Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 16 - Jahrgang 1931
3Mose 23,26-32 - Die Feste Jehovas - Der Versöhnungstag (10)3Mose 23,26-32 - Die Feste Jehovas - Der Versöhnungstag (10)
Der Tag der Versöhnung.
Dritter Teil.
Noch ein anderes schönes Bild wird uns davon gegeben, wie in der gegenwärtigen Zeit die Seele für die Gemeinschaft mit Gott zubereitet wird.
Selbstgericht und Gemeinschaft.
In 1Kor 11,28 lesen wir: „Ein jeder aber prüfe sich selbst, und also esse er von dem Brote und trinke von dem Kelche.“ Und wieder Vers 31 und 32: „Aber wenn wir uns selbst beurteilten, so würden wir nicht gerichtet. Wenn wir aber gerichtet werden, so werden wir vom Herrn gezüchtigt, auf daß wir nicht mit der Welt verurteilt werden.“ Gerade so wie Selbstgericht uns für die rechte Teilnahme am Gedächtnismahl des Herrn zubereitet, so ist auch der Richterstuhl Christi die passende und notwendige Zubereitung für das Teilhaben am Hochzeitsmahl des Lammes - der unlösbaren Gemeinschaft in Ewigkeit.
So wie beim Mahl des Herrn , und so wie am Richterstuhl Christi, geht auch jetzt die demutsvolle Beugung der Seele Hand in Hand mit der völligen Erkenntnis des Wertes des Sühnungsopfers Christi, welches die Grundlage der vollkommenen Ruhe ist. Jedes wirkliche Selbstgericht wird sich nach dem Muster des Richterstuhles vollziehen, so wie wir es in dem Vorbilde des großen Versöhnungstages dargestellt finden. Ohne die wahre Aneignung dessen, was das Blut Christi für uns bewirkt hat, ist das Herz weder willig noch fähig, an sich das Selbstgericht über seine Übertretungen und Sünden in Gottes Gegenwart auszuüben. Haben wir die Bedeutung des Blutes am Gnadenstuhl noch nicht für uns selbst erfaßt, - noch nicht erfaßt, daß durch dasselbe alle Forderungen Gottes völlig befriedigt sind, und zwar so befriedigt, daß Sein Thron in Wahrheit ein Thron der Gnade geworden ist, so werden wir, anstatt unsere Sünden zu bekennen, uns bemühen, dieselben zu verdecken oder zu entschuldigen.
Am großen Versöhnungstage wurde das Blut in das Heiligtum getragen, ehe die Sünden auf das Haupt des lebendigen Bockes bekannt wurden. Ebenso wird erst, nachdem die Heiligen verwandelt, dem Herrn entgegengerückt und von Ihm empfangen sind, das Verborgene ihrer Herzen vor dem Richterstuhl offenbar gemacht. Und so ist es auch heute mit dem Selbstgericht einer Seele, dasselbe wird immer mit der bewußten Erlösung durch das Blut Christi und unserem von-Ihm-Angenommensein in Verbindung stehen. Nur so ist wahres Selbstgericht möglich, und nur so kann es wahr und wirklich sein, und nur so kann dem Selbstgericht die köstliche Ruhe der Seele und die schattenlose Gemeinschaft mit Gott folgen. So finden wir es auch bei David. Nachdem ein volles Selbstgericht im Bloßlegen seiner Sünden vor Gott stattgefunden, singt seine Seele: „Du bist ein Bergungsort für mich, vor Bedrängnis behütest Du mich, Du umgibst mich mit Rettungsjubel.“ (Ps 32,7)
Bisher haben wir das Vorbild des großen Versöhnungstages in seiner Bedeutung für die Heiligen Gottes betrachtet, die bei dem Kommen des Herrn Ihm entgegengerückt werden in die Luft. Wie wir schon in Verbindung mit dem früheren Feste bemerkten, haben vom Fest des Posaunenhalles an alle Feste eine doppelte Anwendung, indem sie Gottes Handlungsweise sowohl mit den Gläubigen der Jetztzeit als auch mit Israel vorbilden. Wir wenden uns nun zu den Schriftstellen, die von Israels Zukunft reden, um auch die zweite Anwendung dieses Festes zu betrachten.
