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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 12 -Jahrgang 1927
Apg 26,14-18 - „Sieben Kennzeichen eines „Dieners und Zeugen“ des Herrn“Apg 26,14-18 - „Sieben Kennzeichen eines „Dieners und Zeugen“ des Herrn“
In seinem wunderbaren Bekehrungs-Bericht - anläßlich seiner Verantwortung vor Agrippa (und Festus),
Apg 26 - zeigt uns Paulus durch den Heiligen Geist im Worte des Herrn Selbst, wie beschaffen ein wahrer „Diener und Zeuge“ Christi Jesu sein müsse, wenn er das Wohlgefallen seines Herrn haben wolle.
Ich will nun nicht etwa behaupten, daß es sich in jenem Zusammenhange gerade um sieben Punkte handele; es mag sein, daß andere weniger, noch andere mehr Kennzeichen aus obiger Stelle herausfinden; mir jedoch wurden die folgenden sieben sehr wichtig, und es ist mein Wunsch und Gebet, daß sie auch manchem Leser wichtig werden - und beherzigenswert!
Das erste, grundlegende Kennzeichen, überhaupt die Vorbedingung, um Christi „Diener und Zeuge“ sein zu können, ist: gleichsam eine Damaskus-Stunde (V. 14) erlebt zu haben, d. h. also nach Joh 5,25 die Stimme des Sohnes Gottes, des Gekreuzigten und Auferstandenen, gehört zu haben, der die geistlicherweise „Toten“ (Eph 2,5) aus der Nacht der Sünde und Gottferne ruft, um sie zu Seinem bluterkauften Eigentum zu machen. Diese Bedingung dafür, Christi „Diener und Zeuge“ sein zu können, kann durch nichts ersetzt werden - weder durch einen noch so guten Willen noch durch Studium auf einer Universität, noch durch sonstigen theologischen Unterricht, noch durch Ordination seitens „kirchlich“ bevollmächtigter Personen (die noch dazu selber meistens unbekehrt sind)!, noch durch Protektion (Gunst) bedeutender, einflußreicher oder vermögender Menschen, noch durch sonst irgend etwas. Eine „Damaskus-Stunde“ (wenn auch nicht in gleicher Weise geschehen wie bei dem nachmaligen großen Apostel des verherrlichten Christus) ist die selige Erfahrungstatsache aller derer, die früher oder später sich vom Herrn Selber in den Zeugendienst für Ihn gestellt wissen. - Laßt uns dieses vorbereitende, grundlegende Kennzeichen unter keinen Umständen aus dem Auge verlieren! Die unter biblischem Gesichtspunkt geradezu unentwirrbar-trostlosen Verhältnisse in der sogenannten Christenheit haben mit als Hauptgrund die Außerachtlassung dieses ersten Kennzeichens eines wahren „Dieners und Zeugen“. Wer den auferstandenen und verherrlichten Menschen Christus Jesus, den Sohn Gottes, ja Ihn, den die Schrift „den wahrhaftigen Gott und das ewige Leben“ nennt (1Joh 5,20), nicht kennt - wie kann der Sein
Diener und Zeuge sein?! Und wie können Gläubige sich von solchen Leuten das Wort Gottes predigen und sich durch sie belehren lassen?! Kind Gottes, wenn du weißt von solchen unbekehrten falschen Dienern und Zeugen und gehst doch hin, sie auch nur anzuhören, so verunehrst, ja, verleugnest du deinen Herrn und Heiland! - Über den „Dienst am Wort“ solcher Menschen lies Ps 50,16.17!
