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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 13 - Jahrgang 1928
Röm 13,11 – „Näher“Röm 13,11 – „Näher“
„Die Zeit erkennend, daß die Stunde schon da ist, daß wir aus dem Schlafe aufwachen sollen; denn jetzt ist unsere Errettung näher, als da wir geglaubt haben.“ (Röm 13,11).
Die letzten Tage des Jahres 1927, das für viele von uns so ereignisvoll war, sind hinabgesunken ins Meer der Vergangenheit, und wieder stehen wir auf der Schwelle eines neuen Jahres. Was wird es uns bringen? Wer kann es sagen? Gott hält den Schlüssel der Zukunft in Seiner Hand, und Er allein weiß, was die schnell dahineilenden Tage des Jahres 1928 in sich bergen werden.
Eines sind wir uns bewußt, daß wir in unserer Geschichte dem Tage, nach dem die wartende und wachende Schar der Kinder Gottes ausschaut, dem Tage der Wiederkunft unseres Herrn , um ein Jahr wieder näher gerückt sind.
Auf diesen Tag weist der Apostel hin, wenn er von unserer Errettung spricht, die jetzt näher ist, als da wir geglaubt haben. Errettet sind wir, was unsere Seelen anbetrifft, doch nun erwarten und blicken wir aus nach dem Tage, der uns die Errettung in ihrem ganzen Umfange bringen wird. Dann sind alle Leiden, jede Trauer vorbei, und keine Träne fließt mehr. Wie wir das Bild dessen von Staub getragen haben, so werden wir dann das Bild des Himmlischen tragen und gleichförmig sein dem Leibe Seiner Herrlichkeit. Wahrlich, dies ist Errettung! Wenn wir uns einander daran erinnern, daß diese unsere Errettung uns näher ist, als da wir geglaubt haben, und um jeden Tag näher rückt, so mögen wohl unsere Gesichter in heiliger Freude strahlen.
Und nicht nur ist unsere Errettung näher gekommen, sondern damit auch der Tag, an dem wir Ihn sehen werden, unseren geliebten Herrn . Er selbst kommt, das ist gewiß! Habakuk sah vor alters ein Gesicht von der kommenden Herrlichkeit, und es wurde ihm gesagt: „Denn kommen wird es, es wird nicht ausbleiben“ (Hab 2,3). Der Heilige Geist führt später diese Stelle (in Heb 10,37) in Verbindung mit dem Herrn in einer veränderten Form an und sagt: „Er, der Kommende, wird kommen und nicht verziehen.“ So lenkt der Heilige Geist unsere Gedanken auf die Person unseres Herrn hin und zeigt uns die Sicherheit und Gewißheit des Kommens dessen, der unsere Errettung und unsere Hoffnung ist. Und auf dem letzten Blatt der Bibel sagt Er selbst dreimal nacheinander: „Ich komme bald!“
Wenn wir bei den vielen Titeln, die unser herrlicher Herr trägt, uns fragen: In welchem Charakter und unter welchem Namen verheißt Er uns Sein baldiges Wiederkommen? So wird uns die Antwort in Seinem Worte: „Ich Jesus.“ (Off 22,16). Er entkleidet Sich gleichsam jeden Ranges, Er spricht nicht von Sich als dem „Herrn “ oder dem „Christus“, sondern als „Jesus“, d. i. der Name, der über jeden Namen ist, der in sich alle Gnade und alle Vollkommenheit birgt. Er sagt: „Ich komme bald!“ Kann es anders sein, als daß dieser Zuruf Seiner Liebe die Antwort unseres Herzens auslöst: „Amen, komm Herr Jesus!“?
Diesen zwei uns so berührenden Worten: „Ich Jesus“ stehen zwei andere Worte im 8. Vers gegenüber: „Ich Johannes!“ Was Johannes auch für uns ist, welchen Abstand empfinden wir sofort in unserem Herzen, wenn ein Name (und sei es der Name des besten Dieners) neben Seinem Namen steht! Kein Name ist vergleichbar mit Seinem Namen.
