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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 12 -Jahrgang 1927
1Pet 2,25 - „Der Hirte und Aufseher unserer Seelen“1Pet 2,25 - „Der Hirte und Aufseher unserer Seelen“
„Hirte und Aufseher unserer Seelen“ wird der Herr Jesus in 1Pet 2,25 genannt, und wahrlich, Er ist das, was dieser Titel von Ihm sagt. Er Selbst bezeichnet Sich in Joh 10,11 als „den guten Hirten“. Es ist der Mühe wert, Ihn in dieser Tätigkeit als Hirten anzuschauen. Wir werden Seinen Hirtendienst am besten verstehen, wenn wir einige Vorbilder des Alten Testamentes betrachten.
Der erste Hirte, den uns die Schrift zeigt, war Abel (1Mo 4,2.4). Von ihm lesen wir, daß er ein Schaf seiner Herde opferte. Ein Schaf starb dort für seinen Hirten. Auf Golgatha aber starb der gute Hirte für Sein Schaf.
Jakob war ein Hirte, und bei ihm finden wir den besonderen Charakterzug der Verantwortlichkeit des Hirten, und darin ist er ein Vorbild auf den Herrn. In der Antwort, die er Laban gab, kommt diese persönliche Verantwortlichkeit für die Sicherheit eines jeden Schafes zum Ausdruck. Er erkennt an, daß Laban den Verlust eines jeden Schafes, mochte es bei Tage oder Nacht gestohlen sein, von seiner Hand fordere (1Mo 31,39; Hes 34,10a). Wie köstlich ist uns diese Tatsache, wenn wir sie auf den guten Hirten anwenden, der uns Selbst versichert, daß Er Seinen Schafen ewiges Leben gibt und daß sie nicht verloren gehen ewiglich und niemand sie aus Seiner Hand rauben wird. (Joh 10,28). Eine solche weitgehende Sicherheit vermochte Jakob seinen Schafen nicht zu bieten; ihm sind sicher Schafe verloren gegangen. Aber unser Hirte sagt: „Ich habe sie behütet, und keiner von ihnen ist verloren“ (Joh 17,12). Welche Sicherheit finden wir bei Ihm! Darum dürfen wir mit Paulus sagen: „Ich bin überzeugt, daß Er mächtig ist, das Ihm von mir anvertraute Gut auf jenen Tag zu bewahren“ (2Tim 1,12). Der Herr Jesus, der am Kreuze Sein Leben für uns ließ, macht aller Furcht ein Ende. Wir dürfen Ihm völlig vertrauen.
Ferner lernen wir an Jakob die Mühen eines Hirten kennen (1Mo 31,40). Er erduldete die Hitze des Tages und den Frost der Nacht, und seine Augen kannten keinen Schlaf, wenn es galt, seine Herde zu bewahren. Welch ein herrliches Vorbild von dem aus den Toten wiedergebrachten großen Hirten der Schafe! (Heb 13,20). Von den Hirten zu Bethlehem (Lk 2,8) wissen wir, daß sie ihre Schafe in der Nacht hüteten. Der Schlaf muß also wirklich von ihren Augen geflohen sein. Von unserem großen Hirten, der nicht hatte, wo Er Sein Haupt hinlegte, lesen wir, daß Er die Nächte im Gebet für die Seinen verbrachte. In jener Sturmesnacht, als die Jünger auf dem Meere waren, trat Er betend auf dem Berge für sie ein (Mk 6,46.47). Da finden wir das Wort des Psalmisten bestätigt: „Dein Hüter schlummert nicht. Siehe, der Hüter Israels, nicht schlummert noch schläft Er“ (Ps 121,3.4).
Eine andere Seite, die Treue des Hirten, finden wir in Lukas 15,4: „Er geht dem Verlorenen nach, bis Er es findet“. Seine Treue kennt keine Grenzen. Hast du es nicht schon erfahren, daß der Herr Jesus dir so wie einst dem Petrus nachging? Bist du nie von Ihm zurückgebracht worden? Er spricht: „Du hast Mir zu schaffen gemacht mit deinen Sünden, du hast Mich ermüdet mit deinen Missetaten“ (Jes 43,24b). Aber Er scheute keinen Weg, bis Er dich fand. Gelobt sei Gott, unser Vater, der uns einen solchen großen Hirten aus den Toten wiedergebracht hat. Sage, lieber Leser, möchtest du einen anderen Hirten haben?