Das zweite Kennzeichen hängt mit dem erstgenannten auf's engste zusammen, und dadurch, daß manche, die jenes wohl erlebt haben, in diesem nicht treu sind, werden oft große Schädigungen in den öffentlichen Zeugendienst hineingetragen. Dieses so wichtige Kennzeichen ist das Aufgegebenhaben jeglichen Widerstandes gegen den Herrn und Seinen Willen, oder mit anderen Worten, der unbedingte Gehorsam Ihm gegenüber. Dieses entnehme ich aus dem zweiten Teil des 14. Verses. Saulus hätte vielleicht versuchen können, wie ein störrisches Zugtier gegen den Stachel auszuschlagen, um sich zu wehren, aber der Herr in Seiner Gnade zeigt ihm mit diesen Worten: Es hat nicht nur keinen Zweck, es ist sogar schädlich! Das Zugtier wurde damals durch Stecken angetrieben, an deren Ende sich ein scharfer Dorn befand, ein Stachel, der, wenn sich der Gebrauch dieses Antriebmittels nötig machte, dem Tiere empfindliche Wunden zufügen konnte - doch warum das? weil es nicht gehorchen wollte! Nun ward dem Saulus gezeigt, daß Gott Mittel habe, Seinem Willen solchen Nachdruck zu verleihen, daß der Widerspenstige es zu fühlen bekommen würde, wenn er in seinem Widerstande beharrte: schwer, hart, schmerzlich würde es für ihn sein, gegen den Stachel auszuschlagen. Lieber gehorchen, lieber sich sagen, sich führen, sich leiten lassen, als durch Strafe zum Gehorchen gezwungen zu werden! Lieber freiwillig den Dienst, zu dem man verordnet sei, erfüllen und dann den Segen des Gehorsams genießen, als Gott zwingen, mit dem Stachel zu strafen das, was das ungefügige Herz verschuldete!
Ach, daß doch alle Jungbekehrten, denen die Stimme Jesu, des Gekreuzigten und Auferstandenen, durch's Herz gegangen ist, so daß sie Ihm sich hingaben, es in ihrer geistlichen Jugend lernen möchten, wie Saulus-Paulus den nutzlosen und zugleich so schädlichen Widerstand gegen den allezeit guten Willen ihres Herrn ein für allemal aufzugeben! Welch ein Schmerz ist es, Gläubige zu sehen, die, ihren eigenen Willen starrköpfig behauptend, oft dem Zeugnis für den Herrn Abbruch tun und dann herbe Züchtigungen des heiligen Gottes erdulden müssen, um endlich in die gottgewollte Demut und Abhängigkeit gebracht zu werden! Wie oft wiederholt sich doch im Leben der Gläubigen die Geschichte Israels! Es sollte nicht so sein, liebe Brüder! Es sollte so sein wie bei dem großen Paulus, dessen Leben den Liedervers bezeugte: „Mein Wille ist gestorben, ich bin nun nicht mehr mein! Er hat um mich geworben, ich ward durch Gnade Sein!“ - Das also ist das zweite Kennzeichen eines „Dieners und Zeugen“ des Herrn: Gehorsam, unbedingter Gehorsam, wie wir ihn bei Paulus auch in diesem Zusammenhang sehen: Vers 19!
Und nun folgt - gleichsam auferbaut auf der festen Grundlage der zwei ersten eng zusammengehörenden Dinge - das dritte Kennzeichen, wie es uns in Vers 15 vor Augen tritt! Das ist die wunderbare Erkenntnis, daß der Herr Jesus, der Verherrlichte, mit den Seinen eins ist, woraus sich als unabwendbare Folgerung für uns die Tatsache herleitet, daß es nur ein Volk Gottes gibt, eine Gemeinde, unauflöslich mit Ihm verbunden wie der Leib mit dem Haupte. Wir wissen, daß keinem diese Dinge so klar geoffenbart waren wie dem Apostel Paulus, ja, daß viele Wahrheiten über „die Gemeinde Gottes“ (1Kor 1,1) nur ihm anvertraut waren, wie uns der Epheserbrief und andere Teile des Neuen Testaments zeigen. Wie unsagbar herrlich z. B. zeigt uns der Epheserbrief, was die Gemeinde für Ihn - für das Haupt - ist, wie ebenso wunderbar dagegen der Kolosserbrief, was Christus, das Haupt für Seine Gemeinde, Seinen Leib ist! Wie ernst und auch kostbar sind die Unterweisungen über die Gemeinde als das Haus Gottes, worüber Paulus uns z. B. im 1. und 2. Timoth.- und im Titusbrief belehrt, wie jeder Frage entsprechend andererseits die vielen Kapitel des 1. Korintherbriefs, der uns die Ordnung in der Gemeinde - dem Organismus Seines Leibes, des Leibes Christi offenbart, usw.! „Woher diesem dieses“? Alles war ihm, dem Paulus, anvertraut nach dem Ratschluß Gottes (vergl. Eph 3), aber die Grundlage für diese ihm zuteil gewordenen Wahrheiten sehen wir in seiner Damaskus-Stunde, in der er eine
