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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 22 - Jahrgang 1937
Gottes Walten im Leben der MenschenGottes Walten im Leben der Menschen
Das Alte Testament ist das beste Unterrichtsbuch, um die wunderbaren Wege und das Walten Gottes über die Menschen und Völker verstehen zu lernen. Ohne das Licht und den Schlüssel des Alten Testamentes würden wir kaum Sein unsichtbares Walten erkennen können. Von diesem Gesichtspunkte aus möchten wir einige Blicke in das Alte Testament tun.
Als Gott die Macht in die Hände des heidnischen Königs Nebukadnezar legte und seinen Armeen den Sieg über das Volk Israel gab, benutzte Er ihn als Seine Zuchtrute, um das abgefallene Volk zu bestrafen und zurechtzuweisen. Er übersah aber nicht den Stolz und die Gewalttätigkeit derer, die Er als Seine Zuchtrute benutzte. Sie überfielen das Land und zerstörten mutwillig und frevelhaft Leben und Besitztum. Wohl waren sie die Werkzeuge in der Hand Gottes, um Sein halsstarriges Volk zu züchtigen, damit es sich wieder seines Gottes erinnern möchte; aber sie selbst verstanden nicht, daß Gott sie zu Seiner Rute ersehen hatte, und handelten in dem Hochmut und der Härte ihres Herzens.
Gott sieht nicht nur, was die Menschen tun, sondern Er sieht auch, warum und wie sie es tun. Jehu führte einst das Gericht Gottes an dem Hause Ahabs und allen denen aus, die mit Ahab gesündigt hatten. Damit fand auch die Gottlosigkeit Isebels ihre Strafe. Die eigenwillige, selbstsüchtige Härte, in der Jehu Gottes Gericht vollzog, fand aber keine Anerkennung vor Gott. Deshalb wurde dem Propheten Hosea gesagt: „Gib ihm den Namen Jisreel; denn noch um ein kleines, so werde Ich die
Blutschuld an dem Hause Jehus heimsuchen und dem Königtum des Hauses Israel ein Ende machen.“ (Hosea 1,4)
Weiter sehen wir, wie Assyrien von Gott als Zuchtrute Seines Zornes gebraucht wurde, das Volk Israel zu züchtigen. Assyrien aber prahlte und brüstete sich gegen Gott, der es erhoben hatte, Seine Rute zu sein, und infolgedessen lesen wir: „Und es wird geschehen, wenn der Herr Sein ganzes Werk an dem Berge Zion und an Jerusalem vollbracht hat, so werde Ich heimsuchen die Frucht der Überhebung des Herzens des Königs von Assyrien und den Stolz der Hoffart seiner Augen.“ (Jes 10,12)
Und noch ein weiteres lernen wir: Reue und Buße über eine begangene Sünde und eine demütige Beugung vor Gott wenden nicht immer die strafende Hand Gottes als Folge der Sünde ab. David z. B. beugte sich tief über seine Sünde gegen Uriah, den Hethiter. Das Wort Gottes bezeugt dies klar. Aber für jene schwere und grausame Sünde, die er durch seine hohe Machtstellung ausführen konnte, mußte er schwer und bitter in seiner Familie leiden.
Manasse ist ein anderes Beispiel. Er empfing Vergebung für seine Gottlosigkeit. Juda aber, das zu seiner Sünde beitrug und sich mitschuldig gemacht hatte, mußte die Folgen der Sünden aus der Hand Gottes mit erdulden. Wir lesen 2Kön 23,26.27: „Doch kehrte Jehova nicht um von der großen Glut Seines Zornes, womit Sein Zorn wider Juda entbrannt war, wegen all der Reizungen, mit welchen Manasse Ihn gereizt hatte. Und Jehova sprach: Auch Juda will Ich vor Meinem Angesicht hinwegtun, wie Ich Israel hinweggetan habe; und Ich will diese Stadt verwerfen, die Ich erwählt, Jerusalem, und das Haus, von dem Ich gesagt habe: Mein Name soll daselbst sein!“
In dem geheimnisvollen Walten Gottes finden wir, daß die Kinder für die Sünden der Eltern leiden und die Völker für die Sünden ihrer Regenten. Der Mensch mag sich dagegen auflehnen und es als ungerecht bezeichnen, die Tatsache aber bleibt, daß, wenn ein Mensch den ihm von Gott anvertrauten Besitz vergeudet, seinen Körper mißbraucht usw., seine Kinder darunter zu leiden haben, sei es in Mangel, Schwachheit oder dergleichen. Aber welches auch die Leiden als Folgen der Sünden der Väter sein mögen, sie gehen nicht über das zeitliche Leben hinaus.