Die Anwendung auf Israel.
Ebenso wie bei dem Feste des Posaunenhalles, so bedingen auch bei diesem Feste die ganz verschiedenen Umstände und Verhältnisse Israels von denen der Gemeinde auch eine große Verschiedenheit in seiner Anwendung als Vorbild, dennoch aber findet jeder besondere Zug darin seine volle Anwendung. Wir schlagen nun das 12. Kapitel des Propheten Sacharja auf und lesen sorgfällig vom 9. Verse ab: „Und es wird geschehen an jenem Tage, da werde Ich alle Nationen zu vertilgen suchen, die wider Jerusalem heranziehen. Und Ich werde über das Haus Davids und über die Bewohner von Jerusalem den Geist der Gnade und des Flehens ausgießen, und sie werden auf Mich blicken, den sie durchbohrt haben, und werden über Ihn wehklagen gleich der Wehklage über den Eingeborenen, und bitterlich über
Ihn leidtragen, wie man bitterlich über den Erstgeborenen leidträgt. An jenem Tage wird die Wehklage in Jerusalem groß sein wie die Wehklage von Hadad-Rimmon im Tale Megiddo. Und wehklagen wird das Land, jedes Geschlecht besonders: das Geschlecht des Hauses Davids besonders, und ihre Weiber besonders; das Geschlecht des Hauses Nathans besonders, und ihre Weiber besonders; das Geschlecht des Hauses Levis besonders, und ihre Weiber besonders; das Geschlecht der Simeiter besonders, und ihre Weiber besonders; alle übrigen Geschlechter, jedes Geschlecht besonders, und ihre Weiber besonders. An jenem Tage wird ein Quell geöffnet sein dem Hause Davids und den Bewohnern von Jerusalem für Sünde und für Unreinigkeit.“
Christi Offenbarwerdung in Herrlichkeit.
In dieser Schriftstelle führt der Geist Gottes uns die Befreiung Seines Volkes Israel durch die Vernichtung Seiner Feinde vor Augen, und zwar bemerkenswerterweise nur in Verbindung mit dem Flehen und der Wehklage des Volkes, die auf seine Errettung folgten. Einen näheren Bericht über diese Errettung und das furchtbare Weh und Leid, welches derselben vorausging, finden wir im 14. Kapitel. Hier in dieser Stelle wird uns in ganz besonderer Weise gezeigt, welche Wirkung die Errettung auf die Bewohner Jerusalems auslöste.
Laßt uns nun kurz einen Blick auf die Lage werfen! Die verbündeten Völker, die unter der Führung eines antichristlichen Oberhauptes stehen, sind wider Jerusalem zum Streit versammelt. Die Stadt ist in ihre Hände gefallen. Ein schreckliches Blutbad hat begonnen, als plötzlich der Herr Jesus mit Wolken und den Ihn begleitenden Heerscharen erscheint. Seine Füße stehen auf dem Ölberg, von dem aus Er einst gen Himmel fuhr. Seine Erscheinung in Herrlichkeit bringt die Vernichtung über den Antichristen (2Thes 2,8) und Verderben über die verbündeten Armeen, wogegen die Bewohner Jerusalems, die noch unmittelbar zuvor dem Untergang geweiht waren, sich ebenso unerwartet wie plötzlich vollkommen errettet sehen.
Der Sohn des Menschen.