Als dem Apostel Johannes die Dinge von einem Engel gezeigt wurden, fiel er zu dessen Füßen nieder, um ihn anzubeten, so hingerissen wurde er von dessen Anblick. Und wie leicht sind wir geneigt, uns von Dingen oder Personen hinnehmen zu lassen, statt mit dem einen beschäftigt zu sein, dem unsere ganze Liebe gehören soll! Wie leicht wenden wir unsere Herzen anderen Dingen zu, die doch viel geringer sind als Er! Ja, selbst die Arbeit im Werke des Herrn kann den Platz in unserem Herzen einnehmen, der Ihm gebührt, und Lehrpunkte können uns so hinnehmen, daß Er selbst daneben steht. Ja, wir mögen die Schriften erforschen und untersuchen und an dem, der Inhalt und Mittelpunkt jedes einzelnen Teiles der Schrift ist, vorübergehen! Möchten wir keiner Sache gestatten, unsere Blicke von Ihm abzulenken, damit der Heilige Geist nicht gehindert wird, unser Herz und unseren Sinn auf Ihn, den Kommenden, zu richten, und wir in der Nacht Seiner langen Abwesenheit wachend und wartend stehen! Niemals ist in der Geschichte der Gemeinde die Zeit dunkler gewesen als jetzt, aber auch niemals Sein Kommen so nahe.
Im fernen Norden müssen die armen Lappländer viele Monate im Jahre zubringen, ohne auch nur einen Schimmer der Sonne zu sehen. Der Winter ist lang und traurig, aber wenn der Sommer naht, dann sind ihre Erwartungen auf den ersten schwachen Schein der Sonne aufs höchste gespannt. Sobald sich die letzten Tage der Winterdämmerung und Dunkelheit dem Ende nahen, bricht der Lappländer auf und wandert in die Berge, um die ersten Lichtspuren des Tagesgrauens zu erhaschen.
Wir, die Gläubigen, stehen auch am Ende der langen dunklen Nacht; Er ist der Morgenstern und auch die Sonne, und Er ist nahe. Laßt uns auch auf der Bergesspitze stehen, wachend und wartend auf den Augenblick, wann Er kommt! Unsere Brüder in den früheren Jahrhunderten pflegten sich einander mit dem Gruß „Maran atha“ zu begrüßen, d. h. „der Herr kommt!“ Ihr Blick war nach aufwärts gerichtet. Aber leider ist der aufwärts gerichtete Blick der ersten Gemeinde heute bei den meisten zu einem abwärts gerichteten Blick geworden. Die Maranatha-Losung ist außer Kurs gekommen und hat aufgehört. Aber das ist kein Grund, teurer Leser, daß du und ich nicht sollten unter denen gefunden werden, die wachend stehen, ihren Herrn zu erwarten. „Ja, Ich komme bald“, so sagt Er selbst. Es mag dagegen eingewandt werden, daß diese Verheißung schon vor vielen Jahrhunderten gegeben wurde, und da sie sich in dem Laufe von 1900 Jahren noch nicht erfüllt habe, so könne man auch jetzt noch nicht mit einer baldigen Erfüllung rechnen.
