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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 9 -Jahrgang 1923/24
Röm 13,12 - „Die Nacht ist weit vorgerückt“Röm 13,12 - „Die Nacht ist weit vorgerückt“
Gott hat uns eine „Lampe“ gegeben für den „dunklen Ort“ (2Pet 1,19). Der dunkle Ort ist diese Welt, die Lampe ist das prophetische Wort. Als der Herr in die Welt kam, sagte Er: „Ich bin das Licht der Welt“ (Joh 8,12). Die Welt aber verwarf Den, der das wahrhaftige Licht war. Seitdem ist es Nacht, und die Welt steht unter der Gewalt und Macht der Finsternis (Kol 1,13).
Dieser Nacht jedoch folgt ein Morgen und ein Tag, der dem Herrn gehört. Edomiter fragten einst den Propheten: „Wächter, wie weit ist es in der Nacht?“, und heute fragen die Spötter: „Wo bleibt die Verheißung Seiner Ankunft?“ Nicht um es zu wissen, fragen sie, sondern aus Spott. Die Wiederkunft des Herrn ist ihnen alberne Torheit. Im Verkennen der Langmut Gottes brüsten sie sich: „Seitdem die Vater entschlafen sind, bleibt alles so, wie von Anfang der Schöpfung an“ (2Pet 3,4) und verhöhnen die, welche die Wiederkunft und das Gericht des Herrn bezeugen. Das Wort des Herrn ist ihnen nichts. Sie vertrauen auf das, was ihre Augen sehen, und doch konnten sie es wissen, daß Gott schon einmal in der Flut über diese Erde Gericht gehalten hat, aber sie suchen, es zu leugnen, um auch damit das zukünftige Gericht leugnen zu können. Der Wunsch ist der Vater ihrer Gedanken, daß der Herr nicht wiederkomme, denn sie fühlen, daß dann die Stunde der Abrechnung für sie schlagen wird.
Wir aber wissen, daß der Herr kommt und die Nacht ihr Ende finden wird durch den Tag des Herrn. Die Lampe des prophetischen Wortes beleuchtet uns den dunklen Ort, und wir erkennen die Dinge der Welt, wie sie dem kommenden Gerichte entgegenreifen und finden den schmalen Pfad, der uns den Gefahren der Vermischung entfliehen läßt. Das Licht der Lampe zeigt uns, daß die Nacht weit vorgerückt und der Tag nahe ist, und getrosten Herzens gehen wir durch die Schrecknisse der Nacht hindurch, Ihm, dem Bräutigam, entgegen.
Manche Kinder Gottes haben gemeint, die Erwartung des Herrn müsse nach dem prophetischen Worte eingestellt werden und sei nicht eher am Platze, bis dieses uns die Nähe des Herrn anzeige.
Ist das der Zweck des prophetischen Wortes, daß wir den Herrn erst zur Zeit des Anbruches des Tages erwarten sollen? Wie konnten die Gläubigen der ersten Zeit dann schon „Seinen Sohn aus den Himmeln“ erwarten? (1Thes 1,10).
Das prophetische Wort wird uns als eine Lampe gezeigt, die den dunklen Ort beleuchtet, aber nicht die himmlischen Dinge. Wem würde es einfallen, das Himmelsgewölbe mit der Lampe abzuleuchten, um die Nähe des Aufganges des Morgensternes zu entdecken? Und wie sollte es uns in den Sinn kommen, die Lampe für den dunklen Ort zu nehmen, um damit die Nähe der himmlischen Dinge zu entdecken, die der göttliche Liebesplan über die beschlossen hat, die Er „die Himmlischen“ nennt? Für die Erwartung des wiederkommenden Heilandes ist uns die Lampe des prophetischen Wortes nicht gegeben. Das sehnende „Komm“, das die bräutliche Liebe dem „glänzenden Morgenstern“ zuruft (Off 22,16.17), hängt nicht davon ab, daß wir durch das prophetische Wort erst die Nähe des Tages erkennen müssen.