Begegnung haben durfte mit dem Verherrlichten, den er in jener Stunde kennen lernte als den Auferstandenen. Da brach seine ganze seitherige Religion mit einem Male zusammen, da, als er sehen mußte: Dieser Jesus, den ich in Seinen Anhängern verfolgen zu müssen glaubte als den Gehenkten, den Gestorbenen, als ein Hirngespinst, das nicht existiert, als eine Wahnidee, eine Einbildung - dieser Jesus lebt! und nicht sie, die Seinen, sind die Irrenden, sondern ich bin es, ich in meinem Unglauben, in meinem religiösen Eifer, in dem ich die Gemeinde der Christen verfolgt habe (vergl. 1Tim 1,12-15). Da, sage ich, brach seine Religion zusammen, ja, da brach er selber zusammen - vor Ihm, den Selbst verfolgt zu haben, als er die Seinen verfolgte, jetzt mit niederschmetternder und zugleich erhebender Deutlichkeit vor seinem geistigen Auge stand. Da wurde ihm die Erkenntnis geboren: Er und sie sind eins! Christus der Verherrlichte, der Mensch vom Himmel (1Kor 15), einst der verachtete Jesus von Nazareth - den, wie Petrus sagte, Gott „zum Herrn und zum Christus gemacht hatte“ Apg 2,36) -, Er, der Herr Jesus und die, denen Er alles in allem ist, Er und sie sind eins für immer! „Ich bin Jesus, den du verfolgst!“ Was für eine Erkenntnis! Welch ein Zusammenbruch - aber auch was für eine Herrlichkeit! Auf dieser Grundlage erwuchsen dem geretteten, gehorsamen „Saulus, der auch Paulus heißt“ ( 13,9), d. i. „der Kleine“, jene unendlichen Herrlichkeiten, die der Heilige Geist ihm enthüllte, die alle mit der Person dessen zusammenhingen, der für ihn „das Leben“ ward und war: mit Christus Jesus, den zu verherrlichen der Geist hienieden wirkt (Joh 16,9ff).
Dieses also ist das dritte Kennzeichen eines Dieners und Zeugen: die Erkenntnis und darauf fußende Predigt von dem einen neutestamentlichen Volk Gottes, der einen Gemeinde Gottes. Welche Perspektiven eröffnet uns dieses Kennzeichen! Wie sind durch diese Tatsache alle jene Bestrebungen vieler, die „Diener Christi“ zu sein wünschen, verurteilt, die da für ihren Kreis, für ihre Gemeinde, für ihren Verein, für ihren Zaun oder Schafstall (Joh 10)! usw. werben und wirken! Wie verwirft jene Tatsache all das hierarchische (Priesterherrschafts-) Streben gewisser Kirchenorganisationen, all das Trachten nach Ansehen und zahlenmäßiger Machtfülle inmitten einer Welt, die Ihn, „den Herrn der Herrlichkeit“, nicht erkannt, sondern verworfen hat (1Kor 2,8). Wie zerbricht die Wahrheit von Seiner Gemeinde all die falschen unbiblischen Hoffnungen auf weltliches Wohlleben des sich hienieden - im Machtbereich Satans! - Sonnens in den vermeintlichen Errungenschaften religiöser Kultur und religionspolitischer Macht! Wie vieles ließe sich über dieses und jenes noch sagen! Was würde Paulus wohl heute sagen, wenn er den religiösen Mischmasch, die Irrlehren, das Blendwerk Satans usw. sähe, womit die Weit angefüllt ist?! Wir wissen es, was er sagen würde, wir wissen es, was der Herr Selber durch ihn sagt zu uns, die wir Sein Eigen sind und die wir „Seine Diener und Zeugen“ zu sein begehren: „Seid nicht im ungleichen Joch mit Ungläubigen ... welche Übereinstimmung hat Christus mit Belial ... welchen Zusammenhang der Tempel Gottes mit Götzen? Denn ihr seid der Tempel Gottes ... Darum gehet aus aus ihrer Mitte und sondert euch ab, spricht der Herr, und rühret Unreines nicht an! ...“ (2Kor 6,14-18).