Wieviel hatte Paulus in diesen Dingen von seinem Herrn gelernt. Auch er wußte etwas von Arbeit und Mühen, von Wachen oft, von Hunger und Durst, von Fasten oft, von Kälte und Blöße, von Mühen und Beschwerden, von Arbeit der Nacht und des Tages zu sagen (2Kor 11,27; 1Thes 2,9; 2Thes 3,8). Möchten auch wir etwas davon lernen, damit der Herr auch uns Seelen anvertrauen kann!
In den wenigen Worten Jakobs an Laban finden wir aber auch die Freude eines Hirten ausgesprochen. Freilich, von dieser Freude konnte Laban nicht viel verstehen und Jakob nicht viel mit ihm reden, aber er deutet sie an, indem er sagt: „Ich diente sechs Jahre um deine Herde“ (1Mo 31,41). Welche Mühsal schlossen diese sechs Jahre in sich; sechs Winter mit seinem Frost und sechs Sommer mit sengender Glut und viele Nächte ohne Schlaf. Aber alles das erduldete er um der Freude willen, eine eigene Herde zu besitzen. Wie läßt uns dies das Herz unseres Herrn und Heilandes verstehen, wenn wir von Ihm lesen: „Welcher, der Schande nicht achtend, für die vor Ihm liegende Freude das Kreuz erduldete“ (Heb 12,2). Das gibt uns einen Blick in das Herz unseres Herrn. Nicht nur Mühsal, nicht nur Frost und Hitze, nicht nur Schmach, Schande, Spott und Hohn, Hunger und Durst, sondern sogar den schrecklichen Tod am Kreuze, das Verlassensein von Seinem Gott, konnte Er erdulden um dieser Freude willen. Um dieses Schatzes willen verkaufte er alles und erwarb den Acker (Mt 13,44.46).
Müssen wir uns angesichts dieser Tatsache nicht die Frage vorlegen: verstehen wir den Wert, den Seine Gemeinde in Seinen Augen hat? Wenn wir davon etwas verstehen, wie werden wir dann auf diese Seine Freude eingehen und durch die Sorge um Seine Gemeinde suchen, Ihm diese Freude zu vergrößern. Paulus wußte und teilte etwas von dieser Freude seines Herrn. Er konnte seine geliebten und ersehnten Brüder seine Freude und Krone nennen und ihnen zurufen: „Stehet fest in dem Herrn, Geliebte!“ (Phil 4,1).
Schließlich spricht Jakob auch von dem Lohn eines Hirten. Es waren ernste Worte, als er zu Laban sagte: „Du hast meinen Lohn zehnmal verändert ... du würdest mich leer entlassen haben“ (1Mo 31,41.42). Mit wieviel Mühe und Arbeit hatte Jakob dem Laban gedient, aber zehnmal veränderte er seinen Lohn; er wollte ihn leer ausgehen lassen. Lieber Miterlöster, wieviel Mühe und Arbeit hat der Herr mit dir gehabt! Nun frage ich dich, welchen Lohn hat Er von dir empfangen? Womit hast du Seiner Liebe und Treue gelohnt? Was tust du für Ihn? Ach, wie oft gleichen wir Laban, der den Lohn zehnmal verändert. Möchten diese Worte zu unserem Herzen reden! Ich denke an die große Zahl derer, denen unser Hirte in Seiner Treue in der Kriegszeit nachging, auf dem Krankenbette oder an einem offenen Grabe, die Ihm den Lohn der völligen Hingabe versprachen. Aber wie ist er verändert worden. Laban erwiderte nichts auf die Worte Jakobs; er wußte, sie waren Wahrheit. Wie oft müssen auch wir schweigen, wenn der Herr uns fragt und unserem Herzen unseren Undank aufdeckt. Wie steht es mit unserer Liebe zum Herrn? Er sagt: „Wenn jemand Mich liebt, so wird er Mein Wort halten“ (Joh 14,23).
