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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 16 - Jahrgang 1931
2Mo 6 - Licht und Schatten: Eine Betrachtung über 2Mo 62Mo 6 - Licht und Schatten: Eine Betrachtung über 2Mo 6
Das zweite Buch Mose spricht von der Erlösung des auserwählten Volkes Gottes durch das Blut des Lammes, es spricht von der Befreiung aus der Macht des Feindes, der in einer Welt der Grausamkeit und Herzenshärtigkeit sein Schrechensregiment ausübt; und es spricht von den Verordnungen Gottes, die zu Beginn des Wüstenweges gegeben werden (Die eigentliche Wanderung durch die Wüste während vierzig langer Jahre ist das Thema des vierten Buches).. Eingerahmt werden die Schilderungen dieses zweiten Teiles von der wunderbaren Feststellung, daß Jehova Selbst vor Israel herzieht, des Tages in einer Wolkensäule, um sie auf dem Wege zu leiten, und des Nachts in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten, damit sie Tag und Nacht ziehen könnten: Die Gnade Gottes ist ständig, Tag und Nacht, für sie tätig (Vgl. Kap. 13,21.22 mit 40,34-38).. In künftigen Tagen wird es wiederum so sein: Jes 4,5.
Im sechsten Kapitel bricht das Licht dieser göttlichen Gnade zum ersten Male strahlend durch die Finsternis der Knechtschaft Ägyptens. Wir stehen vor einem Wendepunkt in der Geschichte Israels. Werfen wir einen Blich zurück auf die ersten fünf Kapitel! Sie berichten von den Lastarbeiten, den Bedrückungen, denen Israel ausgesetzt ist; berichten auch von der natürlichen Geschichte Moses, des Befreiers, die im sechsten Kapitel gleichsam ihr Ende findet. Denn Mose sagt dort zweimal: „Ich bin unbeschnitten an Lippen“ (Verse 12 und 30). Er gibt zu, daß es nicht seine Kraft ist, die Israel befreien kann. Gott muß einschreiten. Und Gott tut es, indem Er den, der in sich nichts findet, was der Befreiung dienlich wäre, als Werkzeug Seiner Gnade benutzt.
Wie von einem hohen Berge schauen wir von diesem Kapitel aus ins Land. Hinter uns liegen die Versuche des Feindes, das Volk zu vernichten, hinter uns die Geschichte des Befreiers, soweit sie dem Grundsatz nach die Geschichte des Fleisches ist. Vor uns liegt das Befreiungswerk Gottes, die Erlösung des Volkes, die Entfaltung der reichsten Gnade. Wie kündigt sie sich an? „Gott redete zu Mose und sprach zu ihm: Ich bin Jehova.“
Der Name Jehova ist bis dahin noch nicht geoffenbart. Wohl begegnet er uns im ersten Buche Mose. Er begegnet uns, sobald der Mensch in Frage kommt. Die Schöpfung im ersten Kapitel der Bibel bedarf der erhaltenden Macht Gottes, der Mensch im zweiten der Gnade Jehovas-Gottes. Zur Zeit des Seth und Enos begann man dann, den Namen Jehovas anzurufen (1Mo 4,26). Doch die tiefere Bedeutung dieses Namens blieb jenen Gläubigen verborgen. Sie kannten Gott in dem Charakter des Allmächtigen, der alle Macht besaß, Seine Verheißungen in die Tat umzusetzen. Aber die liebevolle Teilnahme Dessen, der sich zu Seinem Volke herabließ, das im Elend schmachtete, diese Anteilnahme, die zeigte, was in Seinem Herzen war, offenbarte Gott erst jetzt. Der Name Jehova schließt alles in sich, was für die Rettung des Volkes erforderlich war. Jehova ist der Heiland Seines Volkes, und keiner außer Ihm. (Jes 43,11)
Welch ein Lichtschein ist es doch, der die Finsternis der Unterdrückung durchbricht! Es sind die Strahlen der göttlichen Gnade, sie leuchten weit, sie zielen zugleich auf das Ende des Weges, das verheißene Land. Noch bevor Gott das Wehklagen der Kinder Israel erwähnt, spricht Er von dem herrlichen Ziel, dem Lande Kanaan (Verse 4 und 5). Ist es nicht ebenso in unserer Zeit, in der die Gnade völlig offenbart ist durch den Sohn? Wenn uns die Gnade Gottes vor Augen gestellt wird, dann ist es das Endziel, die Herrlichkeit unseres Herrn Jesus Christus (ewigen Trost und gute Hoffnung)!, die unsere Herzen ermuntert, zu zeigen, bevor wir daran erinnert werden, auf dem Wege festzustehen. (2Thes 2,14.15 und 16.17)
Es sind sieben Strahlen der göttlichen Gnade, die in den Versen 6, 7 und 8 das Dunkel erhellen: „Ich werde euch herausführen ... werde euch erretten ... euch erlösen ...