Bruder, Schwester - wer sind Christi Diener und Zeugen? Das sind solche, die da wissen, was Seine Gemeinde ist, und die selber zu ihr gehören und eine klare, scharfe, durch nichts zu verwischende Scheidung zwischen ihr und der Welt (und den Weltreligionen) machen. Gehörst du zu Seinen Dienern und Zeugen?
Und nun das vierte Kennzeichen! Meinst du, jene herrliche Erkenntnisfülle, die ein Paulus uns vermitteln durfte, machte ihn und uns zu Phantasten, zu unnatürlichen Schwärmern, zu unpraktischen Träumern? O nein, keineswegs, im Gegenteil! Vers 16 wird ihm gesagt: „aber richte dich auf und stelle dich auf deine Füße!“ Hast du das schon beachtet? Nicht viel will ich darüber sagen, nur dir kleine Winke geben, wie ich das Wort auffasse! Dort am Boden liegen bleiben konnte und sollte Saulus nicht - zwecklos das beständige am-Boden-Liegen, praktisch wertlos eine nie zum glücklichen Glaubensleben sich durchringende Buße, töricht das sich-Abschließen von der Wirklichkeit, wie das Mönchs- und Nonnenleben es z. T. gepredigt hat, und wie auch neuere religiöse Bewegungen befürworten. Nein! Aufgerichtet! Blick und Herz vorwärts und aufwärts gewandt! Mit beiden Füßen auf der Erde! Diener und Zeugen Christi sollen mitten in der Wirklichkeit dieser Welt stehen als ganze, aufrechte Charaktere, die sich nicht fürchten vor den Gefahren von rechts und links, vor den tausend Fragen des Alltags, vor den auf sie - die von der Welt mit ihrem Wesen Gelösten - gerichteten hämischen, schadenfrohen, prüfenden, zweifelnden, heuchlerischen, haßerfüllten Blicken und Mienen, vor den erhobenen Fäusten der Feinde Jesu, vor den Ketten der Häscher, deren Hände sich einst auch an Ihm Selber vergriffen! Stelle dich auf deine Füße! Das ist wahrlich ganz persönlich und ganz praktisch! Damit bist auch du, auch ich gemeint! Sieh dir den Lebenserfolg dieser Worte im Leben des Paulus an! Da war nichts Phantastisches, Träumerisches, Mystisches, Zauberisches - o über die Zauberei-Sünden heute! - in seinem Leben und Wirken. Alles ist ganz natürlich bei ihm - wie bei dem Herrn Jesus, dem Urbild der „Weisheit, die von oben ist“ (Jak 3,17)!! So natürlich ist er, der große Apostel, der Gelehrte, der einst an den reichsten Quellen irdischer Weisheit getrunken und doch nicht eher befriedigt war, bis er zu der wahren Lebensquelle Jesus Christus gekommen - so natürlich, so schlicht, so einfach - so ganz im Gegensatz zu der weltlichen Wissenschaft und Philosophie, die schon in ihren Worten fast nur von Weltgelehrten verstanden wird! Und worüber spricht und lehrt denn Paulus? Schau hinein, Bruder, der du ein Diener und Zeuge Christi sein möchtest, gehe hinein in das Buch Gottes: Ebenso natürlich, wie er spricht, wenn er über die höchsten Weisheiten von der Gemeinde Gottes Belehrung gibt, ebenso natürlich spricht er über häusliche, berufliche, eheliche, obrigkeitliche, gerichtliche, soziale, z. B. Sklaven- und Herrschaftsfragen usw. Welch intime Dinge behandelt er und mit welcher Offenheit und Geradheit! Ja, so ist das inspirierte, gottgehauchte Wort Gottes! Keine Prüderie, keine Angst vor politischen Außenseitern, kein Ersterben in Ehrfurcht vor Hoch und Gewaltig (und doch „Ehre dem Ehre gebührt!