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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 10 -Jahrgang 1925
Tit 1,2 ; 3,7 - „In der Hoffnung des ewigen Lebens“Tit 1,2 ; 3,7 - „In der Hoffnung des ewigen Lebens“
Beim3 Lesen dieses Schriftwortes möchte jemand fragen: „Besitzen wir ewiges Leben nicht schon jetzt, wie kann von der Hoffnung des ewigen Lebens geredet werden?“
Inbezug auf „ewiges Leben“ herrscht unter den Kindern Gottes viel Unwissenheit. Manche meinen, ewiges Leben heiße soviel wie ewige Existenz. Dann besäßen alle Menschen ewiges Leben, denn alle haben eine ewige Existenz. Der reiche Mann in der Hölle hat ewige Existenz ebenso wie Lazarus. Ewiges Leben ist auch nicht nur ein geistiges Leben, es ist viel mehr.
Ewiges Leben empfangen wir als die Gabe Gottes, die die Gnade Gottes uns gibt, wenn wir gläubig werden. Der Herr sagt: „Wer Mein Wort hört und glaubt Dem, der mich gesandt hat, hat ewiges Leben“ (Joh 5,24). Im einfachen Glauben erfassen wir ein solches Wort. Der Herr hat es gesagt, wir glauben Ihm, und wir haben es - und niemand kann es uns nehmen. „Wer an den Sohn glaubt, hat ewiges Leben.“ (Joh 3,36). „Die Gnadengabe Gottes aber ist ewiges Leben.“ (Röm 6,23). Eine „Gabe“ kann niemand erwerben oder verdienen (dann wäre sie nicht Gabe, sondern Lohn), aber Gott gibt sie jedem, der an Seinen Sohn glaubt.
Du fragst, wie oder was ist das ewige Leben? Niemand vermag es zu erklären. Uns, die wir zeitlich sind, ist dieses nicht möglich. Wenn wir etwas davon wissen oder lernen wollen, so müssen wir Den anschauen, der „das ewige Leben“ ist - den Sohn Gottes -, „dieser ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben“. (1Joh 5,20).
Johannes schaute Ihn an; er sagt uns: „Was wir angeschaut und unsere Hände betastet haben, betreffend das Wort des Lebens“ (1Joh 1,1). In Seiner Person schauten sie das ewige Leben, und in Ihm sehen auch wir es - das Leben, das uns gegeben worden ist. Die Kraft dieses Lebens ist der Heilige Geist, Er ist die „Quelle des Wassers, das in das ewige Leben quillt“. (Joh 4,14).
Das ewige Leben war und ist in dem Sohne und bei dem Vater (
Das ewige Leben hat seine Heimstätte bei dem Vater in der Herrlichkeit. Wir leben hier gleichsam auf dem Meeresboden in dem Gebiete der Welt des Todes ein Leben, das hier unten nicht zu Hause ist. Wir leben dieses Leben durch das Verbundensein mit Christus bei dem Vater. Das Leben, dessen Lebensgebiet dort ist, wo der Sohn Gottes und die Ehre und Herrlichkeit Gottes wohnen, das ist das Leben, das wir hier unten leben durch die Lebensverbindung mit dem Sohne Gottes droben.
Dieses Leben lebte Christus, als Er hienieden war. Er offenbarte es in dieser Welt, und „wie der Himmlische, so auch die Himmlischen“; wie Er, so leben auch wir ein himmlisches Leben in dieser Welt. Ein Leben, das sein Leben nicht in dieser, sondern in jener Welt hat, aber in dieser Welt das offenbart, was bei dem Vater ist.
