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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 9 -Jahrgang 1923/24
Einige Gedanken über den Tod und die Auferstehung des Herrn im Lichte der Evangelien
Einige Gedanken über den Tod und die Auferstehung des Herrn in dem Lichte der Evangelien (2)Einige Gedanken über den Tod und die Auferstehung des Herrn in dem Lichte der Evangelien (2)
Im Matthäus-Evangelium sahen wir die Auferstehung in ihrer machtvollen Tatsache; im Markus-Evangelium als den Anbruch eines neuen Tages und eines neuen Zeugnisses. In Lukas sahen wir den Platz, welchen die Auferstehung im Worte Gottes einnimmt. Im Johannes-Evangelium finden wir die Auferstehung in ihrer Auswirkung auf unser Verhältnis zum Herrn als auch zu Seinem Gott und Vater.
Wir haben bereits gesehen, daß der Glaube an die Tatsache der Auferstehung Jesu Petrus und Johannes nicht von dem Zurückkehren in ihr Heim abhielt. Sie kannten weder die Schriften noch Christus als Den, in welchem sowohl Gottes Herrlichkeit als auch Gottes Segensvorsätze über den Menschen ihre Vollendung finden sollten. Hätten sie erkannt, daß alle Beziehungen zu Ihm dem Fleische nach durch Seinen Tod ihr Ende gefunden hatten und daß Er in Auferstehung jetzt der Vollender aller Pläne Gottes sei, sie würden nicht heimgegangen sein.
Maria wurde durch ihre Liebe zum Herrn am Grabe zurückgehalten. Die Frage des Herrn an sie war: „Wen suchest du?“ Sie suchte den toten Leib ihres Heilandes, und sie weinte, weil sie ihn nicht finden konnte. Der Herr offenbarte Sich ihr nicht so, daß sie Ihn mit ihren Augen erkannte, auch unterwies Er sie nicht aus den Schriften, aber Seine Stimme sprach in einem Tone der Vertrautheit zu ihrer Seele, so daß das Schaf den Hirten erkannte. Sie hörte Seine Stimme, und in dem Augenblick sieht sie sich in der Gemeinschaft mit ihrem auferstandenen Herrn. Kein Verwundern, keine Bestürzung, kein Fragen finden wir bei ihr. Als Er sie bei Namen rief, da erkannte sie Ihn und antwortete: „Rabbuni“. Sie dachte natürlich, daß Er nun Sein Leben auf der Erde wieder fortsetzen werde. Sie kannte nicht die Ratschlüsse Gottes, daß Er, durch die Herrlichkeit des Vaters auferweckt, Seinen Platz zur Rechten Gottes einnehmen mußte, ehe Er Seine Beziehungen zu Seinem irdischen Volke aufnehmen konnte. Der Herr sagt deshalb zu ihr: „Rühre Mich nicht an, denn Ich bin noch nicht aufgefahren zu Meinem Vater.“ Statt die irdischen Beziehungen wieder aufzunehmen (wie sie es hoffte), betraut Er sie mit einer Botschaft an Seine Jünger, in der die neuen und himmlischen Beziehungen enthalten waren, in welche sie jetzt eingeführt werden sollten: „Ich fahre auf zu Meinem Vater und zu eurem Vater, und zu Meinem Gott und zu eurem Gott.“ Diese Botschaft enthielt für die Jünger die Herrliche Kunde, daß sie jetzt Seine Brüder seien, denen Er den Namen Seines Vaters kundtun wolle.
In dem Auferstehungsberichte des Johannes wird uns diese unsere neue Verwandtschaft mit Ihm und mit Seinem Vater gezeigt, eine Verwandtschaft, die wir wohl auf Erden kennen, die aber nicht dieser Erde, sondern der Herrlichkeit angehört. In diese himmlische Verwandtschaft, die Christus als Mensch zu dem Vater eingenommen hat, sind wir nach dem ewigen Vorsatz der Liebe jetzt eingeschlossen.
Nachdem uns so die Herrlichkeit unserer persönlichen Stellung gezeigt ist, finden wir auch die gemeinsamen Vorrechte. Wir sehen die Jünger des Herrn vereint und versammelt hinter den verschlossenen Türen (von ihren Zweifeln wird in diesem Evangelium nichts erwähnt). Daß sie die Türen aus Furcht vor den Juden verschlossen, zeigt uns deutlich, daß sie sich mit dem verworfenen Jesus verbunden und von der Religion der Welt hinausgestoßen wußten. Er ist noch nicht in ihrer Mitte.