“ Röm 13,7 - alles an seinem Platze)!, keine sozialen Bedenken gegenüber den Armen dieser Welt, ihnen Dinge zu sagen, die man nicht gerne hört, usw. usw. - Worte, Stellen anzugeben erübrigt sich bei der Fülle derselben! - So ist das Wort Gottes, aber es ist dem anvertraut, der mit beiden Füßen auf dieser Erde steht, nicht einem Engel, sondern einem Menschen! So steht das echte Christen- und Zeugentum des Herrn mit beiden Füßen in den praktischen Fragen dieser Zeit, aber es bringt überall einen Faktor, eine Macht, mit hinein in diese Fragen, einen Faktor, den die Welt nicht kennt und verwirft: Jesus Christus! Aufrechte, gerade Menschen sind die echten Diener und Zeugen Christi, „Menschen Gottes“ (vergl. 1Tim 6,11 und 2Tim 3,17)!, die nichts tun und wollen ohne Ihn, ohne Sein Wort, ohne Gebet, ohne Seinen Willen. Das ist ihre Kraft im Stehen auf beiden Füßen inmitten dieser Welt, in der die Lüge herrscht.
Und daran anknüpfend das fünfte Kennzeichen! Dieses liegt für mich im Anschluß an Vers 16 darin, daß er, Paulus, eben nicht mehr und nicht weniger als ein Diener und Zeuge sein sollte, d.h. nicht heißen sollte er so, nein, sein sollte er's! Sein Leben sollte dartun, was er sei. Was denn? Ein Diener? Ja, nichts mehr! Kein Herr! aber unterworfen dem Herrn als seinem Herrn. Für einen wahren Diener hat nur einer zu sagen: sein Herr! Nur von ihm ist er abhängig, nur seines Winks gewärtig, nur ihm hat er zu gehorchen. Daraus folgt, daß er bei den mancherlei Stimmen, die ihn zu beeinflussen suchen könnten - vielleicht um ihn zu bestechen! -, darauf zu achten hat, die Stimme seines Herrn nicht zu überhören, nicht zu verpassen, seinen Willen nicht zu mißachten. Bruder, Schwester, sehen wir unsere Aufgaben und die Gefahren, sie zu versäumen? Sind wir wirklich Diener? oder gebärden wir uns als Herren? Nichts weiter davon, nur sieh dir den Paulus an, wie er „Diener“, ja „Sklave“ nicht nur wieder und wieder in den Briefen sich nennt, nein, wie er's ist! (z. B. in Röm 15,16.25.31.32 - wieviel ließe sich darüber sagen)!.
Und „Zeuge“! Sieh, das gehört mit zu dem fünften Kennzeichen eines Dieners und Zeugen Christi, daß man ein „Diener“ und „Zeuge“ ist! Was ist ein Zeuge? Vers 16 sagt es uns klar genug! - In der gerichtlichen Öffentlichkeit gibt's Zeugen. Vielleicht war einer der Leser schon einmal „Zeuge“! Ja? Nun, was hattest du denn zu bezeugen? Dinge, die du dir einbildetest? Dinge, die man dir vortäuschte um Vorteils willen? Dinge, die man oder du selber sich zurechtlegte? Dinge, die gefolgert werden konnten? oder was? - Nichts von alledem! Nein, du hattest einfach zu bezeugen, was du gesehen oder gehört hattest. Du hattest einfach erfahrene Tatsachen zu berichten, keine Märchen, keine Folgerungen, keine Einbildungen, keine Träumereien - sondern Tatsachen, und dann war das Zeugnis, deine Zeugenschaft in jener Sache beendet. Tatsachen, nackt, wie sie waren, zu berichten, ist nicht immer leicht, manche haben deshalb solche Furcht vor gerichtlichen Zeugenaussagen, weil sie sich ihrer selbst nicht sicher sind und weil sie leicht ins Phantasieren geraten. Das ist auch eine sehr ernste Gefahr für die Zeugen Christi, daß sie mehr sagen, als sie wirklich wissen, d. h. erkannt haben, daß sie übertreiben, daß sie, „nachdem sie anderen gepredigt haben, selbst verwerflich werden“ (1Kor 9,27), d. h. daß ihr Zeugnis des Mundes sich nicht deckt mit dem ihres Wandels. Der Herr decke unser Zukurzkommen darin zu und mache uns zu treuen Zeugen, gleichsam zu Augenzeugen, wie Paulus einer war, der z. B. hier in Apg 26 solch herrliches Zeugnis ablegt und es durch Seine Treue, durch sein Leiden um Christi willen bestätigt!
