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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 9 -Jahrgang 1923/24
Einige Gedanken über den Tod und die Auferstehung des Herrn im Lichte der Evangelien
Einige Gedanken über den Tod und die Auferstehung des Herrn in dem Lichte der Evangelien (1)Einige Gedanken über den Tod und die Auferstehung des Herrn in dem Lichte der Evangelien (1)
Wenn wir über das Kreuz und den Tod unseres Herrn Jesus Christus nachdenken, so fühlen wir, wie unergründlich tief diese Leiden für uns sind und daß niemand als nur Gott sie ergründen kann. Er allein ist fähig, sowohl ihren Wert zu erfassen als auch die Herrlichkeit, mit der Er darin verHerrlicht wurde. Weil Er in Seinem Tode verHerrlicht und die Sünde gerichtet wurde, wird an einem zukünftigen Tage die Schöpfung vom Fluche freigemacht und in Segen, Gerechtigkeit und Herrlichkeit aufgerichtet werden. An dem gegenwärtigen Tage indessen steht der Sünder, welcher an den Herrn Jesus gläubig geworben ist, in dem ganzen Wert jener Leiden vor Gott.
Die Leiden des Herrn können wir anschauen, ergründen können wir sie nicht; unerforschlich sind uns jene Worte: „zur Sünde gemacht“. Kein Mensch kann sie ergründen, der Heilige Geist aber, der sie uns geschrieben hat, befähigt uns, in etwa zu erfassen, wie Gott auf Grund Seiner Wertung dieses uns unergründlichen Gerichtes jetzt in Gnaden handeln kann.
Durch die Feder von vier Evangelisten hat Gott uns von dem Leiden Christi am Kreuze Bericht gegeben. Wenn wir die Beschreibung, so wie sie uns in den Evangelien gegeben ist, betrachten, können wir etwas von Seinen wunderbaren Gedanken über den Tod Jesu am Kreuze verstehen. Der Tod des Herrn hat seine tiefe Bedeutung sowohl für Gott wie auch für uns als Sünder und wiederum auch für uns als Gläubige. Jeder der vier Berichte in den Evangelien trägt seinen eigenen, speziellen Charakter.
In dem Berichte des
Matthäus und Markus
über die Kreuzigung des Herrn tritt als leitender Zug uns sofort der Ruf entgegen: „Mein Gott, Mein Gott, warum hast Du Mich verlassen?“ Lange zuvor waren diese Worte schon prophetisch durch den Heiligen Geist niedergeschrieben und in die Beschreibung Seiner Leiden an die erste Stelle gestellt worden (Ps 22,1). Am Kreuze wurden sie aber erst dann ausgerufen, als alle die verschiedenen Leiden, die in diesem Psalm prophetisch angezeigt wurden, von Ihm bereits getragen waren. Diese auffallende Tatsache, daß der Heilige Geist diesen Ausruf in dem Psalm allen Leiden voranstellt, zeigt uns, daß in den Augen Gottes die Leiden, die in diesem Schrei des Herrn lagen, alle anderen Leiden übertrafen und in den Schatten stellten. Auch die anderen Leiden waren wirkliche Leiden für den Herrn, es war ein voller Kelch, den der Herr zu trinken hatte, aber die Leiden dieses Schreies trugen einen anderen Charakter, dies waren Leiden der Sühnung für uns. Als Er von Gott verlassen wurde, stieg Er, der Heilige, in die Tiefen des Gerichtes über die Sünde hinab. Er allein wußte, was Sünde in dem Lichte der Heiligkeit Gottes ist, und dort unterzog Er Sich dem Gerichte, in welches kein anderer für uns eintreten konnte. Dort verHerrlichte Er Gott in Seiner Heiligkeit und Gerechtigkeit und Liebe. Und Gott beantwortete diesen Schrei am Kreuze mit dem Zerreißen des Vorhanges, der den Menschen von Seiner Gegenwart trennte. Nichts steht jetzt mehr trennend zwischen Gott und dem Sünder, welcher durch den Tod Christi zu Ihm kommt; der trennende Vorhang wurde entfernt in der Stunde, als
Jesus von Gott verlassen wurde. Von oben, vom Himmel her, gab Gott diese Antwort: der Vorhang wurde von oben zerrissen, aber auch die Felsen zerrissen; der Tod als das Gericht Gottes über die Sünde wurde zunichte gemacht in dem Tode Dessen, der für uns verlassen wurde; die Gräber öffneten sich, und viele Leiber der Heiligen gingen nach Seiner Auferstehung aus den Grüften.
