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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 19 - Jahrgang 1934
Jerobeam, der Mann Gottes aus Juda und der alte Prophet aus Bethel
1Kön 13,1-10 - Jerobeam und der Mann Gottes aus Juda (2)1Kön 13,1-10 - Jerobeam und der Mann Gottes aus Juda (2)
Jerobeam hatte die sündigen Pläne seines Herzens, durch welche er seinen Thron befestigen wollte, zur Ausführung gebracht: Götzenbilder waren in Bethel und Dan aufgestellt - Priester aus allem Volke gemacht und die Feste und Einrichtungen Jehovas verändert. Menschen, die sich selbst zu Priestern gemacht hatten, übten den selbsterdachten Gottesdienst aus, und das Volk bückte sich in der Vorstellung, Jehova anzubeten, vor den goldenen Kälbern. So waren Jehova und Sein Wort beiseite gesetzt und eine von Menschen ersonnene Religion an deren Stelle getreten. Und alles dieses tat Jerobeam nicht in Unwissenheit, sondern in der vollen Kenntnis Jehovas und Seiner Gebote, nur weil er in seinen Überlegungen eine Gefahr darin für sein Königreich sah. (Vgl. Röm 1,21.22)
Unser heutiger Abschnitt schließt sich eng an die Schlußverse des 12. Kapitels an. Er berichtet uns, wie Jerobeam an dem von ihm errichteten Altar steht, um zu räuchern. Es scheint ein besonders festlicher Tag zu sein. Vielleicht sollte hier in Bethel die feierliche Einführung des neuersonnenen Gottesdienstes stattfinden und auf diesem Altar der neue Kultus zur Darstellung kommen - weshalb der Mann Gottes dann auch nicht Jerobeam, sondern den Altar anredet. Um den neuen gottesdienstlichen Einrichtungen ein besonderes Ansehen und Gewicht zu geben, tritt der König in eigener Person an den Altar, um die Opferhandlung zu vollziehen, die ihm nicht erlaubt war, und die nur der Familie Aarons zustand. In öffentlicher Mißachtung der Bestimmungen Gottes, vor den Augen des ganzen Volkes erkühnte er sich, an den Altar zu treten und dem Befehle Gottes zuwider seinen selbstersonnenen Gottesdienst auszuüben.
Gott schweigt nicht zu diesem seinem bösen Tun. Er sendet Seinen Boten aus dem Lande Juda, Sein Urteil wider diesen freventlich errichteten Altar und Kultus auszurufen. Der Name des Boten wird uns nicht genannt, aber er wird uns als ein „Mann Gottes“ bezeichnet. Männer, die diesen Herrlichen Titel trugen, hat es zu allen Zeiten gegeben. Von Mose, David, Elia, den Propheten, Timotheus u. a. m. spricht die Schrift als von „Männern Gottes“. Sie sind Menschen, die für Gott eintreten und Seine Rechte behaupten. Wenn Gott und Sein Wort aufgegeben wird, bekennen sie Ihn, auch wenn sie ganz allein stehen. So, wie die Sterne in den Stunden der Dunkelheit hervortreten und sichtbar werden, so treten auch die Menschen Gottes ganz besonders in den dunklen Zeiten des Aufgebens der Wahrheit und des Verleugnens des Herrn hervor. Getrennt vom Bösen, zeugen, handeln und stehen sie im Glauben für ihren Gott, ohne äußere Stützen, allein vertrauend Seiner Macht und gekennzeichnet durch ihr treues Eintreten für ihren Gott und das Festhalten Seines Wortes.
Die Aufgabe, die der Mann Gottes von Juda erfüllen sollte, war nicht einfach. Tiefe Feindschaft Herrschte zwischen Israel und Juda. Jerobeam hatte, um sein Volk vom Lande Juda fernzuhalten und damit es auch nicht zu den Festfeiern nach Jerusalem gehe, Jehova und Sein Wort verlassen und einen eigenen Gottesdienst ersonnen, durch welchen sein Volk unabhängig vom Hause Gottes in Jerusalem und der Bestand seines Reiches gesichert werden sollte. An dem Tage nun, da der kluge und mächtige König sein Werk krönen und in der Mitte seines Volkes und der Höchsten seines Reiches in eigener Person den neuen Kultus an dem von ihm gemachten Altar zu Bethel ausüben wollte, wollte auch Gott Sein Gericht über diesen Frevel verkünden lassen. Das war für den Mann Gottes keine kleine Sache; er, ein einzelner Mann, noch dazu aus dem verhaßten Juda, sollte dem mächtigen König das Gericht Gottes ankünden, und zwar nicht im Verborgenen unter vier Augen, sondern öffentlich vor dem ganzen Volke!