Also so seien wir „Diener und Zeugen“, daß wir dies fünfte Kennzeichen erweisen: was wir durch Seine Gnade sein dürfen, auch in Wahrheit zu sein: abhängig allein von unserem Herrn, dem wir dienen mit unserem treuen Zeugnis - einem Zeugnis von erfahrenen und aus Seinem Worte erkannten Wahrheiten Seiner Person und Seines Werkes, Seiner Liebe, Seiner Wiederkunft und Seiner Herrlichkeit (vergl. 2Kor 4,1-6).
Und nun zum sechsten Kennzeichen! Nicht weniger wichtig ist dieses für die Praxis denn die übrigen. Vers 17 nennt es uns! Der Herr Jesus sagt zu Saulus vom Himmel her: „Indem Ich dich herausnehme aus dem Volk und den Nationen“! Welch ein ernstes Wort! So wie einst Abraham herausgenommen wurde 1. aus seinem Lande, 2. aus seiner Verwandtschaft und 3. aus seines Vaters Hause (1. Mose 12,1), so ward Saulus-Paulus herausgenommen aus dem Volk, d. i. aus Israel, und aus den Nationen, zu denen Paulus freilich nicht gehörte, aber insofern das zu Gottes Volk erwählte Israel eine abgefallene Nation unter anderen war, insofern - darf man vielleicht sagen - gehörte auch Paulus zu den Nationen. Paulus war herausgenommen aus dem Volke - was heißt das? O, sein Volk, das Volk Israel war der Hort der Religion, ja, ursprünglich eines gottgewollten Kultus gewesen, und die religiösen Obersten des Volkes, mit denen Saulus einst engste Fühlung gehabt hatte (Gamaliel)!, vermeinten noch jetzt die Hüter gottgewollter religiöser Güter und Grundsätze zu sein. Israel war doch das erwählte Volk Gottes, sein waren die Bündnisse und die Verheißungen und andere Herrlichkeiten (vergl. Röm 9,1ff.)!, zu ihm zu gehören war unvergleichlich an Segen und Bedeutung. Ja, so war's einst, ehe es seinen Messiaskönig verwarf - aber jetzt „lag die Decke Mosis auf seinem Herzen“ (2Kor 3), und es sah nicht seine zeitweilige Verwerfung! Mit diesem Volke durfte ein Paulus nicht vorangehen! Er mochte es lieben (Röm 9-11)!, er mochte ihm wieder und wieder Christus anbieten (Apo)!, aber er mußte innerlich gelöst sein von einem Volke, das in nichts mehr imstande war, Gottes Gedanken zu verstehen noch in dieser Welt zu offenbaren, und so ward er herausgenommen. Das war weit mehr und weit ernster, als was den anderen, die „vor ihm Apostel waren“ (Gal 1,17), zuteil geworden war, die noch lange den Zusammenhang mit dem Tempel aufrechterhielten. Das war eines Paulus, der den Verherrlichten gesehen hatte, nicht würdig! Er ward herausgenommen aus dem ganzen religiösen Zusammenhang seines Volkes. Er mußte wie Abraham den Weg völligster Absonderung gehen, losgelöst von der einzigen Religion seiner Zeit, die noch einen Anspruch erheben konnte darauf, einmal in der Vorzeit göttlichen Ursprungs gewesen zu sein - was keine andere der Religionen, der religiösen Gedanken des Menschen über Gott, wie sie auch heute heißen mögen, von sich behaupten darf! -, er mußte hassen lernen, was er einst über alles liebte, und er mußte lernen, sich selbst um Jesu willen hassen zu lassen von seinem Volk, und so nur konnte er ein „Diener und Zeuge“ sein! Wie viele vermeintliche und auch wirklich gläubige Diener und Zeugen Christi heute haben nie eine solche Lösung von der Religion und den Religionsvertretern ihrer, d. h. unserer Zeit durchgemacht oder für nötig erachtet!
