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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 8 -Jahrgang 1921/22
Röm 8,16 - „Ein kostbares Zeugnis“Röm 8,16 - „Ein kostbares Zeugnis“
Weiß mein lieber Leser von diesem Zeugnis? Wissen wir alle davon zu sagen? Stehen wir im seligen Genusse dieser Kindschaftsgewißheit, die der Heilige Geist uns bezeugt? Ist unser Geistesleben dieses Zeugnisses seitens des Heiligen Geistes gewürdigt? Ich kenne wohl die in einzelnen christlichen Kreisen verbreitete Meinung, als sei in dieser Schriftstelle unter „unserem Geiste“ der in uns wohnende Heilige Geist gemeint. Meines freilich nicht unbedingt maßgeblichen Erachtens ist diese Meinung aber durchaus irrig. Sieht denn der Heilige Geist, der doch nicht nur eine Kraft, ein Einfluß ist, sondern vor allem eine göttliche Person, Sich Selbst gegenüber, daß Er - unteilbar wie Christus - Sich Selber etwas bezeugen, bestätigen1 müßte? Eine etwas eigenartige Vorstellung! Ferner, wo hätten wir irgend eine Vergleichsstelle, in der der uns als Gabe gegebene und von da an in uns wohnende Geist Gottes „unser“ Geist genannt wird? Vielmehr zeigen solche Stellen, wo von „unserem“, „meinem“, „eurem“ Geiste die Rede ist, deutlich, daß unser menschlicher Geist gemeint ist (man vergl. 1Thes 5,23; Röm 1,9; 1Kor 14,14; Gal 6,18; Philem. V. 25 [Paulus kann doch nicht wünschen, daß die Gnade mit dem Heiligen Geiste sein möge, der in uns wohnt!]; siehe auch 2Tim 4,22; Apg 7,59). Freilich ist es nicht der Geist schlechthin, d. h. nach dem Wesen, wie ihn jeder Mensch hat, sondern nur der Geist eines aus Gott Geborenen, des Wiedergeborenen, dem der Heilige Geist die Bestätigung geben kann, daß der an Christus Glaubende Kindschaft Gottes hat; aber es ist unser eigener Geist, nicht der in uns wohnende Heilige Geist Gottes, den wir empfangen haben, nachdem wir gläubig geworden waren (Apg 19,2; 1Kor 2,12; 1Joh 3,24; Röm 8,9.15; Joh 7,39; 1Kor 6,19; Apg 5,32 usw). Das ist ja gerade das Wunderbare, daß unser Geistesleben, unsere Gesinnung so erneuert ist, daß wir ein Empfinden bekommen haben für die leise, liebliche Stimme des hohen Gastes, der in uns wohnt! „Der natürliche Mensch nimmt nichts an, was des Geistes Gottes ist, denn es ist ihm eine Torheit.“ (1Kor 2,14.10). Welche Herrlichkeit! Ein Unwiedergeborener jedoch kann schon nicht die Glaubenszuversicht verstehen, die wir Gläubigen alle haben, daß wir Kinder Gottes sind (1Joh 5,10-13 u. 19; 3,14), viel weniger aber noch die wunderbare Bestätigung dieser Tatsache durch den Heiligen Geist an unserem Geist!