Wenn Laban auch gedachte, Jakob leer zu entlassen, so sorgte Gott doch für ihn. So wird es auch mit unserem großen Hirten sein; Er wird von der Mühsal Seiner Seele Frucht sehen und Sich sättigen. Gott wird Ihm die Großen zuteil geben, und mit Gewaltigen wird Er die Beute teilen; dafür, daß Er Seine Seele ausgeschüttet hat in den Tod und den Übertretern beigezählt worden ist (Jes 53,11.12). Und der Herr spricht von uns, den Seinigen, als von denen, die der Vater Ihm gegeben hat. (Joh 17). Ja, bald wird Er als der Erz- und Oberhirte (1Pet 5,4) wiederkommen, und dann wird Sein Lohn offenbar werden. Aber unser gesegnetes Teil ist es, jetzt schon zu erkennen, daß wir Ihm geschenkt sind. Können wir dann noch für einen anderen da sein? Denke daran, du bist Ihm gegeben. Was wird das sein, wenn der Herr erscheint, um verherrlicht zu werden in Seinen Heiligen und bewundert in allen denen, die geglaubt haben!
Nun laßt uns noch zum Schluß die Antwort Jakobs an Esau betrachten. Sie zeigt uns die zarte Sorge eines Hirten um Seine Herde. Er sagt: „Mein Herr weiß, daß die Kinder zart sind und ich säugende Schafe und Kühe bei mir habe. Wenn man sie nur einen Tag übertriebe, so würde die ganze Herde sterben“ (1Mo 33,13). Mit welcher sorgenden Liebe umgab er das Kleine und das Schwache in seiner Herde. Sie sind seinen Augen nicht zu gering, über sie hinweg zu sehen. Er selbst sagt: „Sehet zu, daß ihr nicht eins dieser Kleinen verachtet“. Und Jesaja sagt prophetisch von Ihm: „Er wird Seine Herde weiden wie ein Hirt, die Lämmer wird Er in Seinen Arm nehmen und in Seinem Busen tragen, die Säugenden wird Er sanft leiten“ (Jes 40,11). Jakob sagte: „Wenn man sie nur einen Tag übertriebe, so würde die ganze Herde sterben.“ Wie anbetungswürdig sind diese Worte, wenn wir sie auf den Herrn deuten. Gibt es etwas, was uns mehr Freude geben könnte als der Gedanke: „Der Herr hat das Weh und die Last dieses Tages abgemessen, damit sie nicht über meine Kräfte gehen“? (Ps 68,19). David preist den Herrn dafür. Er sagt: „Gepriesen sei der Herr! Tag für Tag trägt Er untere Last.“ Wir möchten gern die Lasten von zwei Tagen auf uns nehmen, aber der Herr sagt: „Jeder Tag hat an seinem Übel genug“ (Mt 6,34). Laß dies Wort, mein teurer Mitpilger, zu deinem Herzen reden! Nicht „einen Tag“ wird er uns „übertreiben“. Glaubst du dies? Sage es dir auf deinem Schmerzenslager, rufe es deinem Herzen zu in der Bedrängnis oder Verfolgung; sage es dir täglich: der Herr geht keinen Schritt mit dir weiter, als du es zu ertragen vermagst.
Jakob sagte ferner: „Nach dem Gange der Kinder will ich einhergehen“ (1Mo 33,14). Ja, so viel Sorgfalt wendet der Hirte den Schwachen zu. O, daß wir doch auch hierin von Ihm lernen möchten und den Gang der Schwachen im Glauben nicht übertreiben. Auch in diesem Stücke hat Paulus von dem Herrn gelernt.
Nur einige Augenblicke haben wir uns mit dem Herrn als den „Hirten und Aufseher unserer Seelen“ beschäftigt. Und wie haben wir es bestätigt gefunden, daß Er diesen Titel in Wahrheit trägt. Gelobt sei Sein Name!
B. Tpk.