Und die Religion von heute, auch die „christliche“, hat nicht solche ehemalige biblische Existenzberechtigung nachzuweisen wie die jüdische!! Aber wie hängen die Herzen vieler Gläubigen von heute an dem „von den Vätern überlieferten eitlen Wandel“, von dem sie doch durch das Blut Christi erlöst sind (1Pet 1,18), wie hängen die Herzen auch vieler Arbeiter in Seinem Werk noch an solchen schriftwidrigen Dingen wie Kindertaufe, Konfirmation, kirchlichem Abendmahl usw., und bittet man sie, sich endlich von diesen Dingen und von kirchlichen Personen, die nach der Schrift keine Berechtigung für ihr „Amt“ haben, zu trennen, zu lösen, dann reden sie von Lieblosigkeit, Schroffheit und Intoleranz! Als wenn die Liebe zu toten, schriftwidrigen Dingen und die Anerkennung religiöser Menschen und Beamten ohne göttliche Bevollmächtigung die Liebe zum Herrn und zu Seinem Wort ersetzen könnte! (Joh 14,21ff.; 1Joh 5,2 u. a). O Bruder, laß dich herausnehmen aus der Religion deiner Zeit, aus den religiösen (aber keineswegs christlichen) Fesseln und „Grabtüchern“ (Joh 11,44), die deinen Dienst, deine Zeugenschaft für den Herrn nur zu hindern, nimmermehr zu fördern imstande sind und die den Herrn verunehren! Denke an Punkt 5! Hast du zu bestimmen oder der Herr und Sein Wort? Hat der Mensch noch irgendwie für dich eine bestimmende Kraft - dann in dem Punkte nicht der Herr und Sein Wort! Laß dich herausnehmen aus dem religiösen, aber nicht göttlichen Wesen dieser Welt, die vom Satan beherrscht wird, in Sachen der Religion so gut wie in Sachen der Politik!
Denn siehe: Paulus ward herausgenommen nicht nur aus seinen religiösen Zusammenhängen (des Volkes Israel), sondern auch aus den sonstigen Zusammenhängen mit den Nationen, obenan aus den politischen. Das ist auch sehr ernst. Weder die Religion dieses Zeitlaufs noch die Politik desselben hat den Dienst und das Zeugnis des wahren Dieners und Zeugen Christi irgend zu beeinflussen! Es spielt keine Rolle, was für eine politische Richtung es ist, die auf uns in unserem Dienen und Zeugen Einfluß ausüben könnte - tut irgend eine Richtung dieses, so ist unser Dienst unbrauchbar, unser Zeugnis geschwächt oder verhindert. Ob es sich um den Antisemitismus handelt oder um den kirchenpolitischen Kulturkampf, um Ultramontanismus oder Kommunismus oder Kapitalismus oder was sonst, ganz einerlei - die Religion und die Politik dieser Welt sind dem wahren Christentum, das sich in Gehorsam gegen jedwede Obrigkeit (Röm 13) zu bewähren hat und bewähren kann, unbedingt hinderlich. Die persönliche Stellung des Gläubigen mag so oder so sein, sein Dienst, sein Zeugnis hat davon in jeder Hinsicht unberührt zu bleiben - er ist nach Gottes Gedanken herausgenommen, abgesondert von allem, was Weltwesen heißt, von den Sündengebieten jeder Form und jeder Art, und hat als „Diener und Zeuge“ wie Paulus nur ein Recht, und das heißt - zu fragen: „Herr, was willst Du, daß ich tun soll?“ (Apg 22,10a). Möchten wir uns darin bewähren und beweisen als nur für Ihn da in dieser Welt, bis Er kommt!
