Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 9 -Jahrgang 1923/24
4Mo 25,7 ; 1Sam 19,9 - „Eine Lanze in der Hand“4Mo 25,7 ; 1Sam 19,9 - „Eine Lanze in der Hand“
Wenn zwei dasselbe tun, so ist es damit noch lange nicht immer dasselbe! Eine Lanze in der Hand des Pinehas und ein Speer in der Hand Sauls sind sehr verschiedene Dinge. Des Pinehas Lanze bedeutet Entschiedenheit für Gott, und Sauls Lanze oder Speer zeugte von Feindseligkeit und grimmem Haß gegen den Gesalbten des Herrn. Wahrlich, sehr verschiedene Dinge!
Aber „alles, was zuvor geschrieben ist, ist zu unserer Belehrung geschrieben“ (Röm 15,4), und somit haben wir aus dieser Gegenüberstellung gewiß etwas zu lernen. Sicher ist es gut für uns, uns zu fragen, ob wir die Lanze des Pinehas, wenn auch unsichtbar, geistlicherweise in der Hand tragen, d. h. fertig und jederzeit bereit, sie zu entsenden, und ebenso gewiß haben wir es mit Feinden, ja, religiösen Feinden - gleich Saul - zu tun, die jederzeit uns an die Wand zu spießen versuchen können, so daß wir auf der Hut sein müssen. Dann aber auch müssen wir andererseits uns ebensowohl hüten, nicht zu solchen zu gehören, welche die stets bereite Lanze des Pinehas treffen könnte, als auch davor, daß wir in keiner auch noch so feinen Beziehung dem ähneln, der dem Gesalbten Jehovas so hinterlistig zu schaden, ihn gar zu töten versuchte! Das Letztere ist für wahrhaft Gläubige wohl nicht denkbar, doch vergessen wir nicht, daß der Herr sagt, „was ihr denen getan habt, die an Mich glauben, das habt ihr Mir getan“. Auch Gläubige können gegen andere Gläubige in etwa in der Gesinnung Sauls handeln, reden oder wenigstens so denken. Und der die Herzen erforscht, kennt all die lieblosen Gedanken in den Herzen von Gläubigen gegen ihre Brüder oder Schwestern; Er sieht die Sauls-Lanzen in manches Gläubigen Hand, Er sieht aber auch die Leiden solcher bedrängten Gläubigen und weiß sie - wie einst David - zu erretten. Aber, um nicht mehr von solchen zu schreiben, die nach dem ersten Johannesbrief von ihrer Liebe zu Gott reden, ohne die Brüder in Wahrheit zu lieben - Er sieht vor allem auch die Speere in der Hand der Feinde des Volkes Gottes, die zuerst Feinde Christi sind (vergl. Joh 19,34)! wie er, ihr geistiger Anführer, der Satan selber, und - Geliebte - Er wird zu Seiner Zeit das Recht Seiner Auserwählten ausführen, Er vergißt nichts von den Leiden der Seinen durch die Speere ihrer und Seiner Feinde, und Er wartet mit der Vergeltung nicht länger, als nötig ist (Lk 18,7.8). Laßt uns nur still und demütig harren auf Sein Erscheinen! (Vgl. 2. Thess.)!
Ehe wir uns die Lanze des Pinehas anschauen, noch eine Frage! Wie kam es dazu, daß Saul, der einst solch guten Anfang gemacht hatte, zur Lanze gegen David griff, daß seine Hand die Waffe des Mordes erfaßte, während die Hand Davids bemüht war, den schwermütigen König zu erfreuen? Ach, Saul hatte dem Feinde seiner Seele Raum gegeben in seinem Herzen, hatte Neid, Eifersucht hineinziehen lassen in sein Herz, das sich einst gefreut hatte (1Sam 19,5)! an den Großtaten Davids. Er war nicht wachsam gewesen über sein Herz. O, Geliebte, unser Herz! Was ist doch unser Herz! Ein trotziges, verzagtes Ding und der Ausgangspunkt vieler böser Dinge (Mt 15,19). Der böse Geist, der über Saul in jener schrecklichen Stunde, da er seinen jungen Wohltäter töten wollte, kam, hatte allzu leichtes
Spiel, denn die bösen, eifersüchtigen Gedanken, der verderbliche Neid steckte schon drin, war schon vorher genährt und gepflegt worden (Kap. 18), und allzu gern ließ und läßt ein Saul sich reizen zur Eifersuchtstat! O, Geschwister, laßt uns Gnade haben und suchen „zur rechtzeitigen Hilfe“ nach Heb 4,14-16, damit die böse Lust im Herzen in nichts Gewalt über uns gewinnt und damit wir dem Teufel, wenn er uns angreift so oder so, uns gelegentlich gar den Speer des Neides, des Hasses in die Hand drücken will, „widerstehen“ können - so daß er von uns fliehen muß (Jak 4,7, vgl. 1Pet 5,8.9)!; laßt uns wachen und beten, daß uns der große Feind, der seinerseits stets den Speer in der Hand hat gegen uns, „nicht übervorteile, denn seine Gedanken sind uns nicht unbekannt“ (2Kor 2,11); laßt uns „nicht aus unserer eigenen Festigkeit fallen“ (2Pet 3,17), indem wir vergessen, im Glauben zu verwirklichen, daß wir mit Christo gestorben und auferstanden sind und, im Geist wandelnd (Gal 5,25), über die Lüste des Fleisches wie über die Ichsucht des eigenen Herzens Sieger sein können! (Röm 6; Gal 5)!