Im Lukas-Evangelium tritt uns in dem Berichte der Leiden Christi in einer besonderen Weise die Gnade entgegen, die durch den Sohn des Menschen sich Menschen offenbart. Diesem Charakterzug entsprechend ist es auch allein Lukas, der uns die Fürbitte Christi für die Übertreter (Israel) und die Antwort der Gnade auf das Gebet des sterbenden Schächers an Seiner Seite berichtet. Die Bitte der Gnade: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ und ebenso das gnadenvolle Wort an den Schächer: „Wahrlich, Ich sage dir, heute wirst du mit Mir im Paradiese sein“ konnte nur ausgesprochen werden auf Grund jener Sühnung, die in dem Rufe: „Mein Gott, Mein Gott, warum hast Du Mich verlassen“ (im Matthäus- und Markus-Evangelium) ihren Ausdruck fand. Auf Grund dieser Fürbitte wird einst Israel Gnade zuteil werden. Und Paulus, dem größten Sünder, wurde Barmherzigkeit zuteil, damit die ganze Langmut Gottes an ihm möchte gesehen werden als Muster der Gnade Gottes, die den größten Sünder unter den Menschen, der an Ihn glaubt, erretten kann zum ewigen Leben.
Dort am Kreuze, wo die Sühnung vollbracht wurde, enthüllte sich die Gnade zum ersten Male in solch einer Herrlichen Art, daß zwei Menschen, einer, der vollkommen, und einer, der gänzlich verdorben und des Todes schuldig war, Seite an Seite hingen in einem Lose. Welch' wunderbare Gnade! Der, der das Böse getan, durfte sich klammern an Den, der nichts Böses getan hatte, und die Worte hören: „Wahrlich, Ich sage dir, heute wirst du mit Mir im Paradiese sein.“ Und auf welcher Grundlage war solche Gnade möglich? Wir fanden sie bereits im Matthäus- und Markus-Evangelium in dem Rufe: „Mein Gott, Mein Gott, warum hast Du Mich verlassen?“ und in der Antwort Gottes, in dem Zerreißen des Vorhanges, der den Menschen von Gott trennte.
Im Johannes-Evangelium sehen wir Ihn als den vom Vater Gesandten, der das Werk vollendet, welches Er Ihm gegeben hatte, daß Er es tun sollte (Joh 17,4). Er ist Der, den der Vater liebt, weil Er Sein Leben läßt. Niemand nimmt es von Ihm, sondern Er läßt es von Sich Selbst, Er hat Gewalt, es zu lassen, und Gewalt, es wiederzunehmen. Solches Gebot hatte Er von Seinem Vater empfangen (Joh 10,17.18). Pilatus mochte Ihn den Kriegsknechten überliefern, und sie mochten Ihn fortführen, aber Johannes zeichnet Ihn als Den, der das Werk vollendet und den Vater verHerrlicht, und deshalb lesen wir: „Er ging hinaus“ (es war Seine eigene Handlung) nach der Stätte, genannt „Schädelstätte“, wo sie Ihn alsdann kreuzigten.
Als die Kriegsknechte Seine Kleider verteilten, wird speziell auf die Erfüllung der Prophezeiung hingewiesen, daß „die Kriegsknechte nun dieses getan haben“ (Joh 19,24): „Sie haben Meine Kleider unter sich verteilt, und über Mein Gewand haben sie das Los geworfen.“ Wie gut hatte Johannes diese Kleider an dem Leibe Seines geliebten Herrn während Seines Erdenlebens gekannt! Diese Kleider und das nahtlose Gewand, in welchen der Heilige Gottes den Pfad des Gehorsams und der Absonderung gewandelt, eigneten sich jetzt die heidnischen Kriegsknechte an. Johannes sah, wie sie Jesus die Kleider nahmen und dann sich teilten und das Los darüber warfen. Wie schwer mußte dies für das Herz des Jüngers sein, den Jesus liebte. Jene Kleider wird Er nie wieder gebrauchen; Sein Pfad in dieser Welt in heiliger Hingabe für seinen Gott war beendet. So wie Johannes Ihn nach dem Fleische gekannt hatte, so wird er Ihn nie wieder kennen. Erhöht von der Erde, übergibt Er dann Seine Mutter nach dem Fleische der Sorge des geliebten Jüngers.