So wie der Herr in Seiner Liebe auf den Tag der Vereinigung mit den geliebten Seinigen harrt, um ihnen den „Morgen ohne Wolken“ zu bringen, so rechnet der Herr auch auf unsere ausharrende Liebe. Um Ihn zu erwarten, brauchen wir nicht das prophetische Wort, sondern ein Herz der Liebe, ein Herz, in dem „der glänzende Morgenstern“ so leuchtet, daß es ununterbrochen wachend und wartend nach Ihm ausschaut. Liebe braucht nicht erst durch Zeichen der Nähe des Geliebten geweckt zu werden, den Geliebten zu erwarten. Die Braut wartet und sehnt sich immerwährend nach der Ankunft dessen, den ihre Seele liebt.
Wir können in dem Versuch, die Erwartung des Herrn auf die Erfüllung prophetischer Ereignisse zu verschieben, nur einen Trick des Feindes erblicken, die himmlische Berufung und den himmlischen Charakter der Gemeinde zu verdunkeln und die bräutliche Liebe erkalten zu lassen.
Wir blicken nach Ihm aus und nicht nach Zeichen. Wir erwarten Ihn Selbst. Und wenn uns das prophetische
Wort mehr als in vergangenen Zeiten erkennen läßt, daß der Tag nahe ist, so wissen wir, daß unsere Errettung um so viel näher gekommen ist, und mit um so größerer Wachsamkeit warten wir auf Ihn, der uns in Wolken zu Sich entrücken und uns bewahren will vor der Stunde (nicht in der Stunde) der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird (Off 3,10).
Wenn wir nun für die Erwartung des Herrn, uns zu Sich zu nehmen, auch nicht von der Erfüllung prophetischer Worte abhängig sind, so bedürfen wir aber um so mehr der Lampe, die Zeichen der Zeit zu erkennen, die dem Tage des Herrn voraufgehen, wenn Er mit den Seinigen herabkommt Sein Reich aufzurichten. Durch das Licht des prophetischen Wortes sehen wir die Geschehnisse und die Entwicklung des dunklen Ortes in dem göttlichen Lichte, damit wir als Kinder des Lichts von den Dingen fern stehen, „um welcher willen der Zorn Gottes kommt über die Söhne des Ungehorsams“ (Eph 5,6), auf daß wir in keiner Weise mit ihnen verbunden sind, sondern als Söhne des Tages die rechte Stellung ihnen gegenüber einnehmen.
Wenn Paulus den Thessalonichern schreibt: „Der Tag des Herrn kommt nicht, es sei denn, daß zuvor der Abfall komme (2Thes 2,3), so haben wir in diesem Worte ein „prophetisches Wort“, von welchem der Herr uns sagt, daß wir „wohl“ tun, darauf zu achten.
Laßt uns einmal die Lampe nehmen und in dem Lichte dieses prophetischen Wortes den dunklen Ort ableuchten. Wie sehen in diesem Lichte die Moderne Theologie, die Christliche Wissenschaft, die Lehre der Millenniumsleute (sogenannte „Bibelforscher“), der Spiritismus, der Bund der Kämpfer, die Theosophie usw. aus? Betrachte sie! Alle tragen das Zeichen des Abfalls, alle sind sich gleich in der Verleugnung der Gottheit des Herrn Jesus und des Wertes Seines Sühnungstodes. So verschieden sie auch nach außen hin aussehen, wie sie sich auch gegenseitig bekämpfen und ablehnen, in dem Lichte der Lampe sehen wir sie alle auf einer Linie, der der Verwerfung des Herrn Jesus, als Gott geoffenbart im Fleisch. So verschieden auch Herodes und Pilatus waren, in der Geringschätzung und Verwerfung Christi aber waren sie eins. So wirken und inspirieren verborgen unter den verschiedensten Gestaltungen satanische Geister den Abfall. Unter schönen Gewändern versteckt, mit der Bibel in der Hand, mit dem Namen Christi auf den Lippen und einer scheinbaren Verehrung und Huldigung Jesu treten sie auf, so fein und bibelkundig, daß selbst Kinder Gottes, von ihren Vernunftschlüssen geblendet, den Abfall nicht sehen. Das Licht der Lampe aber enthüllt uns den dunklen Untergrund des Abfalles in der Verwerfung des Herrn Jesus, „welcher über alles ist, Gott, gepriesen in Ewigkeit“ (Röm 9,5).
