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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 18 - Jahrgang 1933
Heb 12,13 - Machet gerade Bahn ...!Heb 12,13 - Machet gerade Bahn ...!
In den vorhergehenden Versen unseres Schriftabschnittes hatte der Apostel von den Erziehungswegen Gottes geredet. Jetzt ermuntert er die Hebräer, die erschlafften Hände wieder aufzurichten. Wenn sie auch das Walten Gottes in den über sie hereingebrochenen Verfolgungen nicht verstanden, wie auch Kinder die Erziehungswege der Eltern nicht verstehen mögen, eins aber sollten sie wissen, daß alles, was durch ihres Gottes und Vaters Zulassung über sie kam, ihnen nützlich und heilsam sein mußte. Die Trübsale, durch welche sie hindurchgingen, sollten nach Gottes Liebe und Weisheit ihnen dazu dienen, Seiner Heiligkeit teilhaftig zu werden. „Darum“, sagt der Apostel, „richtet auf die erschlafften Hände und die gelähmten Knie.“
Die Welt mag in Leiden und Trübsalen verzagen, Kinder Gottes aber sollten es nicht. Und doch, wie leicht sind wir entmutigt, wenn Gott Seine Rute gebraucht und ernste Erziehungswege mit uns geht! Aber haben wir wirklich Grund dazu? Wissen wir nicht, daß unser Weg durch viel Trübsal zur Herrlichkeit geht? Begegnet uns etwas Fremdes? Haben wir vergessen, daß auch in Trübsalszeiten die allmächtigen Hände Dessen über uns sind, der uns liebt? Nein, wir haben keine Ursache, unsere Hände erschlaffen und unsere Knie erlahmen zu lassen. Wie der Weg auch sei, laßt uns auch in dunklen Tagen dem Herrn im Glauben vertrauen! Der Psalmist sagt: „Der die Nationen zurechtweist, sollte Er nicht strafen, Er, der Erkenntnis lehrt den Menschen? Glückselig der Mann, den Du züchtigst, Jehova, und den Du belehrest aus Deinem Gesetz.“ (Ps 94,10.12) Ja, glückselig der Mann, dem mit den Züchtigungen auch die Belehrungen des Herrn zuteil werden!
Alsdann fährt der Apostel fort: „Und machet gerade Bahn für eure Füße, auf daß nicht das Lahme vom Wege abgewandt, sondern vielmehr geheilt werde.“ Der Weg mag rauh und dornig sein, aber er muß gerade sein. Kein Abweichen, weder zur Rechten noch zur Linken, darf bei uns gefunden werden. Die Wege des Herrn sind gerade, und wenn Er uns führt, dann führt Er uns „auf Bahnen der Geradheit“ (Spr 4,11). Als die Philister die Lade Jehovas, die sie geraubt hatten, auf einen neuen Wagen setzten und zwei säugende Kühe, deren Kälber sie zu Hause eingesperrt hatten, vor den Wagen spannten, gingen die Kühe „geradewegs“ auf dem Wege nach Beth-Semes, auf einer Straße gingen sie und wichen nicht zur Rechten noch zur Linken (1Sam 6,10-12). Das ist die Weise, wie Gott führt. Er führt geradewegs so, daß selbst Einfältige nicht irregehen (Jes 35,8). Lassen wir uns von Ihm leiten, so liegen gebahnte und gerade Wege vor uns. David betete einst: „Leite mich, Jehova ..., ebne (oder mache gerade) vor mir Deinen Weg.“ (Ps 5,8)
Wie wichtig ist es, gerade Bahn für unsere Füße zu machen, damit sie nicht auf Abwege geraten! Der Feind ist immer daran, „die geraden Wege des Herrn zu verkehren“, und wenn wir nicht wachsam sind, so können wir sicher sein, daß er wacht und Gelegenheit und Werkzeuge findet, die uns von dem geraden Wege des Herrn abwendig machen. Petrus warnt deshalb die Gläubigen vor solchen, „die den geraden Weg verlassen haben und abgeirrt sind, indem sie dem Wege des Balaam nachfolgten, des Sohnes Bosors, der den Lohn der Ungerechtigkeit liebte“ (2Pet 2,15). Sind wir frei von der Gefahr des Abweichens und des Abirrens in verkehrte Dinge und Lehren? Sind wir den Verdrehungskünsten des Feindes nicht mehr ausgesetzt? Hat er aufgehört, die „geraden Wege des Herrn“ und das „gerade Wort Jehovas“ zu verkehren? (Apg 13,10; Ps 33,4) Locken uns keine Ungehorsams- und Balaamswege? Lockt uns kein Gold Balaks, keine Freundschaft, kein Ansehen, keine Lust der Welt? Auch wir stehen den Versuchungen zum Ungehorsam, zum Trug, zur Lust dieser Welt nicht gefeit gegenüber. Gott kennt die uns drohenden Gefahren und ermahnt uns: „Machet gerade Bahn für eure Füße.“ „Laß deine Augen geradeaus blicken, und deine Wimpern straks vor dich hinschauen. - Ebne die Bahn deines Fußes, und alle deine Wege seien gerade; biege nicht aus zur Rechten noch zur Linken, wende deinen Fuß ab vom Bösen.“ (Spr 4,25-27) Ja, Er sagt uns, daß Sein Herz erfreut ist, wenn unsere „Lippen Geradheit reden“. (Spr 23,16)