Er ging jetzt zu Seinem Vater. Als Maria Magdalena Ihn, den Auferstandenen, wiedersah, glaubte sie, daß Er zu dem Leben auf Erden wieder zurückgekehrt sei. Aber Er offenbart ihr und läßt es durch sie Seinen Jüngern verkündigen, daß sie mit Ihm verbunden jetzt einer anderen, himmlischen Welt angehören und in eine ganz neue Verwandtschaft mit dem Vater geführt seien (Joh 20,17). Alle Bande mit dieser Welt waren gelöst. Johannes berichtet uns dann, daß Jesus rief: „Es ist vollbracht!“ Er, dessen Geist jedes Wort der Weissagung geschrieben hatte und wußte, daß alles durch Ihn Seine Erfüllung finden mußte, rief: „Mich dürstet!“ Als Er den Essig genommen hatte, verkündigte Er die Vollendung alles dessen, was in den Propheten über Ihn geschrieben war, als auch des Werkes, das der Vater Ihm gegeben hatte zu tun. Der Kelch war leer. Er hatte ihn getrunken, und Er läßt uns nun den Boden des geleerten Kelches sehen in den so wohlbekannten, und doch Unausschöpfbahren Worten: „Es ist vollbracht!“
So wie die Grundlage (Gottes Gerechtigkeit gemäß) für jede Segnung des sündigen Menschen das Kreuz Christi ist, so sehen wir die Gewißheit, Sicherheit und Vollführung aller Segnungen in der
Auferstehung Christi.
Sei es unsere Rechtfertigung, seien es die himmlischen Segnungen, die mit der Gemeinde, oder die irdischen Segnungen, die mit Israel in Verbindung stehen (die gewissen Gnaden Davids, der ewige Bund usw)., alles findet seine Sicherstellung und Vollendung in dem aus den Toten auferstandenen Christus (Röm 4,25; Eph 1,3; Apg 13,34; Heb 13,20).
Dies wird uns schon im Vorbilde in der Geschichte Abrahams angedeutet. Er mußte lernen, daß alle ihm gegebenen Verheißungen ihre Erfüllung in Isaak finden sollten. Aber nicht in dem im Fleische geborenen, sondern in dem Isaak, der auf den Altar gelegt werden mußte und den er von dort her im Bilde als aus den Toten zurückempfing.
Wir können an die Herrliche Tatsache der Auferstehung Christi glauben und die damit verbundenen Segnungen in ihrer Weite sehen, aber etwas ganz anderes ist es, wenn der Gläubige im Glauben so mit dem Auferstandenen verbunden ist, daß er in der Wahrheit und Kraft Seiner Auferstehung lebt. Petrus und Johannes können wir als ein Beispiel anführen (Joh 20,3-10). Beide liefen zum Grabe und erfuhren dort, daß der Herr nicht mehr im Grabe sei; von Johannes wenigstens sagt die Schrift, daß er an die Wirklichkeit Seiner Auferstehung glaubte. Beide aber konnten in ihr Heim zurückkehren. Wenn sie die Wirklichkeit Seiner Auferstehung auch in ihren Seelen verwirklicht hätten, glaubst du, sie wären in ihr altes Heim zurückgekehrt? Würde nicht die Erwartung, Ihn, den Lebendigen, sehen und Ihm begegnen zu können, sie an der Stätte Seiner Auferstehung zurückgehalten haben? Doch hierauf wollen wir später eingehen.
