Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 15 - Jahrgang 1930
Die Gemeinden der Heiligen (1)Die Gemeinden der Heiligen (1)
Die Gemeinde.
Sobald ein Sünder an den Herrn Jesus Christus gläubig geworden und aus Gott geboren ist, so ist er damit ein wirkliches Glied der Gemeinde geworden, für welche Christus starb.
Die Gemeinde wird in der Schrift in verschiedener Weise gezeigt. Wird sie z. B. als ein Bau beschrieben, so ist der Gläubige ein lebendiger Stein in diesem Bau; wird von der Gemeinde in der Schrift als Leib gesprochen, so ist der Gläubige ein Glied desselben. Hierzu bedarf es weder der Zustimmung oder der Handlung irgend einer Person noch einer Körperschaft. Gott tut dies, und niemand weiß, daß es geschehen ist. Selbst der Neubekehrte hat nicht erst seine Einwilligung dazu zu geben oder den Wunsch zu äußern, in diese Verbindung gebracht zu werden. Ja, er mag sein Leben lang darüber völlig unwissend bleiben, daß er einem gegliederten Gebilde angehört, aber trotzdem ist es eine Tatsache: Gott hat ihn als ein Glied dem Leibe zugefügt, Christus hat ihn mit eingebaut in den Bau Seiner Gemeinde, der Heilige Geist, der in jedem Gläubigen wohnt, wohnt in dem Jüngstgeborenen genauso wie in allen anderen und verbindet ihn mit allen diesen zu einer Einheit, die nie aufgelöst werden kann.
Dank sei Gott für Sein vollkommenes Werk. An diesem Werke hat der Mensch weder Teil noch Verantwortung, d. h. er hat keinen Teil daran noch Verantwortung, den erretteten Sünder in diese Einheit zu bringen und ihn in derselben zu erhalten. Alle diese, die Christus in Seine Gemeinde eingegliedert hat, können nie aus derselben entfernt werden, so wie sie auch nichts zu scheiden vermag von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, unserem Herrn. (Röm 8,39)
Gemeinden.
Aber die Schrift spricht nicht nur von der Gemeinde (der einen großen Gesamtgemeinde, die aus allen Gläubigen vom ersten Pfingsttage an bis zur Ankunft des Herrn besteht), sondern auch von Gemeinden, (die aus allen Gläubigen an den einzelnen Orten bestehen). Diese Gemeinden werden genannt: „Die Gemeinden Gottes“ (1Kor 11,16), „die Gemeinden Christi“ (Röm 16,16), „die
Gemeinden der Heiligen“ (1Kor 14,33). Die Verschiedenheit dieser Gemeinden-Benennungen, einmal als „Gemeinde Gottes“, ein anderes Mal als „Gemeinde Christi“ und ein drittes Mal als „Gemeinde der Heiligen“, drückt damit doch nicht eine Verschiedenheit dieser Gemeinden unter einander aus. Diese verschiedenen Ausdrücke beziehen sich auf die gleichen Gemeinden, jedoch von verschiedenen Standpunkten aus gesehen. Jeder Gläubige ist ein Kind Gottes und Sein ausschließliches Eigentum.
Er ist mit dem Blute Christi erkauft, erlöst und somit Sein eigenster Besitz geworden, und der Heilige Geist wohnt in ihm. Der Gläubige ist dadurch für Gott abgesondert von der Welt. In dieser dreifachen Weise wie die einzelnen Gläubigen können auch die Gläubigen als Gemeinde, in der Kraft Gottes nach Seinem Worte versammelt, angesehen werden.
Außer den schon beschriebenen drei Benennungen finden wir die Gemeinden auch nach den Ländern oder Provinzen, in denen sie sich befanden, angegeben, z. B. die Gemeinden von Galatien (Gal 1,2) und die Gemeinden von Judäa (Gal 1,22). Diese Ausdrücke besagen indessen keineswegs, daß die in einer Gruppe zusammengefaßten Gemeinden sich näher verbunden gefühlt hätten als mit denjenigen in anderen Ländern.