Die Leiden hier auf Erden sind kurz und vorübergehend. Kein Mensch ist bestimmt, die Strafe des Verlorenseins für die Sünden anderer zu erleiden, sondern nur für die, die er selbst begangen hat. Gott hat einen Weg des Heils für jeden Menschen zum Eingang in eine sündlose Welt ewiger Glückseligkeit geöffnet. Was aber kann ein Mensch, der diesen Weg für sich selbst verwirft, anderes erwarten, als verlorenzugehen? Jeder, der auf Gottes Walten achtet, wird in zahllosen Beispielen bestätigt finden, daß die Ungerechtigkeiten und Sünden des Vaters heimgesucht sind an den Kindern, aber auch, daß Barmherzigkeit erzeigt wird den Nachkommen derer, die Gott lieben und Seine Gebote halten.
Durch den Tod Belsazars fand das gewaltige Reich, welches in dem Haupt von Gold dargestellt war, ein Ende. Nicht nur die Gottlosigkeit Belsazars in der Schändung der heiligen Gefäße fand hier ihr Gericht, sondern zugleich fand auch das Reich in seinem ursprünglichen ersten Glanz sein Ende. Gott hatte Nebukadnezar eine große Macht anvertraut, die er aber zu seiner eigenen Verherrlichung mißbrauchte. Die unergründliche Gnade mochte nach geschehener Beugung seine Sünde wohl vergeben, aber das Reich und die hohe Machtstellung, die Gott ihm anvertraut hatte, ließ Gott nicht über seinen Enkel hinaus bestehen. Gott, der das Ende und den Ausgang aller Dinge von Anfang an kennt und sieht (Jes 46,10), hatte durch den Propheten Jeremia schon zuvor gesagt, daß Nebukadnezars Reich bis zu seiner dritten Generation bestehen würde (Jer 27,7). Und wir sehen hier wieder, daß Gott Sein Wort hält.
Mit wunderbarer Langmut erträgt Gott bis zu einem gewissen Höhepunkt das gottlose und eigenwillige Tun der Menschen, so daß diese oft glauben, Er stehe ihrer Gewalttätigkeit und Gottlosigkeit gleichgültig gegenüber. Gott aber übersah nicht die schreckliche Sünde Nebukadnezars, seine teuflische Abgötterei, seinen Entschluß, jedes treue Zeugnis Jehovas aus seinem Reiche auszurotten, und auch nicht das gottlose Leben seiner Nachfolger. Schon die freche Sünde Belsazars allein war genug, dem Reiche ein Ende zu machen und das Gericht über sein schuldiges Haupt zu bringen.
Die Wege Gottes in Seinem Walten über die Menschen sind wunderbar und auch unerforschlich. Und doch können wir im Nachspüren Seiner Wege sehen, wie alles Tun der Menschen auf der Waage Seiner Heiligkeit genau gewogen wird und jede Schuld ihr gerechtes Gericht empfängt. Wenn wir auch wissen, daß die Heimsuchung der Sünde der Herrscher und Gewalthaber mehr oder weniger von denen mitgetragen wird, die diesen unterstellt sind, so sehen wir doch, daß in dem Regiment Gottes jeder empfängt, was seine Taten wert sind. Gott macht in Seiner gerechten Regierung keinen Unterschied, es sei denn, daß diejenigen, welche Seinen Willen kennen, ein schwereres und strengeres Gericht empfangen als jene, die Ihn nicht kennen. Immer wieder aber müssen wir uns daran erinnern, daß diese strafenden Gerichte der Jetztzeit nicht die Ewigkeit betreffen.