Bei einer sorgfältigen Betrachtung des Auferstehungsberichtes in
Matthäus werden unsere Herzen in besonderer Weise berührt von der Gewalt und Macht, die in der Auferstehung des Herrn offenbar wurde: Ein großes Erdbeben geschieht, ein Engel des Herrn kommt aus dem Himmel hernieder, der Stein, der den Herrn im Grabe festhalten sollte, wird hinweggerollt, und der Engel setzt sich darauf. Das Ansehen des Engels ist wie der Blitz, das Kleid ist blendend wie Schnee, die Hüter beben vor Furcht. Alle diese Einzelheiten offenbaren uns die überwältigende Kraft, mit der Seine Auferstehung in Erscheinung trat, und sie bezeugten, daß in dieser Welt, wo die Sünde zum Tode Herrschte, die Kraft des Todes gebrochen sei.
Die Anstrengungen des Feindes, den Ratschluß Gottes zu hindern und das Grab zu sichern, dienten nur zur Bestätigung der Tatsache Seiner Auferstehung und des Zeugnisses des Engels: „Er ist nicht hier, Er ist auferstanden“.
Israel soll durch den großen Hirten der Schafe gesammelt werden (Hes 34,11-13) - und wiedergebracht aus den Toten in dem Blute des ewigen Bundes erneuert Er (nach dem Matthäusevangelium), nachdem Er die Kraft des Feindes gebrochen hat, als der Auferstandene Seine Verwandtschaft und Beziehungen mit den Armen der Herde in Israel (Mt 28,9.10). Die Jünger werden als Seine jüdischen Brüder gesehen, als die Kinder, die Ihm Gott gegeben, als Er dem Volke Israel ein Stein des Anstoßes war.
Er geht vor ihnen her nach Galiläa und, dort am Berge mit ihnen versammelt, offenbart Er ihnen, daß Ihm, dem Auferstandenen, alle Gewalt gegeben sei im Himmel und auf Erden, und als solcher gibt Er ihnen den Auftrag, alle
Nationen zu Jüngern zu machen und sie in der Offenbarung des ganzen Namens Gottes: des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, zu taufen. Jehova war Sein Bundesname mit Israel, den Nationen aber sollte jetzt der Name Gottes in Gnade bekannt gemacht werden: Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Durch die jüdischen Brüder des Herrn werden an einem späteren Tage den Völkern Segnungen gebracht werden, die sie als Nationen auf dieser Erde genießen werden, Segnungen, die mit dem Namen Christi verbunden sind, Segnungen, die die Nationen in einem gewissen Maße schon heute gleichsam als Angeld haben (insofern, als sie der Wurzel und des Fettes des Olivenbaumes teilhaftig geworden sind).
Ebendaher vor diesem zukünftigen Tage der tausendjährigen Segnung genießen heute an diesem Tage (wo uns, der Gemeinde, die besseren, die himmlischen Segnungen zuteil werden) gewisse Völker durch die äußere Annahme des Christentums schon etwas von den Segnungen, die dann im Tausendjährigen Reiche durch die wahre Erkenntnis des Herrn (Jes 11,9) in vollem Maße über die Nationen kommen werden.
Im Markus-Evangelium finden wir die Auferstehung nicht in den Begleiterscheinungen der Macht wie in Matthäus, sondern als den Anbruch eines neuen Tages, eines neuen Zeugnisses und einer neuen Kraft, die von oben her wirkt.
Durch den Heiligen Geist geleitet, gebraucht Markus in seinem Auferstehungsbericht die bezeichnenden Worte: „Als die Sonne aufgegangen war“ (16,2), so wie er in seinem Bericht über den Anfang des öffentlichen Dienstes des Herrn die Worte gebrauchte: „Als die Sonne unterging“ (1,32). Jener Tag hatte mit Seiner Auferstehung sein Ende gefunden, und das Licht eines neuen Tages war aufgegangen - die Sonne, die (in Verbindung mit dem Ausspruch Maleachis [4,2]) nie wieder untergehen wird. Die Jünger mochten durch den Auferstandenen die Fortführung der Dinge in der alten Weise auf Erden erwarten, aber der Herr wird ihnen gezeigt als von oben wirkend (16,19.20). Sein Dienst war durch das Kreuz auf Golgatha nicht beendet. Er wirkt jetzt von dem Platze der Kraft zur Rechten Gottes aus.