Und nicht nur um unserer eigenen Füße willen sollen wir gerade Bahn machen; es gibt auch Lahme unter Gottes Volk, und Gott gedenkt hier der Lahmen. Er sagt: „Machet gerade Bahn für eure Füße, auf daß nicht das Lahme vom Wege abgewandt, sondern vielmehr geheilt werde.“ Unserabwegiges Verhalten kann dem Lahmen ein Anlaß werden, sich vom Wege abzuwenden und auf Abwege zu geraten, während er durch die gerade Bahn unserer Füße geheilt werden könnte. Schon die Tatsache, daß es Lahme auf dem Wege des Glaubens gibt, ist so traurig, daß sie uns mit Ernst über unseren Weg und unser Verhalten wachsam machen und zur Selbstprüfung und zur Beugung vor dem Herrn bringen sollte.
Lahmheit darf nicht mit Schwachheit verwechselt werden. Gottes Volk mag schwach sein, aber es ist nicht lahm. Schwachheit, Krankheit aber können Ursachen zur Lahmheit sein. Manche Kinder Gottes wurden durch Schwachheit lahm, weil sie sich nicht von der unverfälschten Milch des Wortes nährten. Sie blieben in ihrem Wachstum zurück und verkümmerten bis zur Lahmheit. Andere wurden „krank an Streitfragen und Wortgezänken“, weil sie nicht beitraten „den gesunden Worten, die unseres Herrn Jesus Christus sind, und der Lehre, die nach der Gottseligkeit ist“ (1Tim 6,3.4). Die Philosophie des Menschen, die Dinge der Welt, die Lust des Fleisches, die Lust der Augen und der Hochmut des Lebens fraßen an ihrem inneren Leben. Verkrüppelt und gelähmt wurde ihr Gang ein Gang des Strauchelns.
Mephiboseth, der Sohn Jonathans, wurde lahm durch einen Fall. Er fiel durch die Torheit seiner Amme. Als die Nachricht von dem Tode Sauls und Jonathans sie erreichte, da floh sie mit dem fünfjährigen Knaben vor David. Gewiß, sie hatte ihren Schützling lieb und war besorgt um sein Leben. Sie traute David nicht, der Jonathan geschworen hatte, Güte seinem Hause zu erweisen, und Saul geschworen hatte, seine Nachkommen nicht zu vertilgen (1Sam 20,15-17; 24,22.23). Sie kannte Davids Herz nicht; voll Furcht floh sie in Angst und Haß. Statt sich David anzuvertrauen, ging sie ihren eigenen Weg, und ihr verkehrter Weg wurde Mephiboseth zum Verhängnis; er fiel und wurde lahm für sein ganzes Leben. Welche Warnung für jeden von uns, dem Herrn zu vertrauen und Sein Wort im Glauben zu erfassen! „Wer glaubt, wird nicht ängstlich eilen.“ (Jes 28,16) „Wer mit den Füßen hastig ist, tritt fehl.“ (Spr 19,2)
Wir finden aber auch Lahme, die von Geburt an lahm sind. Apostelgeschichte 3,2 und 14,8 berichtet uns von solchen. Man möchte sagen, diese Lahmheit von Geburt an sei hoffnungslos, aber sie wurde durch die Kraft des Namens Jesu geheilt. So wie im Leiblichen, so ist es auch im Geistlichen. Auch hier gibt es Seelen, die gewissermaßen von Geburt an lahm sind. Ihnen wurde nie ein klares Evangelium verkündigt. Wohl erfaßte ihr Glaube den Heiland der Sünder, aber die herrliche Botschaft der Gnade Gottes und des Kreuzes Christi wurde ihnen mit so vielen Lehren und Satzungen der Menschen vermischt und umhüllt gebracht, daß sie gleichsam von Geburt an verkrüppelt und lahm ins Leben eingingen. Unbefestigt und bei ihrer Errettung stehengeblieben, kommen sie kaum zum Genuß der Freude, durch ein Opfer auf immerdar vollkommen gemacht zu sein (Heb 10,14). Sie sind lahm von Geburt an; schwankend zwischen Furcht und Hoffen können sie nicht mit Freimütigkeit ins Heiligtum eintreten.