Am ersten Wochentage aber kommt Jesus, der auferstandene Herr, in ihre Mitte. Dieses gibt ihrer Genossenschaft ein neues Gepräge, den Charakter, den heute die Gemeinde Jesu Christi trägt als die Herausgerufene aus der Welt (obwohl in der Welt), in deren Mitte Christus, der Auferstandene, ist. In ihrer Mitte werden nun die köstlichen Vorrechte einer solchen Genossenschaft geschaut: „Frieden“, als die Frucht Seines Todes für ihre Sünden; „Freude“, weil Er in ihrer Mitte ist. Das Wort des Herrn vor Seinem Tode: „Ich werde euch wiedersehen, und euer Herz wird sich freuen, und eure Freude nimmt niemand von euch“ wurde hier für sie erfüllt. In diesem Frieden, der ihr Teil jetzt war, sendet Er sie aus, gleichwie auch Er einst von dem Vater ausgesandt wurde. Aber ihnen wird nicht bloß eine Botschaft anvertraut, Er verleiht ihnen auch dafür die Kraft Seines eigenen Lebens: indem Er heiligen Geist in sie haucht. Jede Segnung und jedes Vorrecht wird Wirklichkeit für uns, wenn es in der Kraft des Lebens, in welches wir durch Christi Auferstehung eingeführt sind, verwirklicht wird. Dazu war das tatsächliche Kommen des Heiligen Geistes, der in ihnen wohnen und wirken sollte, nötig. In dem Hauche des Herrn finden wir auch dieses schon angedeutet. So sendet der Herr sie, ausgerüstet mit der Kraft Seines Lebens, aus für den Dienst der Vergebung der Sünden.
In Thomas erkennen wir das Bild Israels, welches glauben wird, wenn es sieht. Aber auch das Bild mancher wahrhaft Bekehrten können mir in Thomas erblicken, die in ihrem Seelenzustande gleichsam auf jüdischem Grunde stehen.
Solche haben noch nicht dieses neue Verwandtschaftsverhältnis mit dem Vater im Glauben erfaßt, in welches uns der Herr in Seiner Auferstehung eingeführt hat. Solche stehen abseits (wie Thomas), wenn die verworfene Jüngerschar versammelt ist, und genießen deshalb auch nicht die Segnungen, die den Heiligen gemeinsam geschenkt sind, obschon sie zu ihnen gehören. Manches Kind Gottes ist zufrieden, den Herrn als seinen Heiland zu besitzen und mit Thomas zu sagen: „Mein Herr und mein Gott“, und es ist noch unwissend über seine wahre christliche Stellung zu dem Vater und zu der Familie Gottes, in welche Christus es gebracht hat. Es steht abseits von den Mitteilungen Seines Friedens, Seiner Freude und Seines Lebens und Dienstes in der Kraft des Heiligen Geistes.
Zum Schluß dieser Betrachtung erwähnen mir nur noch die völlige Wiederherstellung der Seele des einst sich selbst vertrauenden Petrus (Kap. 21). Von der Tatsache der Auferstehung des Herrn überzeugt, sahen wir ihn mit Johannes wieder heimgehen. In diesem Kapitel finden wir ihn mit sechs anderen Jüngern wieder fischen gehen. Der Herr benutzt nun die Umstände, sie zu unterweisen. In Seiner Gnade gebraucht Er manchmal unsere Wege des Unglaubens oder der Untreue, um uns zu belehren. Die erfolglose Arbeit während der Nacht und der Fischzug am Morgen war eine gute Lektion für die Jünger, um zu lernen, daß sie ohne den Herrn nichts tun können. Der Ruf des Johannes: „Es ist der Herr“ läßt Petrus Boote und Fische aufgeben, um die Gemeinschaft des auferstandenen Herrn zu haben. Seine Nähe zieht Petrus hin zu Ihm. Der einzige Platz unserer Kraft und Sicherheit ist, bei Ihm zu sein. Der Herr aber will uns mit einem ungetrübten und völligen Vertrauen bei Sich haben, deshalb stellt Er ihm die sein Herz erforschende Frage: „Hast du Mich lieb?“ Möchte diese Frage in ihrer ganzen Kraft auch unsere Seele berühren und die Antwort bewirken, die über PetrusLippen ging: „Herr, Du weißt alle Dinge - die Verleugnung, den Mangel an Glauben, das Selbstvertrauen, das Wegwenden von Dir -, aber Du weißt, daß ich Dich lieb habe.“ Wenn diese Antwort in Wahrheit aus unserem Herzen kommt, kann der Herr auch uns (wie einst Petrus) Seine Schafe und Lämmlein anvertrauen, die Seinem Herzen so teuer sind. Petrus sah seinen auferstandenen Herrn hier auf der Erde; wir sehen Ihn jetzt in der Herrlichkeit und kennen Ihn durch den vom Himmel herniedergekommenen Heiligen Geist. Sein Wunsch ist, auch uns in ungetrübter Vertrautheit bei Sich zu haben. Möchte deshalb auch Seine Frage an Petrus uns lief ins Herz dringen: „Liebst du Mich?“
R. - v. d. K.