Und nun nochmals die Frage: Genießen wir in unserem Innern, unserem geistigen Leben, dieses Zeugnis des Heiligen Geistes, daß Er uns Gläubig-Gewordenen unsere Kindschaft bestätigt? Es kann sein, lieber Leser, daß du sagst: „Davon weiß ich nichts Genaues, und ich möchte mich nicht selber täuschen“. Nein, tue das nur ja nicht! „Niemand betrüge sich selbst!“ (1Kor 3,18a). Wenn es Tatsache ist, daß du nichts davon spürst, daß Gottes Geist dir das Zeugnis der Kindschaft gibt, so liegt das möglicherweise daran, weil du noch gar nicht wiedergeboren bist, noch gar nicht Christi Geist hast, so daß das, was der Geist Gottes dir bezeugen soll, nicht vorhanden ist, nämlich das Leben aus Gott (Röm 8,9; 1Joh 5,19). Vielleicht bist du nur ein Mitläufer, vielleicht hast du mal einen Anfang gemacht und bist wieder zurückgegangen, ehe es zur Lebenserneuerung kommen konnte, da es dir nicht ernst war mit völliger Hingabe an den Herrn oder weil du nicht ganz allein auf Sein Opfer trautest, sondern selbst noch etwas dazu tun wolltest, um errettet zu werden? Prüfe die Fundamente deines Glaubens! Hast du auf den trügerischen Sand eigener Meinung oder guter Werke getraut und gebaut, oder bist du zu dem Herrn Jesus gekommen und hast auf dem ewigen Felsengrund der untrüglichen Wahrheit in Ihm allein dein Glaubensgebäude aufgebaut? (Lk 6,46-49). „Prüfet euch selbst, ob ihr im Glauben seid!“ (2Kor 13,5) gilt auch da, wo Menschen meinen, es sei alles in Ordnung, aber das Zeugnis, die Bestätigung des Geistes fehlt ihnen. Gehe nicht achtlos daran vorüber! - Aber da sind noch andere, die dieses köstlichen Zeugnisses entraten müssen durch eigene Schuld! Wie das? Sie sind wahrhaftig durch Glauben errettet, haben also den Geist Gottes empfangen und wissen vielleicht auch von einer glücklichen Zeit zu sagen, da dieses Zeugnis täglich neu und lebendig ihren Geist erfrischte und ihnen Kraft zum praktischen Leben im Licht gab - aber dann, dann kam eine Zeit, da gewannen Dinge wieder Macht über ihr Herz, die längst und für immer hätten abgetan sein und bleiben sollen, oder „kleine Füchse kamen, den Weinberg zu verderben“ (Hld 2,15), und wurden nicht gleich gerichtet und hinausgetan; oder die Liebe zum Lesen im Wort, zum Gebet und zum regelmäßigen Besuch der Versammlungen wurde lau - und dadurch wurde der so zart empfindende Geist Gottes, der in uns wohnt, betrübt (Eph 4,30; vergl. Jes 63,10)! und zog sich zurück, Er konnte nicht mehr Sein kostbares Zeugnis ablegen, Seine Bestätigung geben, da der eigene Geist des Betreffenden erfüllt war mit anderem, mit fleischlichen und weltlichen Dingen, und keine Obacht gab auf die mahnende, lockende, warnende, bezeugende Stimme des Geistes der Wahrheit. Und so fehlt solchen Gläubigen die kostbare, feste, geistbezeugte Gewißheit der Kindschaft. Sie haben ein geschlagenes Gewissen und ein beflecktes Herz, und wenn der Herr sie auch als Sein Eigen kennt und bei Seinem Kommen anerkennen wird und sie auch errettet werden, „doch so wie durchs Feuer“ (1Kor 3,15) - ihr Leben hienieden fließt friede- und fruchtleer dahin, sie sind kein klares Zeugnis für Den, der sie erkauft hat, und können auch kein offenes Zeugnis ihrer Gotteskindschaft ablegen, denn der Geist Gottes schweigt in ihrem Innern, und darum kann ihr Geist nicht frohlocken in Gott, ihrem Heilande, ihre Seele nicht den Herrn erheben (Lk 1,47). Was braucht's da, Bruder, Schwester? Soll der Zustand