Wir machten vorhin auf den Unterschied zwischen Schwachheit und Lahmheit aufmerksam. In 3. Mose 21,18ff. wird Lahmheit als ein „Gebrechen“ bezeichnet, welches den damit Behafteten, obwohl er ein Sohn Aarons war, von gewissen Segensvorrechten ausschloß. Durch seine Geburt gehörte er zur heiligen Priesterfamilie und durfte durch Gottes Gnade „das Brot seines Gottes von dem Hochheiligen und von dem Heiligen“ essen, jedoch „zum Vorhang“ durfte er seines „Gebrechens“ wegen nicht kommen und „zum Altar“ nicht nahen. Sein „Gebrechen“ schloß ihn nicht von dem Essen - dem Teilhaben - aus, wohl aber schloß es ihn vom „Herzutreten“ und „Darbringen“ der Opfer und des Brotes aus. Diese Vorschrift des Alten Testamentes läßt viel Licht auf das „Gebrechen“ der Lahmheit in geistlicher Hinsicht fallen.
Jedes Kind Gottes ist gleich den Söhnen Aarons eingefügt in das „heilige Priestertum“, um „darzubringen geistliche Schlachtopfer, Gott wohlannehmlich durch Jesum Christum“ (1Pet 2,5). Das Gebrechen der Lahmheit kann ihre Zugehörigkeit zum Priestertum nicht aufheben (ebensowenig wie es die Verwandtschaft der Söhne Aarons berühren konnte). Sie sind Priester durch die Geburt und dürfen essen von dem heiligen Brote, und doch gehen sie ihres „Gebrechens“ wegen eines köstlichen Vorrechtes, nämlich des priesterlichen Dienstes der „Darbringung“ der „geistlichen Schlachtopfer“, der Opfer des Lobes und der Anbetung, verlustig. Mit einem Gebrechen belastet, durften Aarons
Söhne nicht „zum Vorhang“ und nicht „zum Altar“ kommen. Gott hätte kein Wohlgefallen daran haben können. „Gebrechen“ hindern auch uns, vor dem Vater als Anbeter zu erscheinen und Ihm die Anbetung und Opfer des Lobes darzubringen. Mephiboseth durfte trotz seiner Lahmheit durch Davids Gnade an dessen Tische essen, sein Gebrechen aber hinderte ihn, David das Opfer seines Dankes darzubringen. (2. Sam. 16,2.3; 19,24-30)
So reich Gottes Gnade den Lahmen gegenüber auch ist, ihr Verlust ist dennoch groß. Der arme Lahme in Apg 3 konnte von liebenden und mitfühlenden Händen bis hin zur „schönen Pforte“ getragen werden. Dort sah er andere in Verbindung mit dem Hohenpriester und der heiligen Priesterschar mit Freimütigkeit ins Heiligtum eintreten - er konnte nicht hineingehen - er lag durch sein Gebrechen gebunden draußen und wartete auf die kleinen Mitteilungen, die ihm von denen dargereicht wurden, die in den Tempel hineingingen und den vollen Segen des Heiligtums genossen.
In welcher Gestalt und Form sich auch die „Gebrechen“ zeigen mögen - das Fleisch hat kein Recht zum Eintritt ins Heiligtum. Aber wie herrlich ist es, Ihn, unseren Herrn als Hohenpriester und Fürsprecher zu kennen, Ihn, der helfen und der das Lahme heilen kann! Er hat einen Thron der Gnade zu unserer Hilfe für uns aufgerichtet. Laßt uns mit Freimütigkeit hinzutreten! (Heb 4,16) Er löst uns nicht nur von allem, was uns fesselt und bindet, Er macht uns auch von allen Sorgen, allem Leid und jedem Druck so frei, daß wir mit Freimütigkeit ins Heiligtum eintreten und daß unsere Herzen, glücklich in Seiner Gegenwart, überströmen in Anbetung über die Größe und Herrlichkeit Seiner Liebe.
Der Herr will, daß das Lahme geheilt werde. Er, der einst alle Lahmen, die zu Ihm kamen, heilte, heilt sie heute noch. Und wir sollen Ihm dazu Werkzeuge sein. Wie wichtig ist es deshalb, gerade Bahn zu machen, auf daß das Lahme geheilt werde! Aber ach, manche Lahme wissen nicht, daß sie lahm sind! Sie sind die Elendsten unter diesen Armen, denn sie verlangen nicht nach Heilung. Möchten wir nicht nachlassen, in Geduld den Weg eben und gerade zu machen, damit das Lahme geheilt werden möchte!
A. v. d. K.