Alle diese Gemeinden waren die „Gemeinden Gottes“, die „Gemeinden Christi“ und die „Gemeinden der Heiligen“, in welchen Provinzen und Ländern sie auch sein mochten.
Während viele Gläubige ein einsichtsvolles Verständnis haben, was mit der Ecclesia = Gemeinde (von etlichen auch mit Kirche oder Versammlung übersetzt), die Christi Leib ist, gemeint sei, herrscht in der toten Christenheit im allgemeinen eine große Verwirrung darüber.
Diese Menschen bauen prächtige, große Gebäude, um in ihnen Gottes Wort zu hören und zu Ihm zu beten, und sie nennen diese Gebäude „Kirchen“. Und leider auch Gläubige bringen an ihren Gebäuden Inschriften an wie z. B. „Methodistenkirche“ usw., und hierin liegt ein ernstes Mißverstehen des Ausdruckes „Ecclesia“.
Aber noch ein weiteres Abweichen finden wir. Christliche Körperschaften haben ihren menschlich-arrangierten und religiös-organisierten Einrichtungen das Wort „Gemeinde“ unterlegt und kennzeichnen mit dem Worte „Gemeinde“ ihre verschiedenen religiösen Organisationen und Gebräuche und stehen damit im Gegensatz zu der Bedeutung, welche die Schrift dem Worte gibt.
Ich berühre die Dinge nicht, um diese Irrtümer bloßzustellen, sondern ich führe sie nur an, weil sie dazu beitragen, die wahre Bedeutung des Wortes „Ecclesia“ = Gemeinde zu verdunkeln.
Nun möchte ich den Leser bitten, mit aller Aufmerksamkeit einige Stellen der Schrift, in welchen von den örtlichen Gemeinden geredet wird, sorgfältig zu beachten, damit er aus der Schrift selbst ein klares Verständnis erhält von dem, was der Heilige Geist meint, wenn Er das Wort „Gemeinde“ (Ecclesia) in der Schrift gebraucht. „Wenn er aber nicht auf sie hören wird, so sage es der Gemeinde; wenn er aber auch auf die Gemeinde nicht hören wird, so sei er dir wie der Heide und der Zöllner.“ (Mt 18,17) „Es geschah ihnen aber, daß sie ein ganzes Jahr in der Gemeinde zusammenkamen und eine zahlreiche Menge lehrten, und daß die Jünger zuerst in Antiochien Christen genannt wurden.“ (Apg 11,26) „Als sie aber angekommen waren und die Gemeinde zusammengebracht hatten, erzählten sie alles, was Gott an ihnen getan, und daß Er den Nationen eine Tür des Glaubens aufgetan habe.“ (Apg 14,27) „Und als er zu Cäsarea gelandet war, ging er hinauf und begrüßte die Gemeinde und zog hinab nach Antiochien.“ (Apg 18,22) „Von Milet aber sandte er nach Ephesus und rief die Ältesten der Gemeinde herüber.“ (Apg 20,17) „Wenn nun die ganze Gemeinde an einem Orte zusammenkommt und alle in Sprachen reden, und es kommen Unkundige oder Ungläubige herein, werden sie nicht sagen, daß ihr von Sinnen seid?“ (1Kor 14,23) „Ich war aber den Gemeinden von Judäa, die in Christo sind, von Angesicht unbekannt.“ (Gal 1,22) „Ihr wisset aber auch, ihr Philipper, daß im Anfang des Evangeliums, als ich aus Mazedonien wegging, keine Gemeinde mir mitgeteilt hat in bezug auf Geben und Empfangen, als nur ihr allein.“ (Phil 4,15) „Wenn ein Gläubiger oder eine Gläubige Witwen hat, so leiste er ihnen Hilfe, und die Gemeinde werde nicht beschwert, auf daß sie denen Hilfe leiste, die wirklich Witwen sind.“ (1Tim 5,16) „Ich schrieb etwas an die Gemeinde.“ (3Joh 9) „... und sich hiermit nicht begnügend, nimmt er selbst die Brüder nicht an und wehrt auch denen, die es wollen, und stößt sie aus der Gemeinde.“ (Vers 10).
Gegensätzliches und Ähnliches.