Wir reden im täglichen Leben sowohl vom Leben-haben als auch von dem Leben, welches wir leben. So ist es auch mit dem Leben des Gläubigen. Jeder Gläubige hat das Leben, weil er den Sohn hat, aber nicht jeder Gläubige lebt dieses Leben. Ein irdisch Gefangener z. B. hat Leben, aber in Wahrheit lebt er sein Leben nicht, er ist ein Gefangener, ein Gebundener, der sich des Lebens nicht in seiner Weite erfreuen und es nicht leben kann. Wie wir unser Leben, welches Christus ist, in dieser Welt leben können, das lernen wir von Paulus: „Ich lebe durch Glauben, durch den an den Sohn Gottes, der mich geliebt und Sich Selbst für mich hingegeben hat“ (Gal 2,20). Und nur so können auch wir das Leben leben, welches nach dem Bilde des Lebens des Herrn in dieser Welt ist.
Alle Kinder Gottes haben das ewige Leben („Wer an Mich glaubt, hat das ewige Leben“, Joh 6,47) aber damit, daß wir ewiges Leben haben, ist nicht gesagt, daß wir ewiges Leben kennen. Ich meine, du magst etwas besitzen, aber damit ist nicht notwendig verbunden, daß du deinen Besitz auch wirklich kennst. Du schenkst einem Kinde ein Sparkassenbuch oder sonst etwas von größerem Wert. Das Kind hat und besitzt dasselbe, aber den Wert hat es noch nicht erfaßt. Damit, daß der Gläubige ewiges Leben hat, damit ist nicht verbunden, daß er die Weite des ewigen Lebens kennt. Paulus schreibt Timotheus: „Ergreife das ewige Leben“, obwohl Timotheus es hatte. Es ist zweierlei, es als die Gabe Gottes zu haben und es wirklich in Seiner Weite erfaßt zu haben und es zu genießen. Ein Kindlein in Christo besitzt nicht die Freude und den Frieden des ewigen Lebens wie ein Vater in Christo. Besitz und Genuß ist zweierlei, und wiederum verschieden sind die Auswirkungen des Lebens in dem praktischen Leben und Wandel hienieden. Die gehemmte wie auch die ungehemmte Lebensverbindung mit der oberen Welt zeigt sich in ihrer Ausstrahlung hier in der unteren Welt.
In Joh 17,3 gibt uns der Herr in den Worten: „Dies aber ist das ewige Leben, daß sie Dich, den allein wahren Gott und den Du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen“ einen Begriff von dem Charakter des ewigen Lebens. Dieses „Erkennen“ ist nicht eine Frage des Kopferkennens, es ist die innere Berührung, ein Ein- und Aufgehen des Herzens in dem Vater und dem Sohne, worin wir uns von Ewigkeit zu Ewigkeit bewegen werden. Den Vater zu erkennen und Jesus Christus, den Er gesandt hat, ist wirkliches und ewiges Leben und ein Leben in Freiheit in dieser Welt und doch zugleich in der Welt des Vaters und des Sohnes.
Wie wir gesehen haben, wird an vielen Stellen der Schrift von dem ewigen Leben als unserem gegenwärtigen Besitz geredet. Unsere Titusstelle redet indessen von der Hoffnung des ewigen Lebens. Paulus sagt uns hier, daß es schon vor Beginn der Welt in dem Herzen Gottes war, Menschen ewiges Leben zu geben, und er blickt wartend hin auf den Eingang in das Lebensgebiet des ewigen Lebens.
Ich möchte nochmals auf das Bild des Tauchers zurückkommen. Der Meeresgrund ist nicht die Heimstätte oder das Lebensgebiet seines Lebens. Er befindet sich dort als an einem Platze, wo er nicht hingehört; er sehnt sich nach dem Platze seines Lebens, und er wartet und hofft, in kurzer Zeit wieder in sein Lebensgebiet hinaufgenommen zu werden. So spricht auch Paulus von der Hoffnung des ewigen Lebens, und auch wir warten, bald nach oben gebracht und in das Lebensgebiet eingeführt zu werden, das uns schon hier unten erhält. Das ewige Leben ist, wenn ich so sagen darf, nicht zu Hause auf dem Meeresboden, sondern dort, wo Christus ist. Er ist jetzt unser Leben. Das andere Leben hat sein Ende am Kreuz gefunden. Diese Aussicht auf die Zukunft steht vor uns als die herrliche Hoffnung des ewigen Lebens. Sie ist etwas so Seliges, so Glückliches, daß wir es „mit Ausharren in guten Werken suchen“. Wir mögen mühevoll unseren Weg hier unten gehen, aber wir blicken mit Verlangen aufwärts und harren, daheim bei dem Herrn im Hause des Vaters zu sein.
