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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 23 - Jahrgang 1938
Persönliche Voraussetzungen für fruchtbaren Dienst am WortPersönliche Voraussetzungen für fruchtbaren Dienst am Wort
Gottes Dienst ist der heiligste Dienst in der Welt. Zu seiner Ausführung ist die Erfüllung heiliger Voraussetzungen erforderlich. Die erste Voraussetzung ist persönliches heiliges Leben. Wahr ist das Wort eines Knechtes Gottes: „Wollt ihr Posaunen der Gnade sein, räumt euch der Gnade erst selber ein!“
Zum Gottlosen aber spricht der Herr: „Was hast du Meine Satzungen herzusagen und Meinen Bund in deinen Mund zu nehmen, der du doch die Zucht hassest und Meine Worte hinter dich wirfst?“ (Ps 50,17) „Ja, es ist furchtbar, predigen zu müssen über den lebendigen Gott, ohne Ihn selbst zu besitzen, über etwas zu reden, das ganz ins Herz eingehen will, ohne es selbst aufgenommen zu haben. Sagen zu müssen, Gott sei alles, und doch nichts an Ihm zu finden, das die eigene Seele erfüllte. So zu tun, als wäre Gott das einzig Wichtige - und eben diese Pflicht bringt ja die Verkündigung des Evangeliums mit sich -, und doch alles andere selbst wichtiger zu nehmen als Gott! Immer im Superlativ sich zu ergehen, wo einem der Positiv selbst noch fehlt - und desto mehr, je weniger Positives vorhanden ist: das ‚Höchste‘, ‚Innerste‘ und ‚Heiligste‘, wo nichts hoch, innerlich und heilig ist.“ So klagt ein bekannter Prediger der Neuzeit. Wir wollen diese Fragen auch an uns gerichtet sein lassen. Denn Prediger, Evangelisten, Missionare und Diener am Wort, ohne jeden Titel, stehen alle in gleicher Gefahr. Auch treue, zum Dienst berufene und mit göttlichen Gaben ausgerüstete Zeugen stehen in der Gefahr, anderen als Herolde zu dienen und sich selbst des Preises unwürdig zu erweisen (1Kor 9,27). Hinter dem Zeugnis muß der Zeuge stehen. Mit den Worten muß der Wandel im Einklang stehen. Dem Timotheus schreibt Paulus: „Sei du ein Vorbild für die Gläubigen in Wort und Wandel, in Liebe, Glauben und Sittenreinheit!“ (1Tim 4,12) Die alte Behauptung, die immer wieder bestritten wurde, daß die Wirkung des verkündigten Wortes von der persönlichem Beschaffenheit des Redners unabhängig sei, wird gewiß niemanden über sich beruhigen. Denn wer möchte sich mit Judas oder den toten Schriftgelehrten vergleichen lassen oder mit Bileam und dem toten Löwen (Ri 14,8), „der Honig führte, aber in einem stinkenden Munde“? Wer möchte sich dieser Ausnahmen getrösten, angesichts der überall in der Heiligen Schrift bezeugten Forderung Gottes? Schon von den alttestamentlichen Priestern wurde die Reinigung verlangt, ehe sie zum Dienst im Heiligtum durch das Füllen der Hände geweiht wurden (2Mo 29,1-37). Nur heilige Gefäße kann Gott füllen und in Seinem Dienst gebrauchen. Die Mahnung des
Propheten: „Reinigt euch, die ihr die Geräte des Herrn tragt“ (Jes 52,2), enthält einen göttlichen Grundsatz von bleibender Bedeutung. Der Dienst am Wort ist ein heiliger Dienst.