Vom Worte Jehovas gewiesen, geht er nach Bethel und kommt dort zu der Stunde an, als der König am Altar steht, um zu räuchern. Dem Geheiß des Herrn folgend, unterbricht er furchtlos - plötzlich die feierliche Stille mit dem Ruf: „Altar, Altar! So spricht Jehova: Siehe, ein Sohn wird dem Hause Davids geboren werden, Josia sein Name; und er wird auf dir die Priester der Höhen schlachten, die auf dir räuchern, und man wird Menschengebeine auf dir verbrennen!“ Der Altar war gleichsam der Inbegriff, der Repräsentant der neuen Religion. Und mit der Ankündigung, daß Menschengebeine auf ihm verbrannt würden, zeigte Gott an, welch ein Abscheu dieser Kultus Ihm war.
Wir können verstehen, daß der König, als er sein Programm so jäh durchkreuzt sah, seine Hand ausstreckte und voll Zorn rief: „Greifet ihn!“ Der Herr aber nimmt Seinen mutigen Zeugen in Seinen Schutz. Niemand folgt dem Befehle, ihn festzunehmen. Etwas anderes bannt ihren Blick: des Königs Hand verdorrt. In dem Augenblick, als er rief: „Greifet ihn!“, ließ Gott seinen Arm erstarren und nahm damit seinen Worten jede Kraft. Denn wer wollte nun noch wagen, seine Hand wider den Propheten Gottes auszustrecken, ohne sich der Gefahr auszusetzen, in gleicher Weise von Gott gestraft zu werden?! Da stand der König, umgeben von seinem Volke, als ein Bild des Schreckens und der Warnung. Gott hatte den zum Befehl erhobenen Arm zur warnenden Hand gemacht, Seinen Knecht ja nicht anzutasten. Und noch mehr! Sie sehen den Altar bersten und die Fettasche darauf verschüttet werden. So hatte der Mann Gottes es angekündigt, als Beweis dafür, daß Jehova durch seinen Mund geredet habe (1Kön 13,3). Staunend, ja, bis ins Innerste getroffen, sieht das Volk den König gerichtet und den Altar verworfen. Kein Zweifel war gelassen: Gott hatte geredet! Jeder mußte fühlen, daß Gottes Gericht den treffen würde, der mit diesem Altar verbunden war. Welch eine gewaltige Mahnung zur Buße und Umkehr ließ Gott von diesem Altar ausgehen! Ja, Gott weiß Seinen Knecht zu schützen und Seinen Worten Nachdruck zu geben. Und wie Er Seinen Knecht nicht verließ, als dieser in ernster Stunde furchtlos und treu das Zeugnis für seinen Gott ablegte, so wird der Herr auch uns nicht verlassen, wenn wir in dunkler und gefahrvoller Zeit Seinen Namen bekennen und Wege des Glaubens und Gehorsams gehen. Möchten wir es mehr lernen, den Blick auf Ihn zu richten und nicht auf die Macht des Bösen und auf die Schwierigkeiten.
Gott läßt das Gericht und auch den Vollstrecker des Gerichtes durch den Mann Gottes verkünden, so wie es auch heute unsere Aufgabe ist. (Apg 17,30.31) Aber Seine Langmut wartet mit der Ausführung des Gerichtes, um noch die Gewissen zu erreichen. Er ist ein Gott, der keinen „Gefallen am Tode des Gesetzlosen hat, sondern daß der Gesetzlose von seinem Wege umkehre und lebe!“ (Hes 33,11) Mag Gottes Geduld auch lange mit der Ausführung des Gerichtes warten, so läßt Er es doch an Beweisen für den sicheren Vollzug desselben nicht fehlen. Sein richtender Arm wurde schon in der gelähmten Hand des Königs und in dem Riß des Altars geschaut und bezeugte dem König und dem Volke das sichere Kommen Seines gerechten Gerichtes.