Wohl finden wir zu allen Zeiten Spuren des Abfalles, heute aber tritt uns der Abfall entgegen in Zügen, die schon das Gepräge tragen von dem, was uns in der Schrift als „der Abfall“ gekennzeichnet ist, der dem Kommen des Menschen der Sünde (dem Antichristen) den Weg bahnt und der dem Tage des Herrn voraufgeht.
Mit Recht richten wir die Lampe des prophetischen Wortes auf Israel, um zu sehen, wie weit es in der Nacht ist, aber auch das Licht dieses prophetischen Wortes zeigt uns, daß die Nacht weit vorgerückt und der Tag nahe ist.
Je heller das Licht des „glänzenden Morgensternes“ in unserem Herzen leuchtet, desto größer ist die Aufmerksamkeit, mit der wir die Zeichen der Zeit in dem Lichte der Lampe des prophetischen Wortes beobachten. Und je größer die Sehnsucht nach Ihm, unserem Herrn, ist, desto entschiedener ist das Hinwegwenden und Sich-Reinigen von jeder Verbindung, wo der Sauerteig des Abfalls, und wenn auch nur keimend, gefunden werden mag.
Wie nahe ist unser geliebter Herr! Wie bald wird Er kommen, um uns, die Er mit Seinem kostbaren Blute erkauft hat, zu Sich zu nehmen - dorthin, wo Er ist (Joh 14). Bald, teurer Bruder und teure Schwester, bald werden wir Ihn sehen und auf immer bei Ihm sein. Nur noch einige Tage, nur noch Augenblicke mögen es sein. Wie wollen wir diese kurze Zeit, diese Augenblicke noch verwenden? Wenn Er kommt, so vollzieht Er als Erstes die ewige Absonderung der Gläubigen von den Ungläubigen. Die einen gehen in Seine Herrlichkeit, die anderen gehen hinweg „vom Angesichte des Herrn“ (2Thes 1,9). Wie soll Er uns finden? Soll Er uns mit der Welt, mit den Ungläubigen vermischt finden? Soll Er uns finden verbunden mit Dingen und Traditionen, die nicht nach Seinem Willen und Seinem Worte sind? Soll Er uns nicht finden als solche, die da wandeln nach Seinem Worte - die ihre Mitknechte ermuntern zum Wandel in der Wahrheit und die den Verlorenen den Weg zum Heiland weisen?
Maleachi berichtet uns, daß unter dem von Gott abgewichenen und irregeleiteten Volke etliche waren, die Jehova fürchteten. Diese trugen Leid über den Abfall, sie achteten den Namen des Herrn und unterredeten sich miteinander. Der Herr „merkte auf“, und Er erfreute Sich ihrer und verheißt ihnen, daß sie Ihm zum Eigentum sein sollen an dem Tage, den Er machen wird, und wiederum sagt Er diesen, die Seinen Namen fürchten, daß ihnen die Sonne der Gerechtigkeit aufgehen wird mit Heilung unter ihren Flügeln und daß sie ausziehen und hüpfen werden gleich Mastkälbern (Mal 3,16; 4,2).
So dunkel auch im Alten Testament die Geschichte Israels abschließt, unsere Tage, die Tage der Offenbarung der größten Gnade Gottes, enden dunkler als jene. Aber so wie in den Tagen Israels, so findet Er auch heute solche, die Ihn fürchten. Die ernste Frage für uns ist, ob wir unter diesen sind. Jenen Treuen in Philadelphia ruft Er zu: „Du hast eine kleine Kraft, du hast Mein Wort bewahrt und hast Meinen Namen nicht verleugnet“ (Off 3,8), und ihnen gibt Er, gleich den Treuen des Alten Bundes, die köstlichsten Verheißungen.
Der Herr schenke uns Gnade, daß wir auf Seinen Ruf: „Ich komme bald“ Ihm mit dem ungeteilten Herzen der Liebe antworten: „Amen; komm, Herr Jesus!“ „Die Nacht ist weit vorgerückt, und der Tag ist nahe.“ v. d. K.