Und damit komme ich zum siebenten und letzten Kennzeichen eines „Dieners und Zeugen“, soweit ich sie in diesen Versen sehe. Von diesem siebenten Kennzeichen ist in V. 17b u. 18 die Rede, in denen dem Paulus seine Aufgabe gezeigt und anvertraut wird. So gut wie er herausgenommen ist aus dem Volke und aus den Nationen, d. h. aus dem religiösen und dem politischen Zusammenhang seiner Tage, so ist er von dem erhöhten Herrn hineingestellt in diese Nationen, um ihnen die Wahrheit zu verkünden, d. i. aber, um ihre Augen aufzutun ..., „auf daß sie sich bekehren ..., auf daß sie Vergebung der Sünden empfangen und ein Erbteil ...“, und zwar durch Glauben! (V. 18). Durch Glauben sollen die Menschen geheiligt, d. i. abgesondert werden für Gott. Heraus fallen sie aus der Gewalt Satans, heraus aus der Finsternis, - hin zu Gott - hin zum Licht! Die Welt liegt im Argen (1Joh 5,19), aber sie weiß es nicht. Der „Diener und Zeuge“ hat unsagbar ernste Aufgaben: jenen die Augen aufzutun! Er soll den Menschen Licht geben über sich selber, über Gott, über Ewigkeit, Sünde, Tod, Verdammnis, Seligkeit usw. usw., sie können erst dann durch Buße (V. 20)!, Bekehrung und Glauben errettet werden, erst dann von der Sünde und Sündengebundenheit zur Wahrheit, zum Licht, d. i. Christus Jesus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen, dem Sohne Gottes und Sünderheiland, kommen; die Augen müssen sie geöffnet bekommen, damit sie sehen, daß sie unter Satans sie knechtender Herrschaft stehen, daß sie aber berufen sind, für ewig unter Gottes gnädige Herrschaft zu kommen. Welch eine ernste Aufgabe! Kam Paulus ihr nach? Und wie!! Die Apostelgeschichte ist voll davon, z. B. Kap. 16; 17; 18; 24. Ein wahrer „Diener und Zeuge“ redet klar von Buße, Bekehrung und Glauben sowie von praktischer Heiligung, d. h. einem Leben in treuster Nachfolge Dem nach, der uns erkauft und erlöst hat, ja, der uns abgesondert hat für Sich, abgesondert von einer Welt, die in allen ihren Betätigungen Feindschaft gegen Gott und Seinen Christus ist.
Welch deutliches Kennzeichen für wahre, echte „Diener und Zeugen“ Christi! Sie können nicht in einer verlorenen Welt leben, ohne ihr das Evangelium zu verkünden, aber sie dürfen es auch nicht, sie dürfen nicht die Welt im Dunkel lassen! Sie müssen den Menschen die Augen auftun, müssen Buße und Bekehrung predigen, müssen von „Gerechtigkeit, Keuschheit und Gericht“ reden wie Paulus in Apg 24,24ff.; sie müssen von Sünde und Gnade zeugen, gehorsam dem ganzen Wort und treu ihrem eigenen Zeugnis als solche, die selbst diesen Weg der Buße, Bekehrung und des Glaubens an den Herrn Jesus (Apg 16,30.31, vergl. Punkt 1)! gegangen sind und Vergebung der Sünden und Frieden mit Gott haben. Wer sich „Diener und Zeuge“ Christi nennt und diese Dinge nicht bezeugt mit seinen Worten und seinem Leben, von dem wende dich weg, er ist nicht Christi „Diener und Zeuge“ - er dient vielleicht auch seinem eigenen Bauch wie die in Röm 16,17.18, er tut dem Teufel Handlangerdienste und betrügt sich selbst und andere!
Geliebte, sind wir „Diener und Zeugen“ Christi? Laßt uns ernstlich den Herrn bitten, uns durch diese schwachen Worte über Apg 26,14-18 Licht zu geben über den „guten, wohtgefälligen und vollkommenen Willen Gottes“ (Röm 12,2) und uns durch Seine Gnade zu Menschen zu machen, die in Wahrheit sein dürfen und sind
Seine Diener und Zeugen!
Er sei gepriesen, daß Er auch uns dazu machen und gebrauchen will!
F. K.