verschiedene Autoren
Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 14 - Jahrgang 1929
2Sam 19,9 – „Die Rückkehr Davids“2Sam 19,9 – „Die Rückkehr Davids“
Absalom hatte den Thron seines Vaters David an sich gerissen. Die Männer Israels, die König David untertan sein sollten, hatten sich hergegeben, Absalom in seinem bösen Ziele zu unterstützen. Sie taten damit übel, sowohl sich selbst als auch dem Reiche. Die glücklichen Zeiten, die sie mit Absalom erhofften, kamen jedoch nicht. Statt daß sie Frieden und Wohlstand fanden, haderte das ganze Volk miteinander unter allen Stämmen Israels. (2Sam 19,9)
Ihre Gedanken wandten sich nach dieser Enttäuschung wieder dem verworfenen König zu. Sie erinnerten sich seiner errettenden Hand, durch die sie einst von ihren Feinden befreit wurden. Sie sagten: „Der König hat uns errettet aus der Hand unserer Feinde und hat uns befreit aus der Hand der Philister“, und sie fingen an, sich gegenseitig zu fragen, warum nicht davon geredet werde, den König zurückzuführen. Ihre Frage: „Warum schweigt ihr, den König zurückzuführen?“ läßt erkennen, daß sie in seiner Zurückführung ihre einzige Hoffnung sahen. Wie sollten auch Gerechtigkeit, Frieden, Ordnung und Rettung von ihren Feinden kommen, wenn der wahre König nicht zurückgeführt wurde?
Die Geschichte wiederholt sich immer neu. In dem, was in den vergangenen Tagen geschah, finden wir Fingerzeige für die Dinge der Gegenwart und Zukunft. Der große Sohn Davids ist gekommen, und Seine Verwerfung ist eine weit größere als die Verwerfung des Königs David durch Israel. Jesus ist der von den Menschen Verworfene. Sie wählten einen anderen und erklärten: „Wir wollen nicht, daß dieser über uns herrsche.“ So verließ Er diese Welt, und Satan regiert nun „als der Fürst dieser Welt“. (Joh 14,30)
In dieser Zeit der Abwesenheit Jesu, des wahren Königs, versuchen die Menschen, die Welt zu einer angenehmen Stätte zu machen. Sie machen Gesetze für die Aufrechterhaltung der Ordnung; sie stellen Polizisten an, richten Gerichtshöfe auf, um das Böse fern zu halten; sie bemühen sich, die sozialen Einrichtungen zu verbessern, den Krieg unmöglich zu machen und einen immerwährenden Weltfrieden aufzurichten. Aber trotz all dieser Bemühungen, der Welt das Bild des Tausendjährigen Reiches zu geben, ist sie weiter als je davon entfernt, ihr Ziel zu erreichen.
Die Frage sollte auch heute sein: „Warum schweigt ihr davon, den König zurückzuführen?“ Wenn Er kommt, dann kommen Gerechtigkeit und Friede und Freude, Zufriedenheit und alles Gedeihen. Die köstlichen Dinge, „das Ersehnte aller Nationen“, werden mit Ihm kommen (Hag 2,7). Alles, was die Nationen mit ihrer Kraft zu erreichen suchen, wird uns gebracht, wenn Er, der wahre König, die Herrschaft übernimmt.
Als die Männer Israels anfingen, zu fragen: „Warum schweigt ihr davon, den König zurückzubringen?“, befand sich ein junger Prinz in Jerusalem, den David in seine Familie aufgenommen hatte. Er war ein Enkel des Königs Saul, des bitteren Feindes und Verfolgers Davids. Dieser Enkel Sauls hatte keinerlei Anspruch auf die Güte dessen, der durch seinen Großvater so schrecklich verfolgt worden war. Aber Davids Edelmut suchte diesen jungen Mann und führte ihn nach Jerusalem und umgab ihn mit der Güte seines Herzens.
Lahmheit hinderte ihn, seinem Wohltäter in die Verbannung zu folgen; er blieb in der Stadt. Sein Herz aber trauerte und klagte über die Abwesenheit seines Herrn. Wie wohl tat es ihm, als das erste Flüstern, den König zurückzuführen, sein Ohr erreichte. Gewiß, wir können verstehen, daß der verachtete und verschmähte Mephiboseth sich nach der Rückkehr des Königs sehnte, und als dann die Botschaft kam: „Er ist hier“, fand seine Freude keine Grenzen. Der Jubel seines Herzens drückte sich aus in dem einen Wort: „Mein Herr, der König, ist in Frieden in sein Haus gekommen.“ (2Sam 19,30) Darin lag sein ganzes Interesse und all sein Glück eingeschlossen. Sein eigener Besitz hatte keinen Wert mehr in seinen Augen, nachdem sein König zurückgekommen war.