Die soeben angeführten Schriftstellen sind nur eine kleine Auswahl von vielen ähnlicher Art. Wenn wir diese Stellen frei von altgewohnten Vorstellungen lesen, so sehen wir, dass unfehlbar von der Gemeinde als einer Körperschaft gesprochen wird. Eine Körperschaft, die sich an bestimmten Orten versammelt und die, wenn es erforderlich ist, auch zusammengerufen werden kann. Mit einer solchen Gemeinde vermochte man zu sprechen. Man konnte an sie schreiben, und sie, die Gemeinde anderseits, konnte mit einzelnen Gläubigen in solch individueller Weise reden, daß der Betreffende wußte, daß das, was die Gemeinde sprach oder urteilte, an ihn gerichtet sei.
Das hier soeben Ausgeführte kann natürlich nicht auf die eine, große Gesamtgemeinde angewandt werden.
Wenn nun ein so großer Unterschied zwischen „diesen Gemeinden“ und „der Gemeinde“, für die Christus Sich Selbst hingab, besteht, so muß es doch einen Grund haben, daß der Heilige Geist beide mit dem gleichen Wort „Gemeinde“ bezeichnet; daß Er sowohl eine kleine Körperschaft von wenigen Personen an irgend einem Orte und die allgemeine große Gesamtheit der Kinder Gottes auf der ganzen Erde mit dem einen gleichen Wort „Gemeinde“ benennt. An den beiden Stellen, wo das Wort „Gemeinde“ in der Schrift zum ersten Male von dem Herrn Selbst gebraucht wird, wird es von Ihm in diesen zwei erwähnten verschiedenen Weisen angewandt. In Mt 16,18 sagt der Herr: „Auf diesen Felsen will Ich Meine Gemeinde bauen ...“ Dagegen fordert Er in der oben angeführten Schriftstelle Mt 18,17 jemand auf, etwas „der Gemeinde“ zu sagen, und spricht auch davon, wenn jemand nicht hört auf das, was die Gemeinde ihm sagt. In der erstem
Stelle ist der Herr der allein Handelnde, und es ist selbstverständlich, daß das, was Er macht, niemand zu verderben vermag. Aber in der zweiten Schriftstelle wird den Gläubigen eine Verantwortung auferlegt, mit dieser Verantwortung ist auch die Möglichkeit des Fehlens vorhanden.
Aber der Gebrauch des einen Wortes „Gemeinde“ für beide (die große allgemeine Gemeinde und die örtliche Gemeinde) ist keineswegs der einzige Punkt, der Ähnliches zeigt. Bei beiden Gelegenheiten spricht der Herr von einem Binden oder Lösen auf Erden, welches auch im Himmel stattfindet. In der ersten Schriftstelle finden wir, daß sich dieses gründet auf das Bekenntnis, daß Er Christus, der Sohn des lebendigen Gottes ist. Dies veranlaßt uns, nach einer ähnlichen Grundlage für die Erklärung der zweiten Stelle, in Kap. 18, zu forschen, und wir tun es nicht vergebens, denn wir lesen „Wo zwei oder drei versammelt sind in Meinem Namen, da bin Ich in ihrer Mitte.“
Es ist oft der bequeme Versuch gemacht worden, die Verse 19 und 20 mit einander zu verbinden, nur aus dem Grunde, weil der eine dem anderen voran steht, um damit zu beweisen, daß die Erklärung des Herrn Jesus in Vers 20 sich nur auf „Gebetsversammlungen“ beziehe.
Nichts blendet unsere Gedanken mehr als langgewohnte Meinungen und Vorurteile. In dem 19. Verse finden wir nichts von einer Gebetsversammlung. Der Herr gibt zwei Personen eine kostbare Verheißung, wenn sie auf der Erde übereinkommen, über irgend eine Sache zu beten. Aber Er sagt nicht ein einziges Wort betreffs eines Zusammenkommens, um zu beten. Sie mochten an den entgegengesetzten Enden der Erde sein, und dennoch waren sie berechtigt, auf diese Verheißung zu bauen.