Infolge der Verblendung Rehabeams fielen zehn Stämme von dem einigen Volke Israel ab, und doch wird uns 1Kön 11,11 gesagt, daß es wegen der Sünde Salomos war, und in demselben Kapitel, Vers 33, lesen wir, daß es wegen der Abgötterei des Volkes war. Und im 12. Kapitel finden wir (wie schon gesagt) als Ursache den tyrannischen Geist, in dem Rehabeam dem Volke antwortete, als es ihn um ein milderes Joch bat als das, welches sein Vater ihm auferlegt hatte. Wüßten wir nur das eine, was uns in 1Kön 11,11 berichtet wird, so müßten wir folgern, daß alles infolge der Sünde Salomos geschah. Hätten wir nur das, was im 33. Verse gesagt wird, so würden wir annehmen, daß es um der Sünde des Volkes willen war. Und hätten wir nur das, was im 12. Kapitel berichtet wird, so würden wir die Spaltung des Volkes der Gewalt- und Willkürherrschaft Rehabeams zuschreiben. Die Tatsache aber ist, daß die Sünde jedes einzelnen Teiles vollauf genug war, das Unglück herbeizuführen, und damit lag die Verantwortung vor der Tür einer jeden dieser drei Parteien. Obgleich alle diese Fälle uns Gottes regierende und strafende Hand in dieser Welt zeigen, die nicht die Ewigkeit berühren, so wird es doch Fälle geben, die auch erst später ihr Urteil finden, denn: „Von etlichen Menschen sind die Sünden vorher offenbar und gehen voraus zum Gericht, etlichen aber folgen sie auch nach. Desgleichen sind auch die guten Werke vorher offenbar, und die, welche anders sind, können nicht verborgen bleiben.“ (1Tim 5,24.25)
Belsazar kannte Gottes Wege mit seinem Großvater Nebukadnezar, und diese Tatsache machte ihn um so mehr verantwortlich. Wem viel gegeben ist, von dem wird viel gefordert werden. Belsazar begann seine Regierung mit einem weit größeren Maß des Lichtes als sein Großvater, und um so schwerer wog deshalb sein gottloses Verhalten. Nebukadnezar hatte nicht eine solche Kenntnis von der Größe und Herrlichkeit des lebendigen Gottes wie Belsazar, er besaß nur das Licht der Schöpfung des Himmels und der Erde und des göttlichen Waltens in derselben. Erst als er die gefangenen Juden in sein Land brachte und mit Daniel und dessen drei Genossen in nähere Berührung kam, lernte er den lebendigen Gott kennen. Belsazar aber waren die Offenbarungen Gottes durch diese Männer des Glaubens nicht verborgen. Ihm war mehr gegeben, und von ihm wurde mehr gefordert. Sein gottloses, frevelhaftes Tun aber bewies, daß die Kenntnis Gottes ohne Nutzen für ihn geblieben war.
Gebraucht aber der Mensch das Licht, das der gnädige Gott ihm zu seinem Heile leuchten läßt? Welche Wirkung hatten die gewaltigen Taten Gottes auf Israel, die sie in Ägypten, in der Wüste, im Lande erlebten? Wenn nicht die unumschränkte Gnade Gottes im Herzen des Menschen wirkt, wie wir es bei einem Josua und Kaleb sehen, ist das Menschenherz so unempfänglich für Gottes Wirken und für Seine Offenbarungen, als ob sie gar nicht da wären. Es ist so wie in den Tagen, da der Herr Jesus Selbst durch diese Welt ging. „Wiewohl Er aber so viele Zeichen vor ihnen getan hatte, glaubten sie nicht an Ihn.“ (Joh 12,37) Der Herr gebe uns Gnade, Augen zu haben, um Sein wunderbares Walten zu sehen und zu verstehen!
J. B. - Alb. v. d. Kammer.