Neben dieser persönlichen Voraussetzung eines lauteren, heiligen Wandels vor Gott darf ein zweites nicht fehlen; die göttliche Gnadengabe. Die Treue oder Vertrauenswürdigkeit steht zwar an erster Stelle, aber zu ihr muß noch die Fähigkeit, Begabung und Ausrüstung hinzukommen. (2Tim 2,2)
Wer ist geeignet für diese Aufgabe und diesen wichtigen Dienst? Von Natur niemand. „Unsere Kraft ist schwach und nichtig, und keiner ist zum Werke tüchtig, der nicht von Dir die Stärke hat!“ Gott Selbst muß Seine Werkzeuge, die Er erwählt hat, auch brauchbar machen für Seinen Dienst. Ohne die göttliche Berufung, Beauftragung und Befähigung, d. i. die Gnadengabe (charisma), ist der Mensch unfähig zu diesem hohen Beruf. Die Tatsache der Wiedergeburt und die Zugehörigkeit zur Gemeinde Gottes ergibt noch nicht die Pflicht und das Recht zur Wortverkündigung und die zu diesem verantwortungsvollen Dienst erforderliche, innere Ausrüstung und Vollmacht. Es gibt eine natürliche Redebegabung, die angeboren ist. Auch diese genügt für den Verkündiger des Wortes Gottes nicht. Es muß die Gnadengabe hinzukommen, die befähigt, „geistgewirkten Inhalt mit geistgewirkter Sprache zu verbinden“ (1Kor 2,13). Oft ist beides vorhanden; doch sind die Fälle nicht selten, daß wohl die natürliche Gabe vorhanden ist, über natürliche Dinge mit großer Klarheit eine Rede zu halten, dagegen keine, um über geistliche Wahrheiten und Erfahrungen öffentlich zu reden. Häufiger noch zeigt sich eine besondere Gabe zu klarer, geistgesalbter Rede bei entschiedenen Christen, die niemals Fähigkeit und Mut zu öffentlicher Rede bewiesen, ehe sie zum Glauben kamen. Es gilt auch hier das Wort: „Kein Mensch kann sich etwas nehmen, wenn es ihm nicht vom Himmel her gegeben ist.“ (Joh 3,27) Es ist zwar ein und derselbe Geist, der in allen Gläubigen wohnt und der in ihnen und durch sie wirkt. Aber es sind mancherlei Gaben. Sie sind verschieden in ihrer Art, wenn sie auch alle dem einen Zweck dienen, der Auferbauung das Leibes Christi (Eph 4,12). Von der Tätigkeit eines Evangelisten ist die des Propheten (im neutestamentlichen Sinne, 1Kor 14,24.25) zu unterscheiden, und die Aufgabe der Hirten und Lehrer ist wieder eine andere. Wohl mag auch heute jemand nicht nur eine dieser Gaben haben. Paulus besaß sie augenscheinlich alle. Sicher sollte niemand mit einer Gabe zu dienen versuchen, die er nicht hat. Die Mahnung des Apostels gilt auch heute noch: „Dienet einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als gute Verwalter der mannigfachen Gnadengaben Gottes.“ (1Pet 4,10)
Welcher Art die Gabe nun auch sein mag, den rechten Wert und die wirkliche Kraft verleiht ihr erst die Liebe (1Kor 13). „Hoch steht über aller Begeisterung, allem Enthusiasmus, selbst über allem Genie und Talent - die Gesinnung“, das heißt, auf den Diener am Wort angewandt: „Hoch über aller Befähigung und Ausbildung steht die heilige Liebe. Denn wenn ich in den Sprachen der Menschen und Engel reden könnte, aber keine Liebe hätte, so wäre ich nur ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle.“ (1Kor 13,1) Herzliches Erbarmen mit den Sündern und geistlich Kranken, selbstverleugnende Liebe, die stets bereit ist, persönliche Opfer zu bringen und auf Rechte zu verzichten (1Kor 9,12), das Bewußtsein der eigenen Unwürdigkeit und Schwäche, aber auch des göttlichen Auftrags und seiner Kraft, die gerade in den Schwachen mächtig ist, gibt eine innere Ruhe und zugleich einen großen Freimut zur Rede, so daß das Zeugnis nicht nur in Worten erfolgt, sondern auch mit Kraft und im Heiligen Geist und in großer Gewißheit. (1Thes 1,5)
Jeder, der das heilige Vorrecht hat, zum Dienst am Evangelium berufen zu sein, sollte immer wieder das große Vorbild des Apostels Paulus studieren, und zwar seine Selbstzeugnisse, wie sie in 1Thes 2; Phil 3; 1Kor 9; Apg 20 und an anderen Stellen zu finden sind, dann auch seine Ermahnungen, wie sie besonders im zweiten Timotheusbrief in so ergreifender Weise dem Timotheus ans Herz gelegt werden.
Zu den Voraussetzungen eines wirklichen Zeugendienstes und zu den unerläßlichen Erfordernissen und persönlichen Pflichten gehört auch ein eifriges Bibelstudium und ein anhaltendes Gebetsleben.