Der 20. Vers dagegen aber spricht von Personen, die versammelt sind in Seinem Namen, und der Herr erklärt, daß Er Selbst in der Mitte solcher ist. Dies gibt uns die Grundlage für das, was der Herr über das Binden und Lösen in Vers 18 sagt, gerade so, wie Er das Bekenntnis Petrusüber Sich als Christus, dem Sohn Gottes, zur Grundlage für die übereinstimmende Darlegung im 16. Kap. macht. Der Versuch aber, die Verse 19 und 20 zu vereinigen, läßt uns gänzlich ohne jede Unterlage für die erhabenen Worte des 18. Verses; wir würden sogar genötigt sein zu sagen, daß der 18. Vers auch zum 19. Verse gehöre; und damit würde man sagen können, daß irgend welche zwei Personen, die über einen Gegenstand zum Gebet übereingekommen sind, fähig wären, dieses Binden oder Lösen auszuüben.
Wenn zwei von euch übereinkommen.
Es ist deshalb ganz klar, daß Vers 19 nicht unmittelbar zu dem Gegenstand gehört, den der Herr in den Versen 15-18 behandelt, obgleich er natürlich damit verbunden ist. Der genaue Wortlaut des Verses zeigt dieses. Die Worte: „Wiederum sage Ich euch“ (V. 19) besagen es, daß der Herr für einen Augenblick einen besonderen, obgleich damit zusammenhängenden Gedanken einführt. Man beachte ferner, daß der Herr Sich in Vers 19 nicht an die ganze Gemeinde wendet, wie Er es in Vers 18 tut, sondern daß Er sagt: „Wo zwei von oder aus euch auf der Erde übereinkommen.“ (Er gebraucht dasselbe Wort wie in Kap. 17,9 „aus“ den Toten auferstanden). In beiden Fällen kann es in unserer Sprache nur so ausgedrückt werden, als wenn man sagt: „aus“ eurer Mitte. Der Herr sagt somit gleichsam: wenn zwei aus eurer Mitte übereinkommen. Es wird nun natürlich gefragt werden, warum hier überhaupt die Verheißung gegeben wird. Ich glaube, die Antwort ist einfach. Der Herr hatte zuerst Belehrungen gegeben, wie sich der Einzelne einem Bruder gegenüber, der gegen ihn gesündigt hatte, verhalten soll. Der, gegen den gesündigt war, sollte allein zu dem Bruder gehen, und erst danach sollte er einen oder zwei mitnehmen. Wenn auch dies nutzlos ausfiel, so sollte es der Gemeinde gesagt werden. Der Herr verweist sie damit als letztes an die Gemeinde, mit deren Handlung Machtbefugnis verbunden war. Bevor Er aber auf die Grundlage und Quelle dieser Machtbefugnis (V. 20, daß Er in ihrer Mitte sei) hinweist, bricht Er einen Augenblick ab, um den in einer solch traurigen Sache Handelnden eine gnädige Zusicherung zu geben. Zu denen, die zuerst ihren irrenden Bruder zu gewinnen gesucht hatten, sagt Er gleichsam, obwohl es euch nicht gelungen ist und die Gemeinde nun mit dem Bruder gehandelt hat, ist es doch euer besonderes Vorrecht, wegen des irrenden Bruders auf Gott zu warten. Ohne Zweifel hatten sie für ihn gebetet, ehe sie ihn aufsuchten, und obwohl sie ihn nicht gewonnen hatten, sind doch ihre Gebete nicht vergeblich, und der Herr ermutigt sie, ihre Fürbitte in Einheit des Herzens fortzusetzen. Diese Verheißung ist ohne Zweifel auch für andere Gelegenheiten gültig. Und wie schon gesagt, ist es keineswegs erforderlich, daß die Personen, die übereinkommen zu beten, notwendig miteinander versammelt sein müssen. Beide, sowohl der Gegenstand als auch der Aufbau und Zusammenhang der Verse zeigen, daß Vers 19 eine Parenthese (Einschaltung) ist und daß der Herr den Gegenstand, den Er in Vers 18 abgebrochen hat, mit dem 20. Vers zu Ende führt.
(Fortsetzung folgt, s. G. w).