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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 20 - Jahrgang 1935
1Kor 14,19 - Fünf Worte1Kor 14,19 - Fünf Worte
Es ist wunderbar, zu beachten, wie die Worte der Heiligen Schrift auf unser Herz wirken. Sie sind in Wahrheit „wie Treibstacheln, und wie eingeschlagene Nägel“ (Pred 12,11). Manchmal ist es nur ein kurzes Wort der Schrift, der Teil eines Verses, und Herz und Gewissen werden davon so berührt und angefaßt, daß schon damit die Göttlichkeit des Wortes völlig bewiesen wird. Wie oft haben wir die Kraft des einfachen Wortes Gottes erfahren! Wirklich, „das Wort Gottes ist lebendig und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und durchdringend bis zur Scheidung von Seele und Geist, sowohl der Gelenke als auch des Markes, und ein Beurteiler der Gedanken und Gesinnungen des Herzens.“ (Heb 4,12) Es ist wirklich eine Freude, dieses zu erfahren, besonders in der gegenwärtigen Zeit, wo der Feind Gottes und des Menschen auf allerlei Weise sucht, die heiligen, von Gott eingegebenen Schriften abzutun und mit Schmutz zu bewerfen.
Diese und ähnliche Gedanken haben oft mein Herz beschäftigt, wenn ich die Worte, die die Überschrift dieses Artikels bilden, las. „Ich will“, sagte der sich selbst verleugnende und demütige Apostel, „in der Gemeinde lieber fünf Worte mit meinem Verstande reden, auf daß ich auch andere unterweise, als zehntausend Worte in einer Sprache.“ (1Kor 14,19) Wie wichtig ist dies für alle, die in der Versammlung reden! Gewiß, die Sprachen hatten ihren Wert, denn sie waren zu einem Zeichen für die Ungläubigen (V. 22), in der Gemeinde aber waren sie nutzlos, wenn nicht ein Ausleger da war. (V. 28)
Der große Zweck, in der Versammlung zu reden, ist die Erbauung, und dieser Zweck kann nur erreicht werden, wenn wir verstehen, was gesprochen wird. Es ist gänzlich unmöglich, daß ich durch die Rede eines Mannes erbaut werden kann, wenn ich nicht verstehe, was er sagt. So einfach dieses scheint, verdient es doch die größte Aufmerksamkeit aller, die öffentlich in der Versammlung sprechen.
Ferner laßt es uns recht beachten und ins Herz fassen, daß die alleinige Befugnis, in der Versammlung aufzustehen und zu reden, die ist, daß der Herr uns selbst etwas zu reden gegeben hat. Nichts ist törichter, als zu versuchen, zehntausend Worte zu reden, wenn der Herr nur fünf gegeben hat. Wie traurig und niederdrückend ist es, wenn solches in der Versammlung vorkommt! Und ach, es kommt gar manches Mal vor! Welche Gnade ist es, wenn wir uns bewahren lassen, nicht über das uns zugeteilte Maß hinauszugehen! Dies uns zugeteilte Maß mag gering sein, es macht nichts aus; auf die Größe des uns zugeteilten Maßes kommt es nicht an, wohl aber darauf, daß wir einfach und wahr sind. Ein ernstes Herz ist besser als ein fähiger Kopf und ein inbrünstiger Geist besser als eine geläufige Zunge. Das wahre, innige Verlangen, die Herzen zu erreichen, wird sich wirksamer erweisen und Gott wohlgefälliger sein als die glänzendsten Gaben ohne dieses. Gewiß, wir sollen nach den besten Gaben streben, aber vor allem den vortrefflicheren Weg im Auge behalten, den Weg jener Liebe, die sich selbst verbirgt und nur das Wohl des anderen sucht. Damit ist nicht gemeint, etwa die Gabe gering zu achten, sondern daß wir die Liebe höher schätzen lernen.