Die Erscheinung des Engels ist nicht wie in Matthäus in den Zeichen der Macht, sondern als die eines Jünglings (nicht eines kraftvollen Mannes). Er verbindet das Zeugnis und den Namen des Auferstandenen mit einem verachteten Platze („Jesus von Nazareth“) und mit der Kreuzigung („den Gekreuzigten“). Dieser Jüngling als der Träger des Zeugnisses Seiner Auferstehung ist mit einem weißen Gewande angetan. Er bezeugt weiter, daß der Auferstandene an dem verachteten Platze, dem Platze außerhalb der Zentrale der Religion der Menschen („Jerusalem“), in Galiläa gefunden werden wird.
Der Jüngling ist das Bild des Dieners und Zeugen der Auferstehung des verachteten und gekreuzigten Jesus. Das Zeugnis muß in einem fleckenlosen Gewande der Welt bezeugt werden, und der Zeuge muß dieses für das Zeugnis passende Gewand tragen. „Den Jünglingen“ gilt die Ermahnung: „Liebet nicht die Welt, noch was in der Welt ist“ (1Joh 2,15). Alle, die das Kreuz und die Auferstehung des Herrn verwirklichen, gehen zu Ihm hinaus an den verachteten Platz außerhalb des Lagers, Seine Schmach tragend (Heb 13,13). Der Jüngling sowohl als auch seine Kleidung zeigen uns den Charakter und die Kraft dieses neuen Tages, dessen Sonne aufgegangen war. Der Jüngling sitzt zur „Rechten“, an der Stätte der Auferstehung, so wie der Herr uns (in Markus) auch als sitzend zur Rechten (dem Symbol der Kraft) gezeigt wird (Kap 16, V. 5 u. 19).
In den beiden Gruppen (Kap. 16, V. 9-11 u. 12-14) sehen wir den Unglauben; den Unglauben, der die Jünger damals und heute noch hindert, den Aufgang der Sonne zu sehen.
Lukas berichtet uns die Wirkungen, die hervorgerufen wurden durch die Botschaft jener, die das Grab Jesu leer fanden. Er zeigt uns die Auferstehung nicht bloß als die Antwort Gottes in Kraft auf das vollendete Werk Christi, sondern der leitende Zug in seinem Berichte ist, daß die Auferstehung in dem Plane Gottes und in den Schriften enthalten war und daß sie nach den Schriften geschehen mußte. Weder die Weiber noch irgend einer Seiner Jünger kannten die Schriften, daß Er aus den Toten auferstehen mußte. Die Weiber waren in Bestürzung. Die Jünger waren trägen Herzens. Sie verstanden nicht, daß die Auferstehung ein Teil der Ratschlüsse und des Planes Gottes war, den Er über die Menschen hatte, und daß sie in den Schriften enthalten waren.
Mit dem Sinn und Verstand der Menschen konnte niemand die Auferstehung erfassen. Der Herr offenbarte Sich deshalb auch den zwei Emmaus-Jüngern nicht in einer solchen Weise, daß sie Ihn mit ihren Sinnen hätten erkennen können. Sie unterhielten sich miteinander über die Dinge, die sich zugetragen hatten, als Er Sich zu ihnen gesellte. Er wendet Sich nun nicht an ihre Sinnes- und Verstandesfähigkeit, Ihn zu erkennen, Ihre Augen werden im Gegenteil gehalten, Ihn nicht zu erkennen; hätten sie Ihn erkannt, so wäre es durch das Sehen ihrer Augen gewesen, Seine Absicht aber war eine ganz andere. Nicht durch ihre natürlichen Sinne sollten sie Ihn erkennen, sondern Er will durch das Wort ihr Herz und ihr geistliches Auge öffnen, denn sie waren ohne Verständnis und trägen Herzens, zu glauben an alles, was die Propheten geredet hatten. Von Mose und den Propheten anfangend, erklärt Er ihnen alles, was Ihn betraf. Nicht durch unsere natürlichen Sinne, sondern durch das Wort Gottes müssen unsere Seelen in die Gedanken Gottes eingeführt werden.
