Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 6 -Jahrgang 1918/19
Ps 63,6 - „Eine Nachtwache“Ps 63,6 - „Eine Nachtwache“
Ich sitze nachts gegen 12 Uhr in einem Schwerkrankenzimmer des Lazaretts, um mich herum acht meist durch Lungenentzündung sehr gequälte, schrecklich hustende Kameraden, und habe vor mir meine Bibel. Vielerlei Gedanken bewegen mich, doch ich darf wohl bekennen: „Bei der Menge meiner Gedanken in meinem Innern erfülllen Deine Tröstungen meine Seele“ (Ps 94,19). Meine Gedanken beschäftigen sich mit dem unnennbaren Leid, das über der Menschheit lastet, durch Krankheit, Krieg und Tod, durch die Sünde und Schuld des einzelnen wie der ganzen Welt. Und ich frage: „HErr, warum? wie lange?“ Und tröstlich klingt's im Herzen: „Meine Wege sind höher als eure Wege, und Meine Gedanken als eure Gedanken“ (Jes 55,8; vergl. 45,7)!. und „Ich komme bald!“ (Off 22,20), und ich harre des Tages, der nach Seinem Kommen für Seine Gemeinde (1Thes 4,13-18) der trauernden Erde die Erlösung bringen wird nach ungezählten Stellen der Schrift, wie z. B. Jes 12,5: „Besinget Jehova, denn Herrliches hat Er getan, solches werde kund auf der ganzen Erde!“ oder nach 2. Petrus 3,13: „Wir erwarten aber nach Seiner Verheißung neue Himmel und eine neue Erde, in welchen Gerechtigkeit wohnt“. Dort hat die Sünde mit ihren Folgen wie Krankheit und Tod, Krieg und Zertrennung ihre heute alle und alles Vergängliche beherrschende Macht verloren, denn dann ist Jesus, der Herr, König auf Erden! Dann gibt's keine jammernden, den Tod ihrer Liebsten beklagenden Mütter und Söhne, Väter, Bräute und Geschwister mehr, dann gibt's auch keine Nachtwachen mehr bei schwerkranken Kameraden, denen man, ach, so gern helfen möchte und doch so wenig helfen kann, selbst wenn man mit gottgeschenkter Liebe ihnen dient. Da werden die Menschen auch „den Krieg nicht mehr lernen“, und „die Schwerter werden zu Pflugscharen gemacht“ (Jes 2,4). Da gibt's nur Herrliches - kein Seufzen, kein Jammern, aber auch kein Triumphieren von bösen Menschen über das Hilflose, kein Übervorteilen des Schwachen oder Ehrlichen, kein Jagen nach Geld und Hassen um ein wenig Besitz oder Ehre, keine Ungerechtigkeit, keine Untreue - wie sie z. B. zwischen Ehegatten, die durch den Krieg lange getrennt waren, oft fast als selbstverständlich angesehen wird, worunter wir Gläubigen so leiden, wenn wir sehen müssen, daß die Sünde das Natürliche geworden ist - keine Mißachtung Gottes, kein Fluchen, kein Lächeln über die Heiligen Gottes. Da hat auch das sehnsüchtige Harren der wunderbaren, von uns Gläubigen viel zu wenig bewunderten Schöpfung Gottes (vergl. Psalmen)!., die jetzt seufzt unter der Knechtschaft des Verderbnisses und der Vergänglichkeit, die durch die Sünde mit dem Tode in die Welt gekommen ist, ein Ende (Röm 8,19ff).
O, Kind Gottes, was wird das sein! Freust du dich darauf? Lebst du in der Hoffnung einer herrlichen Zukunft?! Leidest du unter den Leiden dieser Zeit, und zwar weniger um ihrer selbst willen, die für uns, in Gemeinschaft mit dem Herrn Wandelnden, leichter sind als für die arme, friedelose Welt, sondern vielmehr um ihrer schrecklichen Ursachen willen: weil der Mensch die Finsternis mehr liebt als das Licht (Joh 3,19.20) und weil sie den „Herrn der Herrlichkeit, den „Urheber des Lebens“, den sie gekreuzigt haben, als Heiland verschmähen, ja, vor allem, weil Er so verachtet und Sein Blut mit Füßen getreten wird? Siehst du in deinen leidenden Mitmenschen solche lebendige Zeugen von unserer Ungerechtigkeit und Gottes unbestechlicher Gerechtigkeit, zumal jetzt während des Bußgerichtes des Weltkrieges? Und wohin führt dich dies alles? Zur Gleichgültigkeit und Oberflächlichkeit oder zum Zeugen von der Gnade, zur Fürbitte und zu ringendem Gebet: „Herr Jesu, komme bald!“? und mehr: führt es dich dahin, führt es uns alle dahin, daß wir uns näher zu Ihm ziehen lassen, in Ihm volles Genüge zu haben und völlig in Ihm zu ruhen und in Seiner Gemeinschaft stille und treu und ohne Sorgen den von Ihm vorgezeichnelen Weg zu gehen, indem wir wissen, daß wir Ihm darinnen dienen? (Kol 3,23.24). Führt es uns dahin, daß wir uns sehnsüchtig freuen, Ihn bald zu sehen, der uns geliebt und durch Sein Blut erkauft hat, um uns zu „mehr als Überwindern“ zu machen? Wird Er uns größer, je kleiner und ärmer uns die Welt wird? O, daß die kostbaren Worte des 73. Psalms, Vers 23-26, unseres Lebens Bekenntnis mehr und mehr würden: „Doch ich bin stets bei Dir; Du hast mich erfaßt bei meiner rechten Hand; durch Deinen Rat wirst Du mich leiten, und nachher in Herrlichkeit wirst Du mich aufnehmen. Wen habe ich im Himmel? und neben Dir habe ich an nichts Lust auf der Erde. Vergeht mein Fleisch und mein Herz - meines Herzens Fels und mein Teil ist Gott auf ewig“, und die herrlichen Worte aus Phil 1,21: „Das Leben ist für mich Christus“, daß sie uns täglich immer mehr köstliche Tatsache würden - durch Gnade in der Kraft Seines Geistes! Das wären in der Tat herrliche Wirkungen unseres nicht überflüssigen Nachsinnens im Lichte der Schrift über die gegenwärtigen Menschen und Verhältnisse, wie sie bei den verschiedensten Gelegenheiten und so auch bei stillen Nachtwachen, ob allein, ob bei anderen, so wie im Felde oder auf dem Krankenlager oder wo immer uns besonders vor Augen stehen. „Habt auch ihr Geduld, befestigt eure Herzen, denn die Ankunft des Herrn ist nahe gekommen!“ - „Die Nacht ist weit vorgerückt, und der Tag ist nahe!“ - „Über ein kleines, und der Kommende wird kommen und nicht verziehen“ (Jak 5,8; Röm 13,12; Heb 10,37) - über ein kleines! Gepriesen sei der Name des Herrn!
F. K. (z. Zt. beim Militär, inzwischen ins Feld).
Erstellt: 28.03.2024 19:58, bearbeitet: 09.09.2024 20:39
Quelle: www.clv.de