Der Unglaube mag über die Langmut Gottes spotten und sagen: „Wo ist die Verheißung Seiner Ankunft? denn seitdem die Väter entschlafen sind, bleibt alles so von Anfang der Schöpfung an.“ Wir aber wissen, daß der Herr die Verheißung nicht verzieht, sondern daß Er langmütig ist, „da Er nicht will, daß irgendwelche verlorengehen, sondern daß alle zur Buße kommen“. Und wir achten deshalb „die Langmut unseres Herrn für Errettung“ (2Pet 3,4.9.15). Die Welt kümmert sich nicht um die Weissagung Henochs17, des siebenten von Adam: „Siehe, der Herr ist gekommen inmitten Seiner heiligen Tausende, Gericht auszuführen.“ (Jud 14) Und die Menschen höhnen, weil es noch nicht geschehen ist, aber sie vergessen, daß Gott sie schon einen Vorboten dieses Gerichtes in der Sintflut hat sehen lassen.
Bis auf den heutigen Tag hat Gott nicht aufgehört, durch solche Vorboten - gleichsam Schatten der zukünftigen Geschehnisse - die Welt an die sichere Erfüllung Seines Wortes zu mahnen. Aber so wie damals alle diese Warnungsstimmen weder bei dem König noch dem Volke wahre Buße und Umkehr bewirkten, so ist es auch heute noch, und die Weissagung Jesaias erfüllt sich: „Mit Gehör werdet ihr hören und doch nicht verstehen, und sehend werdet ihr sehen und doch nicht wahrnehmen; denn das Herz dieses Volkes ist dick geworden und mit den Ohren haben sie schwer gehört und ihre Augen haben sie geschlossen, damit sie nicht etwa mit den Augen sehen und mit den Ohren hören und mit dem Herzen verstehen und sich bekehren und Ich sie heile.“ -“Glückselig aber eure Augen, daß sie sehen, und eure Ohren, daß sie hören.“ (Mt 13,14-16) Jerobeam, der so kühn und Gott herausfordernd an den Altar getreten war und in seiner Wut über die Störung den Mann Gottes zu greifen befohlen hatte, muß nun seine völlige Ohnmacht erkennen. Kleinlaut, demütig, wendet er sich jetzt an den Mann Gottes um Fürbitte, gewissermaßen seine Sünde vor Gott zu lösen, wie es einst Moses für seine Schwester Mirjam tat (4Mo 12,13). Der König bittet: „Flehe doch Jehova, deinen Gott, an und bete für mich, daß meine Hand mir wiedergegeben werde.“ (V. 6) Er sagt nicht „mein Gott“ noch „unser Gott“, er sagt: „Flehe ... deinen Gott an.“ Armer Mann! Sein Gewissen mußte ihm sagen, daß er kein Recht hätte, diesen Gott „seinen Gott“ zu nennen, noch Gnade von Dem zu erwarten, gegen Den und gegen Dessen Boten er so frevelnd gesündigt hatte und den er nun öffentlich als Gottes Boten, der in Jehovas Auftrage geredet hatte, anzuerkennen gezwungen war.
Der Mann Gottes betet für den, der ihn haßte und ihm Böses zugedacht hatte. Der Mann Gottes war sich bewußt, an „diesem Orte“ für seinen Gott zu stehen und ihn darzustellen. O möchten auch wir uns dessen mehr bewußt sein! König und Volk hatten durch sein Zeugnis Ihn als den heiligen und richtenden Gott erlebt, der Sünde bestraft; nun sollten sie Ihn auch erleben als Den, der gnädig und barmherzig ist und das Angesicht nicht von denen abwendet, die zu Ihm umkehren (2Chr 30,9). Der Mann Gottes erfüllt das Wort des Herrn: „Tut wohl denen, die euch hassen, und betet für die, die euch beleidigen und verfolgen.“ (Mt 5,44) Er handelt nach dem Herzen Gottes, und das Gebet für seinen Feind wird erhört.
Welch ein Herrliches Vorbild für uns! Hat der Herr nicht auch uns zugesagt, zu tun, was wir in Seinem Namen bitten? (Joh 14,13) Die Söhne sollen die Art des Vaters haben. Wir sollen Christi Bild tragen: Nicht Böses mit Bösem vergelten und Scheltwort mit Scheltwort, sondern vielmehr segnen, damit wir den Segen erlangen (1Pet 2,21-23; 3,9). Der Knecht Gottes, obwohl er ein Mann aus dem Königreich Juda war, zeigte keine Feindschaft gegen den feindlichen König von Israel. Er konnte nicht hindern, daß dieser ihm feind war. Auch wir können nicht verhindern, daß andere uns feind sind, aber wir sollten keinem Menschen feind sein oder dessen Feindschaft erwidern, sondern ihm Gutes tun und feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln. Beschäftigt sich aber unser Herz mit dem Bösen oder mit dem, was man uns angetan hat, so werden auch wir bald nicht mehr frei vom Bösen bleiben und, statt das Böse mit dem Guten zu überwinden, vom Feinde versucht werden, das Böse mit Bösem zu vergelten (Röm 12,17-21), und den Segen verlieren, den wir, wenn wir Segnende sind, ererben.