Wie kann man klar und bestimmt, frisch und freimütig das Wort verkünden, wenn man die Heilige Schrift nicht eifrig liest und durchforscht? Nur wer sie mit Liebe und regelmäßig liest, sich in ihre Gedankenwelt hineinlebt, wird imstande sein, durch die Verkündigung des Wortes andere so in die Gegenwart des lebendigen Gottes zu stellen, daß sie Gottes Anrede in dem von Menschen geredeten Zeugnis vernehmen. Gott offenbart Sich uns in der Bibel. Darum ist ein Leben in und mit der Bibel die notwendigste Voraussetzung für eine kraftvolle Verkündigung in göttlicher Vollmacht. Derselbe Geist, der einst durch den Mund der Boten Gottes gesprochen hat und durch die heiligen Schriften dieser Zeugen noch heute redet, wird um so mehr das verkündete Wort als geistgewirkt bestätigen können, je treuer wir uns dem Bibelstudium widmen. Freilich muß mit diesem Leben im Wort treues Gebetsleben verbunden sein. Georg Müller legte viel Wert auf ein regelmäßiges, gründliches Studium der Heiligen Schrift und auf eine gute Vorbereitung zur Wortverkündigung; aber auch daraus machte er eine Sache ernstlichen Gebetes. Wenn sogar der Apostel Paulus so großen Wert auf die Fürbitte der Gläubigen für eine freimütige Verkündigung des Evangeliums legte (Eph 6,19; Kol 4,3; 1Thes 5,25; 2Thes 3,1), so sollte niemand gering denken von dieser unerläßlichen Vorbedingung: Gebet und Fürbitte sind stets das Geheimnis einer kraftvollen und erfolgreichen Wortverkündigung gewesen. Aber wichtiger als alle Fürbitte ist das persönliche Gebetsleben des Dieners Jesu Christi.
Die Ursache unserer Kraftlosigkeit liegt in dem Mangel an wirklichem Gebet (Jak 4,2.3). Wie groß sind doch die Verheißungen, die dem treuen Beter gegeben sind! (Mt 18,19; Joh 16,23) Ein ernstliches Gebet im Heiligen Geist (Jak 5,16; Jud 20; vgl. Röm 8,26.27; Eph 6,18) vermag viel. Aber es gilt auch, anzuhalten im Gebet (Röm 12,12; Kol 4,2; Eph 6,18). Mancher muß sich beschämt fühlen durch die Mohammedaner, die fünfmal am Tage ihre Gebete verrichten! Ist es dort in den meisten Fällen auch nur eine tote Form, so sollte es dem Christen zum innersten Bedürfnis werden, ohne Unterlaß zu beten (1Thes 5,17). Auch in dieser Hinsicht sind die
Apostel unsere großen Vorbilder, vor allem aber der Herr Jesus Selbst. (Lk 6,12; Mk 1,36 u. a).
Die durch Gottes Wort und Gebet geheiligte Persönlichkeit des Redners ist für das verkündigte Wort von größter Bedeutung. Was ein solcher vor den Zuhörern sagt, bezeugt er nicht nur durch das gesprochene Wort, sondern durch seine ganze Persönlichkeit, die eine Verkörperung des mündlichen Zeugnisses sein soll. Die unleugbare Wirkungslosigkeit vieler Predigten in unseren Tagen hat ihre tiefste Ursache darin, daß es an der unbedingten Hingabe des Redenden an das Wort und an dem Glaubensgehorsam fehlt. Nur dann, wenn der Träger der göttlichen Botschaft sich selbst ganz unter das Wort stellt und damit völlig ernst macht, kann er das Schwert des Geistes im Kampf gegen die Macht der Sünde und der Lüge mit Erfolg führen. In einem solchen Kampf steht aber jede geistliche Persönlichkeit, die sich der schweren Aufgabe der Verkündigung des göttlichen Wortes unterzieht.
F. Butcher, ein in der Missionsarbeit ergrauter Zeuge, teilte seinen Freunden und Mitarbeitern eine Tatsache mit, die es wert ist, auch hier hervorgehoben zu werden. Er schrieb: „Ein Besucher der verschiedenen Missionsfelder sammelte die Statistik der Ursachen, die die Eingeborenen bewogen hätten, sich zu bekehren, und er erlangte dieses überraschende Resultat: In keinem einzigen Falle schrieb der Gläubige den Grund seiner Bekehrung der Predigt zu, sondern bei jedem war es die Liebe oder der heilige Wandel oder die ununterbrochene Freundlichkeit und Fürsorge des Arbeiters, welche ihn gewonnen hatte! Es war eigentlich das Leben Jesu in den Seinigen, welches den Eindruck auf die umnachteten Herzen machte. Lebt Christus in uns durch den Heiligen Geist, so wird auch von uns eine Kraft ausgehen. Sehnen wir uns nicht nach überredenden Worten der Weisheit, sondern nach der Erweisung des Geistes und der Kraft.“ (1Kor 2,3)
Johannes Warns †.