Wie die Erklärungen des Wortes in ihnen wirkten, das drückten die Jünger aus, als sie zueinander sagten: „Brannte nicht unser Herz in uns, als Er auf dem Wege zu uns redete und als Er uns die Schriften öffnete?“ Von den Schriften aus zeigte Er ihnen die Notwendigkeit Seines Sterbens und Auferstehens. Wie konnte Er nach den Gedanken und dem Vorsatze Gottes in Seine Herrlichkeit eingehen anders als durch Leiden und Auferstehen? So lehrte Er sie den Platz, welchen Seine Auferstehung in dem großen Plane Gottes für die Herrlichkeit Christi hatte, zu verstehen, und so bereitete Er sie zu, Ihn in Seinem neuen Auferstehungszustande zu erkennen, einem Stande, in dem Er nicht von der Welt noch mit den Sinnen des Menschen erkannt werden kann.
Dann lesen wir: „Er ging hinein, um bei ihnen zu bleiben“. Er ist noch derselbe Jesus, dessen Herz mit den
Seinigen hienieden verbunden war. Sie sind in der Gemeinschaft mit Ihm, dem Auferstandenen, ohne es zu wissen. Er ißt mit ihnen zu Tische, und als Er das Brot bricht, werden ihre Augen geöffnet, und sie erkennen Ihn. Und dann verschwindet Er vor ihnen, sie aber gehen zurück nach Jerusalem mit brennenden Herzen und voll von den Mitteilungen, die Er ihnen aus den Schriften gemacht hatte. Dort finden sie die Jünger versammelt, bei denen sich jetzt auch alles um Ihn, den Auferstandenen, drehte, denn Er war dem Simon erschienen. Und der Herr enttäuschte ihre Erwartungen nicht, Er kommt Selbst in ihre Mitte.
Es ist so köstlich, die Mühe zu sehen, welche der Herr Sich macht, um sie zu überführen, daß Er es Selbst, ihr auferstandener Herr, sei, der bei ihnen war. Auch jetzt wird wieder offenbar, wie unfähig die Sinne des Menschen sind, Ihn in Seinem Auferstehungszustande zu erfassen. Verwirrt und sich fürchtend, meinen sie, sie sähen einen Geist, und ungelöste Fragen steigen in ihrem Herzen auf. Als der Herr dann in so niederbeugender Güte ihrer Furcht und ihren Überlegungen begegnet und sie überführt, daß Er Selbst es sei, erfüllte ein natürliches Gefühl der Freude, aber ohne Glauben, ihr Herz, denn: „sie glaubten nicht vor Freude und verwunderten sich“. Wieder leitet der Herr sie weg von dem Gemisch ihrer Gefühle und hin zu den Worten, die Er zu ihnen geredet hatte, als Er noch bei ihnen „war“ (denn Er war jetzt nicht mehr in dem Stande wie früher bei ihnen); sie mußten es lernen, Ihn zu erfassen und zu erkennen als in einem Zustande außerhalb des Gebietes des nur natürlichen Verstehens und Erkennens. Schon damals, als Er bei ihnen war, hatte Er ihnen gesagt, daß alles, was im Worte Gottes über Ihn geschrieben sei, erfüllt werden müsse, und von dem Worte ausgehend überführte Er sie nun von Seiner Auferstehung als der Erfüllung alles dessen, was über Ihn geschrieben stand. Mit solcher Langmut öffnete Er ihnen das Verständnis und befestigte Er sie in dem: „Also stehet geschrieben“. Möchten auch unsere Herzen Ihm so zugetan sein, daß Er auch uns das Verständnis öffnen und uns in dem: „Es stehet geschrieben!“ befestigen kann.
So in die Gedanken und Pläne Gottes eingeführt und mit der Kraft des Wortes in ihren Seelen sollten sie die Zeugen Seiner Leiden und Auferstehung sein. Sie sollten die Botschaft der Buße und der Vergebung der Sünden zu allen Nationen tragen und damit anfangen bei dem schuldigen Jerusalem, sobald sie mit der Kraft aus der Höhe angetan seien. -
Als Er dann von ihnen schied, sehen wir sie nicht in Trauer. Sie hatten jetzt die Gedanken Gottes verstanden und in Anbetung und mit großer Freude kehrten sie nach Jerusalem zurück, Gott lobend und preisend, denn sie hatten Ihn in Auferstehung erkannt, Ihn, der der Mittelpunkt aller Ratschlüsse und Wege Gottes war und ist und der jetzt in den Himmel „hinaufgetragen“ war.
(Schluß folgt).