Genug über diese Seite dessen, was mir wichtig schien, über den „Speer in der Hand“ zu sagen.
Die Lanze in der Hand des Pinehas war eine ganz andere Sache; eine Sache, die Gott veranlaßt hat, uns in der kostbarsten Weise Seine Gedanken über Pinehas kundzutun! Er hat dessen Tat ihm „zur Gerechtigkeit gerechnet“ (Ps 106,30.31); sie stand Ihm auf gleicher Stufe wie die Glaubensgerechtigkeit Abrahams nach 1Mo 15,5f.; des Pinehas Tat war eine Tat seines Glaubens, seiner Glaubensgemeinschaft mit Jehova, und Jehova wird nie vergessen, was die Seinen im Glauben und aus Liebe zu Ihm tun!
Was hatte es nun auf sich mit des Pinehas Lanze, die ihm die Verheißung des Priestertums für ewig einbrachte? Was war es, was Gott seine Tat so werten ließ, daß er durch dieselbe Sühnung getan habe für das sündige Volk? Was war so wichtig in Jehovas Augen, daß Er die Plage, die 24000 Israeliten das durch ihre Sünde verwirkte Leben gekostet hatte (an einem Tage sogar 23000 nach 1Kor 10,8), nunmehr von dem Volke abwendete? Geliebte, es war das Gegenteil wie bei der Begebenheit mit der Lanze des Saul: es war heilige Entschiedenheit, heiliger Eifer für Jehova, es war Liebe zu Ihm, aber auch priesterliche Liebe zu dem irrenden und durch den sündigen Propheten Bileam irregeleiteten Volk, ja - es war echter, heiliger Priesterdienst eines Mannes, der, wenn irgend einer, wahrhaft Sühnung getan hat für das Volk. Es war im wunderbaren Vorbild der Priesterdienst dessen, der nach dem Gesetz zwar nicht Priester sein konnte, weil Er nicht aus dem Stamme Levi war (Heb 7), der aber in vollkommenster Weise in Gnade und Wahrheit (Joh 1,17) als Priester diente nach dem Vorbild nicht nur Melchisedeks und Aarons, sondern auch des Pinehas, indem Er am Kreuz die Rechte Gottes in vollkommenster Weise vertrat und zugleich Sühnung tat für das Volk und so die Grundlage schaffte dafür, daß Gott den Menschen in Gnade begegnen konnte. Er hat gleichsam die tödliche Lanze gezückt und geworfen gegen den, der die Gewalt des Todes hatte, den Teufel, und hat ihm seine Macht genommen, indem Er ihn völlig besiegte und einen Triumph über ihn hielt (Kol 2,15). Und nun ist Gnadenboden da, und wer das Opfer Jesu Christi für sich annimmt, den begnadigt Gott!
Dieses Priestertum des Pinehas sollte (ebenso wie die Kennzeichen des aaronitischen als auch die des königlichen Priestertums an uns gefunden sein sollten nach 1Pet 2) auch uns kennzeichnen: heilige Entschiedenheit gegenüber aller Vermischung der Sache und des Volkes Gottes mit der Welt, in welcher Hinsicht es auch immer sein mag! Eine Entschiedenheit nach 2Kor 6,14ff. - aber eine Entschiedenheit und daraus folgende Entschlußfähigkeit und Tatkraft, die gewachsen ist nicht auf dem Boden des Selbstruhms und der Eigenliebe, des Etwas-sein-wollens, sondern auf dem der Liebe zum Herrn und des praktischen Glaubens an Ihn, einer Liebe, die es nicht ertragen kann, daß die geliebte Person frech geschmäht und verleugnet wird (vgl. V. 6a), eines Glaubens, der da rechnet mit der Gegenwart des Unsichtbaren so, als sähe er Ihn (Heb 11,27 nach Luther). Eine Entschiedenheit und Tatkraft aber auch, die auf dem Boden der Liebe zum Volke Gottes entstanden ist, die nicht ansehen kann des Volkes Sterben, die in den Riß springen muß, die alles tun will, was sie kann, um den Zorn Gottes über die Sünde Seiner Auserwählten zu besänftigen. Was Pinehas tat, als er die Lanze nahm, war viel, viel mehr als eine gewöhnliche israelitische Rachetat - Gott wertet sie ja unendlich viel höher! -, es war Liebe im höchsten Sinne, Liebe zur Ehre Gottes, heilige Eifersucht für Ihn (nicht wie bei Saul für sich selbst)! und Liebe zu dem sündigen Volk, das dennoch Gottes Volk war.