Ich will euch annehmen ... will euer Gott sein ...
Ich werde euch in das Land bringen ... werde es euch zum Besitztum geben,
Ich, Jehova.“
Die Fülle der Gnade ergißt sich ohne Bedingungen über Israel. Die Verheißungen werden erfüllt werden, unabhängig von dem Verhalten des Volkes. Das ist wirklich Gnade, strömender Segen über ein Volk, das keinerlei natürliche Vorzüge besaß, von dem Gott in diesem Augenblick der Verheißung wußte, wie wenig es sich ihrer würdig erweisen würde!
Was nun folgt, ist ein Gegenbild des vorangegangenen Abschnittes. Auf das Licht folgt Schatten. Der Gnade Gottes wird die Schwachheit des Menschen gegenübergestellt. Ohne irgendwelchen Übergang stellt der Geist Gottes ein Geschlechtsregister der Nachkommen Jakobs vor unsere Blicke.
Wir sind leicht geneigt, den Geschlechtsregistern in der Schrift einen geringeren Platz einzuräumen als den Erzählungen von der Liebe Gottes und der Torheit des Menschen, unter denen zerstreut sie zu finden sind. Aber auch die Geschlechtsregister stehen an dem Platz, an den sie Gott durch Seinen Geist gestellt hat. Sie enthalten Dinge von göttlich weittragender Bedeutung. Freilich liegen diese nicht offen zutage, und wir müssen in Abhängigkeit das Wort erforschen, wenn wir Gewinn haben wollen.
In diesem Abschnitt nun werden drei Zweige der Nachkommenschaft Jakobs genannt, Ruben, Simeon und Levi. Die übrigen Söhne fehlen. Warum sind es gerade diese drei?
Die Antwort gibt uns der Segen Jakobs in 1. Mose 49. Dort stehen Ruben, Simeon und Levi ihrer natürlichen Folge entsprechend am Anfang der Worte des sterbenden Patriarchen. In ihnen wird der Charakter Israels festgehalten. Die anderen Worte des Segens, von Juda bis Benjamin, enthalten die Geschichte Israels bis zur Grenze der ewigen Hügel, bis über das tausendjährige Segensreich hinaus, eine Geschichte, die auf Gottes Seite mit Schilo, dem Ruhebringenden aus Juda, beginnt und mit dem Hirten, dem Stein Israels, endet, beides Bilder des Herrn Jesus, der schließlich nach den tausend Jahren die Feinde Gog und Magog als ein Wolf zerreißt, vernichten wird. (Vgl. 1Mo 49,27 mit Off 20,8.9).
Aber Ruben, Simeon und Levi schildern nicht die Geschichte, sondern den natürlichen Charakter Israels. Ruben hat das Bett seines Vaters entweiht (1Mo 49,4; 35,22; 1Chr 5,1). So hat auch Israel den Bund Gottes, der in den Propheten vielfach mit einem Ehebund verglichen wird, durch Ehebruch entweiht. Simeon und Levi haben in ihrem Zorn den Mann erschlagen (1Mo 49,6; 34,25). Jakob verflucht ihren Zorn, - denn er war gewalttätig, und ihren Grimm, - denn er war grausam. Hat Israel anders gehandelt? War es besser als diese Söhne Jakobs? Gewiß nicht. Der Herr spricht in Lukas 11,50 davon, daß das Blut aller Propheten, welches von Grundlegung der Welt an vergossen worden ist, von diesem Geschlecht (von Israel also) gefordert werde. Aber, sie töten nicht nur die Propheten, sie legen ihre Hand an den Sohn Gottes: „Sein Blut komme über uns und über unsere Kinder!“ (Mt 27,25) Wahrlich, „in ihrem Zorn haben sie den Mann erschlagen, und in ihrem Mutwillen den Stier gelähmt“.