Schließlich laßt uns noch eine einfache Regel beachten, die sicher dazu beitragen dürfte, den Dienst des Wortes in den Versammlungen zu heben und zu ordnen: „Nimm dir nicht vor, etwas zu sagen, weil dir die Fähigkeit zu reden gegeben ist, sondern rede, weil dir etwas gegeben ist, das gesagt werden soll.“ Das ist sehr einfach. Es ist doch eine armselige Sache, wenn jemand soviel Stoff zusammensucht, um damit einen gewissen Raum von Zeit auszufüllen. Nie sollte es so sein! Wenn der Herr uns zum Dienst des Wortes berufen hat, laßt uns Fleiß anwenden - auf den Dienst achten - Seine uns verliehene Gnadengabe anfachen - auf Leitung des Geistes Gottes warten - den verborgenen Umgang mit dem Herrn pflegen - im Geiste der Schrift leben, so werden wir zum Gebrauch des Meisters zubereitet, und unser Dienst (bestehe er auch nur in fünf Worten) wird Christus verherrlichen und den Menschen zum Segen sein. Aber nie sollte jemand sich zu einem Worte in der Versammlung erheben, dem der Herr nicht etwas zu sagen gegeben und der sich nicht bewußt ist, daß es zur Erbauung geschehen muß.
Wir können gar nicht sorgfältig genug auf uns selbst achten. Wir reden nicht in unserer, sondern in Gottes Gemeinde. Wir reden an dem Platze, von dem der Herr gesagt hat: „Da bin Ich in der Mitte“ und wo „alles“ zur Erbauung geschehen soll, ja, wo wir „suchen“ sollen, überströmend zur Erbauung der Gemeinde zu sein (1Kor 14,26 und 12). Was nicht zur Erbauung dient, darf dort nicht ausgesprochen werden. Niemand redet dort für sich selbst, sondern für den anderen. Deine Worte mögen an sich gut sein, wenn aber der andere nicht erbaut wird (vgl. 1Kor 14,17), welchen Wert haben sie dann? Welches Recht bestand, überhaupt zu reden?
Zwei oder drei mögen in der Versammlung reden, die anderen haben zu urteilen (1Kor 14,29). Selbst der große Apostel fordert auf: „Beurteilet ihr, was ich sage!“ (1Kor 10,15) Ein Dienst, der nicht zur Erbauung der Hörer geschieht, ist nicht nur nutzlos, er dient auch nicht zur Ehre des HErrn, noch zum Wohle der Seinigen; gar oft aber ist er für uns selbst und andere zum Schaden. Wir stehen uns ja von Natur zu nahe, um unseren Dienst selbst richtig zu beurteilen.
Ja, Selbstbewußtsein kann unser Herz so erfüllen, daß wir andere nicht für fähig halten, unseren Dienst beurteilen zu können. Das kann auf den „natürlichen Menschen“ zutreffen, nicht aber auf den „geistlichen“. „Der geistliche aber beurteilt alles“ (1Kor 2,14-16) - er mag ungebildet sein, aber er hat „Christi Sinn“ und „urteilt geistlich“ - und das geistliche Urteil haben wir für das „Werk des Dienstes“ nötig.
Wie wichtig es für den Diener ist, von sich selbst gelöst - gerettet zu werden, das sehen wir aus den Worten des Apostels Paulus an Timotheus: „Habe acht auf dich selbst ..., wenn du dieses tust, wirst du sowohl dich selbst erretten als auch die, welche dich hören.“ (1Tim 4,16) Wenn wir uns aber nicht selbst zurechtweisen und uns selbst von Dingen, die nicht zum Wohle und zur Erbauung der Gemeinde dienen, lösen und erretten lassen, so können wir andere nicht von dem lösen, von dem sie gerettet zu werden bedürfen. Weiter als wozu wir selbst gelangt sind, können wir andere nicht führen!
Möchten alle, die in der Versammlung reden, sich der großen Verantwortung bewußt sein, daß sie ihren Mund nicht in ihrer Gemeinde, sondern in Gottes Gemeinde, wo der Herr in der Mitte ist, auftun!
C. H. M. - A. v. d. K.