Kennen wir nun die Lanze, die Pinehas „ergriff“, die er einlegte für Gott und für Sein Volk? Ist diese Lanze in unserer Hand, oder liegt sie gleichsam wenigstens in erreichbarer Nähe, so daß sie sofort ergriffen werden kann? Wissen wir sie zu handhaben? Oder haben wir etwa aus Furcht vor falschem Gebrauch derselben sie noch nie genommen oder sie tatenlos wieder aus der Hand gelegt? Aus unentschiedener Furcht etwa, daß wir anderen damit „wehetun“ könnten? Aus selbstsüchtiger Furcht davor, daß der eine oder andere nicht mehr „mit uns“ gehen könnte, wenn ihn diese Lanze ritzen würde? Aus sklavischer Furcht womöglich, sie könnte auf uns zurückfliegen? Geschwister, was ist uns die Ehre Dessen, der Seine Ehre mit keinem anderen teilt? Was gebietet uns die Liebe zu Ihm und zu Seinem Volk? Möchten wir den geraden Weg des Pinehas zu gehen wagen gegenüber allem heute, was die Ehre des Namens Christi befleckt unter Seinem Volk, was sich mit der Liebe zu Ihm nicht verträgt, was geistlichem Ehebruch, wenn auch nur in Gedanken, nahekommt, was aber auch dem Volke Gottes schadet, wenn es darin bleibt, was denen, mit denen wir Gemeinschaft haben, innerlich Einbuße tut, als da sind geduldete Irrtümer oder gar Irrlehren, ungöttliche Verbindungen mit der religiösen oder sinnlichen Welt, Liebäugeleien mit dem, was nicht dem Worte Gottes entspricht, Trachten nach dem, „was auf der Erde ist“, Ungehorsam gegen den klar offenbarten Willen Gottes usw. Aber, teure Geschwister, laßt uns die Lanze nicht ohne Grund erheben, nicht bei den sogenannten „zweifelhaften Fragen“ (Röm 14,1ff). mit der Lanze drohen, nicht die Schwachen im Glauben damit schrecken, nicht die Armen der Herde verwirren! Laßt uns auch wohl bedenken, daß es stets auf die Beweggründe zu unserem Tun ankommt, daß Gott, der Herzenskündiger, nicht ein Lanzenschwingen als das des Pinehas werten wird, wo wir uns selbst suchen oder unsere eigenen Gedanken und Meinungen anderen aufzwingen wollen oder uns zum Gewissen anderer machen. „Vor Ihm gar nichts gilt, als Sein eigen Bild!“ Er muß durch Seinen Geist die Werke zuvor in uns wirken, die wir nach Seinem Willen tun sollen (Eph 2,10; Heb 13,21), und dann müssen wir bereit sein, die Lanze zu erheben und zu handeln nach Seinem Willen, ungeachtet der „Weinenden“ (vgl. V. 6 am Schluß) und ungeachtet derer, die durch die Pinehas-Lanze für immer oder für eine Zeit aus den Reihen der Streiter Gottes (vgl. „Israel“ - den Streiter Gottes -)! hinausgetan werden. - Mögen wir uns also fragen, ob wir geistlicherweise eine Lanze in der Hand oder neben uns haben und ob - was wichtiger ist - es die Lanze des Pinehas ist, keine fleischliche Waffe wie die des Saul (vergl. hierzu Paulus nach 2Kor 10,1-6)!, sondern eine wahrhaft geistliche, durch die zur rechten Zeit am rechten Ort Gericht geübt werden kann und muß, worauf nach Gottes Gedanken und Seiner Gnade gemäß neue Segnungen flüssig werden, die ohne Anwendung der Pinehas-Lanze nicht hätten eintreten können, nämlich die Segnungen „größerer Gnade“ zur Auferbauung Seines Volkes auf dem Grunde, der gelegt ist, Christus.
Der Herr lasse diese Betrachtungen zu unser aller Segen geschrieben sein! Er helfe uns in Gnaden, „Täter Seines Wohlgefallens“ zu werden, wie es einst ein Pinehas sein durfte, mit der gottgegebenen „Lanze in der Hand“!
F. K.