Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 8 -Jahrgang 1921/22
„Kohlenfeuer“„Kohlenfeuer“
Zweimal ist im N. T. von „Kohlenfeuern“ die Rede9, und beide Male im Johannes-Evangelium, das erstemal vor, das zweitemal nach dem Kreuz. (Joh 18,18 und 21,9). Und wie diese beiden Stellen zeitlich so verschieden sind, so auch ihrem Wesen nach. Kurz gekennzeichnet ist das erste „Kohlenfeuer“ das der Welt, der Sünde, des Todes; das zweite aber das des Herrn, des Lebens, der Ruhe. Laßt uns kurz die Sachlagen betrachten, in denen dies eigentümliche Wort gebraucht ist (auch im griechischen Urtext eigentümlich)!
Ausgenommen im Matthäus-Evangelium (vgl. 26,58 und 69-75), ist in allen Evangelien ein besonderes Gewicht darauf gelegt, daß Petrus sich an das Feuer der Knechte des Hohenpriesters (ja, „in ihre Mitte“) setzte und sich wärmte (Mk 14,54 und 67; vgl. Lk 22,55.56). Somit ist die Sachlage im wesentlichen die gleiche wie in Johannes-Evangelium, wo allein aber nur dies typische Wort durch die Inspiration des Heiligen Geistes gebraucht ist, wie ich glaube, mit der gesegneten Absicht der Gegenüberstellung der beiden verschiedenartigen „Kohlenfeuer“. Sicherlich hat Petrus etwas dabei empfunden, als er des Herrn Kohlenfeuer sah, dessen Anblick ihn erinnerte an die Stunde seines tiefsten Falles.
Wie konnte es nur zu solchem Falle bei ihm kommen? Er war gewarnt, und mit wieviel Liebe gewarnt, aber es war, wie wenn unsichtbare Gewalten ihn in jenen Kreis hineingezogen hätten, in dem er nichts zu suchen hatte. Freilich leitete ihn wohl ein edler Gedanke nach Mt 26,58; er wollte „das Ende sehen“; freilich ist er auch nicht ohne äußere Veranlassung in den Hof gekommen, denn Johannes verschaffte ihm dort, kraft seiner Bekanntschaft mit dem hohenpriesterlichen Haus, Eingang (ein nicht guter Dienst, den Johannes ihm tat, aber er tat ihn ohne Arg), aber alles in allem ist es doch wohl satanischer Macht zuzuschreiben, daß Petrus sich so ins Netz locken ließ. Unser Widersacher, der Teufel, der dem Herrn gegenüber sich als Löwe, der Ihn zu verschlingen suchte (1Pet 5,8), zeigte, erwies sich dem Petrus gegenüber gleich einem Engel des Lichts (2Kor 11,14), um ihn, der sich so sicher dünkte (Mt 26,35; Lk 22,34; vgl. 1Kor 10,12), desto unfehlbarer in die Falle zu locken, wo er ihn hatte verderben können wie den Judas Ischariot, wenn der Herr nicht für Seinen Petrus gebetet hätte (Lk 22,31.32). Anbetungswürdiger Heiland!
Welche Rolle spielt nun bei dieser Sachlage das „Kohlenfeuer“? Ist es uns noch nie aufgefallen, daß von Johannes, nachdem er Petrus hereingeholt hatte, nicht mehr die Rede ist? Johannes war auch in dem Raum der Knechte, aber in die Gefahr, den Herrn zu verleugnen, kam er nicht. Man könnte sagen, er sei den Dienern ohnehin als Jünger Jesu bekannt gewesen! Ja, aber vielleicht hätte trotzdem irgendeiner, der ihn noch nicht kennen mochte, ihn gefragt und in Versuchung oder wenigstens in Verlegenheit gebracht; aber nein, Johannes ging nicht ans Feuer, um sich zu wärmen! Armer Petrus, warum tatest du das? Warum begabst du dich in Gefahr? Warum suchtest du eine Gesellschaft auf, in die Johannes nicht ging und in die auch du nicht hineinpaßtest? - und zwar ohne Not - oder machte dir das leibliche Frieren doch eine solche Not, daß du sie beseitigen mußtest um solchen Preis?
