verschiedene Autoren
Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 17 - Jahrgang 1932
Jes 42,1 - Teil 1Jes 42,1 - Teil 1
„Siehe, das ist Mein Knecht, Ich erhalte Ihn, und Mein Auserwählter, an welchem Meine Seele Wohlgefallen hat.“ (Luth. Übers).
Der Evangelist Matthäus sagt uns Kap. 12,18, daß diese Weissagung in dem Herrn Jesus erfüllt worden ist. Der Knecht und Auserwählte Gottes ist unser hochgelobter Herr.
Vier Dinge sind es, die einen Knecht kennzeichnen: 1. die niedrige, verachtete Stellung als eines Sklaven (in der Heiligen Schrift hat Knechtschaft immer die Bedeutung von Leibeigenschaft, Sklaverei), 2. die Untergebenheit unter seinen Herrn oder die Anerkenntnis, daß sein Herr das Recht hat, über ihn zu verfügen, 3. die Abhängigkeit von seinem Herrn, insofern er nichts aus eigenem Gutdünken oder Willen tun darf, sondern sich in allem nach seinem Herrn richten muß, 4. der Gehorsam. Er muß das, was sein Herr will und befiehlt, ausführen.
Es ist gesegnet, den Herrn Jesus nach diesen vier Kennzeichen zu betrachten. Wir werden dann finden, daß Er sie vollkommen an Sich trug. a) Betreffs Seiner Niedrigkeit lesen wir in Phil 2: Obwohl Er in göttlicher Gestalt war, entäußerte = entleerte
Er Sich, d. h. Er zog Seine göttliche und himmlische Herrlichkeit aus, nahm Knechtsgestalt an, indem Er in Gleichheit der Menschen und in Seiner Gestalt wie ein Mensch erfunden wurde, so nahm Er teil an all den leiblichen Bedürfnissen der Menschen, und noch mehr: In dieser Knechtsgestalt wurde Er ein Diener aller. Das ist ganz der menschlichen Natur entgegengesetzt. Niemand will ein Knecht (Sklave) werden. Der Mensch will herrschen und anderen angeben, was sie tun sollen. Nur in der Not gezwungen begeben sich die Menschen in die Stellung von Knechten, Mägden, Tagelöhnern, Dienstboten. Der Herr Jesus dagegen erniedrigte Sich Selbst, freiwillig. „Siehe, Ich komme, ... Dein Wohlgefallen zu tun, Mein Gott, ist Meine Lust, und Dein Gesetz ist im Innern Meines Herzens“, hören wir Ihn in Ps 40,7.8 (Elbf. Übers). sagen. Er ist nicht gekommen, um bedient zu werden, sondern daß Er diene. Sein größter Dienst war, daß Er Sein Leben gab zum Lösegeld für viele (Mt 20,28). b) Die Unterwürfigkeit Jesu sehen wir am deutlichsten in jenem Augenblick, als schon feststand, daß das Volk Israel als Ganzes Ihn verworfen hatte. Da wurde die Weissagung des Propheten Daniel erfüllt (Kap. 9,26): „Der Messias wird weggetan werden und nichts haben.“ Da mußte Jesus Sein Wehe über die Städte Bethsaida, Kapernaum und Chorazin rufen, da mußte Er klagen: „Den ganzen Tag habe Ich Meine Hände ausgestreckt zu einem ungehorsamen und widersprechenden Volk.“ (Röm 10,21) Und doch hören wir Ihn Seinen Vater preisen: „Ja, Vater, also war es wohlgefällig vor Dir.“ (Mt 11,26) - Wo ist der Mensch, dem sein Lebenswerk mißlungen oder zerschlagen ist - oder den Gott auf ein langwieriges Krankenlager gelegt hat - und der dann sagen kann: „Ja Vater, so ist es wohlgefällig von Dir“? Und diese Dinge sind nicht zu vergleichen mit dem Lebenswerk des Herrn Jesus. c) Was Abhängigkeit ist, lernen wir aus Jesaja 50,4b: „Der Herr, Jehova, weckt mir jeden Morgen das Ohr, damit ich höre gleich denen, die belehrt werden.“ Die belehrt werden, sind Schüler, Jünger. Wenn die Schüler morgens in die Schule kommen, so dürfen sie nicht bestimmen, was sie heute lernen wollen, sondern sie müssen warten, was ihr Lehrer ihnen aufgibt. So wartete der Herr Jesus jeden