Verschiedene Wesen haben auch einen verschiedenen Lebenskreis. Das Lebensgebiet des Vogels ist ein anderes als das des Fisches. Der Vogel kann nicht leben, wo der Fisch lebt. Das Lebensgebiet des natürlichen Menschens ist ein anderes als das des Kindes Gottes. Das Lebensgebiet des einen ist diese Welt, das des anderen ist Christus in der Herrlichkeit. Wie verschieden sind diese Lebensgebiete, das eine ist unten, das andere oben! Durch den Tod Christi hat unser Leben als Mensch im Fleische sein Ende gefunden. Wenn wir in dem Lebensgebiet der Welt leben, geht es uns wie dem Vogel im Wasser und dem Fische in der Luft. Wir erkranken und sterben, weil die Verbindung mit dem Gebiete unseres Lebens unterbrochen ist.
Das ewige Leben ist uns auch nicht in der Art geschenkt, daß wir es in uns selbst haben. Der Herr, als Er hienieden wandelte, konnte sagen, daß Er das Leben in Sich Selbst habe (Joh 5,26). Das Leben aber, welches uns geschenkt worden ist, besitzen wir nicht unabhängig von Ihm, ebenso wie unsere Glieder das Leben nicht unabhängig von dem Körper haben. Nur ein Leben ist in dem menschlichen Körper. Dieses durchdringt jeden einzelnen Teil desselben. So sind auch wir Glieder Christi. Das Leben in dem Finger ist nicht unabhängig von dem Körper. Wenn der Finger oder die Hand vom Körper abgetrennt würde, so hat sie kein Leben in sich selbst. So haben auch wir kein Leben in uns selbst, sondern nur in Verbindung mit dem Sohne. Deshalb können wir auch dieses Leben nie verlieren, weil wir es nicht in uns selbst haben, sondern es in dem Sohne besitzen. Dieses ist etwas, wofür wir Gott nie genug werden preisen können. Die Segnungen, die Gott Israel einst anvertraute, wurden ihnen selbst anvertraut. Sie selbst hatten sie zu bewahren, und ihr Erbteil ist durch ihre Untreue befleckt und verwelkt. Wenn wir das ewige Leben in uns selbst empfangen hätten, unabhängig von Christo, so würden wir es durch unsere Untreue ebenso verlieren, wie Israel einst das ihm einst anvertraute Gut verlor. Aber Gott sagt uns, daß Er uns das ewige Leben gegeben hat und daß dieses Leben ist (nicht in uns, sondern) in Seinem Sohne. Und weiter sagt Er: „Wir sind in dem Wahrhaftigen, in Seinem Sohne Jesus Christus. Dieser ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben“ (1Joh 5,20). Darum kann auch keine Macht uns dieses Leben rauben, denn es ist in Ihm, dem Sohne, und wiederum, wir sind „in dem Wahrhaftigen“, in Seiner Hand, und Er sagt: „Niemand kann uns aus Seiner Hand rauben“. Er Selbst sagt: „Ich gebe ihnen ewiges Leben, und sie (denen Er das ewige Leben gegeben hat) gehen nicht verloren ewiglich, und niemand wird sie aus Meiner Hand rauben. Mein Vater, der sie Mir gegeben hat, ist größer als alles, und niemand kann sie aus der Hand Meines Vaters rauben“ (Joh 10,28.29). Wie wunderbar groß ist die Liebe und Gnade unseres Gottes. Möchten unsere Herzen anbetend darin ruhen! v. d. K.
3 Bruchstücke aus einer Ansprache.↩︎