Das ist der Charakter Israels in seiner ganzen Verdorbenheit, verkörpert in Ruben, Simeon und Levi. Welch ein Gegensatz zu der Offenbarung des Namens Jehova, zu der liebevollen Anteilnahme Gottes an der Knechtschaft des Volkes! Gott begegnet in Seiner Gnade den Sündern, Seinen Feinden. „Gott aber erweist Seine Liebe gegen uns darin, daß Christus, da wir noch Sünder waren, für uns gestorben ist.“ (Röm 5,8) Die Bosheit des Menschen dient nur dazu, die Tiefe der göttlichen Gnade um so herrlicher zu entfalten!
Nicht genug mit den Schatten der Sünde in diesem Register der Söhne Jakobs! Da wird noch von einem Saul, dem Sohn der Kanaaniterin, gesprochen (Vers 15). Wir erinnern uns daran, wie wichtig es dem Glaubensmann Abraham war, daß sein Sohn kein Weib von den Töchtern der Kanaaniter nähme (1Mo 24,3), wir erinnern uns, welch ein Herzeleid die kanaanitischen Frauen Esaus für seine Eltern waren (1Mo 26,34.35). Simeon aber handelt nicht besser als sein Oheim Esau, trotz des warnenden Beispiels!
Da ist Korah, der Sohn Jizhars. Wie düster ist das Gemälde, das in 4Mo 16 von ihm entworfen wird! Er empört sich mit seinen Genossen wider Jehova, den Gott der Gnade. (4Mo 16,11)
Da sind endlich Nadab und Abihu, die Söhne Aarons, die am ersten Tag des Opferdienstes fremdes Feuer vor Jehova darbringen. (3Mo 10,1)
Aber dieses Geschlechtsregister zeigt neben dem tiefen Schatten auch Spuren des Lichtes, Bilder des göttlichen Erbarmens. Wenn hier Korah erwähnt wird, dann aber auch die Söhne Korahs, die in dem schrecklichen Ende ihres Vaters nicht umkamen (4Mo 26,11) und deren Nachkommen in lieblichen Psalmen das Lob Jehovas sangen (Psalm 84 u. a).. Da ist Pinehas, der außer dem ererbten Priestertum sich einen Bund ewigen Priestertums erworben hat, ein Vorbild auf den Herrn Jesus Selbst. (4Mo 25,13)
Vor allem aber endet das Register in den beiden besonderen Werkzeugen der Gnade Gottes, in Mose und Aaron. Sie deuten in mannigfaltigen Bildern auf Christum hin, in dem sich alle Gnade Gottes erfüllen sollte: Mose als der Führer seines Volkes, König in Jeschurun (5Mo 33,5), der einen königlichen Priesterdienst ausübt, wie vor ihm Melchisedek und nach ihm David (in 2Sam 6,14 ist der König mit dem leinenen Ephod, dem Gewand der Priester umgürtet), Aaron, der den heiligen Priesterdienst vor Jehova ausübt. Beide, Mose und Aaron, sind unter Seinen Priestern (Ps 99,6) - „dieser Mose und dieser Aaron“.
Damit endet der zweite Hauptabschnitt unseres Kapitels. Zeigt er uns einerseits das völlige Unvermögen des Menschen, den Ansprüchen Gottes zu genügen, so doch andererseits die völlige Erhabenheit der Gnade über das gefallene Geschöpf. In geheimnisvoller Weise wird uns das Endziel des Alten
Testaments vor Augen gerückt, der Jehova des Neuen Testaments, der Herr Jesus, unser Herr. „Über die Maßen aber ist die Gnade unseres Herrn überströmend geworden mit Glauben und Liebe, die in Christo Jesu sind.“ (1Tim 1,14)
Th. Bu.