so bleiben? Nein, und abermals nein! Sind wir dazu errettet, um vielleicht trauriger durch die Welt zu gehen als die Weltkinder, die nichts wissen von der köstlichen Gotteskindschaft, nichts ahnen von dem „Versiegeltsein mit dem Heiligen Geist der Verheißung, welcher das Unterpfand unseres Erbes ist“ (Eph 1,13.14; 2Kor 1,21.22)? Nein, und nochmals nein! Vielmehr erhobenen Hauptes dürfen wir hindurchgehen durch diese Zeit, bis der Herr kommt, durch Gnade dürfen wir bezeugen, daß wir der Welt gestorben sind und uns die Welt (Gal 6,14) und daß der Geist Gottes unserem Geist bestätigt, daß wir - einst Feinde Gottes, einst verlorene Sünder, einst ohne Hoffnung - jetzt Gottes geliebte Kinder sind in Ewigkeit. - Aber wenn wir das nun nicht bezeugen können aus obigem Grunde, wenn nun der oft betrübte Geist in uns schweigt? - „Wenn wir (Gläubigen) unsere Sünden bekennen“ - dem Herrn, und wo es nötig sein sollte, wo wir uns gegen Menschen versündigt haben, da auch diesen gegenüber! - „so ist Er treu und gerecht, daß Er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Untugend.“ (1Joh 1,9). Zögere nicht, Bruder, Schwester, diesen demütigenden Weg des Selbstgerichts und des Bekennens, d. i. des mit-Namen-Nennens der Sünden, vor Ihm zu gehen, es ist der einzige Weg für dich, um wieder zur vollen Gewißheit und zur Freude der Kindschaft Gottes, die dir verdunkelt war, zu gelangen! Schiebe diesen Schritt nicht auf, jede Stunde Aufschub vermehrt deinen Mangel, deine geistliche Unsicherheit, deine Friedelosigkeit, deine Lauheit, aber daneben auch deine Verunehrung des geliebten Heilandes, der es wahrlich nicht verdient, von denen, die Er mit teurem Lösegeld erlöst hat, so beiseite gesetzt zu werden! Gehst du aber diesen Weg bald, läßt gar nicht erst lange Zeit vergehen zwischen dem ersten Betrüben des Geistes und dem Bekennen, so werden kaum tiefere traurige Folgen in deinem Geistesleben eintreten, und das Zeugnis Seines Geistes an deinem Geist wird kaum gehindert und ebensowenig das deine nach außen hin!
Und noch ein Punkt, der für die wichtig ist, denen daran liegt, daß des Geistes Bestätigung ihrer Gotteskindschaft ungehemmt bleibe: der Gehorsam gegen das Wort des Herrn! Ich will nicht mehr darauf näher eingehen, aber ich bitte den teuren Leser, Joh 14,20-26 mit unserer Stelle zu vergleichen - und dann laßt uns überlegen, ob nicht manche Unsicherheit von Gläubigen über ihre Heilsgewißheit und Gotteskindschaft darin ihren Grund haben könnte, daß sie im Wort Gottes gewisse Dinge als gottwohlgefällig erkannt haben, aber aus irgendwelchen Gründen sich davor gescheut haben, dem Herrn aufs Wort zu gehorchen, und da gilt solchen Geschwistern Jak 4,17: „Wer da weiß ... und tut's nicht ... dem ist es Sünde!“ Sünde der Gläubigen, wie ernst! Ungehorsam und Eigenwilligkeit ist sogar in Gottes Augen gleich Abgötterei! (1Sam 15,23).
Ich will schließen.
Wie groß ist die Gnade Gottes, daß Er uns Seinen Geist gegeben hat, der uns in die ganze Wahrheit leitet (Joh 16,13), der uns hineinbildet in das Wesen Christi (2Kor 3,18; Gal 5,22), der unsere Kraft zum Wandel im Licht ist (Gal 5,25), der uns leitet und zu treuen Zeugen macht (Röm 8,14; Apg 1,8; Joh 15,26.27). Er lehrt uns auch rufen „Abba, Vater“! (Röm 8,15). Und Er, „der Geist Selbst, bestätigt unserem Geiste, daß wir Gottes Kinder sind“. Preis sei dem Herrn!
F. K.
1 Dies ist die eigentliche Bedeutung des Wortes im Urtext.↩︎