Tag auf die Weisungen Seines Vaters, was Er heute reden und lehren sollte, welche Wunder und Zeichen Er vollbringen, welchen Notleidenden Er helfen sollte (Joh 5,20; 6,38; 14,10 u. a. Stellen). Daher finden wir Ihn in so fleißigem Gebetsumgang mit Seinem Vater, schon vor Tage (Mk 1), in den Nächten auf dem Berg. Vor der Auferweckung des Lazarus Joh 11,41 sagte Er: „Vater, Ich danke Dir, daß Du Mich erhört hast; Ich aber wußte, daß Du Mich allezeit hörst.“ Also war Jesus auch allezeit im Gebet (Ps 34,1 und 109,4), d. h. in ununterbrochenem Gebetsumgang mit Seinem Vater. Mit dieser Betrachtung ist aber die vollkommene Abhängigkeit des Herrn Jesus noch nicht erschöpft. Denn Wohltun, Lehren, Wunderwirken sind, wenn auch Arbeit und Anstrengung erfordernde, ja ermüdende, so doch angenehme (und auch dem natürlichen Menschen zusagende) Tätigkeiten. Aber der Vater hatte für Seinen Sohn noch andere Aufgaben, so schwer, daß nur Er sie vollbringen konnte. Und als die Stunde dafür gekommen war, sehen wir „des Menschen Sohn“ zittern und zagen. Doch obgleich Er alles wußte, was über Ihn kommen werde, ist Er nicht zurückgewichen. Ja, gerade auch an jenem Morgen des sogen. Gründonnerstags hörte der Knecht Gottes mit geöffnetem Ohr, wie Er Sich heute verraten, gefangen nehmen, zum Tode verurteilen, schlagen und verspotten lassen sollte. Und vollends an dem Morgen des schrecklichen Tages Seiner Kreuzigung vernahm Sein Ohr den Auftrag: Heute sollst Du am Kreuz erhöht den Fluch der Sünde für die ganze Welt tragen, ja, zur „Sünde“ gemacht, getötet und begraben werden.
Wiederum fragen wir: Wo ist der Mensch, der wie Jesus jeden Morgen fragt: „Herr, was willst Du, daß ich heute tun soll?“ Der auf die Leitung des Heiligen Geistes warten kann, der prüft, bevor er handelt, was der gute, wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes ist? (Röm 12,2) d) Den Gehorsam Jesu lernen wir kennen an Seinem Verhalten dem Versucher gegenüber. Satans Bestreben war, Ihn aus dem Verhältnis der Abhängigkeit und des Gehorsams herauszulocken und zu eigenem, selbständigem Tun zu veranlassen. Daher immer wieder seine Schmeichelei: „Du bist Gottes Sohn.“ Allein Jesus blieb dem Worte Gottes unterworfen. Was Gott nicht befohlen hatte, das tat Er nicht. Seine Speise war, den Willen dessen zu tun, der Ihn gesandt hatte (Joh 4,34). Nie gebrauchte Er Seine göttliche Macht zu Seinem persönlichen Vorteil. Am Ende Seines irdischen Lebens konnte Er sagen zu Seinem Vater: „Ich habe Dich verherrlicht auf der Erde, das Werk habe Ich vollbracht, welches Du Mir gegeben hast, daß Ich es tun sollte.“ Nun hätte Er als der reine, vollkommene Gottessohn von Gethsemane in den Himmel fahren können. Aber Er wollte den Willen Seines Vaters bis zum Ende erfüllen. „Dies Gebot habe Ich von Meinem Vater empfangen“, daß „Ich Mein Leben lasse für Meine Schafe.“ (Joh 10; Phil 2,8) Angesichts eines solchen Gehorsams nimmt sich ein Vergleich mit unserem menschlichen Gehorsam kläglich und beschämend aus. Wir haben recht nötig, uns zu prüfen, ob und in welchem Grad das Wort Gottes maßgebend ist für unseren Lebenswandel, unser Tun und unser Unterlassen. Wir sagen wohl: „Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege“ und denken, so sollte es sein. Aber Gott will, daß es so ist, daß wir Täter des Wortes sind. Der Gehorsam gegen Gott bringt uns in ein ganz persönliches Verhältnis zu dem Vater, oder vielmehr ist dieses Verhältnis schon vorher da und verwirklicht sich im Tun des Willens Gottes.
B.
(Forts. folgt s G. w).