Gibt es solche „Mephiboseths“ noch heute in dieser Welt, Nachkommen eines Geschlechtes, welches durch die Sünde Gott entfremdet ist, denen Vergebung zuteil geworden ist durch ihren Heiland, den König? Die Feindschaft ihres Herzens mußte dankbarer Liebe Platz machen. Unendliche Güte war ihnen in der Gnade Gottes zuteil geworden.
Sie sind nicht fähig, ihrem Herrn dorthin zu folgen, wohin Er gegangen ist, aber sie fühlen und trauern über Seine Abwesenheit. Ihr Herz verlangt nach Seiner Rückkehr. Sie trauern, daß Er nicht hier ist. Sie kennen keine
Freude abseits von Ihm und keine Trauer in Seiner Gegenwart. Der ständige Wunsch ihres Herzens ist: „Herr Jesu, komm!“ Sie wissen, wenn Er kommt, so wird Er in Seiner ganzen Kraft und Herrlichkeit kommen, und die Reiche dieser Welt werden dann die Reiche unseres Herrn und Seines Christus werden (Off 11,15). Diese Hoffnung erfüllt ihre Herzen mit Freuden. Er Selbst wird kommen. „Dieser Jesus,“ sagten die Engel zu den gen Himmel blickenden Jüngern, „wird wiederkommen“ (Apg 1,11). Alsdann wird Er König sein über die ganze Erde, und „alle Könige werden vor Ihm niederfallen und alle Nationen Ihm dienen“. (Ps 72,11)
Und die Kriegsheere im Himmel folgen Ihm auf weißen Pferden, angetan mit weißer, reiner Leinwand, den Kennzeichen der Heiligen, die auf Sein Kommen auf Erden warteten. Sie begleiteten Ihn, nicht nur, um an jenem Tage teilzunehmen an Seinem Triumphe und Seiner Ehre, sondern damit Seine Herrlichkeit weit und breit bewundert werden mag in allen denen, die geglaubt haben (2Thes 1,10). Wie kamen diese Kriegsheere in den Himmel? Warum sind sie nicht auf der Erde, um ihren König willkommen zu heißen, so wie Mephiboseth David willkommen hieß? So mögen wir uns fragen, und wir würden keine Antwort darauf wissen, wenn wir nicht die spezielle Unterweisung darüber in 1Thes 4,15-17 hätten. Diese Verse sagen uns, daß die unmittelbare Hoffnung und Erwartung der Gemeinde das Kommen ihres Heilandes in der Luft ist. Dorthin entrückt Er Seine Heiligen zu Sich Selbst; dort in dem Lufthimmel findet die Begegnung mit Ihm zuerst statt, so daß sie von dort aus dann mit Ihm hernieder kommen können auf die Erde, um auf immerdar, alle Zeit, bei Ihm zu sein. Nie findet wieder eine Trennung statt. Wo Er ist, sind sie, und wo sie sind, ist Er. Dies ist unsere gegenwärtige Hoffnung, die jeden Augenblick ihre Erfüllung finden kann. Macht es unsere Herzen nicht glücklich, wenn wir daran denken, daß unser verworfener und geschmähter Herr bald der Mittelpunkt der Huldigung aller Nationen sein wird? Ganz gewiß! Aber ist es unserem Herzen nicht noch mehr, zu wissen, daß wir Seine Stimme hören und Ihn von Angesicht zu Angesicht sehen werden und daß wir für immer in Seiner Gegenwart bei Ihm sein werden und daß die Freude Seiner Liebe und der Liebe Seines Vaters unser Herz auf ewig erfüllen wird? Dies ist es, was die Stunde der Entrückung für uns enthält, und sie führt auch Sein Reich in Herrlichkeit ein. Mit Inbrunst können wir bitten: „Dein Reich komme“, und mit wachsendem Verlangen sehnt sich unser Herz nach Ihm, nach Seiner Person, und ruft: „Amen, komm, Herr Jesus!“
H. P. B. (v. d. K).