Und wer ist dieser, ihr mächtiger Befreier? Als ihre Augen Ihn schauen, sehen sie die Wunden an Seinen Händen und Füßen, und sie erkennen, daß der auf Wolken von der Rechten der Macht Gottes Herniedergekommene kein anderer ist als der Sohn des Menschen, der einst in derselben Stadt vor Kajaphas stand und von ihren Vätern verspottet und angespien wurde. Ja, und sie hatten die Taten ihrer Väter und den schrecklichen und so leichtfertig ausgesprochenen Fluch: „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder“ nur bekräftigt. Was sollen sie sagen - was tun in der Gegenwart dessen, gegen den sie und ihre ganze Nation so lange und so schrecklich gesündigt hatten? Weder die Furcht vor dem Gericht noch das Bewußtsein ihres Gerettetseins allein hätten genügt, die natürliche Feindschaft des menschlichen Herzens zu brechen und wahre Beugung hervorzubringen, aber Gottes Zeit, Seinen Sohn zu verherrlichen und Seinem alten Volke Israel Barmherzigkeit zu erweisen, war gekommen, und Er goß den Geist der Gnade und des Flehens über das Haus Davids und über die Bewohner Jerusalems aus, und so wandte sich das Herz Israels zum Herrn zurück.
Israels Buße.
Wie könnten Worte die Betrübnis und Buße beschreiben, die jedes Herz erfaßte, als es überführt wurde, daß Er der sei, den sie durchstochen hatten! Jetzt sahen sie, daß ihre wunderbare Errettung eine Folge Seiner Leiden am Kreuze auf Golgatha war. Die Worte des Propheten Jesaja 53,5: „Um unserer Übertretungen willen war Er verwundet, um unserer Missetaten willen zerschlagen. Die Strafe zu unserem Frieden lag auf Ihm, und durch Seine Striemen ist uns Heilung geworden,“ werden an diesem Tage ihre volle Erfüllung finden. Die Erfahrung der vergebenden Gnade und der befreienden Kraft Jehovas, ihres Gottes, durch Seinen geliebten Sohn gibt ihnen ein tiefes Gefühl von der Sünde, Ihn so lange verworfen zu haben.
Diese Beugung, die das Werk Gottes in ihrer Seele hervorrief, brachte jeden einzelnen dahin, mit Gott allein zu sein (genau so wie es auch heute bei denen geschieht, die an einen unsichtbaren Heiland glauben). Nichts sondert einen Menschen von seinen Mitgenossen so ab, als die durch den Heiligen Geist bewirkte Überführung der Sünde. Nur solche, die nie unter der Last ihrer Sünde und Schuld geseufzt haben, sagen: „O ja, wir sind alle arme Sünder.“
Solche sind zufrieden, Christum als „einen Heiland“ oder höchstens als „unseren Heiland“ zu kennen und zu nennen. Wenn der Heilige Geist aber jemand (wie der Herr Jesus sagt) von der Sünde überführt, „weil sie nicht an Mich glauben“, dann wird eine andere Sprache gehört. Ein solches Herz spricht mit Hiob: „Ich verabscheue mich,“ oder mit Jesaja: „Wehe mir, denn ich bin verloren, denn ich bin ein Mann unreiner Lippen.“ Nichts Geringeres kann eine solche Seele dann zufrieden stellen als die vom Herrn persönlich empfangene Vergebung und Errettung. Alsdann kann die gläubige Seele sagen: „Mein Heiland“.
Die Bewohner Jerusalems (Sacharja 12) hatten nie an ihren Erretter geglaubt, bis sie Ihn sahen. Erst als sie errettet waren, erkannten sie den, der sie errettet hatte. Die Erfahrung ihrer Errettung brachte jeden einzelnen dahin, sich in Reue und Demut über seine Schuld vor Gott zu beugen. Ohne diese konnten die Segnungen der tausendjährigen Regierung Christi für Sein wiederhergestelltes Volk nicht vollkommen sein. In feierlich ernster Weise enthüllte ihnen Gott die Sünden der vergangenen Jahrhunderte, die zuletzt in dem Frevel gipfelten, sich in dem neuerbauten Tempel Gott mit Opfern zu nahen, während sie Seinen geliebten Sohn verwarfen und statt Seiner dem „Menschen der Sünde“ huldigten. Alles dies wurde ihren Augen durch die Offenbarung ihres Heilandes, des auf Golgatha geschlachteten Gotteslammes, enthüllt.