Auf das Gebet des Mannes Gottes wird die verdorrte Hand des Königs wieder hergestellt, aber nicht sein Herz geändert. Als der König seinen Arm wieder bewegen kann, nimmt er eine völlig andere Stellung dem Manne Gottes gegenüber ein. Er zollt ihm seine Anerkennung, lädt ihn in sein Haus ein, sich zu stärken und ein Geschenk anzunehmen. Wenn wir unser Herz kennen, dann verstehen wir, welche Versuchung und welch listige Schlinge dieses Angebot für den Mann Gottes sein mußte. Der König hatte die gewaltige Wirkung des Eingreifens Jehovas durch Seine Macht nicht verhindern können. Nun suchte er sie durch seine Freundschaft zu schwächen und zu verwischen. Gott kannte die Gefahr zuvor, und Er gab Seinem Knechte Anweisung, wie er sich an „diesem Orte“ verhalten solle. Kein Brot solle er dort essen und kein Wasser trinken, auch nicht auf dem Wege zurückgehen, den er gegangen war. So wie einst Abraham das Angebot des Königs von Sodom und Daniel das Angebot Nebukadnezars ablehnten, so wies auch hier der Mann Gottes das Angebot des Königs Jerobeam zurück. Die Weise, wie er es tat, sich einfach und allein auf das Wort Gottes berufend, ist sehr belehrend für uns. Sein Wort ist unsere beste Wehr und Waffe, den listigen Anläufen des Feindes zu entgehen und in der Versuchung bewahrt zu bleiben. Der Herr Selbst ist unser Vorbild, der, als Er vom Teufel versucht wurde, dem Versucher einzig und allein mit dem geschriebenen Worte entgegentrat.
Wie mußte die Ablehnung, nicht um die Hälfte seines Hauses dasselbe betreten zu wollen, den König berühren! Wie mußte er es fühlen, daß Gott Sich um seiner Sünde willen so von ihm abgekehrt hatte, daß Er Seinem Knechte befohlen, keine Gemeinschaft, keine Verbindung mit ihm und allem, womit seine Person verbunden war, zu haben, noch mit dem Orte, wo Gott so verunehrt wurde! Enthält dieser
Befehl nicht auch Unterweisungen für uns? Auch für unser Zeugnis und unsere Stellung zu Gott ist es durchaus nicht gleichgültig, mit welchen Personen oder Dingen wir in Gemeinschaft oder Verbindung stehen. Das Essen und Trinken wird in der Schrift oft als ein Zeichen des Gemeinschaftverhältnisses angesehen. (1Kor 5,11; Lk 15,2; Gal 2,12; 1Kor 10,18 u. 21)
Der Herr hat uns begnadigt, Seine Zeugen in dieser Welt - an „diesem Orte“ - zu sein. Er will nicht, daß wir durch Gemeinschaft mit den Ungläubigen und der Welt die Kraft Seines Zeugnisses in Frage stellen und unser persönliches Verhalten in Widerspruch mit demselben bringen. (2Kor 6,14-18) Der Mann Gottes entfernte sich deshalb, ohne das Geringste von dem König anzunehmen.
Er hatte das Wort seines Gottes geredet - das Zeugnis abgelegt - alles weitere überläßt er seinem Gott. So schnell und so still, wie er gekommen war, entzieht er sich jetzt den Augen der Menschen, damit nicht durch das Schauen auf seine Person die Kraft des abgelegten Zeugnisses geschwächt und der Blick von dem Herrn abgelenkt werde.
A. v. d. K.
17 Henoch schaute die Zukunft als Gegenwart, so wie Jesaja später auch weissagte: „Ein Kind ist uns geboren“ (Jes 9,6). „Fürwahr, Er hat unsere Leiden getragen“. (Jes 53,4)↩︎