Laßt mich ein einfaches Bild gebrauchen. Es gibt Myriaden winziger Insekten, deren ganzes Dasein nur einen Tag währt; ein Tag von 24 Stunden umfaßt ihre ganze Lebenszeit von Anbeginn bis zum Ende. In diesem Raume von 24 Stunden werden sie geboren, leben und sterben sie. Sie durchlaufen gleichsam in dieser kurzen Spanne ihre Insekten-Kindheit, ihr ausgewachsenes Leben und ihr hohes Alter, und ich wage zu behaupten, daß ihnen ihre Lebensdauer ebenso lang erscheint, wie uns 80 Jahre. Nehmen wir an, an einem Morgen sagt ein Mann zu seiner Frau: „Ich komme bald wieder, am Abend werde ich wieder hier sein“. Stellen wir uns nun vor, eins dieser kleinen Insekten hätte die Worte: „Ich komme bald wieder“ gehört, doch nun scheint ihm eine Lebenszeit darüber hinzugehen. In seiner frühen Jugend hört es dies Wort; inzwischen wuchs es, es wird erwachsen und jetzt, gleichsam ein altes Greiseninsekt geworden, sagt es: „Ich kann mir nicht denken, daß der Mann die Wahrheit sprach, als er zu seiner Frau sagte: ‚Ich komme bald wieder‘. Bald! - Ich war ganz jung, als er dies sagte, und nun bin ich ein Sterbender, meine ganze Lebenszeit ist über dieses ‚Bald‘ dahingeschwunden.“ Törichtes Insekt! du beurteilst die Zeitdauer nach deinem Leben und nach deiner Zeitrechnung. Bei dem Herrn sind 1000 Jahre wie ein Tag! Die kurze Spanne Zeit, die dem Menschen zugeteilt ist, gleicht, wenn man sie dem gegenüberstellt, dessen Jahre nie vergehen, der Lebenszeit des Insektes. Bald, sagt das Wort, und sicher bald wird Er wiederkommen. Unserer Zeitrechnung nach mag uns Sein Ausbleiben lang erscheinen, und doch wird Er, den wir erwarten, bald erscheinen, und wir werden auf ewig bei Ihm sein. Inzwischen ist es unser gesegnetes Vorrecht, den Mitternachtsruf: „Siehe, der Bräutigam!“ weithin erschallen zu lassen und die gute Botschaft von dem kommenden Herrn auszubreiten.
Ein Brief, von einem Missionar geschrieben, der sich auf dem Wege nach Afrika befand, lautet: „An diesem Morgen, als wir in der Kabine gerade unser Frühstück beendet hatten, hörten wir einen seltsam schrillen Ton, wie von einer großen Anzahl Stimmen. Er klang wie ein Schrei, der von weit herkam, dann anschwoll und ganz nahe bei uns war, dann vorüberging und wieder in der Ferne erstarb. Der Kapitän fragte: „Haben Sie es gehört?“ „Ja“, sagten wir, „was ist das?“ „Es ist der Schrei, welchen die Eingeborenen erschallen lassen, wenn sie den Postdampfer ankommen sehen; alsdann stoßen sie diesen Ruf aus. Die anderen Eingeborenen hören ihn und geben den Schrei weiter, bis er so fort und fort auf ungefähr 20 Meilen weit hallt.“
Hierin liegt eine Belehrung für uns. Auch wir sollten im Blick auf die baldige nahe Ankunft des Herrn Jesus unsere Stimme erheben. Viele sind da, die aus ihrem Schlaf aufgeweckt werden müssen. Die Mitternachtsstunde ist da! Wie groß ist ihre Finsternis! Haben wir, die den Mitternachtsruf gehört haben, nicht die Verpflichtung, diesen Ruf weiter zu geben und die schlafenden Jungfrauen zu wecken und denen, die in Finsternis sitzen, die Botschaft der Gnade zu bringen?
Brüder, die Zeit ist kurz, der Herr kommt! Seine Liebe sollte uns drängen, die frohe Botschaft der Liebe Gottes auszubreiten. Timotheus war nach Ephesus gesandt, um den Schwierigkeiten und Nöten der Gemeinde zu begegnen, aber dennoch vergaß er nicht, daß er in einer großen heidnischen Stadt wohnte, und vollführte das Werk eines Evangelisten. Und wenn auch die Gemeinde mehr als je treuer Diener bedarf, sowohl Hirten als Lehrer, so müssen wir uns immer bewußt bleiben, daß eine sterbende Welt uns umgibt, und über die selige Hoffnung und Erwartung des wiederkommenden Herrn dürfen wir nicht vergessen, die zu den Wassern des Lebens zu rufen, die ihren Durst noch an den löchrichten Brunnen dieser Welt zu stillen suchen. Unser Aufblick muß mit dem Umblick Hand in Hand gehen. So finden wir es auch am Schluß der Bibel „Der Geist und die Braut sagen: Komm! Und wer es hört, spreche: Komm! Und wen da dürftet, der komme; wer da will, der nehme das Wasser des Lebens umsonst.“ (Off 22,17).
B. (v. d. K).