So finden wir also auch hier die drei großen Charakterzüge des großen Versöhnungstages wieder: 1. die völlige Enthüllung des Wertes der Sühnung, 2. die demütige Beugung der Seele, 3. die schattenlose Ruhe der Gemeinschaft mit Gott.
Das Jubeljahr.
Wir können unsere Betrachtung über den großen Versöhnungstag nicht schließen, ohne auch auf die Verbindung desselben mit der Einrichtung des Jubeljahres hinzuweisen. Jedes fünfzigste Jahr vom Eintritt Israels ins Land Kanaan an war ein Jahr des besonderen Glückes und der Freude. Jeder Mann, der durch Armut sein Eigentum oder Erbteil hatte hingeben müssen, erhielt solches in diesem Jahre wieder. Oder wenn er aus noch größerer Not sich selbst verkauft hatte, ein Sklave zu sein - im Jubeljahr mußte ihm seine Freiheit zurückgegeben werden. Jeder konnte zu seinem Eigentum und getrennte Familien konnten zu ihren Geschlechtern wieder zurückkehren.
In 3Mo 25 finden wir die göttlichen Anweisungen betreffs des Jubeljahres. Wir lesen Vers 9: „Und du sollst im siebenten Monat, am zehnten des Monats, den Posaunenschall ergehen lassen, an dem Versöhnungstage sollt ihr die Posaune ergehen lassen durch euer ganzes Land.“ Wir sehen also, daß das Jubeljahr nicht zu der Zeit begann, in der das gewöhnliche Jahr seinen Anfang nahm. Es begann, wie wir eben gelesen haben, am zehnten Tage des siebenten Monats, dem großen Versöhnungstage. An diesem Tage verkündigte die Posaune durch das ganze Land den Beginn des Jubeljahres. Aber was sagt uns dies? Lange zuvor, als Gott zum ersten Male das Passah anordnete, veränderte Er den siebenten Monat des Jahres in den ersten. Das Jubeljahr begann nun aber mit dem siebenten Monat, und so wurde alles zu der ursprünglichen Ordnung zurückgeführt. Und dies erinnert uns an die „Zeiten der Wiederherstellung aller Dinge“, von welchen Petrus in Apg 3,21 spricht.
Eine doppelte Erfüllung.
Gleich den letzten Festen hat auch das Jubeljahr eine doppelte Erfüllung. In bezug auf die Gemeinde weist es hin auf die Zeit, da die Gemeinde wie eine Braut für ihren Mann geschmückt ist, wo Gott bei Seinem Volke wohnt und alle Tränen von ihren Augen wischt und kein Tod, keine Trauer noch Geschrei noch Schmerz mehr sein wird; denn das Erste ist vergangen (Off 21,2-4), dies wird unmittelbar nach dem Richterstuhl Christi sein; die Jubelposaunen erschallen am Tage der Versöhnung. In bezug auf Israel weist das Jubeljahr auf die Zeit hin, da Gott die Trauernden Zions trösten und ihnen den Kopfschmuck statt Asche, Freudenöl statt Trauer und ein Ruhmesgewand statt eines verzagten Geistes geben wird. (Jes 61,2.3)
Wir haben bereits gesehen, daß, wenn Israel den Herrn Jesus wird auf dem Ölberg als seinen Befreier stehen sehen, daß es dann mit einem wahren, zerbrochenen Herzen sich Ihm zuwenden und in tiefer und wirklicher Klage über seine einstige Verwerfung sich beugen wird, dann wird das Vorbild des großen Versöhnungstages seine Erfüllung finden. Auf die Beugung folgt Gottes Tröstung sofort, alles Verwüstete wird aufgebaut und die Einöde neu belebt. So wird auch das gesegnete Jubeljahr seine völlige Erfüllung sowohl in bezug auf Israel als auch auf uns finden.
(Schluß folgt, s. G. w).