 1,2 mit 4,6). Welche Gnade und Herrlichkeit! In einem solche Lande, wie diese böse, vom Satan beherrschte Welt ist, da dürfen wir als „Fremdlinge“, nämlich geistlicherweise fremd für die Angehörigen dieses Landes der Finsternis, fremd gegenüber den Lüsten und Vergnügungen wie auch fremd gegenüber der Fleischesreligion dieses Zeitlaufs hindurchgehen als solche, die für ewig die Wege in der Irre (2,25) verlassen durften und durch Seine unendliche Barmherzigkeit (2,10) mit zu denen gehören, die in Ewigkeit „ein auserwähltes Geschlecht, eine heilige Nation, ein Volk zum Besitztum“ bilden, das „berufen ist, die Vortrefflichkeiten Dessen zu bezeugen (durch Wort und Wesen), der uns berufen hat aus der Finsternis zu Seinem wunderbaren Lichte“ (2,9). Welche Vorrechte!
Doch laßt uns nicht vergessen, an wen solche Worte wie eben der ganze Brief gerichtet ist: an „Fremdlinge“, an Menschen, die, obwohl „in der Welt“, doch nicht „von der Welt“ sind! (Joh 17). Nur soweit wie wir verwirklichen, was wir in
Gottes Augen sind, also praktisch als „Fremdlinge“ hienieden uns fühlen und bewegen, nur soweit werden wir tatsächlich genießen und, wenn auch in Schwachheit, darstellen können solche herrlichen Vorrechte, deren wir um derentwillen, der unser kostbarer Eckstein ist (2,6), gewürdigt sind! Wie wichtig daher, „Fremdlinge“ nicht nur zu heißen, sondern zu sein!
Der Herr gebe uns dazu Seine Gnade!
F. K.
3 Kap. 1,17 „Fremdlingschaft“ - im Urtext hier ein anderes Wort als in obigen Stellen, aber von ähnlicher Bedeutung. F. K.↩︎