Geliebte Leser, Petrus hatte noch nicht den Heiligen Geist in sich wohnend, wie später am Pfingsttag alle an den Herrn Gläubiggewordenen (Joh 7,39 und Apg 19,2a); und wenn auch das, was uns der Heilige Geist ist, ihm das persönliche Wort und Warnen des Herrn hätte gewesen sein sollen, so war er gleichwohl damals noch nicht so gut daran, wie nach Pfingsten er und wir alle; aber Hand aufs Herz, Geliebte, sind nicht viele Gläubige heute auch manchmal in Gefahr, es zu machen wie Petrus - oder tun's gar -, und zwar trotzdem die innere mahnende Stimme des Heiligen Geistes sie treulich warnt? Ja oder nein? Woran liegt's? Wenn nicht immer, so doch oft daran, daß auch Gläubige, echte, wahre Kinder Gottes von heute sich oft leichtfertig in Gefahr begeben, indem sie die Kohlenfeuer der Welt ohne Not, ohne göttliche Erlaubnis (wie etwa bei beruflicher Verpflichtung), also ohne zwingenden Grund, der sich biblisch rechtfertigen ließe, aussuchen und sich womöglich dort Wohlfühlen. Ist es nötig, noch deutlicher zu reden? Weltliche Vergnügungen wie Theater, Kino, Tanzboden, sogenannte „feine Abendunterhaltungen“, „ein Spielchen“ in weltlicher Gesellschaft. Lustbarkeiten weltlichen Umgangs, Wirtshausgelage und dergleichen mehr sind selbstverständlich solche „Kohlenfeuer“ - aber ganz gewiß nicht allein solche Dinge! Religiöse Feiern dieser Welt gehören ebensogut dazu (z. B.: „Kindtaufen“, „Konfirmation“ u. dgl. m).; und schon mancher Christ hat bei solcher Feier, bei der er als entschiedener, von der Welt, auch der Religion der Welt, abgesonderter Christ nichts zu suchen hat (2Kor 6,14-18), eine innere Beengung gespürt, wenn es galt, seinen geliebten (? Joh 14,21) Herrn zu bekennen. „Rühret Unreines nicht an!“ „Lasset uns zu Ihm hinausgehen, außerhalb des Lagers, Seine Schmach tragend!“ (Heb 13,13). Sicher wird man uns dann als „rückständig und lieblos“ oder „zu schroff“ verschreien; aber das ist doch ungleich besser, als dem Herrn Schande zu machen und Ihn zu verleugnen, nämlich entweder Seine Person zu verleugnen oder mit der Tat verleugnen, daß Er uns „erlöst hat von dem eitlen Wandel nach väterlicher Weise“ (1Pet 1,18), erlöst durch Sein Blut - verleugnen, daß wir mit Ihm gekreuzigt und gestorben sind, daß wir als mit Ihm Auferstandene auf dem Boden der neuen Schöpfung stehen (2Kor 5,17) und gelöst sind von den Elementen dieser Welt. (Kol 2,8). Brauchen wir uns noch zu „wärmen“ an den Dingen einer Welt, die Ihn ans Kreuz brachte? Brauchen wir noch etwa die ungesunde, so sehr schädliche Wärme menschlicher Philosophie, Theologie und Kanzelrednerei oder die „geistreicher“, witziger Unterhaltung oder die vermeintliche „Wärme“ sozialer, ethischer Vorträge oder die der politischen (leeres Stroh-) Drescherei oder die der sinnenaufpeitschenden Genußsucht usw.? Was brauchen wir, geliebte Geschwister, d. h. wir, die wir durch Seinen Willen geheiligt sind durch Sein Opfer (Heb 10,10), abgesondert von der Welt und dem Wesen des Fleisches?
Ihn brauchen wir und Sein Kohlenfeuer!
Zu diesem Kohlenfeuer (Joh 21,9), dem auf dem Boden der Auferstehung, hatten die Menschen, auch die Jünger, nichts hinzugebracht. Ihr Fischfang, ihre Arbeit und Sorge tat nichts zu dem hinzu, was der Herr ihnen bereitet hatte an Fisch und Brot. „Kommet her, frühstücket!“ Ach, daß wir uns nährten von Ihm Selbst, an Seinem Tisch alle Tage unseres Lebens! (Ps 23). Er ist genug für uns! An Seinem Feuer gibt's Wärme, eine wohligere, innere Wärme als an dem Kohlenfeuer der Welt, wo das Ihn-Verleugnen so leicht und selbstverständlich ist. Aber nicht nur Wärme finden wir dort, sondern auch Speise, Nahrung für die dürstende Seele, Nahrung von Ihm zubereitet und schmackhaft gemacht für jeden so, wie er's braucht, und darum gesundes Wachstum; und da gibt's auch selige Gemeinschaft mit Gleichgesinnten, denen Er alles ist. Kennen wir die Gemeinschaft an Seinem Kohlenfeuer, mit Ihm als Gastgeber und „Tonangeber“ in der Mitte?
Daß wir aus diesen beiden Bildern der zwei Kohlenfeuer lernten, und zwar: uns mehr lösen zu lassen von ungöttlichen Beziehungen zur Welt und zur Religion des Fleisches, in denen wir verleugnen, was Er uns ist und was wir für Ihn sind! Daß wir uns mehr hineinziehen ließen in Seine Gemeinschaft, wo Er alles in allem ist, und wo wir (mit J. N. D). freudig bekennen: „Teurer Heiland, durch Dein Lieben
Bin ich von der Welt geschieden,
Tret' ich auf die Pilgerbahn.
Jeder Schritt mich näher leitet
Heim zu Gott, von Dir begleitet
Freudig schreite ich mit Dir voran.“
F. K.
9 Und von „Feuerkohlen“ einmal, nämlich in Röm 12,20, nach Spr 25,21.22.↩︎